Titel:
Maklerprovision und Ausschluss des Veräußerungsrisikos in der Rechtsschutzversicherung
Normenketten:
ARB 2009 § 3 Abs. 1 lit. b lit. cc
BGB § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz:
Für die Abwehr eines Maklerprovisionsanspruchs besteht in der Rechtsschutzversicherung kein Deckungsschutz, wenn durch die ARB Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines Grundstücks ausgeschlossen sind, unabhängig davon, ob der Provisionsanspruch besteht oder nicht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Risikoausschluss, Veräußerungsrisiko, Maklerprovisionsanspruch
Rechtsmittelinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Hinweisbeschluss vom 24.10.2023 – 8 S 2106/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 32570
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 884,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund einer Privatrechtsschutzversicherung.
2
Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 02.01.2013 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag im Rahmen des Privatrechtsschutzes mit der Versicherungsnummer …. Dem lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Ö..., gültig ab 01.10.2009, zugrunde. Unter § 3 der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten) war vereinbart, dass
„Rechtsschutz … nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen [besteht]
cc) dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer oder mitversicherten Personen nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils bzw. einer mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung an einer nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Immobilie oder baulichen Anlage“.
3
Nach einem Verkauf des Anwesens … an die Stadt Stein erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2022 der … und I. GmbH in Er... für die „Aufbereitung, Abwicklung und Vermittlung“ des Anwesens … Stein eine Provisionsrechnung in Höhe von 13.209,00 €. Die Klägerin wandte sich daraufhin an ihre anwaltliche Vertretung, der die Forderung mit Schreiben vom 22.09.2022 als unbegründet zurückwies und mit weiterem Schreiben vom 23.09.2022 die Beklagte bat, kostendeckenden Rechtsschutz zu gewähren. Zugleich erhielt die Beklagte eine Kostenaufstellung in Höhe von 884,55 € für die außergerichtliche Tätigkeit der anwaltlichen Vertretung der Klägerin, wobei der mit der Beklagten vereinbarte Selbstbehalt in Höhe von 250,00 € bereits berücksichtigt wurde. Mit Verweis auf § 3 Abs. 1 b) cc) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung wies die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.2022 die Forderung zurück und teilte mit, dass für diese Angelegenheit kein kostendeckender Rechtsschutz zur Verfügung gestellt werden könne.
4
Die Klägerin ist der Ansicht, Anspruch auf die Rechtsschutzzusage sowie Bezahlung der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 884,55 € zu haben. Mit dem Verkauf des Grundstückes an die Stadt Stein habe die … und I. GmbH nämlich nichts zu tun. Die Firma berühme sich vielmehr eines Anspruchs, der ihr nicht ansatzweise zustehe. Es handle sich damit um einen Vorgang, der in keinem Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks stehe und daher nicht der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 1 b cc) ARB unterfalle.
5
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 884,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.09.2022 zu bezahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
7
Sie trägt vor, dass eine wie auch immer geartete Maklerprovision und ein Maklervertrag, sei er nun geschlossen oder nicht, im Zusammenhang mit der Veräußerung von einem nicht selbst zu Wohnzwecken genutzten Gebäude stehe. Zweck der Klausel sei, solche Streitigkeiten auszuschließen, die typischerweise mit dem Erwerb eines Grundstücks verbunden sind und den Grundstückskauf vom Massenkauf beweglicher Sachen unterscheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der dazu eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß §§ 215 VVG, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG zulässig bei dem Amtsgericht Fürth erhobene Klage ist unbegründet.
10
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag, da sich die Beklagte insoweit zu Recht auf den Leistungsausschluss nach § 3 Abs. 1 b) cc) der Allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) berufen kann.
11
Bei dem hier im Streit stehenden Anspruch aus einer Maklertätigkeit handelt es sich um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit der Veräußerung eines von der Klägerin veräußerten Grundstücks. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der von der … und I. GmbH ihr gegenüber geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht oder nicht, da es hierauf nicht ankommt. Entscheidend allein ist, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch, den sich die F… und I. GmbH berühmt, um einen solchen handelt, der mit dem Verkauf des Anwesens H.straße 55 in 9... S. in Zusammenhang steht. Dass dies der Fall ist, ergibt sich unzweifelhaft aus der Rechnung der … und I. GmbH vom 15.09.2022, aus der sich entnehmen lässt, dass die Rechnung für die „Aufbereitung samt Auslagen, Abwicklung und Vermittlung … [des] Anwesens in der H.straße 40 in 9... S.“ gestellt wird. Ohne dieses Veräußerungsgeschäft wäre keine tragfähige Grundlage für die Behauptung einer „Abwicklung und Vermittlung“ gegeben. Bei der behaupteten Maklertätigkeit handelt es sich um ein mit dem Veräußerungsgeschäft zusammenhängendes, also dieses ermöglichendes und unterstützendes Rechtsgeschäft (vgl. dazu auch Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 37); denn unabhängig davon, ob der Anspruch besteht oder nicht, handelt es sich dabei um einen Rechtsakt, der typischerweise in Verbindung mit einem Grundstückskauf steht. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist weder ein unmittelbarer noch ein ursächlicher Zusammenhang gefordert. Ausreichend ist allein überhaupt ein „Zusammenhang mit … cc) dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer … nicht selbst zu Wohnzwecken dauerhaft genutzten Grundstückes …“. Dies ist hier der Fall.
12
Die dem Leistungsausschluss zugrundeliegende Regelung in § 3 Abs. 1 b) cc) ist auch weder überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB noch wegen unangemessener Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB unwirksam.
13
Eine überraschende Klausel liegt nur dann vor, wenn eine Vertragspartei vernünftigerweise nicht mit einer derartigen Klausel rechnen musste oder die Klausel sich nicht im Rahmen dessen bewegt, was normalerweise von einer solchen Klausel zu erwarten wäre. Anhaltspunkten dafür bestehen vorliegend nicht. § 3 ARB ist eindeutig mit „Ausgeschlossenen Rechtsangelegenheiten“ überschrieben. Vor dem Abschluss des Vertrages konnte die Klägerin als Verbraucherin abschätzen, ob sie den Versicherungsvertrag zu den vorgenannten Konditionen abschließen möchte oder nicht. Darüber hinaus ist die Verwendung von Risikoausschlussklauseln in Versicherungsbedingungen bei Rechtsschutzversicherungsverträgen auch üblich. Anhaltspunkte dafür, dass der Leistungsumfang so weit eingeschränkt wäre, dass der Vertragszweck gefährdet ist, liegen nicht vor.
14
Die Klausel benachteiligt die Klägerin auch nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist aus diesen Gründen unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dabei ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien möglichst präzise, klar und durchschaubar darzustellen. Die Klausel muss ihrer Formulierung nach für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht nur verständlich sein, sondern auch die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2007 – IV ZR 252/06 –, juris; BGH, Urteil vom 30. September 2009 – IV ZR 47/09 –, juris). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen und es kommt entscheidend darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss (vgl. auch Harbauer/Maier, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 3 Rn. 11; BGH, Urteil vom 26. September 2007 – IV ZR 252/06 –, juris).
15
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar ist, dass der in §§ 1 und 2 ARB zugesagte Rechtsschutz durch die Regelung in § 3 ARB eingeschränkt werden soll. Dem Wortlaut der gesamten Ausschlussklausel nach ist auch sowohl zu erkennen, dass es der Beklagten darum geht, die zugesagte Interessenwahrnehmung für solche Risiken auszuschließen, die zu besonders kostenträchtigen und häufigen Rechtsstreitigkeiten führen, als auch, dass dies aus Gründen der Prämienkalkulation erfolgt. Es ist erkennbar, dass die Beklagte für Rechtsfälle im Zusammenhang mit den genannten Geschäften keinen Rechtsschutz übernimmt. Die Einschaltung eines Maklers ist ein solches Rechtsgeschäft, das typischerweise in Verbindung mit einem Grundstückskauf steht. Dies ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch bekannt, sodass sich aus § 3 Abs. 1 b) cc) ARB 2009, der unmissverständlich formuliert ist und keine auslegungsbedürftigen Begriffe, die interpretationsfähig oder interpretationsbedürftig wären, enthält, ergibt, dass vorliegend auch Rechtsstreitigkeiten, die mit der Veräußerung im Zusammenhang stehen, wie hier das behauptete Maklergeschäft, von dem Rechtsschutz ausgenommen sind. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Mangels Hauptsacheanspruchs bestand auch kein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Nebenforderung (Verzugzinsen).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.