Inhalt

VGH München, Urteil v. 23.08.2023 – 4 B 22.192, 4 B 22.193, 4 B 22.194
Titel:

Erstattung anteiliger Abschreibungskosten für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Kläranlage

Normenkette:
BayVwVfG Art. 57, Art. 60
Leitsatz:
Einzelfall der Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge zwischen einer Gemeinde und der Autobahndirektion über die Übernahme von Kosten zur Reinigung des Abwassers von Autobahnrastanlagen. (Rn. 36 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Neubau einer gemeindlichen Kläranlage, Reinigung des Abwassers von Autobahnrastanlagen, Forderung nach anteiliger Erstattung von Abschreibungen, Auslegung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, Anschubfinanzierung, Ersatzbau
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 11.11.2020 – W 2 K 20.331
VG Würzburg, Urteil vom 11.11.2020 – W 2 K 20.1035
VG Würzburg, Urteil vom 11.11.2020 – W 2 K 20.332
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 25.03.2024 – 9 B 3.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31977

Tenor

I. Die Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. November 2020 werden abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.    

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin, auf deren Gemeindegebiet sich die Autobahnrastanlagen R. West und R. Ost befinden, verlangt von der Beklagten, die diese Rastanlagen betreibt, die Erstattung anteiliger Abschreibungskosten für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Kläranlage in den Jahren 2013 bis 2015.
2
Die frühere Gemeinde R., die 1978 in das Gebiet der Klägerin eingemeindet wurde, schloss am 21./30. Mai 1970 mit der Bundesrepublik Deutschland – Bundesstraßenverwaltung – und der damaligen Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen m.b.H. (GfN), beide vertreten durch das Autobahnbauamt Nürnberg, eine Vereinbarung bezüglich der Übernahme des Abwassers der damals in Bau befindlichen Rastanlagen (Vereinbarung 1970). Danach beteiligte sich das Autobahnbauamt mit einem Anteil von zwei Dritteln an den Kosten für den Bau der zum 1. April 1971 betriebsfertig zu errichtenden gemeindlichen Kläranlage (§ 3). In § 5 wurde vereinbart, dass die Gemeinde R. dem Autobahnamt „Anschlussgebühren“ im Hinblick auf die Leistungen gemäß § 3 nicht in Rechnung stellen werde und dass sich die Höhe der Benutzungsgebühren nach der jeweiligen Satzung richte.
3
Die Rastanlagen wurden in der Folgezeit an die Kläranlage angeschlossen. Am 28. März/11. Mai 1973 wurde eine „Ergänzung zur Vereinbarung vom 21./30.5.1970“ (Ergänzungsvereinbarung 1973) von den damaligen Vertragsparteien unterzeichnet, wobei das bisherige „Autobahnbauamt“ nunmehr als „Autobahndirektion“ firmierte. § 5 der vorherigen Vereinbarung habe „nach Ansicht beider Vertragspartner“ zu erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung geführt, so dass das Nachfolgende vereinbart werde (Nr. II. der Ergänzungsvereinbarung 1973):
4
„Die Autobahndirektion verpflichtet sich, der Gemeinde R. 2/3 der jährlich nachgewiesenen Betriebskosten für die gesamte Abwasserbeseitigungsanlage der Gemeinde R. zu ersetzen. Des Weiteren trägt die Autobahndirektion 2/3 der Abschreibungen für die Kläranlage, die Maschinenteile der Kläranlage und die gemeinsam benutzten Anlagenteile (Kanal von ca. 40m).“
5
Im Jahr 1994 wurde die GfN in die A. AG umgewandelt, deren Aktienanteile 1998 vollständig auf ein privates Konsortium übertragen wurde. 1999 wurde die A. AG formwechselnd in die A. GmbH – die Beklagte – umgewandelt. Diese betreibt aufgrund von Konzessionsverträgen mit der Bunderepublik Deutschland die Autobahnrastanlagen R. West und R. Ost. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Verträge trat sie für ihre Leitungen in alle bestehenden Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland ein.
6
Die von der Klägerin im Zuge der Eingemeindung übernommene Kläranlage wurde 2013 durch eine neue Anlage ersetzt. Seitdem wird das Abwasser der Rastanlagen dort gereinigt.
7
Eine von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene Klage auf Zahlung eines Vorschusses auf die Investitionskosten für die Erneuerung der Kläranlage blieb ohne Erfolg (VG Würzburg, U.v. 15.10.2014, Az. W 2 K 12.864; BayVGH, B.v. 7.2.2017, Az. 4 ZB 16.2399). Im März 2017 leistete die Beklagte aber auf vorangegangene Rechnungen der Klägerin wegen anteiliger Betriebskosten für die Kalenderjahre 2013, 2014 und 2015 Zahlungen von insgesamt 221.435,46 Euro (74.503,21 Euro, 76.397,52 Euro und 70.534,73 Euro).
8
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 stellte die Klägerin der Beklagten Rechnungen für anteilige Abschreibungen für das Kalenderjahr 2013 in Höhe in Höhe von 76.914,42 Euro, für das Kalenderjahr 2014 in Höhe von 80.885,83 Euro und für das Kalenderjahr 2015 in Höhe von 86.178,85 Euro.
II.
