Titel:
Vorläufiger Rechtsschutz eines Nachbarn gegen Wohnhausumbau
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2, § 146
BauGB § 31 Abs. 2, § 34, § 212a Abs. 1
Leitsätze:
1. Zur Unaufklärbarkeit der Existenz eines Bebauungsplans im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. IRd Interessenabwägung fällt zugunsten eines Bauherren ins Gewicht, dass die Anfechtungsklage des Nachbarn nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz des Nachbarn gegen Wohnhausumbau, Abänderungsantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Existenz eines wirksamen Bebauungsplans im Eilverfahren nicht aufklärbar, Fehlende Befreiung von (etwaigen) Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, Drittschutz, Rücksichtnahmegebot, Hanglage, vorläufiger Rechtsschutz des Nachbarn gegen Wohnhausumbau, Abänderungsantrag, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wirksamer Bebauungsplan, Eilverfahren, fehlende Befreiung von (etwaigen) Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, Drittschutz
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 14.06.2023 – B 2 S 23.373
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31985
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Nachbarklage gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung abgelehnt hat.
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Gegenstand der am 20. Dezember 2022 erteilten Baugenehmigung ist der Umbau eines bestehenden, bisher eingeschossigen Wohnhauses unter Erhöhung des Daches und Ausbau des Dachgeschosses mit Gauben. In der Begründung der Baugenehmigung wird ausgeführt, das Vorhaben füge sich nach § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Gebäudehöhe ein, da sich in der näheren Umgebung vergleichbar hohe und höhere Wohnhäuser befänden.
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Gegen die Baugenehmigung hat der Antragsteller Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. April 2023 mit der Begründung abgelehnt, eine Verletzung nachbarschützender Rechte liege nicht vor, da eine Verletzung von Abstandsvorschriften nicht ersichtlich sei und das Vorhaben der Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller keine erdrückende Wirkung aufweise.
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Am 12. Mai 2023 beantragte der Antragsteller die Abänderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO. Nach Mitteilung des Staatsarchivs befänden sich gemäß einer in den Archivakten der Regierung von … enthaltenen Planskizze „mit Stand 20.4.1967“ die beiden Grundstücke im Bereich eines Bebauungsplans „B …“. Dieser Bebauungsplan sei Baugenehmigungsverfahren der 70iger und 80iger Jahre zugrunde gelegt worden. Beim Landratsamt fand sich daraufhin ein Exemplar eines Bebauungsplanentwurfs mit dem Genehmigungsvermerk der Regierung von … vom 24. Februar 1967, allerdings ohne Bekanntmachungsvermerk. Nach einer vom Landratsamt eingeholten Auskunft der Gemeinde sei nicht mehr feststellbar, ob der angeführte Bebauungsplan in Kraft getreten sei; er sei jedenfalls nicht angewendet worden. Eine vom Verwaltungsgericht erbetene Auskunft der Regierung von … vom 22. Mai 2023 ergab, dass für das fragliche Gebiet kein Bebauungsplan vorliege. Das Verwaltungsgericht hat den Abänderungsantrag mit Beschluss vom 14. Juni 2023 mit der Begründung abgelehnt, solange eine Verkündung des Bebauungsplans nicht zweifelsfrei nachgewiesen sei, könne der Inhalt des Bebauungsplans der Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens nicht zugrunde gelegt werden; aus einzelnen Fällen einer Normanwendung sei nicht auf die Wirksamkeit der Norm zu schließen.
