Titel:
Anwendungsbereich des sog. Baurisikoausschlusses in der Rechtsschutzversicherung
Normenkette:
ARB 2010 § 3 Abs. 1 lit. d
Leitsätze:
1. Laut § 3 Abs. 1b cc ARB besteht kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer oder einer mitversicherten Personen nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles bzw. einer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung an einer nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Immobilie oder baulichen Anlage stehen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der im Streitfall verwendeten Klausel ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar zu entnehmen, dass ein wie auch immer gearteter Zusammenhang mit einem Baurisiko nicht erforderlich ist, sondern vielmehr ein sachlicher Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft einer Immobilie ausreicht. Ein solcher dürfte ohne weiteres gegebenen sein, wenn ein Makler im Hinblick auf dieses tatsächlich existierende Veräußerungsgeschäft Ansprüche auf Maklerlohn geltend macht. Darauf, ob diese berechtigt sind oder nicht, kann es hingegen nicht ankommen. (Leitsätze der Redaktion) (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein in den Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung statuierter Risikoausschluss, nach dem kein Rechtsschutz "für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ..., die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer oder mitversicherten Personen nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles bzw. einer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung an einer nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Immobilie oder baulichen Anlage stehen", erfasst auch die Geltendmachung von Deckung für die Abwehr einer Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers wegen einer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Immobilie stehenden Maklerprovision. (Rn. 2 und 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Baurisikoausschluss, Provision, Makler
Vorinstanz:
AG Fürth, Endurteil vom 15.03.2023 – 310 C 1357/22
Fundstellen:
BeckRS 2023, 32571
r+s 2024, 70
LSK 2023, 32571
Tenor
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 15.03.2023 (Az.: 310 C 1357/22) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Entscheidungsgründe
1
I. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer ... eine Rechtsschutzversicherung (Anlage B1). Einbezogen wurden die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsversicherung der ÖRAG – gültig ab 01.10.2009“ (Anlage B2).
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Unter § 3 dieser ARB werden in nummerischer Auflistung sämtliche vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten aufgezählt. Hierzu gehört, dass gem. § 3 Abs. 1b cc Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen besteht, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer oder mitversicherten Personen nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles bzw. einer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung an einer nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Immobilie oder baulichen Anlage stehen.
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Unter dem 15.09.2022 wurde der Klägerin von der ...er und Immobilien GmbH in Erlangen „für die Aufbereitung, Gesamtauslagen, Abwicklung und Vermittlung ihres Anwesens in der Hauptstraße 40 in 90547 Stein“ ein Provisionsbetrag von 13.209,00 € (brutto) in Rechnung gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K1 umfassend Bezug genommen.
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Die Klägerin beauftragte ihren Prozessbevollmächtigten mit der Abwehr dieses Anspruches und begehrt nun von der Beklagten, dass diese Deckung für außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.134,55 € brutto abzgl. der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 250,00 € übernimmt.
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Sie beantragte erstinstanzlich daher:
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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 884,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.09.2022 zu bezahlen.
7
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 15.03.2023 (Az.: 310 C 1357/22) die Klage abgewiesen. Es hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass sich die ... er und Immobilien GmbH eines Anspruchs berühmt, der mit dem Verkauf des Anwesens Hauptstraße 55 in 90547 Stein in Zusammenhang stehe.
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Unter Vertiefung ihrer erstinstanzlich vorgebrachten Argumente wendet sich die Klägerin gegen das Urteil und beantragt:
- 1.
-
Das Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 15.03.2023, Az.: 310 C 1357/22 wird abgeändert.
- 2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 884,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.09.2022 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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II. Die – zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung kann keinen Erfolg haben.
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Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen amtsgerichtlichen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem in dem angefochtenen Urteil dargelegten Tatbestand auszugehen.
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Die Berufung trägt auch keine Umstände dafür vor, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Das angefochtene Urteil stellt sich vielmehr als zutreffend dar.
