Inhalt

VGH München, Urteil v. 25.10.2023 – 9 B 22.1461, 9 B 22.1462, 9 B 22.1464; 9 B 23.1177
Titel:

Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans für ein Wochenendhausgebiet

Normenketten:
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 76 S. 1
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
BauNVO § 10 (idF bis zum 26.1.1990)
Leitsätze:
1. Ein Bebauungsplan, der ein Wochenendhausgebiet festsetzt, ist noch nicht funktionslos geworden, wenn auf mindestens 87 Parzellen von insgesamt vorhandenen 121 Wochenendhausparzellen alleinige Wohnnutzung oder Hauptwohnnutzung stattfindet. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Sondergebiet Wochenendhausgebiet darf eine Gemeinde neben der Festsetzung der Grundfläche des Wochenendhauses (vgl. § 10 Abs. 3 S. 3 BauNVO 1977), Maßfestsetzungen nach §§ 16 ff. BauNVO 1977, den Ausschlüssen zu Nebenanlagen (vgl. § 14 BauNVO 1977) und den Festsetzungen zu Stellplätzen (vgl. § 12 BauNVO 1977) sowie Einfriedungen (vgl. Art. 91 BayBO 1982) insbes. auch Regelungen zum Ausschluss der Wohnnutzung im Keller- und Dachgeschoss treffen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückbauanordnungen, Bauliche Anlagen im Widerspruch zu Festsetzungen eines Bebauungsplans, Wochenendhausgebiet, Funktionslosigkeit (verneint), Bebauungsplan, Funktionslosigkeit, Kellergeschoss, Dachgeschoss, Abgrabung, Befreiung, Grundzüge der Planung
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 28.05.2019 – W 4 K 17.363
VG Würzburg, Urteil vom 28.05.2019 – W 4 K 17.364
VG Würzburg, Urteil vom 28.05.2019 – W 4 K 17.365
VG Würzburg, Urteil vom 28.05.2019 – W 4 K 17.366
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 26.06.2024 – 4 B 2.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 32080

Tenor

I.    Die Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Mai 2019 (Az. W 4 K 17.363, W 4 K 17.364, W 4 K 17.365 und W 4 K 17.366) werden aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.
II.    Die Kläger haben die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der jeweiligen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen ihnen gegenüber ergangene Beseitigungsanordnungen.
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Sie sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung …, welches auf einem ehemaligen Kiesgrubengelände im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Freizeitfläche S.Änderung 1“ vom 2. September 1983 liegt. Dieser Bebauungsplan setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein „Wochenendhausgebiet mit Freizeitbetrieb“ als Sondergebiet fest. Außerdem regelt er für Einzelhäuser: „1 Vollgeschoss zwingend. Kellergeschoss lichte Höhe 2,10 m, Grundfläche nicht größer als Erdgeschoss, keine Wohnräume zulässig, Lichtschächte Ausladung nicht größer als 60 cm. Wandhöhe bis 2,60 m über Gelände. Dachüberstände nicht größer als 50 cm. Satteldach Dachneigung 18 Grad bis 25 Grad. Kein Dachausbau erlaubt.“, „60 m² Grundfläche einschl. überdeckte Terrasse und Pergola.“ Des Weiteren setzt der Bebauungsplan u.a. fest: „Untergeordnete Nebenanlagen nach § 14 BauNVO sind nicht zulässig.“, „Kfz-Stellplätze und Garagen auf festgelegten Parkplätzen sowie im SO-Gebiet Freizeitbetrieb“, „Einfriedungen der Grundstücke innerhalb der Häusergruppen aus Holz oder Draht 0,40 m hoch“, „Einheitliche Einzäunung – nur soweit im Plan – mit Plankenzaun, 80 cm hoch, dunkle Naturton-Imprägnierung (Sadolin)“.
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Mit Bescheid vom 7. November 2001 erhielten die Kläger nach zunächst verhängter Baueinstellung eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Wochenendhauses auf dem besagten Baugrundstück nebst einer Befreiung hinsichtlich der Dachneigung (28 Grad statt 25 Grad). Die Baugenehmigung enthielt u.a. Nebenbestimmungen zur Auffüllung des Geländes bis zur Bezugsfertigkeit zur Herstellung einer Wandhöhe von maximal 2,60 m, zur lichten Kellerhöhe von maximal 2,10 m, die durch Bodenaufbau oder Deckenabhängung zu gewährleisten sei, und zum Nachweis eines Stellplatzes auf dem Garagengrundstück im Plangebiet. Unter „Auflagen und Bedingungen“ wird u.a. ausgeführt, dass Wohnräume im Keller nicht zulässig sind, das Wochenendhaus nicht zum dauerhaften Wohnen genutzt werden darf und ein Dachgeschossausbau sowie Stellplätze auf dem Baugrundstück unzulässig sind.
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Nachdem anlässlich einer Bestandsaufnahme im Jahr 2015 von Beklagtenseite festgestellt wurde, dass das Bauvorhaben abweichend von der erteilten Baugenehmigung errichtet worden war und genutzt wird, erging nach Anhörung der Bescheid des Landratsamts A. vom 6. März 2017, mit dem die Kläger aufgefordert wurden, das Gelände des Baugrundstücks bis spätestens zwölf Wochen nach Bestandskraft so weit aufzufüllen, dass die Wandhöhe des Wochenendhauses, unmittelbar gemessen an der Außenwand von Oberkante Sparren bis aufgefülltes Gelände maximal 2,90 m beträgt (Nr. 1 des Bescheids). Zudem wurde unter Nr. 2 angeordnet, binnen gleicher Frist die nachfolgenden Änderungen vorzunehmen:
a) die Ausladung der Kellerschächte darf nicht mehr als 0,60 m betragen,
b) der Dachgeschossausbau (zu Wohnzwecken) ist zurückzubauen,
c) Reduzierung der Grundfläche auf 60 m² durch die Beseitigung der Pergola,
d) Reduzierung der lichten Kellerhöhe auf 2,10 m.
e) Beseitigung der zwei Gebäude in Holzkonstruktion,
f) Beseitigung des giebelseitigen Flachdaches sowie des anschließenden Gebäudes in Holzkonstruktion.
g) Reduzierung der Einfriedung gemäß Bebauungsplan,
h) Beseitigung des Stellplatzes.
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Für den Fall der Nichtbeachtung wurden gemäß Nummer 3 des Bescheids jeweils Zwangsgelder angedroht. Nr. 4 enthält die Kostenentscheidung.
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Auf die hiergegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 6. März 2017 in vier Urteilen insgesamt aufgehoben, weil die bauliche Anlage zwar formell, nicht jedoch materiell rechtswidrig sei. Der gegenständliche Bebauungsplan sei funktionslos geworden. Dies gelte zunächst für die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung, nachdem im Dezember 2018 auf 85 von 121 Grundstücken alleinige Wohnungen und/oder Hauptwohnungen gemeldet gewesen seien und der Plan somit nicht mehr sicherstellen könne, dass für seinen Bereich nur die geringeren infrastrukturellen Anforderungen an ein Wochenendhausgebiet einschlägig seien. Eine Trendwende sei nicht ersichtlich, weil gegen das planwidrige Dauerwohnen nicht vorgegangen werde. Die Funktionslosigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung habe die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, weil insbesondere die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in untrennbarem Zusammenhang mit der Festsetzung eines Wochenendhausgebietes stünden. Nach den im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Erkenntnissen sei das Wohnhaus der Kläger im somit anzunehmenden unbeplanten Innenbereich zulässig.
