Titel:
Erfolglose Beschwerde wegen Nichtabänderung einer Eilentscheidung bzgl. Duldung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7, § 146 Abs. 4 S. 4
AufenthG § 25 § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 3b
GG Art. 6, Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt, wobei wegen der Bindung der Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG insoweit nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht kommen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen Kindes kommt auch dann in Betracht, wenn eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) besteht und die Unterstützung der Schwangeren durch den Abzuschiebenden glaubhaft gemacht wird, wobei aber erforderlich ist, dass eine enge und durch Fürsorge geprägte persönliche Beziehung des Ausländers zur werdenden Mutter besteht, was in der Regel ein tatsächliches Zusammenleben mit ihr in häuslicher Gemeinschaft voraussetzt und es muss glaubhaft die Bereitschaft bekundet werden, in Zukunft in einer tatsächlich gelebten familiären Verbundenheit elterliche Verantwortung zu übernehmen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abänderungsverfahren, Duldung, Risikoschwangerschaft, Aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen, Rituelle Ehe, Asylrecht, Eilrechtsschutz, Abänderung, Abschiebung, Aussetzung, ungeborenes Kind, Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtsanerkennung, rechtliches Gehör, Hilfsbedürftigkeit, Unterstützungsbedarf, Betreuungsbedarf
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 09.08.2023 – AN 5 E 23.1478
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31904
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1. Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller (ein äthiopischer Staatsangehöriger, geboren am 1.1.1996, nach eigenen Angaben am 9.9.2015 in das Bundesgebiet eingereist, dessen Asylantrag vom 22.7.2016 mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2017 unter Androhung der Abschiebung nach Äthiopien und Ausreisefristsetzung abgelehnt wurde, dessen Klage gegen diesen Bescheid mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25.4.2022 <Az. AN 9 K 17.35909> abgewiesen wurde, der mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 3.2.2021 <Az. 402 Cs 203 Js 4810/21> wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt wurde <dem lag zugrunde, dass der Antragsteller eine Glasflasche auf den Geschädigten geworfen, diesen jedoch entgegen seiner Absicht nicht getroffen hatte>, der vom 8.8.2022 bis 26.6.2023 im Besitz von Duldungsbescheinigungen war, am 14.6.2023 seinen Reisepass vorlegte und aktuell im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung ist, der mit Schreiben vom 3.1.2023 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG sowie mit Schreiben vom 24.1.2023 hilfsweise nach § 104c Abs. 1 AufenthG beantragte, welche mit Bescheid des Antragsgegners vom 27.6.2023 abgelehnt wurde <die am 6.7.2023 unter dem Az. AN 5 K 23.1385 erhobene Verpflichtungsklage des Antragstellers ist noch bei dem Verwaltungsgericht anhängig>, und dessen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO vom 6.7.2023 mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.7.2023 abgelehnt wurde <Az. AN 5 E 23.1384>) gegen die von dem Antragsgegner beabsichtigte Abschiebung.
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Den (erneuten) Antrag vom 21. Juli 2023, „den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, zuzusichern, von Abschiebemaßnahmen bis zu einer endgültigen Entscheidung im Klageverfahren AN 5 K 23.1385 abzusehen und dem Antragsteller eine Duldung gem. § 60a AufenthG zu erteilen“, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. August 2023 (Az. AN 5 E 23.1478) abgelehnt. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO stehe der rechtskräftige Beschluss im Verfahren AN 5 E 23.1384 entgegen. Diese Entscheidung befasse sich umfassend mit dem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung und entfalte in formeller und materieller Hinsicht grundsätzlich Rechtskraft. Bei der gebotenen summarischen Prüfung des (in dieser Weise auszulegenden) Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO vom 17. Juli 2023 (eingegangen am 21.7.2023) habe der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, welcher im Wege einer Duldung zu sichern wäre. Insoweit lägen schon keine veränderten Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor (mit Verweis auf den Beschluss vom 13.7.2023 <Az. AN 5 E 23.1384>). Auch im Übrigen seien jedenfalls die Voraussetzungen für eine abändernde Entscheidung nicht gegeben. Zwar habe die Bevollmächtigte des Antragstellers mit dem Antrag vom 17. Juli 2023 – und damit nach Erlass des Beschlusses vom 13. Juli 2023 – verschiedene Unterlagen zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs hinsichtlich einer Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG vorgelegt, insbesondere Aufenthaltstitel der Lebensgefährtin des Antragstellers (nach § 25 Abs. 3 AufenthG) und deren Söhne sowie einen Mutterpass der Lebensgefährtin. Hieraus resultiere jedoch keine inhaltlich abweichende Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung. Unabhängig von der Frage, ob durch die Vorlage dieser Unterlagen überhaupt solche Umstände geltend gemacht würden, die im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht hätten geltend gemacht werden können (die Aufenthaltstitel seien am 7. Juli 2021 ausgestellt worden, dem Abdruck des Mutterpasses lasse sich ein Ausstellungsdatum nicht entnehmen, Frau S.M.G. sei jedoch bereits im vierten Monat schwanger), habe der Antragsteller durch die vorgelegten Dokumente keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG glaubhaft gemacht. Weder seien Unterlagen zur Anerkennung der Vaterschaft oder eine Sorgeerklärung hinsichtlich des ungeborenen Kindes vorgelegt worden, noch habe der Antragsteller einen formalrechtlichen Nachweis über die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin erbringen können, mit der er nach seinen Angaben muslimisch verheiratet sein wolle. Dasselbe gelte für die vorgetragene enge Nähebeziehung zu den Kindern seiner Lebensgefährtin, die nach den Angaben des Antragstellers überwiegend durch ihn versorgt würden, weil die Lebensgefährtin aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen durch die Schwangerschaft dazu nicht in der Lage sei. Diesbezüglich sei der Vortrag weder über die Behauptung von Übelkeit und Schwäche der Schwangeren hinaus substantiiert, noch sei glaubhaft gemacht worden, dass die Versorgung der Kinder gerade dem Antragsteller obliege und die Beendigung seines Aufenthalts das Kindeswohl der Kinder seiner Lebensgefährtin gefährde.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Dem [Antragsteller] sei insbesondere wegen einer Ermessensreduzierung auf Null eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG zu erteilen. Beim [Antragsteller] lägen Duldungsgründe vor, da er mit seiner Lebensgefährtin ein Kind erwarte, welches ein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben werde. Der Schutz des Art. 6 Abs. 4 GG erfasse Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Neben dem verbindlichen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, der vor allem die Gewährung einer „Schonzeit“ vor und nach der Geburt fordere, sei die Verfassungsnorm Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung, die für den gesamten Bereich des öffentlichen und privaten Rechts verbindlich sei. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen Kindes komme daher auch dann in Betracht, wenn eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) bestehe und die Unterstützung der Schwangeren durch den Abzuschiebenden glaubhaft gemacht werde. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die werdende Mutter unter diesen Umständen durch eine abschiebungsbedingte Trennung Belastungen ausgesetzt sei, die die Leibesfrucht gefährdeten, sei ungleich höher als bei vorübergehender Trennung während einer normal verlaufenden Schwangerschaft. Der Antragsteller habe mit Zustimmung der Kindsmutter seine Vaterschaft anerkannt (m.V.a. Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung vom 11.7.2023). Auch kümmere sich der Kläger täglich mit großem Engagement um seine schwangere Lebensgefährtin und deren zwei Kinder (m.V.a. eidesstattliche Versicherung der Kindsmutter vom 5.9.2023 und Bestätigung von Freunden/Herrn St. vom 5.9.2023). Das Verwaltungsgericht sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Antragsbegründung nach Akteneinsicht erfolgen werde. Eine Ablehnung des Antrags ohne Fristsetzung verstoße gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG. Der Mutterpass sei umgehend vorgelegt und sodann der Antrag umfassend mit allen Unterlagen begründet worden. Außerdem liege eine Risikoschwangerschaft vor. Die Mutter des ungeborenen Kindes sei vom 23. August 2023 bis zum 28. August 2023 bereits wegen Hyperemesis gravidarum in stationärer Behandlung in der Kreisklinik R. gewesen (m.V.a. Bescheinigung einer gynäkologischen Gemeinschaftspraxis vom 23.8.2023 sowie Schreiben derselben Gemeinschaftspraxis vom 28.8.2023). Auch aktuell sei sie aufgrund des überaus schlechten gesundheitlichen Zustandes wieder in der Kreisklinik R. (Beweis: Schreiben Kreisklinik R. vom 5.9.2023). Extreme Schwangerschaftsübelkeit könne u.a. auf emotionale Belastungen zurückzuführen sein. Sie könne zu schweren gesundheitlichen Folgen für das ungeborene Leben führen (mit wörtlichen Zitaten aus der Webseite