Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.11.2023 – 4 CS 23.1635
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen die Heranziehung zur Hundesteuer für zwei Kampfhunde

Normenketten:
GG Art. 105 Abs. 2a S. 1
BayKAG Art. 3
Leitsatz:
Hält sich ein Hund regelmäßig sowohl in einem Privathaushalt als auch auf einem in einer anderen Gemeinde gelegenen Betriebsgelände auf, hängt die Zuständigkeit zur Erhebung der Hundesteuer davon ab, wo der Schwerpunkt der Beziehungen des Hundes zum Hundehalter liegt; das ist im Regelfall der Haushalt des Hundehalters. (Rn. 25)
Schlagworte:
erhöhte Hundesteuer für Kampfhunde, Tatbestands- und Bindungswirkung eines Steuerbescheids, Verbot der Doppelbelastung derselben Steuerquelle, zuständige Gemeinde bei wechselnden Aufenthaltsorten des Hundes, Hundesteuer, Kampfhund, Lenkungssteuer, wechselnder Aufenthaltsort, Haushalt des Hundehalters, zuständige Gemeinde
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 16.08.2023 – 10 S 23.444
Fundstellen:
BayVBl 2024, 820
BeckRS 2023, 31982
NJW 2024, 982
LSK 2023, 31982
DÖV 2024, 534

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.790 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, der im Gebiet der Antragsgegnerin wohnt und eine Zimmerei in der Nachbargemeinde V. betreibt, wendet sich im Weg des vorläufigen Rechtsschutzes gegen seine Heranziehung zur Hundesteuer für zwei von ihm gehaltene Hunde.
2
Die 2013 und 2018 erworbenen Hunde, die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 als Kampfhunde gelten, meldete der Antragsteller zunächst jeweils in der Gemeinde V. an, die ihn daraufhin mit Bescheid vom 24. Oktober 2018 bis auf weiteres zur Zahlung von Hundesteuer in Höhe von 40 Euro bzw. 60 Euro jährlich heranzog.
3
Nachdem das zuständige Landratsamt anlässlich eines Beißvorfalls am 6. Juli 2022 auf die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Erhebung der Hundesteuer hingewiesen hatte, meldete der Antragsteller die beiden Hunde dorthin um. Auf der Grundlage ihrer Hundesteuersatzung vom 8. Oktober 2015 (HStS), wonach die Steuer für Kampfhunde 1.200 Euro beträgt, setzte die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 20. Oktober 2022 für die Jahre 2018 bis 2022 eine jährliche Steuer von 1.160 Euro für den ersten Hund und für die Jahre 2019 bis 2022 von 1.140 Euro für den zweiten Hund sowie ab dem Jahr 2023 eine Steuer von 1.200 Euro für jeden Hund fest. Dabei erfolgte für die Jahre 2018 bis 2022 eine Kürzung um die von der Gemeinde V. festgesetzten und vom Antragsteller bereits entrichteten Beträge von 40 Euro bzw. 60 Euro.
4
Der Antragsteller legte dagegen jeweils Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der genannten Bescheide.
5
Die Aussetzungsanträge lehnte die Antragsgegnerin ab; über die Widersprüche wurde bisher nicht entschieden.
6
Am 30. Januar 2023 erhob der Antragsteller Klage gegen die Hundesteuerbescheide vom 20. Oktober 2022 und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bis zur Entscheidung der Hauptsache.
7
Mit Beschluss vom 16. August 2023 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab.
8
Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Eilrechtsschutzbegehren weiter.
9
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.
10
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
11
1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 20. Oktober 2022 zu Recht abgelehnt hat. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten und daher vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung.
12
Bei der Anforderung öffentlicher Abgaben müssen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung muss für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides in diesem Sinne sind nur dann anzunehmen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg; ein lediglich als offen erscheinender Verfahrensausgang rechtfertigt im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit von Abgabenbescheiden gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage nicht (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 95 m.w.N.).
13
Im vorliegenden Fall bestehen in Anbetracht des Beschwerdevorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide.
14
a) Der Antragsteller trägt vor, die Bescheide der Antragsgegnerin seien bereits deshalb rechtswidrig, weil für die jeweiligen Zeiträume bestandskräftige Hundesteuerbescheide der Gemeinde V. ergangen seien, deren Tatbestandswirkung bis zu einer möglichen Aufhebung zu beachten sei. Für die Antragsgegnerin stehe danach verbindlich fest, dass für die jeweiligen Zeiträume die Hundesteuer nur in der von der Gemeinde V. festgesetzten Höhe entstanden sei. Die Vorstellung, durch den Abzug der bisher bezahlten Steuer werde eine doppelte Inanspruchnahme des Antragstellers vermieden, verkürze dessen Rechtsschutzmöglichkeiten. Die den Bescheiden der Antragsgegnerin zugrundeliegende Hundesteuersatzung sei zudem rechtswidrig, weil sie willkürlich zwischen den aufgeführten Hunderassen unterscheide und eine unverhältnismäßig hohe Steuer vorsehe. Schon aufgrund der auch das Gericht bindenden Bescheide der Gemeinde V. seien die angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin wegen örtlicher Unzuständigkeit rechtswidrig. Da die Hunde unstreitig im Betrieb des Antragstellers als Wachhunde genutzt würden, erfolge ihre Haltung gerade nicht in dessen Haushalt im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Für eine Haltung im Betrieb sei nicht Voraussetzung, dass die Hunde dort 24 Stunden am Tag verblieben; anderenfalls wäre diese vom Satzungsgeber vorgesehene Haltungsvariante nahezu nie möglich.