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Auf den Antrag des Beklagten und des beigeladenen Marktes hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 8. Juni 2022 wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen.
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Der Beklagte begründet die Berufung im Wesentlichen damit, dass der Bebauungsplan nicht funktionslos geworden sei. Für den restriktiv zu bestimmenden Ausnahmefall des Außerkrafttretens eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit genüge es nicht, dass über längere Zeit (faktisch) von Festsetzungen des Plans abgewichen worden sei und deshalb teilweise Verhältnisse vorlägen, die den Festsetzungen des Plans nicht entsprächen. Rein tatsächliche Schwierigkeiten oder Widerstände bei der Durchsetzung plankonformer Zustände schlössen nicht aus, dass der Bebauungsplan seine städtebauliche Gestaltungsfunktion noch erfüllen könne. Vorliegend sei die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die Funktionslosigkeit eine entsprechende Genehmigungs- oder Duldungslage voraussetze, einzig geeignet, dem Ausnahmecharakter der Funktionslosigkeit hinreichend Rechnung zu tragen. Dem entsprechend gehe das Verwaltungsgericht fehl, wenn es aus der melderechtlichen Situation und den im Rahmen der Beweisaufnahme durch Augenschein gewonnenen Eindrücken von der Wohnsituation sowie dem Umstand, dass bislang keine Nutzungsuntersagungen ausgesprochen worden seien, die Funktionslosigkeit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung ableite. Insbesondere könne angesichts der ergangenen bauaufsichtlichen Verfügungen nicht davon ausgegangen werden, dass die Behörde „sich ohne Zweifel mit den Rechtsverletzungen abgefunden“ habe. Nutzungsuntersagungen seien bisher vor allem deshalb nicht ausgesprochen worden, weil die Möglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde, den Nachweis einer Dauerwohnnutzung zu führen, begrenzt seien. Die Reduzierung der Wohn- und Nutzflächen mittels Rückbauverpflichtung sei deshalb vorzugswürdig. Nutzungsuntersagungen habe sich die Behörde überdies vorbehalten und insbesondere bei gewerblicher Nutzung zum Teil auch in Angriff genommen. In Einzelfällen habe dies zum Erfolg geführt. Zudem enthalte die Baugenehmigung vom 7. November 2001 – wie generell – die „Auflagen“, dass das Wochenendhaus nicht zum dauerhaften Wohnen genutzt werden dürfe und der Ausbau des Dachgeschosses unzulässig sei. Soweit im Bebauungsplangebiet Befreiungen erteilt worden seien, handele es sich um Einzelfälle und geringfügige Abweichungen, die städtebaulich vertretbar seien. Diese bezögen sich zudem auf unterschiedliche Festsetzungen des Bebauungsplans, sodass zu keiner Zeit das Bild habe entstehen können, von einer bestimmten Festsetzung sei grundsätzlich eine Befreiung erteilt worden und es bestehe an der Einhaltung kein Interesse mehr. Dasselbe ergebe sich hinsichtlich der „Amnestie“ im Jahr 1992. Diese habe sich nur auf Grundstücke mit dem darauf befindlichen Bestand bezogen, die jeweils Gegenstand eines anhängigen Verwaltungsverfahrens gewesen seien. Seitdem seien erneute Vorstöße unternommen worden, um rechtmäßige Zustände im Plangebiet herzustellen. Es sei nur eingeschränkt vorhandenen personellen Ressourcen geschuldet, dass bislang nicht alle baurechtswidrigen Zustände aufgegriffen worden seien.
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Selbst wenn die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung funktionslos sei, habe dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der übrigen Festsetzungen. Es bestehe keine untrennbare Verbindung zwischen der Gebietsfestsetzung als Wochenendhausgebiet und den Festsetzungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung. Diese Auffassung habe auch das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungen vom 10. November 2009 (W 4 K 08.1965, W 4 K 08.1680, W 4 K 08.1934, W 4 K 09.168, W 4 K 09.20) vertreten.
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Der Beklagte hat in allen Verfahren jeweils beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Mai 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene begründet seine Berufung ebenfalls damit, dass der maßgebliche Bebauungsplan nicht funktionslos geworden sei. Im Einklang mit der Rechtsprechung mehrerer Oberverwaltungsgerichte sei eine behördliche Mitwirkung oder Duldung zwingende Voraussetzung für das Außerkrafttreten von Bebauungsplänen durch Funktionslosigkeit. Das faktische Abweichen von Festsetzungen des Planes genüge nicht. Eine Trendwende hin zur Unterbindung des Dauerwohnens sei durch das hiesige und weitere anhängige Verfahren betreffend Rückbau- oder Beseitigungsanordnungen eingeleitet. Es sei auch nach wie vor für einen objektiven Beobachter erkennbar, dass das Gebiet „Freizeitfläche S.“ der Wochenendnutzung diene, zumal hierfür die dementsprechend eingeschränkte Erschließungssituation spreche. Zumindest führe die Funktionslosigkeit der Festsetzung als Wochenendhausgebiet nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Folgte man dem nicht, wäre jedenfalls die Erschließung des Vorhabens nicht gesichert, weil das Baugrundstück nur über lediglich eingeschränkt nutzbare Privatwege erschlossen sei.
12
Der Beigeladene hat in allen Verfahren jeweils beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Mai 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger haben jeweils beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
14
Der Bebauungsplan sei infolge der „Amnestie“ im Jahr 1992, weiterer Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans, auch in jüngster Zeit, der Zulassung von Hauptwohnsitzen und der Untätigkeit der Verwaltung des Beklagten sowie des Beigeladenen funktionslos. Das streitgegenständliche Gebiet werde nahezu vollständig von Eigentümern und Bewohnern als Hauptwohnsitz genutzt. Zweitwohnungsnutzer gebe es nur „geringfügig“. Nutzungsuntersagungen seien jedenfalls seit der „Amnestie“, von der seinerzeit nicht alle Eigentümer informiert gewesen seien, nicht ausgesprochen worden. Der Beigeladene sei gegen Dauerwohnnutzung nicht eingeschritten und beabsichtige dies auch künftig nicht. Anlässlich des erstinstanzlichen Augenscheintermins im Jahr 2018 habe ein Mitarbeiter des Beigeladenen – unwidersprochen durch das Landratsamt – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gegen das Dauerwohnen nicht vorgegangen werde. Soweit sich die Bauaufsichtsbehörde ein Einschreiten im erstinstanzlichen Verfahren und anlässlich des Augenscheins des Senats im Berufungsverfahren vorbehalten habe, sei nichts passiert. Dies sei auch nur aus prozesstaktischen Gründen erklärt worden, wie bereits das Verwaltungsgericht befunden habe. Das Landratsamt und der Beigeladene hätten wiederholt zugesichert, gegen die Dauerwohnnutzung nicht vorzugehen. Entsprechendes sei in der Presse verlautbart worden. Der Beigeladene habe hieraus auch keine Nachteile, sondern allenfalls Vorteile, etwa hinsichtlich der Steuereinnahmen. Die von Berufungsführerseite eingeforderte aktive Mitwirkung der Behörde liege in der sogenannten „Amnestie“, weiteren Befreiungen und der tatsächlichen Duldung der Situation. Der Zusatz in den anlässlich der Amnestie gefertigten Schreiben, dass „keinerlei Ansprüche gegen den Markt … auf Errichtung von Kindergärten, Omnibuslinien oder sonstigen Infrastruktureinrichtungen“ entstünden, sei im Sinne der Legitimation des Dauerwohnens zu verstehen. Das Landratsamt habe in den Schreiben auch auf die Unbilligkeit und Unverhältnismäßigkeit der Verfahrensbetreibung hingewiesen, was angesichts der drohenden Wohnraumsowie Existenzvernichtung wegen der wirtschaftlichen Schäden und der drohenden Klagewelle bis heute gelte. Eine Umkehr der Entwicklung sei auf Dauer ausgeschlossen, zumal Familien, die sich auf die Fortdauer des planwidrigen Zustands eingestellt hätten, im Wege von Ermessensentscheidungen Wohnraum entzogen werden müsse. Der Bebauungsplan sei auch noch nach der „Amnestie“ durch Befreiungen und vorhandene gewerbliche Nutzungen oder Planüberschreitungen, gegen die nicht vorgegangen worden sei, weiter aufgeweicht worden. Er könne nicht mehr sicherstellen, dass für seinen Bereich nur die geringen infrastrukturellen Anforderungen an eine Freizeitnutzung einschlägig seien. Seine Steuerungsfunktion, den Planbereich nicht zu Wohnzwecken mit den verbundenen städtebaulichen Auswirkungen, insbesondere auf die Infrastruktur und die Versowie Entsorgung, zu nutzen, erfordere die Erkennbarkeit eines Trends zum Stopp und zur Reduzierung der planwidrigen Nutzungen, was hier nicht der Fall sei. Die bautechnische bzw. theoretische Möglichkeit der Umkehr genüge nicht. Der Bebauungsplan sei auch im Gesamten unwirksam. Die geregelten baulichen Beschränkungen beruhten auf dem Freizeitgebietscharakter bzw. der gewollten nicht dauerhaften Nutzung. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie auch unabhängig von der Festsetzung als Wochenendhausgebiet getroffen worden wären. Überdies sprächen die tatsächlichen Umstände, u.a. die gesamte Organisation der Ver- und Entsorgung im Plangebiet, für das Vorliegen eines Wohngebietes.