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Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil wird zunächst verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
1. Versicherungsbedingungen sind ausgehend vom Wortlaut so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (vgl. nur BGH, Urteil vom 20.07.2016, Az.: IV ZR 245/15 = r+s 2016, 462). Risikoausschlüsse sind eng auszulegen. Das Interesse des Versicherungsnehmers geht regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der Anwendungsbereich von Ausschlüssen darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. nur Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 12 m.w.N.).
Anerkannt ist ferner, dass Grundlage der Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalles allein das Vorbringen des Versicherungsnehmers ist. Maßgeblich sind die objektiven, tatsächlichen Umstände, auf die er sein Rechtsschutzbegehren, vor allem die angebliche Verletzung von rechtlichen Pflichten seines Gegners, stützt. Daher kommt es für die Gewährung von Rechtsschutz nicht darauf an, ob ein solcher Verstoß tatsächlich vorgelegen hat, oder ob er wenigstens beweisbar erscheint, sondern allein darauf, ob eine entsprechende Behauptung aufgestellt worden ist. Das gilt auch für den Passivprozess: Begehrt der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Abwehr von Ansprüchen, die ein Dritter gegen ihn erhebt, ist gleichfalls maßgeblich, welchen Rechtsverstoß er seinem Gegner anlastet, also weshalb er sich ungerechtfertigt in Anspruch genommen sieht. Auch insoweit kommt es allein auf die (behaupteten) Tatsachen an, mit denen er sein Begehren nach Rechtsschutz begründet (vgl. zum Vorstehenden Langheid/Rixecker/Rixecker, 7. Aufl. 2022, VVG § 125 Rn. 10 m.w.N.).
2. Vor diesem Hintergrund kam das Amtsgericht zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Angelegenheit vom Risikoausschluss des § 3 Abs. 1b cc ARB erfasst ist:
Unstreitig hatte die Klägerin am 29.04.2022 ein Anwesen in der Hauptstraße 40 in 90547 Stein verkauft. Die Rechnung der ... er und Immobilien GmbH vom 15.09.2022, welche die Klägerin der Beklagten im Rahmen der Deckungsanfrage vom 23.09.2022 auch vorgelegt hatte, nahm auf dieses Verkaufsgeschäft ausdrücklich Bezug. Damit wurde gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, dass die Klägerin Deckung für die Abwehr einer Inanspruchnahme durch ... und Immobilien GmbH begehrt, die ausdrücklich Zusammenhang mit dem Verkauf der Immobilie stehen dürfte. Der Verkauf der Immobilie dürfte mithin zu einer typischen Risikoerhöhung geführt haben, die sich durch die Provisionsforderung der ...er und Immobilien GmbH – gleich, ob sie berechtigt oder unberechtigt war – verwirklicht haben dürfte.
Der Zusammenhang zum Immobiliengeschäft wurde dadurch noch verstärkt, dass die Klägerin, wie ihre Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten im Schreibe vom 23.09.2023 (Anlage K3) einräumten, einem Mitarbeiter eine ... ien GmbH unter dem 22.03.2020 – also kurz vor dem betreffenden Immobiliengeschäft – tatsächlich bevollmächtigt hat, „Informationen und Unterlagen“ bei der Stadt Stein zu beschaffen. Die ... ien GmbH weist dabei den gleichen Sitz und Geschäftsführer wie die ... er und Immobilien GmbH auf.
Soweit sich die Klägerin zur Stützung ihrer gegenläufigen Ansicht auf Literaturstellen bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass die im Streitfall vereinbarten Ausschlussklausel einen anderen Wortlaut haben als etwa die Bestimmung in § 3 (1) a) aa) AUB 2010. Der im Streitfall verwendeten Klausel ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar zu entnehmen, dass ein wie auch immer geartete Zusammenhang mit einem Baurisiko nicht erforderlich ist, sondern vielmehr ein sachlicher Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft ausreicht. Ein solcher dürfte ohne weiteres auch aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers gegebenen sein, wenn ein Makler im Hinblick auf dieses tatsächlich existierende Veräußerungsgeschäft Ansprüche auf Maklerlohn geltend macht. Darauf, ob diese berechtigt sind oder nicht, kann es hingegen auch nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht ankommen.
3. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
Vorsitzender Richter am Landgericht