15
b) Mit diesen Ausführungen wird die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide nicht ernstlich in Frage gestellt.
16
aa) Die Existenz des von der Gemeinde V. erlassenen Hundesteuerbescheids vom 24. Oktober 2018 stand dem Erlass von (weiteren) Hundesteuerbescheiden durch die Antragsgegnerin nicht entgegen. Für diese ergab sich insbesondere aus der vom Antragsteller angeführten „Tatbestandswirkung“ des früheren Bescheids keine rechtliche Bindung beim Vollzug ihrer eigenen Hundesteuersatzung.
17
Eine Tatbestandswirkung im engeren Sinne kommt einem Verwaltungsakt nur zu, wenn sein Vorhandensein nach materiellem Recht eine zwingende Voraussetzung, d.h. ein Tatbestandsmerkmal, für den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge bildet (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.1980 – 8 C 82.79 – BVerwGE 60, 111/116 f.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 43 Rn. 154 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall, da weder die Gesetzesvorschriften über örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 3 KAG) noch die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin das Recht zur Steuererhebung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines anderweitig erlassenen Verwaltungsakts abhängig machen. Die Pflicht zur Zahlung von Hundesteuer ist nicht an die (negative) Voraussetzung geknüpft, dass gegen denselben Steuerpflichtigen noch kein Hundesteuerbescheid von einer anderen Gemeinde erlassen wurde.
18
Zwar können Verwaltungsakte mit ihren auf Außenwirkung abzielenden Regelungen auch ohne ausdrückliche normative Bezugnahme eine Bindungswirkung (Tatbestandswirkung im weiteren Sinne) gegenüber anderen Behörden entfalten (BVerwG, B.v. 11.2.2016 – 4 B 1.16 – NVwZ-RR 2016, 471 Rn. 4 m.w.N.; Sachs, a.a.O., Rn. 137 ff.). Dies gilt aber nur für ihren jeweiligen Regelungsgehalt, wie er sich aus der örtlich und sachlich begrenzten Zuständigkeit der erlassenden Behörde ergibt. Danach war Gegenstand des Hundesteuerbescheids der Gemeinde V. vom 24. Oktober 2018 die verbindliche Entscheidung über die Höhe der von ihr erhobenen Steuer und über die vom Antragsteller im Rahmen dieser Rechtsbeziehung zu erfüllende Zahlungspflicht. Zum Regelungsinhalt des Bescheids gehörte dagegen nicht die (nicht ausdrücklich getroffene) Feststellung, dass die beiden Hunde des Antragstellers im Gebiet der Gemeinde V. gehalten würden. Diese Annahme betraf vielmehr eine Vorfrage, die an der Bindungswirkung des Steuerbescheids nicht teilnahm (vgl. BVerwG, a.a.O.) und die auch nicht mit rechtlicher (Ausschluss-)Wirkung gegenüber anderen Gemeinden hätte entschieden werden können. Die steuerlichen Verhältnisse des Antragstellers zur Antragsgegnerin wurden somit durch den Hundesteuerbescheid der Gemeinde V. vom 24. Oktober 2018 nicht berührt.
19
Der Antragsteller kann auch nicht geltend machen, aufgrund der angegriffenen Bescheide als Steuerpflichtiger zu Unrecht für ein und denselben Aufwand doppelt in Anspruch genommen zu werden. Das im Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG enthaltene Verbot einer Doppelbelastung derselben Steuerquelle (BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95 – BVerfGE 98, 106/125) gilt allein im Bund-Länder-Verhältnis; auf das Verhältnis der Gemeinden untereinander ist es schon deshalb nicht übertragbar, weil bei den Verbrauch- und Aufwandsteuern durch das Erfordernis der „Örtlichkeit“ sichergestellt ist, dass derselbe Steuertatbestand nur jeweils in einer einzigen Gemeinde vorliegen kann (vgl. BVerwG, B.v. 18.8.2015 – 9 BN 2/15 – NVwZ 2016, 620 Rn. 10). Wer wie der Antragsteller einen von einer unzuständigen Gemeinde erlassenen Steuerbescheid hinnimmt, kann sich daher gegenüber einem von der zuständigen Gemeinde erlassenen späteren Bescheid nicht auf eine unzulässige Doppelbelastung berufen.