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Der angefochtene Bescheid sei jedenfalls ermessensfehlerhaft. Im Rahmen des Erschließungsermessens sei von Bedeutung, dass der Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften nur geringfügig sei und weder Belange der Öffentlichkeit noch der Nachbarschaft ernsthaft berührt würden. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Anlage längere Zeit bewusst hingenommen worden sei. Die Möglichkeit von Befreiungen werde mit der Begründung verneint, der beigeladene Markt habe mit Beschluss vom 4. Februar 2016 die Zulassung weiterer Befreiungen ausgeschlossen. Ein solcher Beschluss sei aber nicht gefasst worden. Das Landratsamt sei fehlerhaft von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen. Es liege ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, weil die Bauaufsichtsbehörde den Bestand im Wege von Befreiungen zulassen könne und damit das Verlangen, einen Bauantrag zu stellen, die angemessene Vorgehensweise sei. Planerische Belange stünden in Bezug auf die dem See zugewandten und von den Verkehrsflächen nicht einsehbaren Bereiche oder Festsetzungen des Bebauungsplans, die den Innenausbau beträfen, nicht entgegen.
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Hinsichtlich der Frage der Erschließung, die gesichert sei, sei auf die bestehende Baugenehmigung hinzuweisen. Wohngebiete ohne Pkw-Verkehr oder direkte Parkplätze vor der Haustür seien an vielen Orten zu finden. Die Zufahrtswege genügten der Wohnnutzung. Aktuell errichte der Beigeladene einen zweiten befestigten Zugangsweg ins „S.“ für Feuerwehr und Notdienste über den Wald. Die Löschwasserentnahme sei über den See und Hydranten möglich.
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Am 19. Juni 2023 hat der Senat das Baugrundstück und dessen Umgebung in Augenschein genommen.
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Am 24. Oktober 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Mit Beschluss vom selben Tag wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Zu den weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen, die gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, sind zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den von den Klägern angegriffenen Bescheid vom 6. März 2017 zu Unrecht insgesamt aufgehoben, denn dieser ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die erstinstanzlichen Urteile sind aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
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Rechtsgrundlage für die im angefochtenen Bescheid unter Nr. 1 geforderte Geländeauffüllung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Nach dieser Norm kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Abgrabung, die zu einer höheren Wandhöhe als im Bebauungsplan zugelassen führt, lässt sich nur durch eine Aufschüttung „beseitigen“ (vgl. Weber in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, 76 Rn. 15 m.w.N.). Auch die in Nr. 2 des Bescheids angeordnete und mit der Geländeauffüllung einhergehende Begrenzung der Ausladung der Kellerlichtschächte auf 60 cm, der Rückbau des zu Wohnzwecken ausgebauten Dachgeschosses, die Beseitigung der Pergola, der zwei Gebäude in Holzkonstruktion, des giebelseitigen Flachdaches mit anschließendem Gebäude in Holzkonstruktion und des Stellplatzes können ebenso wie die Reduzierung der Einfriedung jeweils auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützt werden. Soweit zur Reduzierung der lichten Kellerhöhe auf 2,10 m positive Baumaßnahmen (Abhängen der Decke oder Bodenaufbau) erforderlich sind, kommt – wie auch ansonsten – jedenfalls Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO als Rechtsgrundlage in Betracht. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde Maßnahmen treffen, um bezogen auf bauliche Anlagen für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen, worauf die Begründung zum streitgegenständliche Bescheid vorliegend auch alternativ abstellt (vgl. auch Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Februar 2023, Art. 76 Rn. 52). Einer weiteren Vertiefung der Frage der Rechtsgrundlage bedarf es nicht, weil die Voraussetzungen beider Normen, sowohl zum für die Entscheidung grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung als auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats erfüllt sind (vgl. zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt BayVGH, U.v. 14.5.2021 – 1 B 19.2111 – juris Rn. 16 m.w.N.; Decker, a.a.O. Rn. 451 m.w.N.; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand August 2023, Art. 76 Rn. 50) und sich auch hinsichtlich der zu treffenden Ermessensentscheidungen im Ergebnis keine Unterschiede ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2011 – 2 CS 11.229 – juris Rn. 9).
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Die Kläger haben auf ihrem Grundstück abweichend von der ihnen erteilten Baugenehmigung bauliche Anlagen errichtet (1.). Die Abweichungen sind materiell rechtswidrig, weil sie im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB wirksamen Festsetzungen des Bebauungsplans „Freizeitfläche S.Änderung 1“ widersprechen (2.). Die Verstöße könnten nicht durch Befreiungen legalisiert werden, da die Grundzüge der Planung berührt würden (3.). Die Ermessensausübung ist auch ansonsten nicht zu beanstanden (4.).
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1. Die streitgegenständlichen baulichen Anlagen sind nicht auf der Grundlage der erteilten Baugenehmigung errichtet worden. Eine genehmigungsbedürftige Anlage ist nicht nur formell illegal, wenn sie ohne die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wird, sondern auch dann, wenn bei der Bauausführung in wesentlichen Punkten von den genehmigten Plänen abgewichen wird (BayVGH, B.v. 14.12.2020 – 1 ZB 18.1164 – juris Rn. 7). Die Kläger haben ausweislich der vorliegenden Unterlagen und dem Eindruck, den der Senat bei der Inaugenscheinnahme gewonnen hat, ein Hauptgebäude errichtet, das durch den Ausbau von Dachräumen und erhebliche Abgrabungen an der Süd- bzw. Seeseite des Hauses sowie großzügige Wandhöhen im Keller (ca. 2,28 m) Wohnraumqualität im Dach- und Untergeschoss erhalten hat. Dieses ist durch die genehmigten Pläne bzw. die Baugenehmigung, nach der der Dachgeschossausbau nicht erlaubt ist, die lichte Kellerhöhe maximal 2,10 m betragen darf und sich im Keller keine Wohnräume befinden dürfen, gerade nicht zugelassen. Gleiches gilt für den Stellplatz auf dem Baugrundstück, der ebenfalls ausdrücklich untersagt ist. Die Baugenehmigung umfasst im Übrigen keine Nebengebäude, Terrassenüberdachungen oder Einfriedungen, so dass ihr auch insoweit keine Legalisierungswirkung zukommen kann.
