Inhalt

AG Garmisch-Partenkirchen, Endurteil v. 03.05.2023 – 6 C 270/22 WEG
Titel:

Anforderungen an die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes in der Einladung zu einer Eigentümerversammlung

Normenkette:
WEG § 18 Abs. 2 Nr. 2, § 23 Abs. 2, § 25 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zur Bezeichnung des Beschlussgegenstandes in der Einladung zu einer Eigentümerversammlung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Tagesordnungspunkte und die vorgesehenen Beschlüsse so genau bezeichnet sind, dass die Wohnungseigentümer verstehen und überblicken können, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert und beschlossen werden soll. Regelmäßig reicht eine stich- oder schlagwortartige Bezeichnung der Beschluss- und Diskussionspunkte. In der Tagesordnung müssen die beabsichtigten Beschlüsse nicht bereits vorformuliert werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Ermessen der Eigentümergemeinschaft ist einer gerichtlichen Regelung weitgehend entzogen. Das Gericht kann nur prüfen, ob gesetzlich eingeräumte Handlungsspielräume angemessen ausgefüllt worden sind. Gerichtliche Aufgabe ist es nicht, eigene etwa abweichende Wertungen uneingeschränkt an die Stelle der Wertung der Wohnungseigentümergemeinschaft zu setzen. Dem Bemühen der Wohnungseigentümergemeinschaft, jeweils zumutbare praktikable Lösungen des Miteinander zu finden, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Kontrolle auf Missbrauchsfälle beschränkt und das Ermessen der Wohnungseigentümergemeinschaft und ein fehlerfrei gewonnenes Ergebnis akzeptiert wird. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Poller, Eigentümerversammlung, Tagesordnungspunkt, ordnungsgemäße Verwaltung, Wohnungseigentümergemeinschaft, Ermessen
Fundstellen:
ZMR 2023, 927
BeckRS 2023, 31510
LSK 2023, 31510