9
Nachdem es hinsichtlich dieser weiteren Forderungen zu keiner Einigung gekommen war, ließ die Klägerin am 14. Dezember 2018 für die Jahre 2013, 2014 und 2015 eine gemeinsame Klage zum Verwaltungsgericht erheben und beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die anteiligen Abschreibungen an der Kläranlage R. in den genannten Jahren auf der Grundlage der Rechnungen vom 6. Oktober 2017 noch Beträge in Höhe von 76.158,73 Euro, von 80.035,23 Euro und von 85.328,25 Euro jeweils nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Klägerin habe Erstattungsansprüche wegen anteiliger Kosten der Abschreibung der Kläranlage aus einem faktisch begründeten öffentlich-rechtlichen Dauerschuldverhältnis. Die Forderungen beruhten nicht auf dem kommunalen Satzungsrecht, weil die Rastanlagengrundstücke nicht durch einen öffentlich gewidmeten Kanal erschlossen seien. Die Zulaufleitungen seien keine Grundstücksanschlüsse, sondern private Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten. Ab Schacht Nr. 3R0020220 seien sie von dem jeweiligen Rastanlagenbetreiber ohne Einbindung der Klägerin geplant, errichtet und saniert worden. Die Beklagte habe seit ihrer Betriebsübernahme im Jahr 1999 die laufenden Verpflichtungen aus den Vereinbarungen der Jahre 1970 und 1973 faktisch anerkannt und sei ihnen ohne Einwendungen nachgekommen. Damit bestehe bezüglich der Abnahme und Reinigung der Rastanlagenabwässer ein über Jahrzehnte währendes faktisches Dauerschuldverhältnis auch über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der neuen Kläranlage hinaus. Lediglich die Berechnungsgrundlagen für den Anteil der Kostenbeteiligung der Beklagten seien angepasst worden, so dass die Beklagte nunmehr einen Anteil von 18/38 zu tragen habe; dies entspreche dem beim Bau der Anlage einvernehmlich kalkulierten Nutzungsverhältnis. Neben den bereits gezahlten anteiligen Betriebskosten könne die Klägerin auch die Erstattung anteiliger Abschreibungen für die neue Kläranlage verlangen. Es würden dabei nur solche Investitionsaufwendungen über Abschreibungen finanziert, die nicht bereits gedeckt seien. Die Geltendmachung von Abschreibungskosten stehe nicht im Widerspruch zu der klageabweisenden Entscheidung bezüglich des Investitionskostenvorschusses. Bei der Erstattung von Abschreibungen handele es sich um eine Verpflichtung der Beklagten aus dem bestehenden Dauerschuldverhältnis; die Abschreibungen stellten den anteiligen Wertverzehr der Anlagen dar. Sie seien Teil der betriebswirtschaftlich anzusetzenden Kosten der Abwasserreinigung und orientierten sich gemäß §§ 253 Abs. 1, 255 Abs. 1 HGB an den Anschaffungskosten der Kläranlage. Abschreibungen seien in die Berechnung des Wertes der erbrachten Leistung einzukalkulieren; nur so könne von einer „angemessenen“ Gegenleistung gesprochen werden, zu der die Beklagte im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses verpflichtet sei. Da der Abschreibungsbetrag für das Jahr 2013 erst im Laufe des Jahres 2015 habe ermittelt werden können, sei die bis zum 31. Dezember 2018 laufende dreijährige Verjährungsfrist durch die Klageerhebung unterbrochen worden.
10
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie sei bereits unzulässig, da über den Streitgegenstand rechtskräftig im Verfahren W 2 K 12.864 entschieden worden sei; bei Investitionen und Abschreibungen handele es sich um zwei Seiten einer Medaille. Die Klagen seien auch unbegründet; Rechte und Pflichten der Parteien richteten sich allein nach der Entwässerungssatzung der Klägerin. Mit dieser habe die Klägerin die im öffentlichen Straßengrund liegenden Grundstücksanschlüsse zum Bestandteil ihrer Entwässerungsanlage gemacht. Bei dem Kanal, der die Rastanlage mit der Kläranlage verbinde, handele es sich um einen solchen Grundstücksanschluss; auch die Rastanlagen selbst seien öffentlicher Straßengrund. Zudem sei das Eigentum an dem Zuleitungskanal als Scheinbestandteil formfrei auf die Gemeinde übertragen worden, die die Kosten für den laufenden Unterhalt übernommen habe. Die Anschlüsse seien in das öffentliche Kanalnetz integriert. Die Wirksamkeit eines faktischen Dauerschuldverhältnisses scheitere am Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG. Bezüglich der Ergänzungsvereinbarung von 1973 sei allenfalls die Bundesrepublik Deutschland Anspruchsgegner. Auch habe die Klägerin die Vereinbarungen 1970/73 mit Schreiben vom 18. Juni 2007 gegenüber der Beklagten und mit Schreiben vom 4. September 2007 gegenüber der Autobahndirektion gekündigt. Die Klageansprüche seien zudem nicht fällig, weil die geltend gemachten Beträge zu keinem Zeitpunkt in Rechnung gestellt oder nachvollziehbar belegt worden seien. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben; das Investitionsvolumen für die neue Kläranlage habe bereits im August 2012 beziffert werden können. Die Richtigkeit der Aufstellung der Anschaffungs- und Herstellungskosten werde bestritten. Nach Ziffer II Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 sei die Verpflichtung auf die Abschreibung für die Kläranlage und die „Maschinenteile der Kläranlage“ beschränkt. Außerdem seien Investitionskosten nicht abschreibungsfähig, für die die Klägerin Beiträge oder Entgelte hätte erheben können. Die Klägerin habe es versäumt, den behaupteten Anspruch gegenüber dem richtigen Schuldner, der Bundesrepublik Deutschland, geltend zu machen; die abschreibungsfähigen Investitionskosten beliefen sich deshalb auf null.
11
Mit Beschlüssen vom 17. Dezember 2018 trennte das Verwaltungsgericht von dem ursprünglichen Verfahren die auf die Kalenderjahre 2014 und 2015 bezogenen Klagebegehren ab und führte diese Verfahren jeweils unter neuem Aktenzeichen fort.
III.
12
Mit Urteilen vom 11. November 2020 gab das Verwaltungsgericht Würzburg den Klagen jeweils vollumfänglich statt.
13
Für die Klagen bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Klägerin sei es verwehrt, die eingeklagten Leistungen mittels Verwaltungsakt als Gebühren- und/oder Beitragsforderungen zu erheben, da die Rastanlagengrundstücke nicht durch einen öffentlichen Kanal erschlossen seien. Das Bestehen einer tatsächlichen Zuleitung habe nicht automatisch zur Folge, dass der Leitungsstrang in die Entwässerungsanlage einbezogen sei. Die bisherige Nutzungspraxis, die rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung der Leitungen sprächen gegen eine öffentliche Widmung. In der Vereinbarung 1970 sei der Bau des Zuleitungskanals dem Autobahnbauamt und der GfN in der tatsächlichen Ausführung (§ 2 Abs. 2) wie auch finanziell (§ 3 Abs. 2) zugewiesen worden. Selbst wenn die Klägerin Eigentümerin der Zuleitung geworden sein sollte, sei dies nicht mit einer Widmung gleichzusetzen. Da die Rastanlagen somit nicht dem Satzungsregime der Klägerin unterlägen, könne diese ihre Entgeltansprüche nicht auf ihre Beitrags- und Gebührensatzung stützen. Einer Sachentscheidung über die Klage stehe auch nicht die Rechtskraft des Urteils im Verfahren W 2 K 12.864 entgegen. Der rein wirtschaftliche bzw. bilanzielle Zusammenhang zwischen Investition und Abschreibung begründe keine Identität der Streitgegenstände.
