Titel:
Umsetzung bei Übertragung einer amtsangemessenen Beschäftigung
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 88, § 122, § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4
Leitsatz:
Dass die übertragene Funktion vom A16-Statusamt der Antragstellerin abweicht, genügt für sich gesehen nicht, um einen Anordnungsgrund zu bejahen. Denn selbst eine unterwertige Beschäftigung wäre von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen. Damit der Antragstellerin jedoch nicht auf Dauer unterwertige Aufgaben zugewiesen werden, wird die Antragsgegnerin gehalten sein, zu prüfen, ob der Antragstellerin nicht bei nächster Gelegenheit zusätzliche Aufgaben übertragen werden können, die die Anhebung des jetzigen Dienstpostens auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 zulässt. Die Antragsgegnerin wird gleichfalls zu beachten haben, dass bei der zukünftigen Besetzung freier Dienstposten, die der fachlichen Laufbahn der Antragstellerin entsprechen und nach A 16 bewertet sind, die Berücksichtigung der Antragstellerin in den Blick zu nehmen ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtin des technischen höheren Dienstes (Ltd. Baudirektorin; BesGr A 16), vorübergehende unterwertige Beschäftigung auf einer A 14-Stelle, fehlende Verfügbarkeit einer amtsangemessenen Stelle, Vorwegnahme der Hauptsache, Anordnungsgrund, Beamtin, technischer höherer Dienst, BesGr A 16, vorübergehende unterwertige Beschäftigung, Umsetzung, berufliches Ansehen, Abberufung, Amtsangemessenheit, Ansehensschädigung, Kompetenzstelle
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 11.09.2023 – AN 1 E 23.873
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31974
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss am 28. März 2023, die 1962 geborene Antragstellerin (Ltd. Baudirektorin; Besoldungsgruppe A 16) mit sofortiger Wirkung von ihrer Funktion der zweiten Werkleitung des Stadtentwässerungsbetriebs F. abzubestellen (Nr. 1) und sie in das Referat V umzusetzen, wo sie künftig eine Stabsstelle für übergeordnete Projektaufgaben übernehmen solle (Nr. 2). Die Stelle und Funktion der zweiten Werkleitung wurde mit sofortiger Wirkung Herrn B. übertragen. In Vollzug dieses Stadtratsbeschlusses wurde die Antragstellerin mit Bescheid vom 6. April 2023 rückwirkend mit Ablauf des 28. März 2023 von ihrer Funktion der zweiten Werkleitung „abbestellt“. Mit Schreiben vom 6. April 2023, das mit dem Betreff „Umsetzung“ überschrieben ist, teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ab sofort auf einer Stabstelle für übergeordnete Projektaufgaben eingesetzt werde, die direkt dem dritten Bürgermeister unterstellt sei. Zu ihren Aufgaben gehöre künftig das Projekt „Hochwasserschutz B.“ und die wissenschaftliche Erarbeitung einer Stadtführung für Baukultur der Stadt F. sowie darauf abbauend die wissenschaftliche Erarbeitung eines Baukulturführers in Buchform.
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Dagegen legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 28. April 2023 Widerspruch ein und beantragte zugleich beim Verwaltungsgericht, der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Umsetzung weiter zu vollziehen, bis über den Widerspruch rechtskräftig entschieden ist.
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Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren teilte die Antragsgegnerin mit, dass sich nunmehr anstelle des ursprünglich geplanten Einsatzes der wissenschaftlichen Erarbeitung einer Stadtführung für Baukultur usw. ein für die Antragstellerin und ihrer Qualifikation sowie beruflichen Werdegang besser passender Aufgabenkreis ergeben habe und legte eine Stellenbeschreibung mit folgendem Stellenprofil/Tätigkeitsbeschreibung vor: Sonderaufgaben für den dritten Bürgermeister, insbesondere Aufgaben, die vom Oberbürgermeister auf den dritten Bürgermeister übertragen wurden (zu 25%), Versorgungsmaßnahmen wie Hochwasserschutz sowie Starkregenmanagement für Gewässer erster und zweiter Ordnung (zu 55%), Aufgaben im Bereich globaler Wandel und Nachhaltigkeit (zu 20%). Aus der Stellenbeschreibung ergibt sich auch, dass die Stelle mit der Funktionsbezeichnung „Fachkraft für den Geschäftsbereich des 3. Bürgermeisters“ mit der Besoldungsgruppe A 14 bewertet ist.
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Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 11. September 2023 ab. Hiergegen legte die Antragstellerin fristgemäß Beschwerde ein, mit dem Antrag,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihre Umsetzung weiter zu vollziehen bis über ihren Widerspruch gegen die Umsetzungsverfügung rechtskräftig entschieden ist. Hilfsweise beantragt sie, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin amtsangemessen auf einem A16-Dienstposten zu beschäftigen.
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Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Behörden- und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Gründe, die die Antragstellerin innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den nach § 88, § 122 Abs. 1 VwGO ausgelegten Antrag auf Übertragung einer amtsangemessenen Beschäftigung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu Recht abgelehnt.
