Titel:
Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung zur Vermeidung einer Spekulationsblase
Normenkette:
GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Für die Beurteilung, ob der Kaufpreis in einem grobem Missverhältnis zum Wert des veräußerten landwirtschaftlichen Grundstücks steht und daher die Genehmigung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG versagt werden darf, kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Bemessung des Kaufpreises sind sämtliche Gegenleistungen nach dem objektiven Mehrwert maßgeblich, der dem Vermögen des Käufers zufließt. Auf den persönlichen Aufwand des Verkäufers kommt es nicht an. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grundstücksverkehrsgenehmigung, Bewertungszeitpunkt, grobes Missverhältnis, Bewertung der Gegenleistung, Spekulationsblase, Bauerwartungsland, Flächennutzungsplan, objektiver Mehrwert
Vorinstanz:
AG Traunstein, Beschluss vom 18.03.2022 – 3 LW XV 542/20
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31654
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 18.03.2022, Az. 3 LW XV 542/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Das Landwirtschaftsgericht wies mit Beschluss vom 4.02.2022 den Antrag auf Genehmigung des Grundstückskaufs der Beschwerdeführerin mit den weiteren Beteiligten zu 4) und 5) über eine vier Hektar große Teilfläche des landwirtschaftlichen Grundstücks Flurnummer … der Gemarkung P… zurück: Der beurkundende Notar habe am 22.4.2020 bei der weiteren Beteiligten zu 1) um Genehmigung ersucht, die am 23.06.2020 versagt wurde. Dem Antrag auf gerichtliche Genehmigung sei nicht zu entsprechen, da die Versagungsgründe nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 GrdstVG greifen würden. In Richtung des Versagungsgrunds Nr. 3 habe ein Sachverständiger bestätigt, dass ein grobes Missverhältnis zum Wert des Grundstücks bestünde. Den Versagungsgrund Nr. 2, 1 habe die Beteiligte zu 1) in zulässiger Weise nachgeschoben und die Veräußerung würde den Milcherzeugungsbetrieb der weiteren Beteiligten zu 4) und 5), die 50 Milchkühe halten, unwirtschaftlich verkleinern, da nur eine unzureichende Grünlandfläche von knapp 9 ha vorläge. Auf die Einzelheiten des Beschlusses wird Bezug genommen.
2
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 5.4.2022 gegen den am 22.3.2022 zugestellten vorgenannten Beschluss, die am 7.6.2022 begründet wurde. Das Erstgericht habe für die Verkehrswertbestimmung in zeitlicher Hinsicht einen falschen Maßstab angelegt. Maßgeblich sei allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, was nicht ausreichend beachtet wurde. Auf die Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird Bezug genommen.
3
Im Beschwerdeverfahren wird beantragt:
4
Die Antragstellerin beantragt,
„Von daher ist die Entscheidung des Gerichts falsch und die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz ist zu erteilen.“
5
Die weitere Beteiligte zu 1) beantragt,
„Die Entscheidung des Gerichts ist nicht zu beanstanden. Die Genehmigung ist weiterhin zu versagen und der Antrag des Klägers zurückzuweisen“
6
Die weitere Beteiligte zu 2) beantragt
die Zurückweisung der Beschwerde.
7
Die weiteren Beteiligten zu 4) und 5) stellen keinen konkreten Antrag.
8
Die weiteren Beteiligten zu 1) und 2) verteidigen die angefochtene Entscheidung.
9
Das Landwirtschaftsgericht half der Beschwerde nicht ab.
10
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 22 GrdStVG i. V.m. §§ 38, 58 ff. FamFG).
11
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
12
a. Das Grundstücksverkehrsgesetz ist unproblematisch anwendbar, da es sich bei dem Kaufgegenstand um eine vier Hektar große landwirtschaftliche Fläche handelt (§ 2 GrdStVG i.V.m. Art. 2 BayAgrG).
13
b. Das Erstgericht hat zutreffend die Genehmigung nach §§ 22 Abs. 3, 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdStVG versagt:
14
(1) Nach dieser Vorschrift ist eine Genehmigung zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, wonach der Gegenwert in einem groben Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.
15
aa. Mit diesem – selbständigen (vgl. BGH 25. 4. 2014 – BLw 5/13) – Versogungsgrund soll der Gefahr des Entstehens von Spekulationsblasen entgegengewirkt werden, die den Bodenmarkt destabilisieren und damit agrarstrukturrelevant werden; landwirtschaftliche Betriebe sollen nicht mit Anschaffungskosten belastet werden, die ihren Bestand oder ihre Wirtschaftlichkeit bedrohen.
16
Nach der EuGH Entscheidung vom 16. 7. 2015 (C-39/14) ist für die Beurteilung des Missverhältnisses der Marktwert maßgeblich, der sich nach dem Preis richtet, den Kaufinteressenten, auch Nichtlandwirte, zu zahlen bereit sind. Wird allerdings ein Kaufpreis vereinbart, der den Marktwert des Grundstücks um mehr als die Hälfte überschreitet, ist dieser spekulativ überhöht und daher nicht maßgeblich.