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2. Die baulichen Abweichungen, auf die sich die im Bescheid vom 6. März 2017 angeordneten Maßnahmen beziehen, sind materiell rechtswidrig, weil sie den Festsetzungen des Bebauungsplans „Freizeitfläche S.Änderung 1“ zu Wandhöhen (Außenwand und Keller), zur Grundfläche, zum Dachgeschossausbau, zu Nebenanlagen und Stellplätzen sowie zu Einfriedungen widersprechen (§ 30 Abs. 1 BauGB).
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Der Bebauungsplan ist wirksam und insbesondere nicht insgesamt oder hinsichtlich einzelner, hier maßgeblicher Festsetzungen funktionslos geworden.
26
Bauplanerische Festsetzungen können nur in äußerst seltenen Fällen wegen Funktionslosigkeit außer Kraft treten (grundlegend BVerwG, U.v. 25.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5; vgl. auch Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Kautzberger, BauNVO, Stand Mai 2023, § 10 Rn. 407 f. m.w.N.). Eine bauplanerische Festsetzung kann funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung i.S. des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse von dem Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, B.v 9.10.2003 – 4 B 85.03 – juris Rn. 8 m.w.N.; B.v. 17.2.1997 – 4 B 16.97 – juris Rn. 22; B.v. 6.6.1997 – 4 NB 6.97 – juris Rn. 10; vgl. auch BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 – juris; BayVGH, U.v. 27.2.2020 – 2 B 19.2199 – juris Rn. 12 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.2.2023 – OVG 10 B 15.18 – juris Rn. 46). Das Außerkraftteten eines Plans, der auf die Verwirklichung seiner Festsetzung in der Zukunft ausgerichtet ist und schon deshalb nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen im Plangebiet übereinstimmen muss (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.9.2016 – OVG 10 N 7.14 – juris Rn. 13), wird aus der Ordnungsfunktion des Rechts abgeleitet. „Das Recht sei um seiner Ordnungsfunktion willen außerstande, etwas zu bestimmen, das überhaupt keinen sinnvollen Gegenstand oder keinen denkbaren Adressaten hat oder eine schlechthin unmögliche Regelung trifft“ (BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 41.89 u.a. – BVerwGE 85, 273 = juris Rn. 16), woraus sich strenge Anforderungen ergeben.
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a) Nach diesem Maßstab ist die Festsetzung eines Wochenendhausgebiets gemäß § 10 BauNVO 1977 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht funktionslos geworden. Es ergibt sich weder aus Baugenehmigungen oder förmlichen Duldungen noch aus faktischen Duldungen oder einer aus anderen tatsächlichen Gründen eingetretenen Verfestigung planwidriger Verhältnisse eine Funktionslosigkeit.
28
Im Geltungsbereich des gegenständlichen Bebauungsplans ist zwar hinsichtlich der deutlichen Überzahl der 121 Wochenendhausparzellen von langjähriger, teils seit Jahrzehnten bestehender dauerhafter Wohnnutzung auszugehen, ohne dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde diesem Umstand bisher wesentlich Einhalt geboten hätte. Nach den von den von der Beigeladenen mitgeteilten Meldeverhältnissen findet derzeit auf mindestens 87 Parzellen alleinige Wohnnutzung oder Hauptwohnnutzung statt. Das Verwaltungsgericht ging seinerzeit im erstinstanzlichen Urteil von 85 solcher Wohnnutzungen und einem Anteil von über 70% aus. Ein dementsprechender Eindruck und nicht der einer im Plangebiet überwiegend freizeitbezogenen Nutzung hat sich auch anlässlich des Augenscheintermins dem Senat vermittelt. Dieser ergab sich allerdings nicht aus der Anmutung der Gesamtanlage und der verkehrsmäßigen Erschließung oder der Kubatur der Hauptgebäude, sondern allein aufgrund der in einer Vielzahl von Fällen feststellbaren Ausstattung der Häuser und Grundstücke (z. B. mit Photovoltaikanlagen, Wallboxen, Carports, Nebengebäuden, aufwendig gestalteten Gärten), die auf intensive Aktivitäten bzw. Nutzungen und den permanenten Aufenthalt der Besitzer hindeutete. Gleichwohl ist auf der Grundlage der anzustellenden Gesamtbetrachtung nach Überzeugung des Senats nicht davon auszugehen, dass der Bebauungsplan hinsichtlich der Festsetzung eines Wochenendhausgebiets als Instrument für die städtebauliche Steuerung nicht mehr tauglich ist, also seine städtebauliche Gestaltungsfunktion insofern nicht mehr zu erfüllen vermag, oder ein Grad erreicht wäre, der eine Verwirklichung der Festsetzung realistischer Weise nicht mehr erwarten lässt und daher einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (vgl. BVerwG, B.v. 22.07.2010 – 4 B 22.10 – juris; BayVGH, B.v. 7.3.2022 – 9 ZB 19.2503 – juris Rn. 10 m.w.N.). Angesichts der strengen Anforderungen an das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit „genügt es nicht, dass lediglich über längere Zeit von dem Plan abgewichen worden ist und inzwischen Verhältnisse entstanden sind, die den Festsetzungen des Plans nicht entsprechen“ (vgl. BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 41.89 u.a. – juris Rn. 16 f.; Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Kautzberger, BauNVO, § 10 Rn. 421 m.w.N.).
29
aa) Die Dauerwohnnutzung beruht hier unstreitig nicht auf entsprechenden Baugenehmigungen für Wohnhäuser (vgl. BayVGH, U.v. 9.6.2021 – 15 N 20.1412 – juris Rn. 56), sodass einer Verwirklichung des Bebauungsplans zur Art der baulichen Nutzung keine bestandskräftigen Genehmigungen entgegenstehen. Gleiches gilt, soweit anlässlich der Inaugenscheinnahme vereinzelt gewerbliche Nutzung (z.B. mobile Kleintierpraxis oder Getränkehandel, s. Protokoll vom 19.6.2023) festzustellen war. Die nach der mit Schreiben des Beklagten vom 25. Mai 2023 vorgelegten Aufstellung im Laufe der Jahre wohl in insgesamt 35 Fällen erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB betrafen ebenfalls nicht etwa den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung als offensichtliches Grundkonzept der vorliegenden Planung, sondern verschiedene Maß- und andere Festsetzungen (z.B. Überschreitungen von Baugrenzen, Wandhöhen, Grundflächen oder – wie bei den Klägern – der Dachneigung).
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Im Übrigen hat der Augenschein im Plangebiet ergeben, dass die Art und der Umfang der somit zum Teil bestandsgeschützten Abweichungen vom Bebauungsplan – selbst soweit sie die Dimensionen der Hauptgebäude betreffen – nicht (in erheblicher oder gar überwiegender Zahl) zu Kubaturen geführt hat, die ggf. nicht mehr als Wochenendhäuser, sondern dem Gegenstand nach nur noch als genehmigte Wohnhäuser anzusehen sein könnten (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Kautzberger, BauNVO, § 10 Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch OVG RhPf, U.v. 22.11.2011 – 8 A 10443/11 – juris Rn. 93). Unabhängig von der Frage der Legalisierung der feststellbaren baulichen Abweichungen vom Bebauungsplan orientieren sich die Hauptgebäude nach ihrer äußeren Anmutung in der Mehrzahl der Fälle noch immer an der Grundflächenvorgabe von 60 m² und treten trotz abweichender Wandhöhen bzw. teils erheblicher Abgrabungen im Bereich der Kellergeschosse und wohl häufig sogar genehmigter Gauben oder Zwerchgiebel in der Regel weiterhin eingeschossig in Erscheinung. Die zumeist in ihrem äußeren Erscheinungsbild derart begrenzten Gebäude tragen weiterhin maßgeblich zum Charakter als Wochenendhausgebiet bei (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.11.2011, a.a.O.).
31
bb) Der Beklagte hat keine förmlichen Duldungen in Gestalt einer Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, von einem Einschreiten gegen das dauerhafte Wohnen abzusehen, erteilt. Aus den im Jahr 1992 von Seiten des Landratsamts ausgesprochenen Duldungen (sogen. „Amnestien“) lässt sich keine Legalisierung oder relevante Verfestigung des Wohnens ableiten. Unabhängig davon, dass in Bezug auf weniger als die Hälfte der Parzellen hinsichtlich eingeleiteter Verfahren oder Verstöße Duldungen ergingen (letztlich wohl 48 betroffene Grundstücke, vgl. insbes. die mit Schreiben des Beklagten vom 25.5.2023 vorgelegte Aufstellung), betrafen diese verschiedene Maß- und andere Festsetzungen des Bebauungsplans (z.B. zu Stellplätzen, zur Grundfläche, zur Dachneigung und zu Wandhöhen bzw. zu Lichtgräben sowie Nebengebäuden), nicht jedoch die Wochenendhausnutzung als solches (vgl. auch Aufstellung des Landratsamts vom 26.6.2009). Nach den vorliegenden Exemplaren der Schreiben vom 28. Oktober 1992, mit denen das Landratsamt über die Duldungen informierte, ging es in der Sache seinerzeit allein um den baulichen Zustand der betroffenen Grundstücke, der als nicht vereinbar mit der Baugenehmigung oder dem Bebauungsplan angesehen wurde. Aus Verhältnismäßigkeits- bzw. Härtegründen sollte nur hinsichtlich der bisher dokumentierten Verstöße von einer weiteren Verfolgung abgesehen werden, während neue bauliche Abweichungen ausdrücklich von der Duldung ausgenommen wurden. Den Klägern kann insbesondere auch nicht darin gefolgt werden, dass sich aus dem jeweils letzten Absatz dieser Schreiben, wonach gegenüber dem Beigeladenen keine Ansprüche auf gemeindliche Infrastruktureinrichtungen entstehen, die Duldung der Dauerwohnnutzung ableiten lässt. Eine entsprechende Aussage wird damit nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Sinn und Zweck aus Sicht des insofern maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts nicht getroffen. Wollte man dem Zusatz Bedeutung hinsichtlich der Frage der Wohnnutzung beimessen, könnte die Formulierung im Übrigen ebenso gut gegen die Duldung der Dauerwohnnutzung angeführt werden.
32
Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass ein Mitarbeiter des Beigeladenen bereits im erstinstanzlichen Verfahren unwidersprochen kundgetan habe, dass der Dauerwohnnutzung nicht entgegengetreten werde, kann dies keine Zusicherung gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG des Beklagten zur Zulassung der Dauerwohnnutzung darstellen. Es fehlt am Rechtsbindungswillen sowie an den formalen Voraussetzungen. Gleiches gilt für entsprechende Verlautbarungen im Jahr 2017 von Seiten des Landratsamts und/oder der Beigeladenen in den Medien.
33
cc) Es kommt hier zudem nicht in Betracht, von einer faktischen oder rein tatsächlichen Duldung auszugehen und hierauf die Annahme einer irreversiblen Verfestigung der Verhältnisse zu stützen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es für das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit jedenfalls nicht ausreicht, wenn lediglich Nutzungen einer Vielzahl von Gebäuden den Festsetzungen widersprechen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.9.2016 – OVG 10 N 7.14 – juris, LS; vgl. auch BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 41.89 u.a. – juris Rn. 16 f.). Ob man insoweit behördliches Nichteinschreiten trotz langjähriger behördlicher Kenntnis von den bauplanwidrigen Zuständen genügen lassen kann, wenn keine Zweifel daran bestehen, dass sich die Behörde mit dem Zustand abgefunden hat (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.11.2011 – 8 A 10443/11 – juris Rn. 84; OVG NW, U.v. 20.2.2015 – 7 D 30/13.NE – juris Rn. 113; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.9.2016 a.a.O. Rn. 13), obwohl nach gefestigter Rechtsprechung eine bloße, nicht förmlich ausgesprochene Duldung in diesem Sinne auch der Beseitigungsanordnung oder Nutzungsanordnung grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2023 – 1 CS 22.1971 – juris Rn. 11 m.w.N.), kann dabei dahinstehen. Denn vorliegend finden sich hinreichende Belege dafür, dass der Beklagte die stattfindende Dauerwohnnutzung gerade nicht hinnimmt. Dazu zählen vor allem die wiederholt ergriffenen Maßnahmen zur Durchsetzung der über die Gebietsfestsetzung hinausgehenden Festsetzungen zur Sicherung des Wochenendhausgebietscharakters. Ein darauf gerichtetes Vertrauen wäre daher nicht schutzwürdig.
34
Die Regelungen zur Grundfläche und zu den Wandhöhen dienen ebenso wie die Verbote zur Wohnnutzung im Kellergeschoss, zum Dachgeschossausbau und zu Nebengebäuden oder die Stellplatzzuweisungen gerade dazu, den Gebietscharakter dauerhaft sicherzustellen (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.11.2011, a.a.O. Rn. 93, 95 und Begründung zum Bebauungsplan, insbes. S. 5 f. und 14 ff.). Das Landratsamt hat – wie auch seine mit Schreiben vom 25. Mai 2023 zuletzt vorgelegte Aufstellung zeigt – im Lauf der Jahre immer wieder vielfach solche Verstöße aufgegriffen und wiederholt Beseitigungsanordnungen erlassen. Selbst nach der „Amnestie“ im Jahr 1992 hat es hieran festgehalten und auch bezüglich Parzellen, für die eine entsprechende Duldung ausgesprochen wurde, neue Verstöße aufgegriffen. So hat das Verwaltungsgericht in fünf Verfahren, in denen gegen bauaufsichtsrechtliche Anordnungen geklagt wurde, klageabweisende Urteile am 10. November 2009 (W 4 K 08.1965, W 4 K 08.168, W 4 K 09.168, W 4 K 09.20) und am 16. März 2010 (W 4 K 08.1934) erlassen. Seinerzeit hat es zwar ebenfalls die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung als funktionslos angesehen. Den Bebauungsplan hat es ansonsten aber noch als wirksam erachtet. Die betreffenden Berufungsverfahren (9 B 12.683, 9 B 12.685, 9 B 14.1757, 9 B 14.1758, 9 B 14.175) wurden nach richterlichem Hinweis, dass wohl schon die Funktionslosigkeit der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung nicht anzunehmen sei, und anschließenden Berufungsrücknahmen Ende 2014 bzw. Anfang 2015 eingestellt. Dass sich der Beklagte bei der nachfolgenden Bestandsaufnahme ab dem Jahr 2015 und den daraufhin wiederum zahlreich eingeleiteten Verfahren, zu denen auch das der Kläger gehört, zunächst weiter darauf konzentriert hat, den baulichen Verstößen gegen den Bebauungsplan nachzugehen und deren Beseitigung zu verlangen (s. Protokoll zum Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts vom 17.12.2018), erscheint vor dem Hintergrund der vorausgegangenen erstinstanzlichen Erwägungen zur Frage der Funktionslosigkeit, wozu keine obergerichtliche Entscheidung ergangen ist, nur konsequent. In diesem Licht dürften im Übrigen auch Äußerungen zur Frage des Einschreitens gegen dauerhafte Wohnnutzung von Mitarbeitern der Beigeladenen oder des Landratsamts zu sehen sein. Aufgrund der Gesamtumstände erscheint es daher unerheblich, dass der Beklagte vorerst weitgehend darauf verzichtet hat, Nutzungsuntersagungen auszusprechen, sondern sich diese lediglich vorbehält, solange er sein ebenfalls auf Unterbindung der planwidrigen Nutzung ausgerichtetes Konzept, durch Rückbauanordnungen eine Dauerwohnnutzung unmöglich zu machen bzw. zumindest zu erschweren, verfolgt.
