Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 31.01.2023 – 10 U 106/22
Titel:

Keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Motor EA 288 (hier: VW Passat)

Normenketten:
ZPO § 522 Abs. 1 S. 2, S. 3
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2022, 11891; BeckRS 2022, 18404; OLG Bamberg BeckRS 2022, 32236; OLG Nürnberg BeckRS 2021, 52232; OLG Koblenz BeckRS 2022, 25180; BeckRS 2022, 25178; BeckRS 2022, 25176; BeckRS 2022, 25174; BeckRS 2022, 25157; BeckRS 2022, 25155; BeckRS 2022, 25138; BeckRS 2022, 25151; BeckRS 2022, 25075 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2021, 55750 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (auch zur aA) im dortigen Leitsatz 1; anders durch Versäumnisurteil OLG Köln BeckRS 2021, 2388. (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Verfahrensaussetzung bedarf es nicht, wenn eine Sachentscheidung aufgrund der Unzulässigkeit der Berufung ohnehin nicht ergehen könnte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 288, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, Prüfstandserkennungssoftware, Fahrkurvenerkennung, Schlussanträge des Generalanwaltes
Vorinstanz:
LG Bayreuth, Urteil vom 16.09.2022 – 32 O 237/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3168

Tenor

1. Die Anträge des Klägers vom 12.12.2022 und vom 30.01.2023 auf Aussetzung des Verfahrens werden abgelehnt.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 16.09.2022, Aktenzeichen 32 O 237/22, wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.354,56 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klagepartei nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
2
Die Klagepartei erwarb am 10.01.2017 von einem Autohaus einen Gebrauchtwagen der Marke VW, Typ Passat zum Kaufpreis von 24.738,52 € (Anlage K 1). Zum Zeitpunkt des Kaufs betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 25.100 km, zum 05.08.2022 betrug er 96.637 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288 (2,0 l 110 kW Euro 6) ausgestattet (vgl. Anlage K 2) und verfügt über einen NOx-Speicherkatalysator (NSK). Es ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen. Die Beklagte bietet lediglich eine sog. „freiwillige Servicemaßnahme“ für das Fahrzeug an.
3
Die Klagepartei hat in erster Instanz vorgetragen, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug kämen mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz (Zykluserkennung, Fahrkurve, Thermofenster). Sie ist deshalb der Auffassung, die Beklagte habe sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sie den Kaufvertrag für das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Auf dieser Grundlage hat die Klagepartei in erster Instanz zuletzt beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 24.738,52 €, abzüglich eines Nutzungsersatzes i.H.v. 6.383,96 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jew. Basiszinssatz seit 06.01.2022, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des gegenständlichen Fahrzeugs VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer seit spätestens 06.01.2022 in Annahmeverzug befindet.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.214,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2022 zu zahlen.
4
Die Beklagte ist dem Vortrag der Klagepartei in erster Instanz entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.
5
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 16.09.2022 abgewiesen.
6
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil.
7
Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die Berufung der Klagepartei, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Die Beklagte habe, indem sie im Fahrzeug der Klagepartei eine „Fahrkurvenerkennungsstrategie“ und ein Thermofenster zum Einsatz kommen lasse, jedenfalls fahrlässig gegen das Verbot aus Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der VO 715/2007 verstoßen, sodass der Klagepartei – da die vorgenannten Vorschriften Schutzgesetze seien – ein Anspruch auf Kaufpreiserstattung nach § 823 Abs. 2 BGB zustehe.
9
Zudem habe die Beklagte eine fehlerhafte EG-Übereinstimmungsbescheinigung (CoC) ausgestellt und hafte – da diese eine Garantie darstelle – auch aus diesem Grund, zum einen verschuldensunabhängig aus dem Garantieversprechen, zum anderen nach § 823 Abs. 2 BGB.
10
Sie habe schließlich eine prüfstandsbezogene unzulässige Abschalteinrichtung (Zykluserkennung, Manipulation des KSK mittels Fahrkurvenerkennungsstrategie) schlüssig dargelegt und bewiesen. Es bestehe somit auch ein Anspruch aus § 826 BGB.
11
Die Klagepartei beantragt,
1.
Unter Abänderung des am 13.10.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Bayreuth, Aktenzeichen: 32 O 237/22, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an den Kläger 24.738,52 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 6.383,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2022 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer zu zahlen.
2.
Unter Abänderung des am 13.10.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Bayreuth, Aktenzeichen: 32 O 237/22, wird festgestellt, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Annahme des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer seit spätestens 06.01.2022 in Annahmeverzug befindet.
3.
Unter Abänderung des am 13.10.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Bayreuth, Aktenzeichen: 32 O 237/22, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.214,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2022 zu zahlen.
12
Zudem hat die Klagepartei einen „Antrag nach § 538 Abs. 2 ZPO gestellt.“
13
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
14
Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
II.
15
Die Berufung des Klägers ist unzulässig und daher im Beschlusswege zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO). Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 21.11.2022 Bezug genommen.
16
Die Ausführungen des Klägers in der Stellungnahme vom 30.01.2023 zu dem Hinweisbeschluss des Senats, die der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen hat, geben auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass, von der Verwerfung der Berufung im Beschlusswege abzusehen. Vielmehr befasst sich die Stellungnahme ausschließlich mit der Begründetheit der Berufung, ohne Zulässigkeitsfragen zu erörtern.
III.
17
Das Verfahren ist nicht auszusetzen, weil eine Sachentscheidung aufgrund der Unzulässigkeit der Berufung ohnehin nicht ergehen könnte.
18
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. gez.
Bamberg, 01.02.2023