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Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Antragstellerin bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Die Frage nach der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs sei daher nicht mehr entscheidungserheblich und werde ausdrücklich offengelassen.
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Die gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes vorgetragenen Argumente überzeugen sämtlich nicht:
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1. Die Antragstellerin macht geltend, die Hauptsache werde nicht vorweggenommen, weil der Antrag zeitlich begrenzt sei – bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids. Diese Argumentation berücksichtigt nicht, dass die begehrte einstweilige Anordnung mit dem Zeitpunkt ihres Erlasses einen Zustand in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verwirklicht, der erst durch eine zeitlich spätere Entscheidung in der Hauptsache hergestellt werden soll. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein Hauptsacheverfahren entbehrlich werden könnte, wenn der Widerspruch Erfolg haben sollte.
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2. Es ist kein beachtlicher Grund ersichtlich, warum die partielle Vorwegnahme der Hauptsache zur Vermeidung von zu erwartenden schweren und unzumutbaren Nachteilen oder Schäden für die Antragstellerin schlechterdings notwendig sein soll.
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Dass die übertragene Funktion vom A16-Statusamt der Antragstellerin abweicht, genügt für sich gesehen nicht, um einen Anordnungsgrund zu bejahen. Denn selbst eine unterwertige Beschäftigung wäre von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen (BayVGH, B.v. 12.9.2016 – 3 CE 16.1015 – juris Rn. 42; B.v. 27.8.2014 – 3 AE 14.788 – juris Rn. 10). Eine besondere Schwere des Eingriffs, die ein Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens als unzumutbar erscheinen ließe, hält der Senat angesichts der hier vorliegenden Umstände für nicht gegeben (OVG NW, B.v. 25.6.2001 – 1 B 789/01 – juris Rn. 9 ff.). Denn die Antragsgegnerin (vgl. Antragserwiderung v. 25.5.2023, S. 5 – VG-Akte S. 83) hat hinreichend gewichtige Gründe für die vorübergehende Verwendung der Antragstellerin auf dem ihr zugewiesenen Dienstposten glaubhaft vorgetragen. Sämtliche ihrer vier A 16-Stellen, von denen für die Antragstellerin aufgrund ihrer fachlichen Laufbahn nur zwei in Betracht kommen (Leiter des Stadtplanungsamtes sowie zweite Werkleitung des Stadtentwässerungsbetriebs), sind besetzt, so dass die Übertragung einer amtsangemessenen Stelle zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mangels Verfügbarkeit nicht möglich ist (vgl. Stellenplan 5.28 unter: https://www.fuerth.de/PortalData/1/Resources/fuertherrathaus/dokumente/finanzen_haushalt/Haushalt-2023-Band2.pdf, abgerufen am 18.10.2023; zum unterwertigen Einsatz grundsätzlich OVG RhP, U.v. 18.1.2011 – 2 A 11114/10 – juris). Damit der Antragstellerin jedoch nicht auf Dauer unterwertige Aufgaben zugewiesen werden, wird die Antragsgegnerin gehalten sein, zu prüfen, ob der Antragstellerin nicht bei nächster Gelegenheit zusätzliche Aufgaben übertragen werden können, die die Anhebung des jetzigen Dienstpostens auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 zulässt. Die Antragsgegnerin wird gleichfalls zu beachten haben, dass bei der zukünftigen Besetzung freier Dienstposten, die der fachlichen Laufbahn der Antragstellerin entsprechen und nach A 16 bewertet sind, die Berücksichtigung der Antragstellerin in den Blick zu nehmen ist.
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Andere besondere Umstände, die es als unzumutbar erscheinen lassen, die Antragstellerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sind vorliegend für den Senat nicht ersichtlich.
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Hierfür genügt es nicht, dass die Antragstellerin auf ihrer neuen Stelle keine Vorgesetztenfunktion mehr ausübt. Leitungsfunktionen sind dem an das statusrechtliche Amt einer Leitenden Baudirektorin anknüpfenden abstrakt-funktionellen Amt nicht immanent. Auch auf das Belassen einer entsprechenden Leitungsfunktion besteht kein Anspruch (BVerwG, B.v. 22.5.1980 – 2 C 30.78 – juris Rn. 29; Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Sumer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: März 2023, Art. 48 BayBG Rn. 17).