35
dd) Dem Verwaltungsgericht und den Klägern ist schließlich auch nicht darin zu folgen, dass der Bebauungsplan deshalb, weil sich aufgrund der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung im Vergleich zu Freizeitnutzung andere Anforderungen an die Dimensionierung der Infrastruktur (z.B. Verkehrswege, Wasser, Abwasser) stellen, seine städtebauliche Gestaltungsfunktion verloren hat (so noch OVG NW, U.v. 25.11.2005 – 7 A 2687/04 – juris Rn. 40; VG Köln, U.v. 18.7.2013 – 8 K 1068/12 – juris Rn. 21 f.; vgl. aber OVG NW, U.v. 20.2.2015 – 7 D 30/13.NE – juris Rn. 110, 115 ff.). Es mag zwar zutreffen, dass aus einer planwidrigen tatsächlichen Nutzung, die in absehbarer Zeit nicht unterbunden werden soll, die Notwendigkeit zusätzlicher Erschließungsmaßnahmen resultieren kann. Jedenfalls solange solche der Verfestigung Vorschub leistende Schritte vom Plangeber nicht zumindest eingeleitet oder gar umgesetzt worden sind, kann der Bebauungsplan seine Ordnungsfunktion insofern aber weiterhin erfüllen und auch kein Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt sein, dass gegen den illegalen Zustand nicht mehr eingeschritten werden wird. Die Reduzierung der Verstöße gegen die Gebietsfestsetzung und damit eine Trendumkehr hin zu plangemäßer Wochenendnutzung ist dann nicht aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen. Dementsprechend ist auch hier nicht ersichtlich, weshalb die Unterbindung der Dauerwohnnutzung, mag dies auch langwierige Verfahren mit sich bringen und angesichts der Vielzahl von Verstößen nur schrittweise verwirklicht werden können, auf „unabsehbare Zeit“ (vgl. BVerwG, U.v. 3.8.1990 – 7 C 41.89 u.a. – juris Rn. 16) nicht mehr möglich sein sollte. Abgesehen davon, dass für den Senat beim Augenschein schon keine (wesentliche) Anpassung des Ausbauzustands der Verkehrsflächen oder sonstiger Gemeinschaftsflächen an die im Plangebiet derzeit vorherrschende Dauerwohnnutzung erkennbar war, kommt hinzu, dass es sich bei den Versorgungsanlagen im Plangebiet unstreitig nicht um solche der Beigeladenen handelt, sondern sowohl die Gemeinschaftsflächen als auch das Wasserversorgungs- und Entwässerungsnetz, welches aufgrund vertraglicher Regelungen an die öffentlichen Anlagen des Marktes … … … angebunden ist, den Grundstückseigentümern gehören. Soweit der Beigeladene aktuell eine zweite Zuwegung für Rettungszwecke errichtet, besteht hierfür für ein Wochenendhausgebiet gleichermaßen wie für ein Wohngebiet Bedarf. Außerdem kommt es auch darauf nicht an, dass der Beigeladene dem Melderecht genüge getan und Erstwohnsitzanmeldungen entgegengenommen hat, Hausnummern vergeben wurden und die Postzustellung sowie die Müllentsorgung gewährleistet sind oder wie sich die Wohnsitznahme steuerlich auswirkt (vgl. BayVGH, U.v. 7.2.2011 – 4 B 10.2856 – juris Rn. 23; NdsOVG, U.v. 13.5.2022 – 1 KN 85/20 – juris Rn. 51; OVG NW, U.v. 20.2.2015 – 7 D 30/13.NE – juris Rn. 117).
36
b) Hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplans, auf die der angegriffene Bescheid Bezug nimmt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sie jeweils auch unabhängig von der Gültigkeit der Festsetzung eines Wochenendhausgebietes unwirksam sind bzw. ihre Funktion nach den dargelegten Maßstäben eingebüßt haben könnten.
37
Mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum im Sondergebiet durfte die Beigeladene neben der Festsetzung der Grundfläche des Wochenendhauses (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1977 und OVG RhPf, U.v. 22.11.2011 – 8 A 10443/11 – juris Rn. 75 f.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § 10 Rn. 22a), Maßfestsetzungen nach §§ 16 ff. BauNVO 1977, den Ausschlüssen zu Nebenanlagen (vgl. § 14 BauNVO 1977) und den Festsetzungen zu Stellplätzen (vgl. § 12 BauNVO 1977) sowie Einfriedungen (vgl. Art. 91 BayBO 1982) insbesondere auch Regelungen zum Ausschluss der Wohnnutzung im Keller- und Dachgeschoss treffen. In Sondergebieten, die der Erholung dienen (§ 10 BauNVO) können wie in solchen nach § 11 BauNVO zur Sicherung der Zweckbestimmung des Gebietes weitergehende Konkretisierungen bzw. Differenzierungen vorgenommen werden (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 1 BauNVO und Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O. Rn. 14 m.w.N., § 1 Rn. 43 a.E., 87b m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – juris Rn. 38).
38
Soweit in der Vergangenheit Befreiungen erteilt oder Duldungen, etwa im Wege der sogenannten Amnestie, ausgesprochen worden sind, ist den Einwendungen der Kläger oder den Akten nicht zu entnehmen, dass dies in einem quantitativen und zugleich qualitativen Umfang geschehen ist, der die Funktionslosigkeit einer der betreffenden Festsetzungen nahelegen könnte. Die hinsichtlich einzelner Festsetzungen jeweils wenigen Bezugsfälle sind nicht geeignet zu belegen, dass die jeweiligen Festsetzungen bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hätten, die städtebauliche Entwicklung in eine bestimmte Richtung zu steuern (vgl. die anlässlich des Erörterungstermins des VG am 17.12.2018 übergebene Liste; vgl. auch die mit Schreiben vom 25.5.2023 vorgelegte Aufstellung). Darüber hinaus hat sich trotz der Vielzahl der insgesamt zu verzeichnenden tatsächlichen Abweichungen vom Bebauungsplan auch bei der Inaugenscheinnahme kein derartiges Bild ergeben.
39
3. Die Beklagtenseite ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine Befreiung von den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten planerischen Festsetzungen nicht in Betracht kommt.
40
Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Es würden die Grundzüge der Planung berührt. Ob dies der Fall ist, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – NVwZ 1999, 1110; B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – BRS 67 Nr. 83; U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 37; U.v. 2.2.2012 – 4 C 14.10 – BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 22). Von Bedeutung für die Beurteilung können insoweit auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – NVwZ 1999, 1110 = juris Rn. 6; B.v. 29.7.2008 – 4 B 11.08 – ZfBR 2008, 797 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 1.4.2016 – 15 CS 15.2451 – juris Rn. 21).