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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde unter Berufung auf eine Erklärung des ehemaligen Kreisbaumeisters, wonach die Baugenehmigung vom 15. September 1976 zur Errichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück des Antragstellers (FlNr. …, Gem. …) auf Basis des zu diesem Zeitpunkt für das Bauquartier „rechtskräftigen“ Bebauungsplanes B … erteilt worden sei. Außerdem verweist er auf Baugenehmigungen vom 28. Februar 1972 (FlNr. …) und vom 25. Mai 1977 (FlNr. …), denen ebenfalls der Bebauungsplan zugrunde gelegen habe. Es gebe somit hinreichende Indizien für das Vorliegen eines bekanntgemachten und damit wirksamen Bebauungsplans. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt insofern unzureichend aufgeklärt. Es hätte die Gemeinde zu einer substantiierten Stellungnahme zur Existenz eines Bebauungsplans auffordern müssen. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans „E+D“ (möglicherweise mit einer Planänderung zu eingeschossiger Bauweise „E“) mit einer Dachneigung bis zu 50° dürften keine Aufstockungen im Bereich des Dachgeschosses vorgenommen werden, die zu einem Vollgeschoss führten. Die Festsetzung der erdgeschossigen Bauweise sei nachbarschützend, da dem Plangeber bei Aufstellung dieses Planes die Problematik rund um die Beschattung und den Nordhang bewusst gewesen sein müsse. Wegen der unklaren bauplanungsrechtlichen Situation und drohender irreversibler Nachteile überwiege das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse. Der Annexantrag auf Einstellung der Bauarbeiten sei erforderlich, da die Beigeladenen zwischenzeitlich mit der Umsetzung des Vorhabens begonnen hätten.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. Juni 2023 aufzuheben und den Beschluss vom 20. April 2023 (Az.: B 2 S 23.281) dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet wird,
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sowie die Bauarbeiten auf dem Anwesen S … 20 B … (FlNr. … ) einstweilen einzustellen.
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Der Antragsgegner und die Beigeladenen verteidigen die angefochtene Entscheidung und beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 20. April 2023 und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2022 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen vorläufigen Prüfung der Rechts- und summarischen Prüfung der Sachlage (vgl. BVerwG, B.v. 23.2.2018 – 1 VR 11.17 u.a. – juris Rn. 15) unter Zugrundelegung des für die Beschwerdeentscheidung in erster Linie maßgebenden Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) kann keine abschließende Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden (1.). Die demnach unabhängig von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt zulasten des Antragstellers aus (2.).
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1. Entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat die Erfolgsaussichten der anhängigen Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung nach Aktenlage als offen an. Es kann im summarischen Verfahren nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Hauptsacheverfahren die Existenz eines wirksamen Bebauungsplans aufklären lässt, der entscheidungserhebliche Festsetzungen enthält, auf die sich der Antragsteller als Nachbar berufen kann.
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Auf die Existenz eines – in Kraft getretenen, ggf. noch immer wirksamen – Bebauungsplans könnten die Auskunft des Staatsarchivs … vom 10. Mai 2023 sowie die vom Antragsteller vorgelegten Baugenehmigungen vom 5. Juni 1972, vom 15. September 1976, vom 25. Mai 1977 und vom 1. März 1983 im näheren Umfeld des Bauvorhabens hindeuten. Diese wurden wohl auf Grundlage eines Bebauungsplans „B …“ bzw. „B …-Ost“ erteilt, wofür auch die Stellungnahmen der Gemeinde sprechen dürften, die von einem wirksam überplanten Gebiet ausgingen. Dass die Gemeinde in den damaligen Baugenehmigungsverfahren auf einen Bebauungsplan Bezug nahm, steht im deutlichen Widerspruch zu ihrer gegenüber dem Antragsgegner erteilten Auskunft, wonach ein Inkrafttreten des Bebauungsplans nicht mehr feststellbar, dieser „praktisch“ aber jedenfalls nicht angewendet worden sei. Die Gemeinde hat zudem auf ein weiteres Auskunftsersuchen des Antragsgegners im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr reagiert. Mit Blick auf die beim Landratsamt gefundene Plankopie mit dokumentiertem Satzungsbeschluss vom 10. November 1959 und den vom Antragsteller vorgelegten Auszügen aus den Sitzungsbüchern, die auf einen unter dem 9. Oktober 1962 geänderten Satzungsbeschluss hinweisen, erscheint es nicht vollständig ausgeschlossen, dass sich im Rahmen einer weiteren Sachverhaltsermittlung, unter Einbeziehung insbesondere der Gemeinde, des Staatsarchivs und des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Bamberg, eine Originalurkunde des damaligen Bebauungsplans mit Bekanntmachungsvermerk nebst Planungsunterlagen finden und die Frage der (fortbestehenden) Wirksamkeit der Planung sowie der Entscheidungserheblichkeit für das Klageverfahren abschließend klären lässt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist jedoch eine etwaig notwendige Beweisaufnahme des Hauptsacheverfahrens nicht vorwegzunehmen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 916).
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Andererseits genügen die vorhandenen Indizien keinesfalls, um von einem gültigen Bebauungsplan, der zu einem Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache führt, auszugehen. Die Bekanntmachung – hier wohl nach § 12 BBauG i.d.F. vom 23. Juni 1960 (BGBl. I, S. 341 ff.) – wäre unabdingbare Voraussetzung für die Gültigkeit des Bebauungsplans (vgl. Schrödter, BBauG, 1964, § 12 Rn. 1); nach Satz 3 der Vorschrift wird der Bebauungsplan erst mit der ortsüblichen Bekanntmachung, die an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung tritt, rechtsverbindlich. Da das Inkrafttreten der Planung bislang nicht positiv festgestellt werden kann, kann derzeit nicht gesichert von der Existenz einer wirksam gewordenen Rechtsnorm ausgegangen werden. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Nachholung der Bekanntmachung des am 24. Februar 1967 genehmigten Bebauungsplans würde im Hinblick auf den bei Nachbarklagen maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt jedenfalls nicht dazu führen, dass sich dies auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung auswirkt.
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Überdies ist der Planinhalt unklar. Die vorliegenden Plankopien und die viele Jahrzehnte zurückliegende Erteilung von Baugenehmigungen auf Grundlage eines Bebauungsplans im Umkreis des Bauvorhabens der Beigeladenen lassen keine hinreichenden Rückschlüsse auf den Umgriff und den genauen Regelungsinhalt des ggf. zu beachtenden Plans zu. Ob die Anfechtungsklage des Antragstellers wegen eines im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Verstoßes gegen nachbarschützende Festsetzungen eines Bebauungsplans Erfolg haben wird, kann daher erst nach der im Hauptsacheverfahren anzustellenden weiteren Sachverhaltsaufklärung abschließend beurteilt werden.
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2. Sind die Erfolgsaussichten der Klage offen, ist über den Antrag aufgrund einer (reinen) Interessenabwägung zu entscheiden. (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2020 – 9 CS 20.1250 – juris Rn. 11; B.v. 19.7.2019 – 9 CS 19.794 – juris Rn. 20) Diese fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
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Im Rahmen der Interessenabwägung sind das private Interesse des Genehmigungsadressaten an der alsbaldigen Verwirklichung des genehmigten Vorhabens und das private Aussetzungsinteresse des dagegen vorgehenden Nachbarn zu berücksichtigen. Dabei fällt zu Gunsten der Bauherren – hier der Beigeladenen – ins Gewicht, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 9 CS 22.3 – juris Rn. 31). Der Gesetzgeber hat in § 212a Abs. 1 BauGB dem Interesse an der Verwirklichung des Bauvorhabens „auf eigenes Risiko“ – also ohne rechtsbeständige Genehmigung – grundsätzlich den Vorrang eingeräumt, so dass es weiterer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen; allein die Behauptung, der Bau schaffe „vollendete Tatsachen“, genügt insoweit nicht (vgl. Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2023, § 212a Rn. 47 m.w.N.). Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist, wenngleich die Abwägung damit nicht schon präjudiziert ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 34; B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 77 m.w.N.).
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Die vom Antragsteller geltend gemachte unklare planungsrechtliche Situation beseitigt vorliegend nicht das besondere Gewicht des Vollzugsinteresses seitens der Beigeladenen und führt nicht zu einem Überwiegen des Suspensivinteresses. Insoweit ist von maßgeblicher Bedeutung, dass selbst bei unterstellter Gültigkeit eines Bebauungsplans ein Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren fernliegt. Die vorgebrachten Verstöße gegen die Geschossigkeit beträfen grundsätzlich nicht nachbarschützend wirkende Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung. Dass hier ausnahmsweise von einer nachbarschützenden Ausgestaltung dieser Festsetzungen durch die Gemeinde auszugehen sein könnte, ist nach der derzeitigen Erkenntnislage eher unwahrscheinlich.
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Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses; Planbetroffene werden durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nicht in gleicher Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie das für die Festsetzung der Art der Nutzung angenommen wird (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3). Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt maßgeblich vom Willen der Gemeinde als Plangeberin ab, sie darf dies regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris LS 1, Rn. 14 ff.; B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23). Durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall ist zu ermitteln, ob nach dem Willen der planenden Gemeinde die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung nicht nur aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde, sondern (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich dienen sollte; ein entsprechender Wille kann sich unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2022 – 9 CS 22.1942 – juris Rn. 18; B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23; B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16).
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Abgesehen davon, dass vorliegend bereits das Vorliegen einer planerischen Festsetzung zu erdgeschossiger Bauweise („E+D“ oder „E“) nicht gesichert ist, würde diese jedenfalls das Maß der baulichen Nutzung betreffen. Dafür, dass sich ein planerischer Wille dahingehend aufklären lassen könnte, dass diese Regelung – wie im Regelfall nicht – dem nachbarschaftlichen Austauschverhältnis dient, finden sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Hinweise. Vielmehr spricht gegen die Annahme, eine etwaige Festsetzung „E+D“ sei im Hinblick auf die Hanglage zum Schutz der hangabwärts liegenden Nachbarn erfolgt, dass in dem vom Landratsamt vorgelegten Planentwurf vom 18. November 1957 für die nördlich dem Antragsteller hangabwärts gelegenen Grundstücke mit der damaligen FlNr. … und … die Festsetzung „E“ und damit eine geringere Bauhöhe als für höher liegende Grundstücke getroffen wurde. Eine entsprechende planerische Absicht, Nachbarinteressen zu wahren, kann auch nicht schon aus den topographischen Besonderheiten einer (hier leichten) Hanglage abgeleitet werden (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2021 – 9 CS 21.2211 – juris Rn. 32). Faktisch günstige Auswirkungen einer Festsetzung auf die Nachbargrundstücke reichen zur Annahme einer nachbarschützenden Wirkung nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2020 – 9 CS 20.2172 – juris Rn. 24; B.v. 19.11.2015 – 1 CS 15.2108 – juris Rn. 8).
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Im Übrigen könnte sich hinsichtlich eines etwaig fehlenden Dispenses von nicht nachbarschützenden Festsetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB eine Rechtsverletzung nur aus einem Verstoß gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot ergeben (sog. „versteckter Dispens“ – vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – juris Rn. 10; B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris; BayVGH, B.v. 13.10.2021 – 9 CS 21.2211 – juris Rn. 29; B.v. 27.11.2019 – 9 CS 19.1595 – juris Rn. 22; B.v. 27.6.2018 – 9 ZB 16.1012 – juris Rn. 12; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 33; B.v. 23.3.2015 – 15 CS 14.2871 – juris Rn. 28; OVG NW, U.v. 9.5.2016 – 10 A 1611/14 – juris Rn. 51). Dass das streitgegenständliche Vorhaben diesem Gebot auch im Hinblick auf die vom Antragsteller befürchtete Verschattung seines Grundstücks gerecht wird, hat das Verwaltungsgericht in den Gründen zu seinem Beschluss vom 20. April 2023 bereits zutreffend ausgeführt. Hierauf kann insoweit verwiesen werden.
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Sollte sich – wider Erwarten – im Hauptsacheverfahren die Gültigkeit einer nachbarschützenden planerischen Festsetzung erweisen, gegen die das Bauvorhaben verstößt und von der eine nachträgliche Befreiung nicht erteilt werden kann, so schafft gleichwohl die in den nächsten Wochen und Monaten zu erwartende weitere Bauausführung auf eigenes Risiko der Beigeladenen noch keine unumkehrbaren Tatsachen.
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3. Für den mit Schriftsatz vom 24. Juli 2023 gestellten Annexantrag, die Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen vorläufig einzustellen, bleibt nach Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags kein Raum (vgl. auch BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 9 CS 22.3 – juris Rn. 33 m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen Beitrag im Verfahren geleistet haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die im Beschwerdeverfahren keine Einwände erhoben worden sind.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).