14
Die Klagen seien auch begründet. Die Verpflichtung zum anteiligen Wertersatz der Abschreibungen für die im Frühjahr 2013 in Betrieb genommene Kläranlage ergebe sich aus Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973. Der gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermittelnde Adressat der Verpflichtung sei die GfN bzw. – nach deren identitätswahrender Umwandlung – nunmehr die Beklagte, die als Rechtsnachfolgerin die betriebsbezogenen Verbindlichkeiten der GfN und später der A. AG übernommen habe. Der Text der Ergänzungsvereinbarung 1973 enthalte hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die GfN habe verpflichtet werden sollen. Anders als bei dem einmaligen Baukostenzuschuss in § 3 der Vereinbarung 1970 werde in Nr. II. Satz 1 und 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 die Gegenleistung für die wiederkehrenden Leistungen der Klägerin aus dem Dauerschuldverhältnis konstituiert. Die Erstattung anteiliger Betriebskosten (Ziffer II. Satz 1) und Abschreibungen (Ziffer II Satz 2) stehe rechtlich im Synallagma. Die Leistung „Abnahme und Reinigung des Schmutzwassers“ komme wirtschaftlich unmittelbar der Betreiberin der Rastanlage als Verursacherin des Abwassers zugute. Die GfN habe auch bereits aufgrund der Vereinbarung 1970 tatsächlich Zahlungen geleistet, wobei es sich ersichtlich nicht um Leistungen eines Dritten auf eine fremde Schuld gehandelt habe. Mit der Ergänzungsvereinbarung 1973 sei kein Schuldnerwechsel zur Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt worden. Es sei eklatant widersprüchlich, dass die Beklagte nunmehr zwar auf die Forderungen bezüglich der Betriebskosten geleistet habe, ihre Verpflichtung zur Erstattung anteiliger Abschreibungen aber bestreite. Selbst wenn Adressat der Verpflichtung die Bundesrepublik Deutschland gewesen sein sollte, hätte die Beklagte sie jedenfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Konzessionsverträge im Innenverhältnis übernommen. Dass es zur wirksamen Vertragsübernahme eines dreiseitigen Rechtsgeschäftes unter Mitwirkung der Klägerin bedurft hätte, könne die Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten, da sie dieser gegenüber jahrzehntelang als Verpflichtete aufgetreten sei; die Klägerin habe dabei jedenfalls konkludent die Vertragsübernahme genehmigt. Nach Treu und Glauben sei es der Beklagten versagt, sich auf einen etwaigen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis bei der Genehmigung der Vertragsübernahme zu berufen.
15
Die Vereinbarung 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung 1973 sei auch wirksam geschlossen, wobei die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis von einer ggf. fehlenden Ermächtigung durch den Gemeinderat unberührt bleibe. Mit der Ergänzungsvereinbarung 1973 sei der Bezug zum satzungsrechtlichen Gebühren- und Beitragsregime der Klägerin vollständig aufgehoben und ein eigenständiges Entgeltregime eingeführt worden, dessen Wirksamkeit nicht (mehr) an das Satzungsrecht der Klägerin gekoppelt sei. Das mit der Vereinbarung 1970 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung 1973 begründete Dauerschuldverhältnis habe nicht automatisch mit der Außerbetriebnahme der 1971 gebauten Kläranlage im Frühjahr 2013 geendet. Dem Vertragstext sei weder ausdrücklich noch durch ergänzende Auslegung eine auflösende Bedingung zu entnehmen. Schon die in § 8 Abs. 2 der Vereinbarung 1970 enthaltene Kündigungsregelung spreche dagegen. Dort hätten sich die Parteien mit der Frage der Vertragsbeendigung auseinandergesetzt, ohne diese an den Bestand der 1971 gebauten Kläranlage zu koppeln. Schon bei Vertragsabschluss 1970 sei offensichtlich gewesen, dass die Rastanlage den technischen Lebenszyklus der Kläranlage von 1971 übersteigen würde und dass die Abnahme und Reinigung des anfallenden Abwassers eine Daueraufgabe sein würde, die auch nach einer Ersetzung der Anlage weiterhin zu bewältigen gewesen sei. Es sei fernliegend, dass die Frage der Abwasserentsorgung nur bis zum Ende der technischen Einsatzfähigkeit der konkreten Kläranlage habe geregelt werden sollen. Mit der Ergänzungsvereinbarung 1973 sei ein Entgeltregime eingeführt worden, das seine finanzielle Wirkung – gerade im Hinblick auf die Erstattung von Abschreibungen – erst dann voll entfalte, wenn nennenswerte Investitionen in die notwendige Infrastruktur anfielen.
16
Das Dauerschuldverhältnis sei auch nicht einseitig durch eine Vertragspartei wirksam beendet worden. Für die als Kündigung in Betracht kommende „Widerrufserklärung“ der Beklagten im Schriftsatz vom 4. Dezember 2013 fehle es schon am erforderlichen Kündigungsgrund. Nach § 8 der Vereinbarung 1970 sei eine Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich gewesen, der aber ebenso wie ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vorgelegen habe. Auch die Klägerin habe das vertragliche Dauerschuldverhältnis nicht wirksam gekündigt. Das Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 18. Juni 2007 an den damaligen Beklagtenbevollmächtigten habe nicht zu einer wirksamen Kündigung geführt, da die auch hier anzuwendenden Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht vorgelegen hätten. Die im Schreiben vom 18. Juni 2007 angekündigte Absicht, die neue Kläranlage nur in der von der Klägerin benötigten Größe bauen zu wollen, habe eine Kündigung nicht begründen können, da die Klägerin vertraglich die ausreichende Dimensionierung ihrer zur Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses notwendigen Infrastruktur geschuldet habe. Im Übrigen wären die Forderungen auch dann berechtigt, wenn man von einer Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgehen würde. Die Beteiligten hätten die vertraglichen Leistungsbeziehungen auch nach Außerbetriebnahme der Kläranlage von 1971 unverändert fortgesetzt und damit konkludent ein neues Dauerschuldverhältnis entsprechend der vorherigen Vereinbarungen begründet, auf dessen Formwidrigkeit nach Art. 57, Art. 59 BayVwVfG i.V.m. § 125 BGB sich die Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen könne. Zumindest sei durch den tatsächlichen Leistungsbezug ein privatrechtliches Dauerschuldverhältnis begründet worden, aus dem sich ein Entgeltanspruch der Klägerin für die Abnahme und Reinigung des Abwassers der Beklagten ergebe, der auch den Wertverzehr des Anlagevermögens der Klägerin umfasse. Selbst ohne Annahme eines Dauerschuldverhältnisses stelle sich der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch dar.
17
Den Forderungen der Klägerin stünden auch keine Einwendungen oder Einreden entgegen. Sie seien nicht verjährt, da der Anspruch auf Erstattung von Abschreibungen frühestens mit der zeitgerechten Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Kalenderjahr entstehe, für das Kalenderjahr 2013 also erst am 31. Dezember 2014. Vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist am 31. Dezember 2017 hätten die Beteiligten von Oktober 2017 bis Oktober 2018 über die streitigen Ansprüche verhandelt, so dass die Verjährung bis Januar 2019 gehemmt gewesen sei. Die Ansprüche seien auch in der geltend gemachten Höhe begründet.
IV.
18
Gegen diese Urteile hat die Beklagte die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufungen eingelegt.