20
bb) Die in der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin in Bezug auf den jährlichen Steuersatz getroffene Unterscheidung zwischen Kampfhunden (1.200 Euro) und sonstigen Hunden (60 Euro) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der vom Verwaltungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des Senats dürfen die Gemeinden einen an die Kampfhundeeigenschaft anknüpfenden erhöhten Hundesteuersatz auch für Hunde festsetzen, bei denen ein sog. positiver Wesenstest vorliegt. Denn dieser lässt nur die sicherheitsrechtliche Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 1 LStVG entfallen, ändert aber nichts daran, dass es sich um Hunde handelt, bei denen aufgrund ihrer Rassemerkmale vor einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist (BayVGH, B.v. 29.11.2017 – 4 CS 17.1894 – juris Rn. 7; U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.144 – ZfK 2013, 235 Rn. 17; B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris 29). Dieser Umstand genügt auch aus bundesrechtlicher Sicht (BVerwG, U.v. 19.1.2000 – 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265/275) als rechtfertigender sachlicher Grund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation.
21
In dem erhöhten Steuersatz für Kampfhunde von 1.200 Euro liegt angesichts des damit verfolgten Lenkungszwecks auch keine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung der Hundehalter. Eine „erdrosselnde Wirkung“ der Hundesteuer wäre nach ständiger Rechtsprechung erst anzunehmen, wenn der Steuersatz den jährlichen Aufwand für die Hundehaltung deutlich überstiege (BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.144 – juris Rn. 26; bestätigt durch BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8.13 – BVerwGE 150, 225 Rn. 28 ff.). Davon kann, wie das Verwaltungsgericht unter Verweis auf verschiedene aktuelle Studien und Berichte näher dargelegt hat, keine Rede sein.
22
cc) Der Antragsteller kann sich gegenüber der Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass die beiden Hunde nicht in deren Gemeindegebiet, sondern im Gebiet der Gemeinde V. gehalten würden.
23
Die bloße Tatsache, dass die Nachbargemeinde sich infolge der früheren Anmeldung durch den Antragsteller irrtümlich für zuständig gehalten und einen (noch) wirksamen Hundesteuerbescheid erlassen hat, stellt aus den oben genannten Gründen kein Zuständigkeitshindernis für die Antragsgegnerin dar. Auch der unstreitige zeitweilige Aufenthalt der Hunde auf dem Gelände der Zimmerei des Antragstellers in V. als Wachhunde hat nicht zur Folge, dass die Haltung dort und nicht im Gebiet der Antragsgegnerin stattfinden würde.
24
Nach der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin ist der die Steuerpflicht auslösende Tatbestand das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet (§ 1 Satz 1HStS). Hundehalter ist, wer einen Hund im eigenen Interesse oder im Interesse seiner Haushalts- oder Betriebsangehörigen aufgenommen hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2 HStS). Die räumlich-gegenständliche Zuordnung der Hundehaltung zu einem im Gemeindegebiet gehörenden Haushalt oder Betrieb ist damit durch die Hundesteuersatzung normativ festgelegt; dieser spezifische Bezug zu einem bestimmten Gemeindegebiet rechtfertigt die Erhebung der Hundesteuer als einer örtlichen Aufwandsteuer.
25
Wie sich aus der Verwendung der Konjunktion „oder“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 HStS ergibt, kann ein Hund aus steuerrechtlicher Sicht nur entweder einem Haushalt oder einem Betrieb als Ort der Haltung zugeordnet werden. Hält sich der Hund regelmäßig sowohl in einem Privathaushalt als auch auf einem in einer anderen Gemeinde gelegenen Betriebsgelände auf, ist daher zu prüfen, wo der Schwerpunkt seiner Beziehungen zum jeweiligen Hundehalter liegt. Dabei kommt es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht nur auf die jeweiligen Zeitanteile an, sondern auch darauf, wo die Pflege und insbesondere die nächtliche Unterbringung des Tiers stattfindet. Im Regelfall wird daher der Haushalt des Hundehalters und nicht dessen auswärtige Arbeitsstelle, an die der Hund regelmäßig mitgenommen wird, als der Ort der Hundehaltung anzusehen sein (vgl. BayVGH, U.v. 26.9.2012 – 4 B 12.1389 – VGH n.F. 65, 183 = BayVBl 2013, 369 Rn. 22). Dass bei den beiden Hunden des Antragstellers ein Sonderfall vorläge, der eine abweichende Bewertung nahelegen könnte, ist im bisherigen Verfahren nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.
26
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
27
Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 § 52 Abs. 3 Satz 1, GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 und 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs.