Titel:
Kein Übergang der Grabpflege als höchstpersönliche Auflage an den Erben des Beauflagten
Normenketten:
BGB § 1922 Abs. 1, § 1939, § 1940, § 2161, § 2167, § 2192
ZPO § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die testamentarisch angeordnete Belastung eines Vermächtnisnehmers mit der Grabpflege ist eine höchstpersönliche Auflage, die mit dem Tod des Vermächtnisnehmers nicht auf dessen Erben übergeht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 27 Abs. 1 ZPO aufgezählten Rechtsverhältnisse sind weit auszulegen. Sie umfassen auch Streitigkeiten um eine testamentarisch angeordnete Grabpflege. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Entspringt die testamentarisch angeordnete Grabpflege einer sittlichen Verpflichtung des Beschwerten aufgrund seiner familiären Bindung zum Erblasser, so ist diese Auflage im Zweifel höchstpersönlich und geht daher nicht auf den Erben des Beschwerten über. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grabpflege, Auflage, Erbe, höchstpersönlich, familiäre Bindung
Fundstellen:
ErbR 2024, 314
FuR 2024, 347
BeckRS 2023, 32676
ZEV 2024, 376
LSK 2023, 32676
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Grabpflege.
2
Der Kläger ist einziger Sohn und Alleinerbe der am 29.05.2018 verstorbenen Frau …. („Erblasserin“), zuletzt wohnhaft Die Beklagten sind Erbinnen zu je 1/2 der am 15.01.2021 verstorbenen Frau ….. Nichte der Erblasserin.
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Mit privatschriftlichem Testament vom 28.03.2015, vorgelegt als Anlage 1 zur Klageschrift, traf die Erblasserin folgende letzwillige Verfügung:
„Meine Urne soll im elterlichen Grab in…. beigesetzt werden. Meiner Nichte […] vermache ich 8000 Euro (in W. achttaussend) für die Grabpflege.“
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Die Urne der Erblasserin wurde im Grab auf dem Friedhof der Stadt n, Feld ..., Reihe Nr. ..., beigesetzt. Nach dem Tod der Erblasserin wurde ein Betrag von 8.000,00 € an Frau K. ausgezahlt. Die Nutzungsdauer der Grabstätte wurde im Jahr 2021, nach der Beisetzung der Urne der Frau K., verlängert und läuft aktuell zum 15.03.2030 aus. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung endete das Grabnutzungsrecht zu einem früheren Zeitpunkt.
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Mit Schreiben vom 18.05.2021 (vorgelegt als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 12.06.2023) wandte sich der Kläger an die Beklagten und bat sie in ihrer Eigenschaft als Erbinnen der Frau …. um die weitere Grabpflege. Mit Nachricht vom 20.05.2021, vorgelegt als Anlage K3 zur Klageschrift, schrieb die Beklagte zu 2) unter Bezugnahme auf das klägerische Schreiben an die Cousine des Klägers, B. B., und lehnte die weitere Durchführung der Grabpflege ab. Der Kläger wandte sich daraufhin an seinen Prozessbevollmächtigten, der die Beklagten mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27.10.2021, vorgelegt als Anlage B2, darauf hinwies, dass das Vermächtnis und die Auflage aus dem Testament der Erblasserin seiner Auffassung nach mit dem Tod der Frau K. auf die Beklagten in ihrer Eigenschaft als deren Erbinnen übergegangen sei. Nach weiterem Schriftwechsel der jeweiligen Prozessbevollmächtigten teilte die Beklagtenvertreterin mit Schreiben vom 02.02.2022, vorgelegt als Anlage zum Klägerschriftsatz vom 24.02.2023, mit:
Meine Mandantinnen erklären sich bereit, das Grab bis zum Ende des Nutzungsrechts am 15.03.2030 gemeinsam zu pflegen. Dies umfasst die Anpflanzung, laufende Pflege der Bepflanzung und das regelmäßige Gießen.“
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Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 03.03.2022 ließ der Kläger erklären, dass er weiterhin auf dem Abschluss eines Grabpflegevertrages bestehe.
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Im Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 03.08.2022 heißt es sodann:
„Meine Mandantinnen erklären sich abschließend nun bereit, um die Angelegenheit beizu- legen, das Grab bis zum 30.06.2026 zu pflegen.“ Weitere Zugeständnisse würden nicht mehr gemacht. Sollte der Kläger anderer Ansicht sein, werde Klageeinreichung anheimgestellt.
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Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, bei der testamentarischen Geldzuwendung im Testament der Erblasserin vom 28.03.2015 handele es sich um ein Vermächtnis mit Auflage, nicht um einen Kostenvorschuss. Dieses Vermächtnis sei mit dem Tod der Frau … auf die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Erbinnen der Frau … gemäß §§ 2161,2187 Abs. 2 BGB, hilfsweise nach §§ 1922,1967 BGB, übergegangen und sei nicht auf einen bestimmten Zeitraum oder ein bestimmtes Kostenvolumen begrenzt. Nachdem die Beklagten ihre Verpflichtung zur Grabpflege über den 31.12.2026 hinaus bestreiten ließen, habe der Kläger in seiner Eigenschaft als Erbe und damit Rechtsnachfolger der Erblasserin auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO daran, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Grabpflege bis zum 15.03.2030 durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Die Begrenzung der Verpflichtung der Beklagten aus der streitgegenständlichen Auflage auf ein bestimmtes Datum, insbesondere auch auf den 31.12.2026, sei ohne jede Grundlage. Der 15.03.2030 sei auch nicht so weit zeitlich entfernt, dass eine Fortdauer der Bindung der Beklagten an die Auflage bis dahin unbillig wäre. Zudem handele es sich bei dem Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 02.02.2022 um eine unbedingte und uneingeschränkte verbindliche Verpflichtungserklärung, mit der die aus dem Testament der Erblasserin hervorgehende Auflage nochmals bestätigt werde. Die Beklagten müssten sich an der für sie abgegebenen Erklärung festhalten lassen.
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Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind, das Grab auf dem Friedhof der Stadt Feld ..., Reihe Nr. ..., bis zum 15.3.2030 gemäß der Auflage im Testament vom 28.3.2015 der am 29.5.2018 verstorbenen Frau … zu pflegen.
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Die Beklagten beantragen,
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Die Beklagten sind der Auffassung, das Vermächtnis sei so zu verstehen, dass die Erblasserin die Grabpflege durch persönlich wünsche und ihr hierfür einen Betrag von 8.000,00 € zur Verfügung stelle. Es sei ihr im Wesentlichen darum gegangen, dass sich R. K. um die Grabpflege kümmere und nicht um die Erfüllung der Grabpflege bis zum Ende des Grabnutzungsrechts. Der Erblasserin sei es nicht darum gegangen, dass die Grabpflege durch andere, ihr nicht bekannte Personen nach dem Ableben von weitergeführt werde. Selbst wenn man aber von einem Übergang der Verpflichtung aus dem Vermächtnis der Erblasserin auf die Beklagten ausgehen wollte, so sei der aus dem Vermächtnis zur Verfügung stehende Geldbetrag von 8.000,00 € spätestens bis Mitte des Jahres 2024 aufgebraucht, sodass eine Grabpflege ab diesem Zeitpunkt nicht mehr geschuldet wäre. Der Kläger sei in der vorgerichtlichen Korrespondenz selbst davon ausgegangen, dass der Betrag von 8.000,00 € eine Begrenzung der Höhe nach für die Grabpflegekosten sei. Folglich seien die bislang angefallenen Grabpflegekosten gegenzurechnen. Das Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 02.02.2022 habe lediglich ein Angebot zur Einigung dargestellt, nachdem der Kläger auf dem Abschluss eines Dauergrabpflegevertrages bestanden habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 15.09.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die Klage ist zulässig.
15
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts München ergibt sich aus § 27 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift erfasst alle Ansprüche aus den in der Norm aufgezählten Rechtsverhältnissen unabhängig von deren Inhalt. § 27 ZPO ist dabei weit auszulegen, um sicherzustellen, dass der Normzweck, alle einen bestimmten Erbfall betreffenden Streitigkeiten einheitlich an einem sachnahen Gericht zu konzentrieren, erreicht wird (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06.05.2022 – 2 AR 7/22 –, Rn. 21, juris m.w.N.). Streitgegenständlich sind behauptete Ansprüche, die aus einer testamentarischen Verfügung der Erblasserin mit letztem Wohnsitz in München abgeleitet werden. Damit ist die Zuständigkeit des hiesigen Amtsgerichts eröffnet.
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Das notwendige Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO folgt aus der Tatsache, dass die Beklagten eine Verpflichtung zur Grabpflege in der vorgerichtlichen Korrespondenz – zumindest über den Zeitpunkt 31.12.2026 hinaus – in Abrede gestellt haben. Im Falle einer aus einer testamentarischen Auflage resultierenden Verpflichtung der Beklagten hätte der Kläger gemäß § 2194 ZPO einen Anspruch auf Vollziehung.