19
Sie sei erst seit 1995 Eigentümerin der Nebenbetriebsgrundstücke; die ebenfalls als öffentliche Straße gewidmeten übrigen Flächen der Rastanlagen, insbesondere die Parkplätze, gehörten weiterhin dem Bund. Die Klagen seien schon mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, da der in der Gemeindeverbindungsstraße verlaufende Kanal als Grundstücksanschluss zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung gehöre und die Klägerin daher Gebühren und Beiträge nach ihrer entsprechenden Satzung erheben könne. Die Regelungen in § 4 der Vereinbarung 1970 über den Übergang des Eigentums an dem Zuleitungskanal auf die Gemeinde und über deren Kostentragung für die laufende Unterhaltung sprächen für eine Übernahme ins öffentliche Leitungsnetz. In der 1969 erlassenen Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Gemeinde R. seien „Raststätten“ bereits ausdrücklich geregelt gewesen. Auch die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vom 15. Oktober 2014 zu dem damals geforderten Baukostenzuschuss stehe der Klage auf anteilige Investitionskostenerstattung entgegen. Das finanzielle Ergebnis einer Abbildung der Wertminderung abnutzbaren Vermögens (Abschreibung) und der Anschaffungs- und Herstellungskosten sei identisch. Die Kostenverteilung auf die gewöhnliche Nutzungsdauer mittels Abschreibung ändere nichts daran, dass Gegenstand der Forderung genau diejenigen Anschaffungs- und Herstellungskosten seien, auf welche die Klägerin – wie rechtskräftig festgestellt – keinen Anspruch habe.
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Aus Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch, weil Schuldner der vertraglichen Verpflichtung eindeutig die Autobahndirektion sei; einer Auslegung bedürfe es dazu nicht. In den Jahren 1970 und 1973 seien weder die Beklagte noch die GfN Betreiberinnen der Rastanlagen gewesen, sondern nach § 15 Abs. 1 FStrG i.d.F. vom 6. August 1961 der Bund, dem auch die Rastanlagenflächen und -grundstücke gehört hätten. Die GfN als juristische Person des Privatrechts sei lediglich Pächterin gewesen. Wenn sie hätte verpflichtet werden wollen, hätte es nahegelegen, sie in Nr. II. der Vereinbarung 1973 als Zahlungspflichtige zu benennen. Ein konkludent begründetes Dauerschuldverhältnis, durch das die Beklagte Schuldnerin der anteiligen Abschreibungen geworden wäre, scheitere bereits am Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG. Ein formnichtiger öffentlich-rechtlicher Vertrag könne nicht hilfsweise in einen formfreien privatrechtlichen Vertrag umgedeutet werden. Die geltend gemachten Ansprüche ergäben sich auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 der Konzessionsverträge der Beklagten mit der Bundesrepublik Deutschland, der sich allein auf die im Eigentum der Beklagten stehenden Leitungen beziehe, um die es aber bei dem Erstattungsbegehren der Klägerin nicht gehe. Die Vereinbarung 1973 sei zudem wegen Verstoßes gegen das Satzungsrecht der Gemeinde R. nichtig. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung 1970 habe zunächst eine Gebührenpflicht bestanden; die stattdessen 1973 geschlossene Abgabenvereinbarung verstoße gegen den Grundsatz, dass öffentliche Abgaben nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden dürften. Als Sondervereinbarung im Sinne des § 7 der Entwässerungssatzung (EWS) sei die Vereinbarung 1973 in entsprechender Anwendung ebenfalls an das Gebühren- und Beitragsregime der BGS/EWS gebunden; die tatsächlich geforderten Betriebskostenanteile betrügen aber mehr als das Doppelte, so dass von einer entsprechenden Anwendung der satzungsrechtlichen Regelungen keine Rede sein könne. Überproportionale Entgelte ließen sich in einer Sondervereinbarung nur begründen, wenn das fehlende Anschlussrecht darauf beruhe, dass stark verschmutztes Abwasser eine Vorreinigung erfordere; solches Abwasser leite die Beklagte aber nicht ein. Der nach Einwohnergleichwerten ermittelte Beitrags- und Gebührenmaßstab entspreche auch nicht den in den Satzungen der Klägerin verwendeten Maßstäben.
21
Selbst wenn durch die Vereinbarungen 1970 und 1973 ein Dauerschuldverhältnis begründet worden wäre, hätte dieses mit der Außerbetriebnahme der 1971 gebauten Kläranlage im Frühjahr 2013 geendet. § 3 der Vereinbarung 1970 habe sich auf die Kosten der gemäß § 2 „betriebsfertig zum 1.4.1971“ zu bauenden Anlage bezogen; an diesem Bezugsobjekt habe sich durch die Änderung des § 5 in der Vereinbarung 1973 nichts geändert. Zur Sicherstellung der Entwässerung der Nebenbetriebsgrundstücke sei ein nach dem Lebenszyklus der alten Kläranlage weiterlaufendes Dauerschuldverhältnis auch nicht zwingend notwendig gewesen, da die Gemeinde R. bzw. die Klägerin gemäß Art. 34 BayWG weiterhin zur Abwasserbeseitigung verpflichtet gewesen sei. Im Übrigen habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2013 in den Normenkontrollsachen 20 N 12.2099 und 20 N 12.2100 hinsichtlich der vollmachtlos abgeschlossenen Vereinbarung 1970/1973 von ihrem Widerrufsrecht nach § 178 BGB Gebrauch gemacht. Die Klägerin habe mehrfach vertragswidrig gehandelt. Mit der Ankündigung im Anwaltsschreiben vom 18. Juni 2007, die neue Kläranlage ohne Berücksichtigung des Bedarfs der Rastanlagen zu bauen, habe die Klägerin in strafrechtlich relevanter Weise ein empfindliches Übel zur Durchsetzung ihrer unbegründeten Forderung nach Investitionskostenbeteiligung eingesetzt. Gleiches gelte für die nach dem klageabweisenden Urteil vom 15. Oktober 2014 erfolgte Androhung eines Einleitungsverbots im Falle der Nichtannahme des „Angebots“ einer Investitionskostenbeteiligung von 2,2 Mio. Euro im Anwaltsschreiben vom 28. November 2014.
22
Für die Jahre 2013 bis 2015 fordere die Klägerin laut ihren Rechnungen als Betriebskostenanteile und als anteilige Abschreibungen insgesamt 461.957,67 Euro, während die nach der Satzung geschuldeten Gebühren nur insgesamt 107.394,28 Euro betragen hätten; es bestehe ein eklatantes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Der von der Beklagten geforderte Betrag übersteige im Übrigen die angegebene 18/38-Quote an den Investitionskosten, da die Gebühren trotz der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 2013 noch bis Ende 2016 auf der Grundlage der alten Kläranlage kalkuliert worden seien. Die Beklagte habe das angebliche Schuldverhältnis auch nicht durch die Leistung von Zahlungen an die Klägerin konkludent genehmigt. Wenn anstelle des Vertragspartners – hier der Autobahndirektion – ein Dritter gemäß § 267 BGB auf eine nicht in Person zu leistende Geldschuld zahle, liege darin entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kein „Auftritt wie eine Vertragspartei“.
23
Jedenfalls habe auch die Klägerin ein etwaiges Dauerschuldverhältnis mit Schreiben vom 18. Juni 2007 gegenüber der Beklagten und mit Schreiben vom 4. September 2007 gegenüber der Autobahndirektion auf den 30. November 2008 gekündigt. Überdies seien die geltend gemachten Forderungen verjährt; etwaige Verhandlungen zwischen Oktober 2017 und Oktober 2018 hätten an der bereits Ende 2016 eingetretenen Verjährung nichts ändern können. Die geltend gemachten Ansprüche bestünden auch der Höhe nach nicht. Unterlagen über die behaupteten Anschaffungs- und Herstellungskosten habe die Klägerin nicht vorgelegt.
24
Die Beklagte beantragt,
25
unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. November 2020 die Klagen abzuweisen.
26
Die Klägerin beantragt,
27
die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.
28
Mit Beschluss des Senats vom 7. Juni 2023 wurden die drei Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
29
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
30
Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. November 2020 haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Klage auf Zahlung anteiliger Abschreibungen an der Kläranlage R. in den Jahren 2013, 2014 und 2015 zu Unrecht stattgegeben. Die Leistungsklage ist zwar zulässig (1.). Für die geltend gemachten Ansprüche fehlt es aber an der erforderlichen Rechtsgrundlage (2.).
31
1. Der Klageerhebung steht weder die Rechtskraft (§ 121 Nr. 1 VwGO) einer zum selben Streitgegenstand ergangenen früheren Gerichtsentscheidung (a) noch der Einwand fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (b) entgegen.
32
a) In der rechtskräftigen Abweisung der von der Klägerin am 10. Oktober 2012 erhobenen Klage auf Zahlung eines Investitionskostenzuschusses für die damals noch im Bau befindliche neue Kläranlage lag noch keine gerichtliche Entscheidung über den nunmehr geltend gemachten Anspruch auf anteilige Erstattung der jährlich anfallenden Abschreibungen an der Anlage. Mit der damaligen Leistungsklage machte die Klägerin unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht bestehende Regelungslücke in den Vereinbarungen 1970 und 1973 einen auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 133, § 157 BGB) gestützten Anspruch auf Kostenbeteiligung geltend, der sich unmittelbar aus der Notwendigkeit eines Neubaus der Kläranlage ergeben sollte (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.10.2014 – W 2 K 12.864 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris Rn. 4). Die am 14. Dezember 2018 erhobene Klage auf Erstattung anteiliger Abschreibungen wurde dagegen (zunächst nur) auf ein „faktisch begründetes öffentlich-rechtliches Dauerschuldverhältnis“ gestützt; sie betrifft Ansprüche, die nach der Vorstellung der Klägerin erst nach Inbetriebnahme der Anlage aufgrund des fortlaufenden Wertverzehrs der Investitionsgüter entstanden sind. Damit handelt es sich, obwohl in beiden Fällen derselbe Investitionsaufwand in Rede steht, um unterschiedliche Streitgegenstände.
33
b) Der Klage fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil der Klägerin ein einfacherer Weg zur Verfügung stünde, um die begehrte Leistung zu erwirken. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, die streitigen Geldforderungen durch Verwaltungsakt in Form eines Beitrags- oder Gebührenbescheids gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
34
Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angesprochene (und mit ausführlicher Begründung verneinte) Frage, ob die Beklagte durch einen öffentlichen Kanal an die Entwässerungsanlage der Klägerin angeschlossen ist und daher dem geltenden Satzungsregime unterliegt, ist zwischen den Beteiligten seit langem streitig und bisher gerichtlich nicht abschließend geklärt. Die Klägerin geht davon aus, dass der vom Grundstück der Beklagten ausgehende Abwasserkanal nicht als Teil ihrer öffentlichen Einrichtung gewidmet ist, so dass kein Beitrags- oder Gebührenbescheid ergehen könne. Die Beklagte beruft sich demgegenüber zwar auf das Bestehen eines Anschlussrechts; sie hat aber zugleich erkennen lassen, dass sie die streitgegenständlichen Geldforderungen auch dann nicht (uneingeschränkt) akzeptieren würde, wenn diese in Form von Abgabenbescheiden geltend gemacht würden. Da demnach mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch beim Erlass solcher Bescheide zu rechnen wäre, liegt darin kein gegenüber der Leistungsklage einfacherer Weg zur Erreichung des von der Klägerin verfolgten Ziels (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2008 – 6 B 48.08 – juris Rn. 4 m.w.N.).
35
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin kann für anteilige Abschreibungen an der Kläranlage R. in den Jahren 2013, 2014 und 2015 von der Beklagten keine Zahlungen verlangen. Entsprechende Ansprüche ergeben sich weder aus den 1970 und 1973 getroffenen Vereinbarungen (a) noch aus einem anderen Rechtsgrund (b).
36
a) Auf die zwischen den Rechtsvorgängern der Beteiligten zu Anfang der 1970er Jahre geschlossenen öffentlich-rechtlichen Verträge, insbesondere auf Nr. II. Satz 2 der Vereinbarung 1973, kann das Klagebegehren nicht gestützt werden. Dabei kann offenbleiben, ob die genannten Vereinbarungen von einem der Beteiligten im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um eine Kostenbeteiligung an der neuen Kläranlage wirksam gekündigt worden sind. Auch wenn dies zu verneinen sein sollte, erfassen die damaligen Abreden jedenfalls nicht die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche.
37
aa) Auf Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973, wonach „die Autobahndirektion 2/3 der Abschreibungen für die Kläranlage, die Maschinenteile der Kläranlage und die gemeinsam benutzten Anlagenteile (Kanal von ca. 40m)“ tragen sollte, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil insoweit nur die Bundesrepublik Deutschland als einer der beiden damaligen Vertragspartner der Gemeinde R. verpflichtet werden sollte.
38
Laut dem Vorspann der Ergänzungsvereinbarung 1973 vertrat zwar die nach Art. 90 Abs. 2 GG a.F. in Bundesauftragsverwaltung für den Autobahnbau zuständige Autobahndirektion – ebenso wie schon bei der Vereinbarung 1970 das damalige Autobahnamt – nicht nur die Bundesrepublik Deutschland (Bundesstraßenverwaltung), sondern zugleich die damals im Bundesbesitz befindliche Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen mbH (GfN). Es ist aber nicht anzunehmen, dass die streitige Kostenersatzpflicht nach Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 neben dem Bund als öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft auch die GfN als privatrechtlich organisierte Kapitalgesellschaft treffen sollte.