17
1. In zeitlicher Hinsicht ist, insoweit teilt der Senat die Einschätzung des Erstgerichts nicht in jeder Hinsicht, allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich:
18
Für die Beurteilung, ob eine Spekulationsblase vorliegt oder nicht, ist der Zeitpunkt der Einigung maßgeblich, da nur dann beurteilt werden kann, ob die im Synallagma stehenden Vertragspflichten gleichwertig sind und ob damit der versprochene Kaufpreis realistisch den Markt abbildet.
19
2. Für den zu beurteilenden Fall gilt insoweit in tatsächlicher Hinsicht:
20
Die betroffene Fläche wurde am 16.4.2020 veräußert. Der Kaufvertrag sieht in Ziff. II. einen Quadratmeterpreis von 44 Euro vor und in Ziff. V weitere Zusatzleistungen: Die Errichtung von drei Fahrsilos, eine Güllegrube, die Errichtung einer fünf Meter breiten Überfahrt über den W..
21
Etwa zwei Monate später, am 22.6.2020 beschloss die Gemeinde P. einen Flächennutzungsplan, in dem Gewerbeflächen angrenzend an das veräußerte Grundstück ausgewiesen wurden, allerdings war das veräußerte Grundstück von der Flächenänderung nicht betroffen. Inzwischen gab die Gemeinde die Planung unter Aufhebung des Flächennutzungsplans am 28.09.2021 wieder auf. Der Bodenrichtwert für landwirtschaftliche Fläche beläuft sich auf 9 Euro.
22
Die vom Erstgericht bestellte Sachverständige schätzte in ihrem Gutachten vom 26.04.2021 den Quadratmeterpreis auf 33 Euro. Es sei von Bauerwartungsland auszugehen, da das Grundstück in der Nähe der Autobahn läge, dies typischerweise für Gewerbeansiedlungen verwendet werde und für die Nachbargrundstücke entsprechende Änderungen beschlossen worden seien. Auch sei bei dem Grundstück eine Überschwemmungsproblematik zu beachten. Unter Berücksichtigung der Zusatzleistungen läge der Kaufpreis bei 53,50 Euro. Unter Berücksichtigung der veränderten Planungssituation – Aufgabe der Absicht, dort Gewerbe anzusiedeln; Aufhebung des Flächennutzungsplans – sei der Quadratmeterpreis mit 17,50 Euro anzusetzen.
23
bb. Der tatsächliche Verkaufspreis mit 2,1 Millionen Euro steht in einem krassen Missverhältnis zum Marktwert von 700.000 Euro.
24
1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind sämtliche Gegenleistungen des Käufers für die Bemessung des Kaufpreises maßgeblich. Der Kaufvertrag ist ein synallagmatischer Vertrag mit Leistung und Gegenleistung.
25
Als Gegenleistung sieht der zu beurteilende Kaufvertrag eine Zahlung über 1,6 Millionen Euro vor; hinzu kommt die Errichtungsverpflichtung von drei Fahrsilos, eine Güllegrube und eine Überfahrt. Die Zusatzleistungen sind mit 500.000 Euro anzusetzen. Bei der Bewertung der Zusatzleistung folgt der Senat der übereinstimmenden Schätzung der Sachverständigen, der weiteren Beteiligten zu 1) sowie den geänderten Angaben des Verkäufers, den weiteren Beteiligten zu 4). An der Richtigkeit der Einschätzung bestehen für den mit besondere Sachkunde besetzten Senat keine Zweifel.
26
Letztlich hat auch die Antragstellerin persönlich eingeräumt, dass der Wert realistisch ist. Sie hat nur argumentiert, dass sie die Zusatzleistungen persönlich erbringen werde und ihr persönlicher Aufwand geringer sei. Dem folgt der Senat nicht, da für die Bezifferung des Kaufpreises allein der objektive Mehrwert maßgeblich ist, der dem Vermögen des Käufers zufließt. Seine Entreicherung durch Hingabe des Kaufgegenstands steht im Synallagma zu seinem Wertzuwachs, den er durch den Kaufpreis erfährt.
27
Als Kaufpreis wurden daher 52,50 Euro pro Quadratmeter vereinbart.
28
2. Für den Marktwert des Grundstücks sind 17,50 Euro pro Quadratmeter anzusetzen:
29
Wie die Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat, liegen keine ausreichenden vergangenen Verkaufsvorfälle vor, so dass der Marktwert sachverständig zu schätzen war:
30
Hierbei waren nicht neun Euro pro Quadratmeter für Landwirtschaftsflächen maßgeblich, da das Grundstück bereits Bauerwartungsland ist: Diese – rechtliche – Einschätzung richtet sich allein nach § 5 Abs. 2 ImmoWertV. Nach dieser vorgenannten Bewertungsvorschrift sind Flächen Bauerwartungsland, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen (§ 6), insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung auf Grund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen. Maßgeblich sind allein objektive Kriterien; eine von Hoffnungen und Wünschen geprägte Verkehrsauffassung ist als Spekulation unbeachtlich, was bereits unmittelbar aus dem Wortlaut – konkrete Tatsachen; mit hinreichender Sicherheit – folgt.
31
a Der Senat folgt der plausiblen Einschätzung der Sachverständigen: Die konkrete Lage des Grundstücks an der Autobahn A8, der Umstand, dass an das Grundstück Gewerbeflächen angrenzen sowie dem typischen Bauverhalten von Kommunen, Gewerbeflächen häufig an Grundstücken auszuweisen, die an Autobahnen angrenzen, sind konkrete Tatsachen, die hinreichend sicher feststehen, weshalb die streitgegenständlichen Fläche Bauerwartungsland ist.
32
b Bei der weiteren Bewertung ist – Stand der Bauleitplanung bzw. der sonstigen städtebaulichen Entwicklung – davon auszugehen, dass für die angrenzenden Flächen keine Änderung des Flächennutzungsplans erfolgt ist:
33
Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses war die städtebauliche Entwicklung ungewiss und der Flächennutzungsplan war noch nicht geändert worden. Es kann offen bleiben, ob bei einem hochdynamischen Geschehen ein juristischer Augenblick – die Annahme des Vertragsangebots und damit das Zustandekommen des Kaufvertrags am 16.04.2020 – maßgeblich ist oder ob die Entwicklung eines historisch zusammenhängende Geschehens maßgeblich ist:
34
Stellt man nämlich isoliert auf den Kaufvertragsschluss ab, war der Flächennutzungsplan für die angrenzenden Grundstücke am 16.04.2020 noch nicht geändert; die Änderungen wurden zwei Monate später beschlossen. Gleiches gilt aber auch unter Beachtung der Entwicklung der konkreten Geschehnisse, wozu der Senat neigt, da dem Telos, Spekulationsblasen zu verhindern, hierdurch besser Rechnung getragen werden kann: Die im Flächennutzungsplan aufgestellten Änderungen wurden bereits nach einem Jahr kassiert. Unter Berücksichtigung der zusammenhängenden Geschehnisse ist ebenfalls bei der Bewertung maßgeblich, dass die angrenzenden Flächen im Flächennutzungsplan nicht als Gewerbegebiet ausgewiesen wurden.
35
Das Gesamtergebnis ist für den Senat stimmig: Die Antragstellerin hat das bindende Kaufvertragsangebot bereits am 23.11.2015, und damit sieben Monate vor der Änderung des Flächennutzungsplans, abgegeben, was die persönliche Spekulationserwartung unterstreicht.
36
c Die Sachverständige hat – unter Beachtung der vorgenannten rechtlichen Rahmenerwägungen – den Marktwert plausibel und nachvollziehbar mit 17,50 Euro geschätzt.
37
Soweit die weitere Beteiligte zu 1) mehrfach gerügt hat, dass der Wert – deutlich – darunter läge, folgt der Senat dem nicht. Die weitere Beteiligte zu 1) argumentiert, dass Grundstück sei zu keinem Zeitpunkt von den Änderungen betroffen gewesen.
38
Der Senat folgt dem nicht: Die Sachverständige hat deutlich gemacht, dass die konkret vorzunehmende Bewertung von Bauerwartungsland von diversen Faktoren abhängig ist. Ein Faktor ist hierbei, ob die städtebauliche Entwicklung die Grundstücke erfasst hat, bis zu diesen reicht oder nicht, was unmittelbar einleuchtet. Da das Grundstück von dem Flächennutzungsplan eben nicht betroffen war, hat die Sachverständige konsequent einen Wert am unteren Rahmen des Preisspektrums für Bauerwartungsland herangezogen.
39
d Ein Kaufpreis von 52,50 Euro pro Quadratmeter steht – unproblematisch – im krassen Missverhältnis von 17,50 Euro pro Quadratmeter.
40
cc. Als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung verlangt die Rechtsprechung zudem, dass ein Landwirt zu dem Erwerb des Grundstücks zu einem Preis bereit ist, der „in etwa“ dem Marktwert entspricht (zu Einzelheiten Martinez in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, § 9 Rnr. 32 ff. m.w.N.). Die insoweit getroffenen Feststellungen und Erwägungen des Erstgerichts wurden nicht angegriffen. Der Senat macht sich die Einschätzung aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen.
41
c. Das Erstgericht hat auch zutreffend als weiteren Versorgungsgrund die unwirtschaftliche Verkleinerung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Nr. 1 GrdstVG angenommen.
42
Die insoweit getroffenen Feststellungen und Erwägungen des Erstgerichts wurden nicht angegriffen. Der Senat macht sich die Einschätzung aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 81 FamFG. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens war nach § 76 Nr. 4 GNotKG festzusetzen.