41
Das Grundkonzept bestand hier darin, den Charakter eines Wochenendhausgebietes zu sichern. Der Begründung zum Bebauungsplan ist zu entnehmen, dass mit den neuen bzw. im Vergleich zur vorherigen Fassung präzisierten Festsetzungen zum Bebauungsplan „S.Änderung 1“ der bisherigen Baupraxis entgegengewirkt und der Ausbau von Wochenendhäusern zu Wohnhäusern verhindert werden sollte (s. Planbegründung, S. 5). Der Charakter eines Wochenendhausgebiets sollte erhalten bzw. wiederhergestellt werden (s. Planbegründung, S. 6). In Bezug auf die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche auf 60 m² unter gleichzeitigem Ausschluss von Nebenanlagen, die Begrenzung der lichten Höhe der Keller, die keine Aufenthaltsräume, sondern nur Abstellmöglichkeiten bieten sollen, und die Beschränkung auf Sammelstellplätze und Garagenanlagen, die Fahrzeugverkehr zu den Häusern verhindern sollen, wird dies weiter konkretisiert (vgl. Planbegründung S. 6, 14 ff.). Es liegt zudem auf der Hand, dass auch mit dem Verbot des Dachausbaus in Verbindung mit der festgesetzten geringen Dachneigung von 18 bis 25 Grad beabsichtigt wurde, eine Wohnnutzung im Dachgeschoss im Interesse einer Beschränkung auf Wochenendnutzung zu verhindern. Letztendlich sollen auf den Grundstücken nur kleine eingeschossige Häuser entstehen, in denen sich sowohl die freizeitbezogene Wohnnutzung abspielt als auch die damit verbundenen Bedürfnisse an Lagerung oder Aufbewahrung abgedeckt werden.
42
Eine Befreiung kommt trotz im Baugebiet erteilter Befreiungen (vgl. die anlässlich des Erörterungstermins des Verwaltungsgerichts am 17.12.2018 übergebene Liste) weder hinsichtlich der Wandhöhe des Gebäudes über das von der Bauaufsichtsbehörde zugestandene Maß von 2,90 m (statt festgesetzter Höhe von 2,60 m bei einer tatsächlichen Wandhöhe von 3,70 m) noch im Hinblick auf die Überschreitung der Grundfläche von 60 m² durch die an das Hauptgebäude angeschlossene massive Terrassenüberdachung (bezeichnet als Pergola, 3,50 m mal 6,60 m) in Betracht. Abgesehen davon, dass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht, sind die tatsächlichen Überschreitungen, von denen die Bauaufsichtsbehörde auch auszugehen hatte (vgl. Jäde in PdK Bayern, F-3, BayBO Art. 76 Anm. 1.1.3), jedenfalls zu gravierend (vgl. BayVGH, B.v. 1.4.2016 – 15 CS 15.2451 – juris Rn. 23). Ein entsprechendes Abweichen von den Festsetzungen würde – auch wegen der Bezugswirkung für eine Vielzahl weiterer Grundstücke mit vergleichbarer Grundstückssituation – ein weitgehendes Abrücken von der planerischen Konzeption bedeuten.
43
Auch die Zulassung der erheblichen Überschreitung der festgesetzten geringen Höhe der Einfriedungen (0,90 m Knotengitterzaun, 1,90 m Sichtschutzzaun) würde die Grundzüge der Planung berühren. Unabhängig davon, dass nach der Planbegründung ursprünglich wohl sogar ganz auf Einfriedungen zwischen den Hausgrundstücken verzichtet werden sollte, dies im Hinblick auf Einwendungen von Grundstückseigentümern aber letztendlich nicht umgesetzt wurde, widersprechen die wesentlich höheren Einfriedungen der Kläger dem gestalterischen Konzept der Beigeladenen eines insbesondere innerhalb der Hausgruppen des Wochenendhausgebiets nur marginal durch Einfriedungen unterbrochenen Gebiets (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2018 – 1 B 14.2215 – juris Rn. 36). Erst recht würde dieses gestalterische Prinzip weitgehend offener Flächen, das für ein der Freizeit und Erholung dienendes Gebiet typisch ist, maßgeblich gestört, wenn sich Dritte auf das Beispiel der Kläger als Bezugsfall berufen könnten. Dass von den Klägern Gründe für die Abweichung angeführt werden könnten, die nicht zugleich auch für die anderen Grundstückseigentümer gelten würden, ist nicht ersichtlich.
44
4. Das Landratsamt hat das ihm durch Art. 76 Satz 1 BayBO bzw. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise fehlerfrei ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Abs. 1 VwGO).
45
Art. 76 Satz 1 und Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO dienen jeweils dem Zweck, Zuständen materieller Illegalität entgegen zu wirken. Die Behörde bedarf für ihr Einschreiten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung. Es ist anerkannt, dass die Bauaufsichtsbehörden ihre Aufgaben nur erfüllen können, wenn sie in der Regel gegen Schwarzbauten vorgehen, soweit geboten, deren Beseitigung verlangen und die Anordnungen auch durchsetzen (vgl. Weber in Schwarzer/König, 5. Aufl. 2022, BayBO, Art. 54 Rn. 19, Art. 76 Rn. 22; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Februar 2023, Art. 76 Rn. 209; Manssen in BeckOK BauordnungsR Bayern, Stand Juli 2023, BayBO Art. 76 Rn. 45). Zudem wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass die Befugnis, die Beseitigung eines illegalen Zustands verlangen zu können, nicht verwirkt werden kann; insbesondere vermittelt ein über längere Zeit andauerndes (bewusstes) Untätigbleiben der Bauaufsichtsbehörde dem Störer keinen Vertrauensschutz und kann die lange Bestandsdauer allein nicht die dauerhafte (weitere) behördliche Duldung eines Schwarzbaus rechtfertigen. Ebenso wenig gibt es den Erfahrungssatz, dass Maßnahmen nach einer gewissen Zeit auch tatsächlich durchgesetzt werden, danach aber nicht mehr eingeschritten wird (vgl. Decker in Busse/Kraus, a.a.O. Rn. 216, 226 m.w.N.). Jedoch kann grundsätzlich das Alter der Anlagen im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sein. Zu einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung gehört außerdem, die Folgen der Maßnahme für die Betroffenen zu berücksichtigen, wobei allerdings die Kosten der Beseitigung und die persönlichen sowie wirtschaftlichen Umstände des herangezogenen Störers in der Regel nicht von Relevanz sind (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2018 – 1 B 14.2215 – juris Rn. 41; Weber in Schwarzer/König, a.a.O. Rn. 24; Decker in Busse/Kraus, a.a.O. Rn. 210).