https://www.akdae.de/arzneimitteltherapie/arzneiverordnung-in-der-praxis/ausgaben-archiv/ausgaben-ab-2015/ausgabe/artikel/2015/2015-02/schwangerschaftserbrechen sowie https://www.dhz-online.de/news/detail/artikel/wann-wirds-gefaehrlich/). Insgesamt sei ein stabiles Umfeld für das psychische Wohlbefinden der Kindsmutter und des ungeborenen Kindes von erheblicher Bedeutung für eine gesunde weitere Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Die drohende Abschiebung des Kindsvaters könne zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kindes führen. Mit einem dynamischen Rechts- und Verfassungsverständnis müssten die medizinischen Kenntnisse über das Seelenleben eines ungeborenen Kindes zur Anwendung des Familienschutzes nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG auch auf das Kind während der Schwangerschaft führen. Es sei im Allgemeinen selbstverständlich, dass elterliche Fürsorge nicht erst mit der Kindesgeburt beginnt, sondern dass bereits während der Schwangerschaft die Rücksichtnahme auf das ungeborene Kind erforderlich sei. Bereits während der Schwangerschaft sei die Mutter auch im Interesse des Kindeswohles vor übermäßigen körperlichen und psychischen Belastungen zu schützen. Deshalb seien die psychischen Belastungen der Mutter, die im Falle der Abschiebung des Vaters durch die Ungewissheit über den Zeitpunkt der Wiedereinreise entstünden, auch im Interesse des Wohles des ungeborenen Kindes zu vermeiden (m.V.a. VGH BW, B.v. 13.9.2007 – 11 S 1964/0). Das OVG Hamburg stelle mit Beschluss vom 14. August 2008 (Az.: 4 Bs 84/08) in tatsächlicher Hinsicht darauf ab, ob die gegenwärtigen Lebensverhältnisse der Eltern »die gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung und eine gemeinsame Erziehung und Betreuung des Kindes sicher erwarten ließen. Dies sei hier der Fall. Der Kläger übernehme bereits jetzt die volle Verantwortung für die Mutter seines ungeborenen Kindes sowie für deren beide Kinder. Während des Aufenthaltes der Lebensgefährtin aufgrund von schwangerschaftsbedingten Komplikationen habe er die Kinder versorgt und sich um den Haushalt gekümmert. Daher sei aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein zwingendes rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG zugunsten des Vaters des ungeborenen Kindes abzuleiten. Außerdem sei zu betonen, dass die Mutter regelmäßig in der Zeit unmittelbar vor der Geburt, während der Geburt und unmittelbar nach der Geburt besonderer Unterstützung des Vaters bedürfe. Auch könne die Anwesenheit des Kindesvaters unmittelbar bei der Geburt zur emotionalen Bindung des Vaters an das Kind und zur Entwicklung seines Verantwortungsgefühls für das Kind beitragen. Zu beachten sei auch, dass der Vater sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon vor Eintragung seiner rechtlichen Vaterschaft im Geburtsregister als biologischer Vater des Kindes auf den Familienschutz des Art. 6 GG berufen könne. Werde der Familienschutz nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK dahin verstanden, dass der fürsorgebereite Vater des ungeborenen Kindes schon bei der Geburt und in der Zeit unmittelbar nach der Geburt bestmöglich Gelegenheit haben müsse, Mutter und Kind zu unterstützen, so seien entsprechende aufenthaltsrechtliche Vorkehrungen bereits während der Schwangerschaft durch weitere Duldung des Vaters zu treffen. Dies entspreche auch dem Schutzzweck von Art. 6 Abs. 4 GG. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass die Mutter sich bei der Fürsorge für das Kind nicht auf die Unterstützung dritter Personen verweisen lassen müsse, wenn der Vater zur Unterstützung bereit sei (m.V.a. BVerfG, B.v. 1.8.1996 – 2 BvR 1119/96 – NVwZ 1997, 479). Die Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Vätern bei der Duldung während der Schwangerschaft sei aber als unzulässige Diskriminierung nichtehelicher Kinder im Sinne von Art. 6 Abs. 5 GG zu bewerten. Den nichtehelichen Kindern seien gemäß Art. 6 Abs. 5 GG durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Die Duldungsregelung in § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei deshalb verfassungskonform dahin auszulegen, dass auch dem ungeborenen nichtehelichen Kind der fürsorgebereite ausländische Vater während der Schwangerschaft nicht durch Abschiebung entzogen werden dürfe. Des Weiteren werde auf die bereits gemachten Ausführungen zu den Integrationsleistungen des [Antragstellers] Bezug genommen.
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2. Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO analog zu Recht abgelehnt. Es liegen keine gegenüber der Ausgangsentscheidung (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2023, AN 5 E 23.1384) neuen oder veränderten entscheidungserheblichen Umstände bzw. im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vor.
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Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (analog) ist begründet, wenn gegenüber der Ausgangsentscheidung entscheidungserhebliche neue oder veränderte Umstände vorliegen oder solche entscheidungserheblichen Umstände im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind. Im ersten Schritt hat das Gericht zu prüfen, ob es tatsächlich veränderte tatsächliche oder rechtliche Umstände gibt, die sich möglicherweise auf die Entscheidung auswirken können. Hier kommt eine Änderung der Rechtslage, die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die erstmalige höchstrichterliche Klärung einer strittigen Frage (BVerfG, NVwZ 2005, 438; OVG Berlin-Bbg BeckRS 2012, 60449; VGH BW, NVwZ-RR 1992, 657; Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 197) – was Klärungen durch den EuGH einschließt (vgl. VG Karlsruhe BeckRS 2021, 20758) – ebenso in Betracht wie ein neues Sachverständigengutachten, das dem Gericht neue Erkenntnismöglichkeiten zur Sachlage verschafft, aber auch jede sonstige tatsächliche Entwicklung (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 134). Nach der zweiten Alternative des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegt ein Abänderungsgrund auch dann vor, wenn im ursprünglichen Verfahren bereits vorliegende Umstände ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden waren. Nicht nur neue, erst nach Abschluss des Verfahrens entstandene Umstände können geltend gemacht werden, auch vorher eingetretene Umstände können zu einer Abänderungsentscheidung führen. Die typische Konstellation hierfür bilden erst nachträglich bekannt gewordene Umstände. Diese Umstände müssen allerdings, um den Abänderungsgrund anerkennen zu können, ohne Verschulden im Eilverfahren nicht geltend gemacht worden sein. Zum Verschulden gelten die von § 60 Abs. 1 VwGO her bekannten Grundsätze. Das bedeutet auch, dass nicht nur eigenes Verschulden schadet; ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten wird dem Betroffenen zugerechnet (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 80 Rn. 588). In einem zweiten Schritt hat das Verwaltungsgericht die gleichen Maßstäbe wie bei der ursprünglichen Entscheidung nach Absatz 5 anzulegen und zu prüfen, ob aufgrund der neuen oder veränderten Umstände die Interessenabwägung einen anderen Ausgang nimmt (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 134).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen keine neuen oder veränderten tatsächlichen Umstände vor, die zu einer anderen Entscheidung führen können. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente (eidesstattliche Erklärung der Lebensgefährtin vom 5.9.2023, Erklärung des Herrn St. vom 5.9.2023, Bescheinigung der Kreisklinik R. vom 5.9.2023, Entlassungsbericht der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis in R. vom 28.8.2023, Bescheinigung der Kreisklinik R., gynäkologische Abteilung, vom 23.8.2023, Urkunde des Jugendamtes über Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmungserklärung vom 11.7.2023, Urkunde über gemeinsame Sorgeerklärung vom 11.7.2023) liegen keine Duldungsgründe gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 oder 3 AufenthG zugunsten des Antragstellers vor (siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen). Offenbleiben kann daher, inwieweit solche Umstände nicht ohne Verschulden im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind. Der Antragsteller kann nicht mit seinem Vortrag durchdringen, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der verspäteten Vorlage der Unterlagen über seine Vaterschaft hinsichtlich des ungeborenen Kindes seiner Lebensgefährtin ausgegangen, weil die Entscheidung im vorgängigen Verfahren ohne Fristsetzung zur Vorlage von Unterlagen bzw. weiteren Antragsbegründung nach Akteneinsicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoße. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) will den Beteiligten im Rahmen der Verfahrensordnung ermöglichen, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Verfügung stehenden prozessualen Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen. Hierdurch soll effektiver Rechtsschutz gewährleistet und sichergestellt werden, dass die zu treffende Entscheidung möglichst frei von Verfahrensfehlern und auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts ergeht (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2021 – 19 ZB 21.2450 – juris Rn 8 mit Verweis auf Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 124 Rn. 59 und § 138 Rn. 27). Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört deshalb auch die Möglichkeit der Akteneinsicht (vgl. BVerfG, B.v. 25.3.2020 – 2 BvR 113/20 – juris Rn. 40 m.w.N.). Daraus ergibt sich vorliegend jedoch kein beachtlicher Verfahrensfehler. Abgesehen davon, dass der Antragsteller nicht dargelegt hat, dass ihm eine Akteneinsicht in einer der Eilbedürftigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angemessenen Weise, etwa im Wege elektronischer Übersendung oder bei Papieraktenführung im Wege der Einsichtnahme in der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts – nicht möglich gewesen wäre (vgl. dazu Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 100 Rn. 28 m.V.a. BVerwG, U.v. 3.11.1987 – 9 C 235/86 – juris), hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im vorliegenden Abänderungsverfahren auch (jedenfalls) nicht allein auf den fehlenden Nachweis der genannten Unterlagen gestützt, sondern darauf, dass es an einem formalrechtlichen Nachweis über die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin fehle – mit der er nach seinen Angaben muslimisch verheiratet sein wolle –, was ebenso für die vorgetragene enge Nähebeziehung zu den Kindern seiner Lebensgefährtin gelte, die nach den Angaben des Antragstellers überwiegend durch ihn versorgt würden, weil die Lebensgefährtin aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen durch die Schwangerschaft dazu nicht in der Lage sei, sowie darauf, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass die Versorgung der Kinder gerade dem Antragsteller obliege und die Beendigung seines Aufenthalts das Kindeswohl der Kinder seiner Lebensgefährtin gefährde. Daraus ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO (jedenfalls) nicht allein auf die fehlenden Nachweise zur Vaterschaft des Antragstellers gestützt hat.
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Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Rechtlich unmöglich i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Wegen der Bindung der Ausländerbehörde nach § 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Bescheid vom 20. Juli 2017 kommen insoweit nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953).
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2.1 Der Antragsteller hat – entgegen seinem Vortrag in der Beschwerdebegründung – voraussichtlich keinen Anspruch auf eine Verfahrensduldung zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG bzw. § 104c AufenthG während des laufenden Verpflichtungsklageverfahrens. Wie das Verwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 13. Juli 2023 ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen der geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nicht vor. Diesen Beschluss hat der Antragsteller nicht mit Rechtsmitteln angegriffen, weshalb er nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Senat ist. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, weshalb ihm die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mangels Vortrags eines neuen Sachverhalts oder veränderter Umstände im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO keine materiell-rechtliche Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung stattfindet, da es sich nicht um ein Rechtsmittelverfahren handelt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.1.2023 – 19 CS 22.2585 – Rn. 10). Unabhängig davon erfüllt der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 34) schon nicht die tatbestandliche Voraussetzung des „geduldeten Ausländers“ nach § 25b Abs. 1 AufenthG, denn er ist seit dem Erlöschen seiner (zuletzt erteilten) Duldung durch Ablauf von deren Geltungsdauer am 26. Juni 2023 (nur) im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung. Des Weiteren ist der Antragsteller der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe zu Recht einen atypischen Fall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verneint und ermessensfehlerfrei ein Absehen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses abgelehnt (vgl. S. 10, 11 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts), nicht substantiiert entgegengetreten. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Abs. 1 AufenthG scheitert voraussichtlich an der besonderen (negativen) Erteilungsvoraussetzung des § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, wonach einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1, 1a und 4 sowie § 5 Absatz 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn er sich am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat und er (u.a.) nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, oder Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht, die nicht auf Jugendstrafe lauten, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Die Geldstrafe von 70 Tagessätzen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ist in diesem Sinne erheblich und steht damit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen. Offenbleiben kann daher, wann der Ausländer i.S.d. § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG geduldet sein muss (offen gelassen von BayVGH, B.v. 6.3.2023 – 19 CE 22.2647 – juris Rn. 25 m.V.a. Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. 15.1.2013, AufenthG § 104c Rn. 19; B.v. 9.3.2023 – 19 CE 23.183 – juris Rn. 35 <Zeitpunkt der Erteilung, im gerichtlichen Verfahren mithin Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz>; vgl. zu anderen Ansichten: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 104c Rn. 7; Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts, S. 3; Vollzugshinweise des Bayer. Staatsministeriums des Innern zum Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechtes i.d.F. vom 27.1.2023, Az.: F4-2081-3-88-218, S. 9 <Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich>).