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Als Verpflichteter war in der genannten Vertragsbestimmung die „Autobahndirektion“ genannt, also eine Behörde des Freistaats Bayern, die im Rahmen der damaligen Bundesauftragsverwaltung für den Bau und die Unterhaltung der Bundesautobahnen einschließlich der Rastanlagen (§ 1 Abs. 4 Nr. 5, § 15 Abs. 1 FStrG) zuständig war. Staatsbehörden können aber mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht für sich selbst vertragliche Verpflichtungen eingehen; sie handeln in der Regel für die dahinterstehenden Gebietskörperschaften. Die Erwähnung der Autobahndirektion als Kostenträger in Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung war hiernach so zu verstehen, dass damit die Bundesrepublik Deutschland gemeint war, deren Verwaltungsaufgaben die Behörde kraft Gesetzes wahrnahm (so zu § 3 der Vereinbarung 1970 bereits BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris Rn. 18; VG Würzburg, U.v. 15.10.2014 – W 2 K 12.864 – juris Rn. 26 f.). Für dieses Verständnis sprechen auch die damals geltenden allgemeinen straßenrechtlichen Vorschriften. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 des erst zum 31. Dezember 2017 außer Kraft getretenen Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 2. März 1951 (BGBl I 157) hatte der „Bund“, mithin die Körperschaft Bundesrepublik Deutschland, die Zweckausgaben aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast und die Zweckausgaben im Zusammenhang mit der Erhaltung und Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens für alle Bundesfernstraßen zu tragen. Nach § 7 Abs. 1 der „Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen“ vom 3. Juli 1951 (AVVFStr) vertraten die Länder nach Art. 90 Abs. 2 GG a.F. den Bund unter der Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland – Bundesstraßenverwaltung“ gerichtlich und außergerichtlich in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Bei diesbezüglichen Rechtsgeschäften, zu denen auch öffentlich-rechtliche Verträge mit anderen Aufgabenträgern gehörten (Herber in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 2 Rn. 34), wurde daher allein der Bund Vertragspartei (Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand 1/2023, Art. 62a Rn. 5; a.A. Nicolaus, NVwZ 2003, 929/930: das Land). Eine bundesrechtliche Ermächtigung der Landesbehörden, zusätzlich die am 6. Juli 1951 vom Bund gegründete privatrechtliche GfN als Vertragspartei rechtsgeschäftlich zu binden, sah die AVVFStr zu keinem Zeitpunkt vor.
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Es bestanden in der damaligen Situation auch keine besonderen Sachgründe, die eine Erstreckung der Zahlungsverpflichtung aus Nr. II. Satz 2 der Ergänzungsvereinbarung 1973 auf die GfN und somit eine diesbezügliche vertragliche Regelung hätten nahelegen können. An der Gewinnung eines weiteren Schuldners konnte die Gemeinde R. objektiv kein Interesse haben, da die Solvenz der Bundesrepublik Deutschland außer Zweifel stand und die GfN als im Alleineigentum des Bundes stehende haftungsbeschränkte Gesellschaft keine zusätzliche Sicherheit bot. Dass die GfN, die zum damaligen Zeitpunkt nicht Grundstückseigentümerin war und daher nicht Adressatin von Beitrags- oder Gebührenbescheiden sein konnte, im Innenverhältnis zum Bund die Kosten für den laufenden Betrieb der Rastanlagen zu tragen hatte und deshalb für diesen gemäß § 267 Abs. 1 BGB mit befreiender Wirkung Zahlungen bewirken konnte, begründete für sie noch keine eigene Schuldnerstellung. Wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung näher dargelegt hat, wurden auch mit § 8 Abs. 1 Satz 2 der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Beklagten 1998 geschlossenen Konzessionsverträge keine Zahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten begründet (B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris Rn. 23 f.).
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bb) Unabhängig von der hiernach fehlenden Passivlegitimation für die vorliegende Leistungsklage bezieht sich die in Nr. II. Satz 2 der Vereinbarung 1973 enthaltene Verpflichtung zur „Tragung“ von Abschreibungen auch nur auf die damals bestehende Kläranlage und nicht auf die später an deren Stelle getretene neue Anlage. Dies folgt aus einer Gesamtschau der vereinbarten Regelungen.
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Wie aus Punkt I. der Vereinbarung 1973 hervorgeht, wurde die Ergänzung zur vorherigen Vereinbarung vom 21./30. Mai 1970 nur deshalb notwendig, weil deren § 5 nach Ansicht beider Vertragsparteien zu erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung geführt hatte. Um Inhalt, Zweck und Reichweite der ab 1973 geltenden Neuregelung zu verstehen, müssen daher zunächst die 1970 getroffenen und in den nachfolgenden drei Jahren vollzogenen Vertragsabreden in den Blick genommen werden.
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Die Vereinbarung 1970 sah vor, die vom Autobahnbauamt zu errichtenden Rastanlagen mit einer Abwassermenge von 2.000 EGW an die Kläranlage der Gemeinde R. anzuschließen (§ 1 Abs. 1 bis 3); die Gemeinde gewährleistete in dem angegebenen Umfang die Übernahme von Abwasser (§ 1 Abs. 4) durch den Bau einer ausreichend dimensionierten Kläranlage, die mit Kanalanschluss betriebsfertig bis zum 1. April 1971 hergestellt sein sollte (§ 2 Abs. 1). Im Gegenzug verpflichtete sich das Autobahnbauamt zur Beteiligung an den Baukosten im Verhältnis der von ihm eingeleiteten Abwassermenge (2.000 EGW) zur Gesamtbemessung der Kläranlage (3.000 EGW); es übernahm also für die Kläranlage und den gemeinsamen Hauptsammler 2/3 der Baukosten (§ 3 Abs. 1), wobei dieser Kostenanteil entsprechend dem Baufortschritt im Wege von Abschlagszahlungen und im Übrigen bei Fertigstellung der Baumaßnahme zu zahlen war (§ 7 Abs. 1). In der – die spätere Ergänzungsvereinbarung auslösenden – Bestimmung des § 5 erklärte die Gemeinde, dem Autobahnamt im Hinblick auf die Leistungen gemäß § 3 keine „Anschlussgebühren“ in Rechnung zu stellen (§ 5 Abs. 1); die Höhe der „Benützungsgebühren“ sollte sich nach der jeweiligen Satzung richten, wobei als Mindestabwasseranfall des Autobahnamtes 1.000 EGW anzusetzen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 und 2).