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Die Klage ist nicht begründet.
18
Die vom Kläger geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
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1. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers besteht nicht.
20
Zwar könnten sowohl das Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 02.02.2022 als auch das Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 03.08.2022 als Angebot zum Abschluss eines abstrakten Schuldanerkenntnisvertrages ansehen werden. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrags gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 145 ff. BGB. Erforderlich sind mithin Abgabe und Zugang zweier korrespondierender Willenserklärungen (MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 780 Rn. 12). Der Kläger hat die jeweiligen Angebote allerdings nicht, auch nicht konkludent, angenommen, sondern im Gegenteil weiterhin auf dem Abschluss eines Grabpflegevertrages bestanden. Eine vertragliche Einigung kam damit nicht zustande.
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2. Auch eine erbrechtliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
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a) Die testamentarische Verfügung der Erblasserin ist als Vermächtnis zu Gunsten ihrer Nichte R. K. verbunden mit der Auflage, die Grabpflege des Familiengrabes zu besorgen, auszulegen, §§ 1939, 1940 BGB.
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b) Der Kläger ist jedoch nicht nach § 2194 BGB zur zwangsweisen Durchsetzung der Auflage berechtigt, denn die Auflage ist weder nach §§ 2161, 2187 Abs. 2 ZPO noch nach § 1922 BGB auf die Beklagten übergegangen.
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aa) Die Beklagten sind nicht nach §§ 2192, 2161 BGB an die Stelle ihrer Freundin R. K. getreten. Sie müssen somit nicht die Auflage erfüllen. Denn § 2161 Satz 2 BGB meint mit „Wegfall“ des Beauflagten dessen Tod vor Eintritt des Erbfalls (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 4. 4. 2001 – 8 U 577/00, OLG-NL 2001, 199, beck-online). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2167 Satz 1 BGB, der darauf abstellt, dass der Beschwerte nicht Vermächtnisnehmer wird. Um den Anwendungsbereich des § 2167 BGB zu eröffnen, darf das Vermächtnis folglich nicht angefallen sein. Dies war vorliegend aber unstreitig der Fall.
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Im Übrigen entsprach eine entsprechende Verpflichtung der Freundinnen ihrer Nichte, welche in keinerlei persönlichem oder verwandtschaftlichen Verhältnis zur Erblasserin standen, nicht dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin, § 2167 Satz 1 BGB, sodass das Vermächtnis (samt Auflage) auch im Falle des Vorversterbens der Frau K. entfallen wäre.
26
bb) Auch ein Übergang der Verpflichtung aus der Auflage auf die Beklagten im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nach Frau K. nach §§ 1922 ff. BGB hat nicht stattgefunden. Bei der Auflage handelt es sich um eine testamentarische Anordnung, mit welcher Erben oder Vermächtnisnehmer beschwert werden können. Die mit der Auflage verbundene Verpflichtung ist grundsätzlich passiv vererblich, sofern die Auflage nicht höchstpersönlichen Charakter hat und nur ganz bestimmte Beschwerte treffen soll (vgl. Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2192 Rn. 2 m.w.N.). Letzteres ist aber vorliegend der Fall. Die Grabpflege entspringt einer sittlichen Verpflichtung der Hinterbliebenen. Die Erblasserin hat die Grabpflege ihrer Nichte als Familienangehöriger übertragen, die aufgrund der familiären Verbindung zur Erblasserin und der Tatsache, dass auch ihre Eltern dort bestattet sind, einen besonderen Bezug zur Grabstelle hatte. Dass die Erblasserin auch die Erben ihrer Nichte, die sie nicht kannte (und von denen sie vor Eintritt des Erbfalls nach Frau K. nicht wissen konnte, dass diese Erbinnen der Frau K. werden würden), und die in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Erblasserin oder ihrer Nichte stehen, durch die testamentarische Verfügung binden und zur Pflege ihrer Familiengrabstätte verpflichten wollte, ohne dass ihr bekannt gewesen wäre, in welcher Art und Weise die Beklagten dieser Verpflichtung nachkommen würden, entsprach gerade nicht dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin. Damit handelt es sich vorliegend um eine höchstpersönliche Auflage, welche nicht nach §§ 1922 ff. BGB auf die Beklagten übergegangen ist.
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3. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
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Die Klage war nach alledem abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.