Inhalt

LG Amberg, Beschluss v. 31.10.2023 – 12 Qs 74/23
Titel:

Keine Korrektur einer fehlerhafter Gesamtstrafenbildung durch eine selbstständige Einziehung 

Normenkette:
StGB § 55 Abs. 2, § 76a Abs. 1
Leitsätze:
Die versehentliche nicht Aufrechterhaltung einer Einziehung in einem Gesamtstrafenbeschluss ist der versehentlichen Nichtanordnung der Einziehung nicht gleichzusetzen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat ein Strafgericht in einem rechtskräftigen Erkenntnis eine (Freiheits-)Strafe verhängt und die Einziehung von Wertersatz angeordnet und bezieht ein anderes Strafgericht die Rechtsfolgen dieses Strafurteils nach § 55 StGB in seinen Rechtsfolgenausspruch ein, versäumt aber versehentlich, die Aufrechterhaltung der Einziehung zu tenorieren, so ist ein nachfolgendes selbstständiges Einziehungsverfahren ausgeschlossen. Denn iSd § 76a Abs. 1 S. 3 StGB ist in diesem Fall bereits über die Einziehung "entschieden worden". (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gesamtstrafenbildung, Einziehung, Versäumung, Aufrechterhaltung, Vergessen, Einziehungsentscheidung, selbstständiges Einziehung, nachträgliche Korrektur, Rechtsmittel
Vorinstanz:
AG Amberg, Beschluss vom 17.07.2023 – 11 Ds 148 Js 1064/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 32447

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 17.07.2023 wird dieser aufgehoben.
2. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2.115,50 € im selbständigen Einziehungsverfahren anzuordnen, wird zurückgewiesen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen, zu tragen.

Gründe

I.
1
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Amberg vom 22.08.2022, Aktenzeichen 14 Cs 148 Js 1344/21, rechtskräftig seit 27.09.2022, wurde der Betroffene rechtskräftig wegen veruntreuender Unterschlagung in 52 Fällen verurteilt. Er wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es wurde überdies eine Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2115,50 € gemäß §§ 73, 73 c StGB angeordnet.
2
Der Betroffene wurde im Verfahren Aktenzeichen 4 Cs 130 Js 10754/21, durch das Amtsgericht Bayreuth mit Strafbefehl vom 17.11.2021 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Der Strafbefehl ist rechtskräftig seit dem 08.12.2021.
3
Am 29.11.2022 erging im Verfahren Aktenzeichen 14 Cs 148 Js 1344/21 ein nachträglicher Gesamtstrafenbeschluss, mit dem die den vorgenannten Verurteilungen zugrundeliegenden Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten und 2 Wochen zurückgeführt wurden. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Bewährungsbeschluss aus der Entscheidung des Amtsgerichts Amberg vom 22.08.2022 blieb aufrechterhalten. Die Auflagen und Weisungen hieraus wurden aufrechterhalten. Die Maßregel(n)/Nebenstrafe (n)/Nebenfolge(n) aus der Entscheidung des Amtsgerichts Bayreuth vom 17.11.2021 wurde aufrechterhalten.
4
Eine Entscheidung nach § 55 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Entscheidung des Amtsgerichts Amberg vom 22.08.2022 erfolgte nicht, insbesondere erfolgte keine Entscheidung zur Aufrechterhaltung der Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 2115,50 €.
5
Mit Antragsschrift im selbstständigen Einziehungsverfahren, Aktenzeichen 11 Ds 148 Js 1064/23, vom 01.02.2023 beantragte die Staatsanwaltschaft Amberg, die Einziehung von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 2115,50 € anzuordnen.
6
Mit Beschluss vom 17.09.2023, auf den wegen seines Inhalts Bezug genommen wird, ordnete das Amtsgericht Amberg die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2115,50 € im selbstständigen Einziehungsverfahren an. Vorgenannte Entscheidung wurde dem Verteidiger des Betroffenen mit Empfangsbekenntnis vom 18.07.2023 zugestellt.
7
Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 25.07.2023, eingegangen am selben Tage, ließ der Betroffene hiergegen sofortige Beschwerde einlegen. Das Rechtsmittel wurde mit Schriftsatz vom 02.08.2023 begründet. Auf vorgenannten Schriftsatz wird wegen seines Inhalts verwiesen.
8
Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragte, das Rechtsmittel kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.
II.
9
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und auch sonst zulässig.
10
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht das Amtsgericht Amberg die Einziehung von Wertersatz im selbstständigen Einziehungsverfahren angeordnet. Der dahingehende Antrag der Staatsanwaltschaft Amberg war zurückzuweisen.
11
Es liegt der Ausschlussgrund gemäß § 76 a Absatz 1 Satz 3 StGB vor. Danach wird die Einziehung unter anderem dann nicht angeordnet, wenn bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist. Im vorliegenden Fall gibt es bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Einziehung. Das Amtsgericht Amberg hat mit Entscheidung vom 22.08.2022 bereits rechtskräftig über die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2115,50 € entschieden.
12
Zwar wurde im Zuge der Gesamtstrafenbildung diese Maßnahme nicht gemäß § 55 Abs. 2 StPO StGB aufrechterhalten. Diese fehlerhafte Gesamtstrafenbildung hat jedoch keinen Einfluss auf die rechtskräftige Einziehungsentscheidung des Amtsgerichts. Die versehentliche nicht Aufrechterhaltung einer Einziehung ist der versehentlichen Nichtanordnung der Einziehung nicht gleichzusetzen. Anders als bei einer vergessenen Einziehungsentscheidung im subjektiven Verfahren gibt es vorliegend eine begründete und rechtskräftige Entscheidung über die Einziehung, deren Rechtskraft durch die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung nicht beseitigt worden ist. Die andere Ansicht liefe darauf hinaus, eine nachträgliche Korrekturmöglichkeit für rechtskräftige Urteile zu schaffen. Belastbare Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit für nachträgliche Korrekturen fehlerhafter, aber wegen nicht eingelegter Rechtsmittel der Strafverfolgungsbehörden rechtskräftiger, Entscheidungen schaffen wollte, ergeben sich aber nicht. Die Möglichkeit einer solchen nachträglichen Fehlerkorrektur für rechtskräftige Entscheidungen im Sinne eines „Zweit-Chance-Verfahrens“ war durch die Regelung gemäß § 76 a StGB ersichtlich nicht beabsichtigt (Vergleiche zum Ganzen: Kammergericht, Beschluss vom 06.07.2022, Aktenzeichen 3 Ws 138/22).
III.
13
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.