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Ziel der Vereinbarung war demnach, für die neu entstehende Rastanlage innerhalb eines Zeitraums von ca. 10 Monaten ab Vertragsschluss durch den gemeinsam finanzierten Bau einer neuen kommunalen Kläranlage eine ausreichende Entwässerung zu schaffen. Da die Anlage unstreitig 1971 betriebsfertig hergestellt war und die Kosten der Errichtung danach feststanden, muss mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass das Autobahnbauamt seine die Baukosten betreffende Zahlungspflicht gegenüber der Gemeinde R. „ab Fertigstellung“, d.h. jedenfalls nach Eingang der letzten Rechnungen, vollständig erfüllt hat. Der mit der Neuerrichtung verbundene Investitionsaufwand, der nach damaliger Rechtslage (vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 1974) auch die Erhebung von „Anschlussgebühren“ gerechtfertigt hätte, wurde der Gemeinde R. also vereinbarungsgemäß zu 2/3 vom Bund erstattet. Hinsichtlich der in § 3 der Vereinbarung 1970 geregelten Baukostenbeteiligung bestand somit drei Jahre später kein Bedarf mehr für eine Neuregelung; die in Nr. I der Ergänzungsvereinbarung 1973 angesprochenen erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung des § 5 der Vereinbarung 1970 betrafen ersichtlich allein die dort in Abs. 2 geregelten verbrauchsabhängigen „Benützungsgebühren“. An die Stelle dieser periodisch anfallenden Abgaben sollte rückwirkend für die Rechnungsjahre ab 1971 die in Nr. III enthaltene neue Kostenregelung treten.
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Nach der ursprünglichen Vereinbarung sollten vom Bund für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Kläranlage Gebühren erhoben werden, deren Höhe sich „nach der jeweiligen Satzung“ richten sollte (§ 5 Abs. 2 Satz 1). Ob diese Formulierung rein deklaratorisch zu verstehen war, so dass nach damaliger Vorstellung der Beteiligten ein reguläres Benutzungsverhältnis begründet werden sollte, oder ob es sich schon damals um eine Sondervereinbarung handelte, bei der nur die Gebührenhöhe anhand der Satzungsregelungen zu ermitteln war, kann hier offenbleiben. Die Bezugnahme auf das jeweilige Satzungsrecht der Gemeinde R. entfiel jedenfalls mit der Vereinbarung 1973 vollständig und wurde durch ein spezielles Kostenregime ersetzt, bei dem die jährlich nachgewiesenen „Betriebskosten“ dem Bund mit einem Anteil von 2/3 in Rechnung gestellt wurden und von diesem zu ersetzen waren (Nr. II. Satz 1 und Nr. III. der Vereinbarung 1973).
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Was in diesem Zusammenhang mit der Vertragsklausel in Nr. II. Satz 2 gemeint war, wonach die Autobahndirektion „des Weiteren“ 2/3 der Abschreibungen für die Kläranlage, die Maschinenteile der Kläranlage und die gemeinsam benutzten Anlagenteile zu tragen habe, lässt sich nur durch eine systematische Auslegung ermitteln. Die gesonderte Erwähnung der Abschreibungen deutet zunächst darauf hin, dass die Vertragsparteien von dem im vorangehenden Satz verwendeten Begriff der „Betriebskosten“ – entgegen dem gängigen betriebswirtschaftlichen Verständnis – nicht auch die laufenden Abschreibungen umfasst sahen. Nr. II. Satz 2 sollte demnach sicherstellen, dass der Bund, der als Folge der Ergänzungsvereinbarung keine Gebühren mehr zu zahlen hatte, sich auch an den – in einer Gebührenkalkulation regelmäßig enthaltenen – Abschreibungen finanziell beteiligte.
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Mit diesen Abschreibungen konnten aber bei sinngemäßem Verständnis nur diejenigen zur Kläranlage gehörenden Wirtschaftsgüter gemeint sein, für die nicht schon zuvor vom Bund (anteilige) Zahlungen erbracht worden waren; anderenfalls hätte eine doppelte Inanspruchnahme vorgelegen. Nachdem der Bund den Aufwand für die Neuerrichtung der Kläranlage der Gemeinde R. bereits zu dem vereinbarten Anteil von 2/3 erstattet hatte, konnte sich der Begriff der Abschreibungen in Nr. II. Satz 2 der Vereinbarung 1973 nur auf erst nachträglich getätigte Investitionen beziehen, mit denen der laufende Betrieb der damaligen Kläranlage sichergestellt wurde. Allein diese Auslegung entsprach dem erkennbaren Ziel der Ergänzungsvereinbarung, einen Ersatz für die nach § 5 Abs. 2 der Vereinbarung 1970 ursprünglich vorgesehenen „Benützungsgebühren“ zu schaffen. Dieser begrenzte Regelungszweck der Nr. II. Satz 2 der Vereinbarung 1973 ist auch zu beachten bei der Beantwortung der Frage, welche Bedeutung der Vorschrift für den Fall eines Neubaus der Kläranlage zukommen konnte.
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Ausgangspunkt der Überlegungen muss dabei die Feststellung sein, dass § 3 der ursprünglichen Vereinbarung 1970 nach Wortlaut, Regelungszusammenhang und Zweck nur die damals herzustellende, an den erhöhten Bedarf angepasste Anlage der Gemeinde R. und nicht auch einen später notwendigen Ersatzbau betraf (vgl. bereits BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris Rn. 15). Dies folgt schon aus der Formulierung in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung 1970, wonach die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung für den „Bau der Kläranlage gemäß § 2 (1)“ galt, also für die betriebsfertig zum 1. April 1971 zu bauende Kläranlage mit Kanalanschluss. Eine von der erstmaligen Herstellung unabhängige, zeitlich unbegrenzte Kostenübernahme des Bundes für eine „eventuell erforderliche teilweise oder vollständige Erneuerung“ wurde ausdrücklich nur für den neu hergestellten Zuleitungskanal vereinbart (§ 4 Abs. 3), nicht dagegen für die Kläranlage mit ihrem weitaus höheren Investitionsvolumen. Daraus ist zu schließen, dass die für diese Anlage zugesagte Baukostenbeteiligung nur die bis zu ihrer Fertigstellung im Jahr 1971 anfallenden Kosten der erstmaligen Errichtung umfasste.