46
Nach diesen Maßstäben erweisen sich die hier angeordneten Maßnahmen nicht als ermessensfehlerhaft. Soweit die Kläger der Auffassung sind, das Landratsamt habe die Möglichkeit von Befreiungen fehlerhaft ausgeschlossen und als milderes Mittel einen Bauantrag verlangen können, kann auf die Ausführungen unter 3. verwiesen werden. Durch die Legalisierung würden die Grundzüge der Planung berührt. Die Bauaufsichtsbehörde kann den Bauherrn im Übrigen grundsätzlich nicht verpflichten, einen Bauantrag für bestimmte bauliche Veränderungen, die (ggf. im Wege der Erteilung einer Befreiung) genehmigt werden könnten, zu stellen. Es ist Sache des Bauherrn, Rückbauanordnungen dadurch zu vermeiden, dass er von sich aus die zur Genehmigung erforderlichen Pläne vorlegt und einen Bauantrag stellt, damit die Behörde prüfen kann, ob nachträglich ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Art. 76 Rn. 250; vgl. auch BayVGH, B.v. 19.7.2018 – 9 ZB 17.267 – juris Rn. 12; B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 18.2144 – juris Rn. 9 zur Nutzungsuntersagung). Anders verhält es sich nur, wenn rechtmäßige Zustände auch durch einen Teilrückbau hergestellt werden können und dies bautechnisch realisierbar ist. Zugunsten der Kläger ist die Bauaufsichtsbehörde hiervon bezüglich der Außenwandhöhe ausgegangen und hat dementsprechend eine Auffüllung nur bis zum Erreichen einer Wandhöhe von 2,90 m angeordnet, weil in anderen Fällen hierfür Befreiungen erteilt wurden.
47
Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nur geringe Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorlägen, für die aus Verhältnismäßigkeitsgründen in Betracht kommen könnte, von allen oder einzelnen angeordneten Maßnahmen abzusehen. Es handelt sich – wie bereits ausgeführt – um erhebliche, mit dem planerischen Grundkonzept nicht in Einklang stehende Überschreitungen. Darüber hinaus kann selbst mit Blick auf das Alter der rückzubauenden Anlagen bzw. Anlagenteile kein besonderer Vertrauensschutz zugebilligt werden, der das öffentliche Interesse an der Beseitigung der rechtswidrigen Zustände überwiegen könnte. Schlichtes Unterlassen bauaufsichtlichen Einschreitens gegen einen rechtswidrigen baulichen Zustand trotz Kenntnis reicht auch nach einem längeren Zeitraum nicht aus. Anderes gilt zwar dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde aufgrund des Hinzutretens besonderer Umstände einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – juris Rn. 39 m.w.N.). Derartige Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Das Landratsamt ist im Laufe der Jahre immer wieder und in zahlreichen Fällen gegen illegale bauliche Anlagen vorgegangen. Dass dies – wie beim Augenschein festzustellen war – häufig keinen (langfristigen) Erfolg zeigte, lag nicht zuletzt an der schieren Zahl von Verstößen im Baugebiet und der verbreiteten Bereitschaft, sich Anordnungen mit einerseits zulässigen Rechtsmitteln, aber auch im Wege der tatsächlichen Vollzugsverweigerung bzw. teils sogar wiederholten Begehung zu widersetzen. Soweit im Zuge der sogenannten Amnestie im Jahr 1992 aktive Duldungen erteilt wurden, betrafen diese nur die seinerzeit aufgegriffenen Fälle und Verstöße und naturgemäß nicht das erst im Jahr 2001 errichtete und zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben. In Anbetracht der den Klägern nur unter Nebenbestimmungen erteilten Baugenehmigung bestand keinerlei Anlass für deren Annahme, dass Abweichungen von den betreffenden Bestimmungen bzw. Festsetzungen des Bebauungsplans behördlich hingenommen werden würden. Vielmehr haben die Kläger den Umfang ihres Baurechts bewusst ignoriert und nicht nur die seinerzeit angeordnete Aufschüttung zur Herstellung der zugelassenen Wandhöhe und die Reduzierung der lichten Höhe im Keller nicht (dauerhaft) vollzogen, sondern insbesondere auch Wohnräume im Dach- und Kellergeschoss sowie einen Stellplatz auf ihrem Grundstück errichtet. Die Kläger haben selbst zugestanden, dass sie als letztlich vierköpfige Familie von Anfang an ihren Erstwohnsitz auf ihrem Grundstück im Wochenendhausgebiet hatten. Wenn dies in Folge des Vollzugs der streitgegenständlichen Anordnungen zukünftig nicht mehr möglich ist, liegt das allein in der Risikosphäre der Kläger und entspricht gerade der Intention des im öffentlichen Interesse liegenden Einschreitens. Der Einwand der problematischen Wohnungssuche oder gar drohenden Obdachlosigkeit für einen gegenwärtig aus drei Personen bestehenden Hausstand im wohl in Betracht kommenden unterfränkischen Raum ist im Übrigen nicht nachvollziehbar (vgl. auch OVG RhPf, U.v. 11.10.2007 – 1 A 10555/07 – juris Rn. 21 m.w.N.).
48
Die Bauaufsichtsbehörde hat ihr Ermessen auch nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausgeübt (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 – 4 B 99.98 – BauR 1999,734). Das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass die Behörde nur gegen Schwarzbauten vorgeht, die nicht der Amnestie von 1992 unterfallen (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4; Weber in Schwarzer/König, BayBO, Art. 76 Rn. 21 m.w.N.) und ihr kann ein systemgerechtes Vorgehen nach einem nachvollziehbaren Konzept auch sonst nicht abgesprochen werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1990 – 4 B 184.90 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 9.5.2018 – 1 B 14.2215 – juris Rn. 37). Dass sie nicht zugleich alle Fälle aufgreifen kann, ist der Vielzahl der Verstöße geschuldet. Aus demselben Grund stellt es sich auch nicht als ermessensfehlerhaft dar, wenn sie zunächst versucht, Schritt für Schritt gegen bauliche Abweichungen vom Bebauungsplan vorzugehen, um die Dauerwohnnutzung unmöglich oder zumindest äußerst unattraktiv zu machen und sich die Untersagung der Dauerwohnnutzung als solche (je nach Verfahrensentwicklung) vorbehält. Insoweit ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgerichts Würzburg in mehreren Urteilen (Az. W 4 K 08.1965, W 4 K 08.168, W 4 K 09.168, W 4 K 09.20; W 4 K 08.1934) von der Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Wochenendhausgebiets ausgegangen ist und damit die Durchsetzbarkeit sofortiger Nutzungsuntersagungen erheblichen Unsicherheiten unterworfen hat.
49
Der Aufwand für die angeordneten Maßnahmen ist ebenfalls verhältnismäßig. Hinsichtlich der Kellerhöhe ist keine besondere Schwierigkeit ersichtlich, zumal insoweit sowohl das Abhängen der Decke als auch der Bodenaufbau in Betracht kommt. Die betreffende Anordnung erscheint auch nicht sinnlos, wie die Kläger im Rahmen ihrer Anhörung eingewandt haben, oder eine Nutzungsuntersagung bezüglich einer Wohnraumnutzung im Hinblick auf die Gefahr, dass diese nicht befolgt werden würde und sehr schwer im Wege des Verwaltungsvollzugs durchgesetzt werden könnte, nicht vorzugswürdig. Bezüglich der Entfernung der Terrassenüberdachung (sogen. „Pergola“) ist nicht ersichtlich, dass die vorhandene Dachbegrünung naturschutzrechtliche Probleme aufwerfen würde. Gleiches gilt hinsichtlich der Reduzierung der Einfriedung (Drahtzaun und Sichtschutzwand). Soweit die Kläger sich bezüglich der Nebengebäude auf ihre Bedürfnisse nach Aufbewahrungsflächen berufen, verkennen sie den Wochenendhausgebietscharakter und den Umstand, dass ihnen insgesamt ein Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 60 m² und einem zugelassenen Kellergeschoss zu Wohn- und Lagerzwecken zur Verfügung steht (vgl. auch Begründung zum Bebauungsplan, S. 16).
50
Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Die Fristsetzungen und die Höhe der angefochtenen Zwangsgelder sind nicht zu beanstanden.
51
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
52
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.