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Mit ihrem Einwand, die ihr übertragenen Tätigkeiten seien keine solchen des technischen Dienstes, weil es keiner „Beamtin des gehobenen technischen Dienstes“ bedürfe, um eine Stellungnahme zu Vorhaben abzugeben, die staatliche Aufgaben im Bereich von Gewässern erster und zweiter Ordnung beträfen, wendet sich die Antragstellerin in erster Linie gegen die Amtsangemessenheit der ihr zugewiesenen Aufgaben ohne aber konkret aufzuzeigen, aus welchem Grunde eine vorübergehende Ausübung dieser Tätigkeit mit schweren und unzumutbaren Nachteilen für sie verbunden sein sollte. Diese sind auch bei näherer Betrachtung der Stellenbeschreibung (VG-Akte S. 90) nicht ersichtlich. Denn danach umfasst die neue Tätigkeit zu 55% der Arbeitszeit Vorsorgemaßnahmen wie Hochwasserschutz sowie Starkregenmanagement für Gewässer erster und zweiter Ordnung. Dies beinhaltet nicht nur die Abgabe von Stellungnahmen, sondern die (Gesamt-)Koordination der kommunalen Aufgaben des Hochwasserschutzes innerhalb der Stadtverwaltung, insb. die Umsetzung der übergeordneten Planungen und fachliche Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt, der Regierung von Mittelfranken und anderen externen Behörden. Neben der Entwicklung eines umfassenden, übergreifenden wissenschaftlichen Konzepts als Leitfaden für die Dienststellen für den Hochwasserschutz gehört zur neuen Aufgabe der Antragstellerin auch die Koordination der kommunalen Vorsorgemaßnahmen und Unterstützung der Dienststellen bei Starkregenereignissen. Dass diese Tätigkeiten mitunter auch Aufgaben des technischen Dienstes umfassen, hat die Antragstellerin mit ihrem Vortrag nicht glaubhaft in Abrede stellen können.
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Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Umstände, die zu ihrer Abberufung geführt haben, allgemein geltend macht, die Umsetzung verletze sie in ihrem beruflichen Ansehen, in ihrer menschlichen Würde und stelle eine Bestrafungsaktion außerhalb des Disziplinarverfahrens dar, ist dies angesichts ihres pauschalen Vortrags ebenfalls nicht ausreichend glaubhaft gemacht, um unzumutbare und schwere Nachteile annehmen zu können. Für das Vorliegen derartiger gravierender Folgen gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere lassen sich hierfür nicht die Umstände anführen, die zu ihrer Abberufung geführt haben. Der Versuch der Antragsgegnerin, mit der Umsetzung der Antragstellerin zwei nachgeordnete Tarifangestellte des kommunalen Stadtentwässerungsbetriebs zur Rücknahme ihrer Kündigungen zu bewegen, kann die Annahme einer Schädigung des beruflichen Ansehens der Antragstellerin allein nicht begründen. Denn Wertungen über die beruflichen Leistungen der Antragstellerin sind damit für sich genommen nicht verbunden. Die Antragstellerin selbst sieht ihre Ansehensschädigung offensichtlich weniger in der Umsetzungsmaßnahme an sich als in der „Unprofessionalität der Antragsgegnerin im Umgang mit angeblichen Drohungen“ nachgeordneter Angestellter. Mit der neu zugewiesenen Aufgabe erfolgt jedenfalls keine offensichtliche Herabsetzung der Antragstellerin. Als Leiterin der Stabsstelle hat die Antragstellerin die politische Führungsebene der Kommune verantwortlich zu beraten und zu unterstützen. Dem Inhaber dieser bereichsübergreifenden Kompetenzstelle obliegt es mitunter, sich mit Dienststellen, externen Behörden sowie Interessengruppen abzustimmen und schwierige Verhandlungen zu führen (vgl. Stellenbeschreibung Nr. 3.1). Diese Koordinierungs- und Bündelungsaufgaben setzen ebenso wie die unmittelbare Zuarbeit zur Führungsebene besondere Qualifizierungen voraus.
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Schließlich ergeben sich aus der Ausgestaltung und Lage der Büroräume keine Anhaltspunkte für schwere und unzumutbare Nachteile. Das zunächst der Antragstellerin für wenige Tage aufgrund einer temporären Raumknappheit zugewiesene Büro wurde durch andere Räumlichkeiten abgelöst. Nach unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin wurde der Bedarf an Arbeitsplatzausstattung zudem mit der Antragstellerin abgesprochen und entsprechend bestellt. Die Lieferung sei größtenteils bereits erfolgt. Entsprechendes Mobiliar für die Räumlichkeiten sei bereits vollumfänglich vorhanden. Die Entfernung des neuen Büros zu den Amtsräumen des dritten Bürgermeisters (zwei Straßenblocks) hindert die Beamtin nicht in unzumutbarer Weise an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer neuen Aufgaben. Aus welchen Gründen die Antragstellerin trotz zwischenzeitlicher Installation von EDV und Telefon von „hinreichenden Kommunikationsmöglichkeiten mit Vorgesetzten und Kollegen … abgeschnitten“ sein soll, erschließt sich nicht und wird von der Beschwerdebegründung auch nicht weiter dargetan. Schließlich ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Antragstellerin wegen ihres „herabwürdigenden“ Arbeitsplatzes in ärztlicher Behandlung befinde. Hierzu fehlt jeder substantiierte Vortrag wie auch ein Nachweis einer gesundheitlichen Auswirkung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Eine Halbierung kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin in der Sache eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung begehrt (BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 3 CE 22.44 – juris Rn. 14; B.v. 29.6.2021 – 6 CE 21.896 – juris Rn. 16). Der Hilfsantrag wurde nicht streitwerterhöhend berücksichtigt, da er mit dem Hauptantrag wirtschaftlich identisch ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).