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2.2 Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf eine Duldung aus sonstigen, im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG maßgeblichen Gründen. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren Dokumente vorgelegt hat, welche die geltend gemachte Risikoschwangerschaft und Unterstützung der Lebensgefährtin durch den Antragsteller belegen sollen, führen diese nicht zu einer Änderung der ursprünglichen Entscheidung unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK gewähren einen unmittelbaren Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet allerdings die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthalts-beendende Maßnahmen die familiäre Bindung des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, bei ihrer Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Art. 6 GG entfaltet jedoch ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht schon allein aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 31). Es ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Bei der Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, die durch wiederholte Besuche, durch Brief- und Telefonkontakte sowie durch Zuwendungen aufrechterhalten werden kann (BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 20; BVerfG, B.v. 14.12.1989 – 2 BvR 377/88 – juris). Voraussetzung für die Zuerkennung eines Abschiebungshindernisses wegen bestehender Beistandsgemeinschaft ist, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist (BVerfG, B.v. 25.10.1995 – 2 BvR 901/95 – juris Rn. 10 m.w.N.). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 EMRK gilt insoweit nichts Anderes, da auch dort ein tatsächlich gelebtes Näheverhältnis zwischen den Familienmitgliedern vorausgesetzt wird (EGMR, U.v. 13.6.1979 – Marckx/Belgien, Nr. 6833/74 – EuGRZ 1979, 454 Rn. 31). Die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern sind im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen, insbesondere ist deshalb maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, B.v. 8.12.2005, a.a.O.).
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Diese Grundsätze, die den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Zuerkennung von Abschiebungsschutz für einen ausländischen Elternteil eines deutschen Kindes bilden, können bereits vor der Geburt des Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen entfalten. Sie bedürfen jedoch – da die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen den Eltern und dem Kind erst bevorsteht – einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden modifizierten Anwendung. Insoweit ist in der Rechtsprechung hinsichtlich der Vaterschaft eines ungeborenen Kindes und dessen aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen entschieden, dass – anstelle des Bestehens einer bereits gelebten familiären Gemeinschaft – regelmäßig zu fordern ist, dass der ausländische Vater gegenüber den zuständigen Behörden seine Vaterschaft gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 4 BGB (mit Zustimmung der Mutter) anerkannt hat und beide bereits in Verhältnissen leben, welche die gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung und eine gemeinsame Erziehung und Betreuung des Kindes sicher erwarten lassen (BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 19 CE 17.2007 – juris Rn. 13 m.w.N.). Der Schutz des Art. 6 Abs. 4 GG erfasst Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Neben dem verbindlichen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, der vor allem die Gewährung einer „Schonzeit“ vor und nach der Geburt fordert, ist die Verfassungsnorm Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung, die für den gesamten Bereich des öffentlichen und privaten Rechts verbindlich ist. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG für den ausländischen Vater eines noch nicht geborenen Kindes kommt daher auch dann in Betracht, wenn eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft) besteht und die Unterstützung der Schwangeren durch den Abzuschiebenden glaubhaft gemacht wird (BayVGH, B.v. 28.1.2021 – 10 CE 21.313 – juris Rn. 7, für ein ungeborenes deutsches Kind); denn die Wahrscheinlichkeit, dass die werdende Mutter unter diesen Umständen durch eine abschiebungsbedingte Trennung Belastungen ausgesetzt ist, die die Leibesfrucht gefährden, ist ungleich höher als bei vorübergehender Trennung während einer normal verlaufenden Schwangerschaft (vgl. OVG LSA, B.v. 10.12.2014 – 2 M 127/14 – juris Rn. 6 m.w.N; OVG Berlin-Bbg, B.v. 30.3.2009 – OVG 12 S 28.09 – juris Rn. 5; OVG Hamburg, B.v. 10.12.2009 – 3 Bs 209/09 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 28.11.2011 – 10 CE 11.2746 – juris Rn. 4). Erforderlich ist dabei aber, dass eine enge und durch Fürsorge geprägte persönliche Beziehung des Ausländers zur werdenden Mutter besteht, was in der Regel ein tatsächliches Zusammenleben mit ihr in häuslicher Gemeinschaft voraussetzt. Zudem muss glaubhaft die Bereitschaft bekundet werden, in Zukunft in einer tatsächlich gelebten familiären Verbundenheit elterliche Verantwortung zu übernehmen (OVG LSA, B.v. 17.1.2019 – 2 M 153/18 – juris Rn. 18, 24).
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Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller jedoch nach wie vor nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat zwar die für die Anerkennung einer Vorwirkung des Schutzes des Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK erforderlichen Nachweise in der Gestalt der Vaterschaftsanerkennung und Erklärung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Hinblick auf das ungeborene Kind durch Vorlage der entsprechenden Urkunde (in Kopie) des Kreisjugendamtes R. vom 11. Juli 2023 erbracht (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.2018 – 2 BvR 941/18 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 8.3.2021 – 19 CE 21.233 – juris Rn. 9; B.v. 25.5.2021 – 10 CE 21.1460 – juris Rn. 9). Dabei handelt es sich aber weder um nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2023 – dessen Abänderung der Antragsteller begehrt – eingetretene oder veränderte Umstände noch hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er die genannten Urkunden ohne Verschulden erst im Beschwerdeverfahren vorlegen konnte. Letztlich kommt es darauf aber mangels Darlegung einer Risikoschwangerschaft der Lebensgefährtin nicht entscheidungserheblich an (vgl. nachfolgende Ausführungen).
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Nach wie vor nicht dargelegt ist eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind oder die Mutter (Risikoschwangerschaft). Soweit der Antragsteller vorträgt, aufgrund der bei seiner Lebensgefährtin festgestellten Hyperemesis gravidarum liege eine Risikoschwangerschaft vor, fehlt es zur Glaubhaftmachung einer solchen Gefahrenlage, welche die Notwendigkeit der Anwesenheit des Antragstellers erfordert, an einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2011 – 10 CE 11.2746 – juris Rn. 6). Zum einen fehlt es an nachvollziehbaren ärztlichen Feststellungen, wie sich die Erkrankung bei der schwangeren Lebensgefährtin des Antragstellers aktuell konkret darstellt. Im Hinblick darauf, dass eine Hyperemesis gravidarum – wie auch aus der von dem Antragsgegner vorgelegten fachlichen Einschätzung des Herrn Dr.med. Schmidt laut Gesprächsvermerk vom 13. September 2023 (Bl. 70 der VGH-Akte) hervorgeht – vor allem im ersten Schwangerschaftsdrittel (Trimenon) auftritt, jedoch seltener bis jenseits der 20. Woche anhält (diese Angaben werden auch durch die von Antragstellerseite zitierten Webseiten bestätigt), kann eine solche Gefahrenlage ohne eine Prognose, inwieweit die Beschwerden voraussichtlich noch jenseits der 20. Schwangerschaftswoche anhalten und wie gravierend sich diese voraussichtlich darstellen werden, nicht erkannt werden. Ausweislich der Bescheinigung der Kreisklinik R., gynäkologische Abteilung, vom 28. August 2023 befand sich die Lebensgefährtin des Antragstellers dort seit dem 23. August 2023 wegen Hyperemesis gravidarum in der 15./16. Schwangerschaftswoche in Behandlung. Weitere Angaben hinsichtlich Krankheitsschwere und -verlauf sind der Bescheinigung nicht zu entnehmen. Die Bescheinigung vom 5. September 2023, wonach sich die Lebensgefährtin dort seit 5. September 2023 in stationärer Behandlung befindet, enthält keine Diagnose. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ist die Schwangerschaft bereits weiter fortgeschritten und die Lebensgefährtin befindet sich, ausgehend von dem errechneten Entbindungstermin am 21. Februar 2024 (vgl. Mutterpass, Bl. 36 der Streitakte des erstinstanzlichen Verfahrens), sodass es (fach-)ärztlicher Belege für das Andauern der Erkrankung einschließlich einer Prognose des weiteren Krankheitsverlaufs bedürfte. Nicht gefolgt werden kann vor diesem Hintergrund auch der – nicht durch (fach-)ärztliche Stellungnahmen belegten – Einschätzung der Antragstellerseite, dass die Hyperemesis gravidarum zu einer beachtlichen Gefährdung von Leib und Leben der Kindsmutter oder des ungeborenen Kindes führe. Hierzu hat der von der Antragsgegnerseite befragte Facharzt erläutert, dass die Erkrankung mit entsprechender Medikation gut behandelt werden könne (mit Zäpfchen zur Verhütung des oralen Ausscheidens) und dass keine akute Gefahr bzw. kein akutes Risiko für die Kindsmutter oder das ungeborene Kind bestehe. Diese qualifizierte fachärztliche Einschätzung ist von der Antragstellerseite nicht widerlegt worden.