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In der Übernahme eines pauschalen Anteils an den zu erwartenden Kosten lag demnach aus Sicht des Bundes eine Art „Anschubfinanzierung“, mit der die erstmalige abwassertechnische Erschließung der neu entstehenden Rastanlagen sichergestellt werden sollte. An eine noch Jahrzehnte später fortwirkende Verpflichtung zur Übernahme eines fixen Anteils der (anschlussbeitragsfähigen) Baukosten für eine etwaige, hinsichtlich der Höhe noch nicht kalkulierbare Neuherstellung war in der Vereinbarung 1970 ersichtlich nicht gedacht. Sie war aus Sicht der Vertragsparteien auch nicht erforderlich; denn diese gingen in § 5 erkennbar davon aus, dass die Gemeinde R. später entstehende Investitionskosten mit den Instrumenten des Kommunalabgabenrechts anteilig auch auf den Bund umlegen konnte. Die Befreiung von den „Anschlussgebühren“ (heute: Anschlussbeiträgen) in § 5 Abs. 1 geschah erklärtermaßen nur „im Hinblick auf die Leistungen gemäß § 3“ und war daher nicht als dauerhafte Verschonung von Beitragsleistungen zu verstehen. Der Gemeinde G. stand damit von vornherein die Möglichkeit offen, im Falle eines künftigen Ersatzbaus die Investitionskosten wahlweise über Anschlussgebühren bzw. -beiträge und über die in § 5 Abs. 2 erwähnten, nach der jeweiligen Satzung berechneten Gebühren zu refinanzieren (vgl. zu einem Parallelfall BayVGH, B.v. 3.4.2008 – 4 CS 08.44 – BayVBl 2009, 179 Rn. 33).
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Dass an diesem Ausschluss einer pauschalen Kostenübernahme für einen Ersatzbau durch die Ergänzungsvereinbarung 1973 etwas geändert werden sollte, kann nicht angenommen werden. Die Neuregelung beruhte auf „erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung“ des § 5 der Vereinbarung 1970 und sollte nur das bisher angewandte Gebührenregime durch eine eigenständige Erstattungsregelung hinsichtlich der laufenden Kosten ersetzen; für eine sachliche und zeitliche Ausweitung der Finanzierungsverantwortung des Bundes bestand dabei keine Veranlassung. Die in Nr. II. Satz 2 der Vereinbarung 1973 vorgesehene Verpflichtung zur Tragung von 2/3 der Abschreibung für die Kläranlage kann daher nicht so verstanden werden, dass damit entgegen der Grundkonzeption der Vereinbarung 1970 eine über die Lebensdauer der 1971 fertiggestellten Anlage hinausreichende pauschale Kostenbeteiligung an den Herstellungskosten einer völlig neu errichteten Anlage begründet würde. Da den Beteiligten beim Abschluss der Vereinbarung 1973 bereits bekannt sein musste, dass diesbezüglich – in noch ungewisser Zukunft – ein Ersatzbedarf entstehen konnte, stellt die nach mehr als 40 Jahren erfolgte Neuerrichtung einer Kläranlage auch keine unvorhersehbare Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, derentwegen die Klägerin nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG eine nachträgliche Anpassung des Vertragsinhalts in Richtung auf eine Mitfinanzierung durch den Bund verlangen könnte. Die Beteiligten hatten den Regelungsinhalt der Vereinbarung insoweit vielmehr bewusst auf die 1970/1971 zu errichtende Anlage beschränkt.
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b) Das mit der Ergänzungsvereinbarung 1973 begründete Dauerschuldverhältnis, das jedenfalls bis zur Außerbetriebnahme der früheren Kläranlage von allen Beteiligten als Rechtsgrundlage für die wechselseitig erbrachten laufenden Leistungen angesehen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 4 ZB 16.2399 – juris Rn. 15), ist nach der Inbetriebnahme der neuen Anlage nicht in einer Weise faktisch fortgesetzt worden, dass die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche der Klägerin darauf gestützt werden könnten.
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In der fortlaufenden Nutzung der Einrichtung durch die Beklagte lag nach dem objektiven Erklärungswert (§ 133, § 157 BGB) kein konkludent erklärtes Einverständnis mit der geforderten Investitionskostenbeteiligung. Dass seit 2013 Zahlungen nur für die in Rechnung gestellten Betriebskosten, nicht jedoch für die auf der Neuerrichtung beruhenden Abschreibungen geleistet wurden, stellte auch kein in sich widersprüchliches oder treuwidriges Verhalten der Beklagten dar. Diese hat von Anfang an unmissverständlich klargemacht, dass sie der geforderten Mitfinanzierung der Baukosten auf der Grundlage eines festen Anteils nicht nachkommen werde.
53
Die Beklagte kann auch nicht auf zivilrechtlicher Vertragsgrundlage in Anspruch genommen werden. Für einen einvernehmlich vorgenommenen Wechsel der Vertragsform bestehen keine Anhaltspunkte (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 4 C 19.1345 – juris Rn. 7). Die vom Verwaltungsgericht zitierte zivilgerichtliche Rechtsprechung zum Zustandekommen eines Abnahmevertrags durch schlüssiges Verhalten im Bereich der Fernwärmeversorgung ist hier nicht anwendbar. Sie dient der Vermeidung eines andernfalls eintretenden vertragslosen Zustands bei Energielieferungen als einem Massengeschäft (vgl. BGH, U.v. 15.2.2006 – VIII ZR 138/05 – NJW 2006, 1667 Rn. 15) und kann daher nicht herangezogen werden, um eine bisher öffentlich-rechtlich geregelte Sondervereinbarung, deren Fortgeltung und inhaltliche Reichweite streitig geworden ist, in ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis zu überführen, für das die Billigkeitsregelungen der §§ 315, 316 BGB gelten würden. Die Klägerin kann sich auch nicht ersatzweise auf das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs berufen, um den – aus den Vereinbarungen 1970 und 1973 nicht ableitbaren – Anspruch auf Mitfinanzierung der neuen Kläranlage durchzusetzen. Die jährlich anfallenden Abschreibungen auf die nicht durch Beiträge abgedeckten Investitionskosten stellen kein wertmäßiges Äquivalent zu der von der Kläranlage tatsächlich erbrachten Reinigungsleistung dar.
II.
54
Die Kostenentscheidung folgt jeweils aus § 154 Abs. 1 VwGO.
55
Ob die außergerichtlichen Kosten der (in Anwesenheit der Beteiligten durchgeführten) weiteren mündlichen Verhandlung vom 23. August 2023, die ohne weiteren gerichtlichen Aufklärungsbedarf anstelle des zunächst festgesetzten Verkündungstermins anberaumt wurde, ohne diese erfolgte Umladung nicht angefallen wären und daher auf einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht beruhen, kann offenbleiben. Selbst wenn dies angenommen werden könnte, rechtfertigte dieser Umstand nicht, die genannten Kosten analog § 21 GKG, § 155 Abs. 4, § 162 Abs. 3 VwGO der Staatskasse aufzubürden; für eine unbeabsichtigte Regelungslücke ist in diesem Zusammenhang nichts erkennbar (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.2001 – 3 B 88.01 – BayVBl 2002, 125; BayVGH, B.v. 8.12.2015 – 4 C 15.2471 – NVwZ-RR 2016, 399 Rn. 10; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 155 Rn. 14 m.w.N.).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
57
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.