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Nicht glaubhaft gemacht hat der Antragsteller des Weiteren, dass bei seiner Lebensgefährtin (bzw. rituell angetrauten Ehefrau) und werdenden Mutter infolge der geltend gemachten Erkrankung eine besondere Hilfsbedürftigkeit bzw. ein Unterstützungs- und Betreuungsbedarf vorliegt, aufgrund dessen sie gerade auf die Hilfe und den Beistand des Antragstellers angewiesen ist. Zwar macht der Antragsteller (unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung seiner Lebensgefährtin vom 5.9.2023 sowie einer Bestätigung dieser Angaben durch Herrn St. unter demselben Datum) geltend, er kümmere sich täglich und andauernd um seine Lebensgefährtin und ihre beiden (älteren) Kinder und er werde wegen mehrerer Krankenhausaufenthalte der Lebensgefährtin und ihrer derzeit stark eingeschränkten gesundheitlichen Verfassung dringend zur Pflege seiner Lebensgefährtin und vor allem der beiden Kinder benötigt, zu deren Gunsten er des Weiteren auf sein – für seine Integration wichtiges – Fußballtraining verzichte. Dabei kann offenbleiben, ob es sich um neue bzw. nach der erstinstanzlichen Entscheidung im vorgängigen Verfahren (Az. AN 5 E 23.1384) vom 31. Juli 2023 veränderte oder ohne Verschulden nicht im genannten Verfahren geltend gemachte Umstände handelt und inwieweit die geltend gemachte Betreuung der Lebensgefährtin und deren Söhne aktuell (nach Untertauchen des Antragstellers, vgl. dazu den Vortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 10.10.2023) überhaupt noch geleistet werden kann. Denn die im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 GG geltende Erwägung, dass Unterstützungs- und Betreuungsleistungen eines nahen Familienangehörigen grundsätzlich nicht durch dritte Personen ersetzt werden können, greift vorliegend nicht, da der Antragsteller und die (werdende) Kindesmutter lediglich rituell, aber nicht im Rechtssinne verheiratet sind (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.2018 – 2 BvR 941/18 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.3.2021 – 19 CE 21.233 – juris Rn. 12; B.v. 25.5.2021 – 10 CE 21.1460 – juris Rn. 11). Aus der von der Antragstellerseite zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. August 1996 (Az.: 2 BvR 1119/96, juris Rn. 5 m.w.N.), wonach die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange dann zurückdränge, wenn ein aufenthaltsberechtigtes Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen sei und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lasse, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Beistandsgemeinschaft als Hausgemeinschaft gelebt werde oder ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden könne, folgt nichts anderes. Denn diese Entscheidung befasst sich nicht mit der hier vorliegenden besonderen Konstellation der Vorwirkungen des Schutzes des Art. 6 GG zugunsten eines ungeborenen Kindes (im Sinne einer Vorverlagerung des Schutzbereichs), sondern mit der gelebten familiären Gemeinschaft von Eltern(-teil) und Kind, die in den Schutzbereich des Art. 6 GG fällt. Auch ist in Anbetracht des Entbindungstermins Ende Februar 2024 nicht dargetan, dass es dem Antragsteller im bis dahin verbleibenden Zeitraum nicht möglich und zumutbar sein sollte, in sein Herkunftsland auszureisen, um das Visumverfahren gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nachzuholen (vgl. dazu den Vortrag des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren, dem der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten ist), in welchem über ein Absehen von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unter Berücksichtigung des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zu entscheiden wäre. Eine Ungleichbehandlung ungeborener nicht ehelicher Kinder gegenüber ungeborenen Kindern miteinander verheirateter Eltern – wie von dem Antragsteller vorgetragen – kann in der Verweigerung einer Duldung zur Unterstützung der Lebensgefährtin und Mutter des ungeborenen Kindes unter den vorliegenden Umständen nicht gesehen werden. Denn es kommt für die Frage eines besonderen Unterstützungsbedarfs aufgrund einer Risikoschwangerschaft – wie ausgeführt – darauf an, inwieweit auf die Ersetzbarkeit der von dem Ausländer (unterstellt) geleisteten Unterstützung der werdenden Kindsmutter durch andere Personen verwiesen werden kann. Diese Frage betrifft aber nicht das Verhältnis des Antragstellers zu seinem ungeborenen Kind, sondern dasjenige zu seiner Lebensgefährtin (und rituell angetrauten Ehefrau). Art. 6 Abs. 1 GG differenziert insoweit zwischen rechtswirksam miteinander verheirateten Ehepartnern und nicht rechtswirksam verheirateten Partnern einer Lebensgemeinschaft (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.2018 – 2 BvR 941/18 – juris Rn. 9).
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2.3 Des Weiteren liegen auch keine Gründe für die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG vor. Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Abgesehen davon, dass das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache erkennbar auf einen dauerhaften und nicht nur vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet abzielt – welcher von einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht gedeckt ist –, hat der Antragsteller auch keine dringenden persönlichen oder humanitären Gründe, wie etwa die vorübergehende Betreuung eines schwer erkrankten Familienangehörigen (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 42; Kluth/Breidenbach in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. 15.1.2023, AufenthG § 60a Rn. 91) dargelegt. Insoweit kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.
17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
19
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).