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Mit der Teilungserklärung vom 20.1.2017 wurde das Grundstück am W.-weg im GP nach WEG aufgeteilt.
2
Die Kläger sind Miteigentümer der Beklagten.
3
Insgesamt besteht die Einheit aus fünf Häusern. Die Flächen zwischen den Häusern sind teilweise bepflanzt, teilweise befahrbar. An insgesamt drei Zugängen zu dem Grundstück kann auf die Flächen zwischen den Häusern (sog. Innenhof) gegangen bzw. gefahren werden. Zum einen von der Seite des W.-wegs her. Zum anderen von der Süd- sowie der Nordseite. Poller gibt es sowohl am Grundstücksanschluss zum W.-weg wie auch am südlichen Grundstücksende (Aufgang vom W.-weg her). Eigentlich war auch an der Nordseite ein Poller vorgesehen, der bisher allerdings noch nicht angebracht wurde.
4
Die befestigte Fläche zwischen den Häusern der Beklagten (sog. Innenhof) ist grundsätzlich frei von Fahrzeugen. So wurde es auch den Miteigentümern vor dem Verkauf durch den zuständigen Makler angepriesen. Der Innenhof dient ausschließlich als Feuerwehrzufahrt, Fläche für das Aufstellen von Löschfahrzeugen und das Anleiten zu Evakuierungszwecken sowie der Zufahrt für Rettungswägen oder andere Rettungskräfte. Hierfür ist auch ein Feuerwehrzufahrtsrecht als Grunddienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen.
5
Im Rahmen der Erstherstellung des gesamten Anwesens wurden an den Pollern zum W.-weg hin ein Schloss angebracht, das mit einem sog. Dreikantschlüssel geöffnet werden konnte. Da allerdings sehr viele Lieferanten usw. einen solchen Dreikantschlüssel stets bei sich führen, war dies kein Hindernis. Sie wurden vielmehr regelmäßig geöffnet. Es bestand damals das Verlangen der Eigentümer, dass ein Mechanismus gefunden wird, mit dem die Poller eine tatsächliche Barriere darstellen. Ebenso wurden damals bereits Hinweisschilder angebracht, die ein Befahren des Innenhofs durch Lieferanten nicht gänzlich unterband.
6
Unter TOP 27 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 wurde sodann folgender Beschluss gefasst:
„Es wird beantragt, dass die bestehenden Poller, die eine Zugangsbarriere für Kraftfahrzeuge in Richtung Innenhof beabsichtigen, mit Schlössern ausgerüstet werden, die nur von Befugten im Einzelfall geöffnet werden können.“
7
Dieser Beschluss wurde mehrheitlich angenommen. Die konkrete Art und Weise der Schlösser und der Umgang mit deren Schlüssel wurde nicht bestimmt.
8
Die Hausverwaltung ließ sodann ein Vorhängeschloss an den Pollern zum W.-weg hin anbringen, deren Schlüssel sie selbst verwaltete und einzelnen ausgewählten Personen aushändigte. In der Folge konnte der Innenhof nicht mehr von der Öffentlichkeit befahren werden.
9
Mit Schreiben vom 19.06.2022 wurde zur Eigentümerversammlung für das Jahr 2022 am 11.07.2022 eingeladen. In der Tagesordnung, die der Einladung beilag, heißt es zu dem angegriffenen TOP 14:
„TOP 14 Entfernung der Schlösser an Pollern in der Feuerwehrzufahrt Beschlussantrag: Dem Anspruch auf Einhaltung des Befahrungsverbots steht eine schnelle Zufahrt für Feuerwehr und Rettungsdienst entgegen. Es könnte bereits einmal der Rettungsdienst nicht direkt an ein Haus fahren. Der Beschluss TOP 27 aus dem Jahr 2021 soll aufgehoben werden und die Schlösser dauerhaft entfernt werden. Ein zusätzliches Schild soll angebracht werden.“
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In der Eigentümerversammlung vom 11.07.2022 wurde der Beschlussantrag unter TOP 14 sodann mehrheitlich angenommen, wobei die Kläger gegen die Beschlussfassung stimmten.
11
Die Schlösser an den Pöllern zum W.-weg wurden in der Folge beseitigt.
12
Die Kläger beantragen,
den Beschluss zu TOP 14 aus der WEG-Versammlung vom 11.07.2022 als unwirksam aufzuheben.
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Klage ist am 09.08.2022 und die Klagebegründung am 12.09.2022 bei Gericht eingegangen.
15
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage ist unbegründet.
17
Der Beschluss ist nicht unwirksam, denn die Einladung erfolgte nicht mangelhaft. Die Ankündigung in der Einladung für die Beschlussfassung war ausreichend. Zur Bezeichnung des Beschlussgegenstandes in der Einladung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Tagesordnungspunkte und die vorgesehenen Beschlüsse so genau bezeichnet sind, dass die Wohnungseigentümer verstehen und überblicken können, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert und beschlossen werden soll. Regelmäßig reicht eine stich- oder schlagwortartige Bezeichnung der Beschluss- und Diskussionspunkte. In der Tagesordnung müssen die beabsichtigten Beschlüsse nicht bereits vorformuliert werden. Mit der schlagwortartigen Ankündigung müssen die Eigentümer lediglich in die Lage versetzt werden können, zu erkennen, über welche Punkte in der Eigentümerversammlung diskutiert und gegebenenfalls beschlossen werden soll, damit sie sich überlegen und entscheiden können, ob sie an der Eigentümerversammlung teilnehmen oder nicht und sich auf die Eigentümerversammlung ausreichend vorbereiten können.
18
Durch die Bezugnahme auf TOP 27 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 ist hinreichend klar, auf welche Poller und Schlösser sich die Ankündigung in der Einladung bezieht. Gegenstand der Ankündigung in der Einladung sind demnach diejenigen Schlösser, die aufgrund des Beschlusses zu TOP 27 der ETV vom 13.08.2021 an den Pollern angebracht worden sind. Im Einladungsschreiben musste auch nicht konkret genannt werden, wo welches Schild aufgestellt werden soll. Auch diese Diskussion ist nicht in dem Einladungsschreiben auszutragen, sondern während der Eigentümerversammlung.
19
Der Beschluss ist auch hinreichend bestimmt. Durch die Bezugnahme auf den Beschluss zu TOP 27 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 steht klar und eindeutig fest, welche Schlösser im konkreten Fall gemeint sind. Es sind diejenigen Schlösser zu entfernen, deren Anbringung in der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 unter TOP 27 beschlossen worden ist. Nachdem es ja aufgrund hinreichender Bestimmtheit des Beschlusses zu TOP 27 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 möglich war, auf Grundlage dieses Beschlusses Schlösser an den Pollern anzubringen, steht ebenso klar und eindeutig fest, welche Schlösser nun im Rahmen des „actus contrarius“ wieder beseitigt werden sollen. Soweit beschlossen worden ist, ein zusätzliches Schild aufzustellen, ergibt sich aus der Natur der Sache und dem Sachzusammenhang, dass im Bereich der Poller ein Schild aufgestellt werden soll, aus dem sich ergibt, dass mit Ausnahme für Feuerwehr und Rettungsdienst die Poller nicht entfernt werden dürfen und das Grundstück nicht mit Fahrzeugen befahren werden darf.
20
Der Beschluss entspricht auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Der streitgegenständliche Beschluss ist nicht in sich widersprüchlich. Aufgrund der Schlösser konnten die Poller nicht beseitigt werden, sodass Rettungsfahrzeuge das Grundstück nicht befahren konnten. Die Schlösser stellten also eine dauerhafte Versperrung dar.
21
Sollten hingegen gelegentlich Fahrzeuge im Innenhof abgestellt werden, führt dies nicht im Ansatz zu einer dauerhaften Versperrung. Denn der Innenhof trotzdem durch Rettungsfahrzeuge befahren werden, auch wenn dort gelegentlich das eine oder andere Fahrzeug abgestellt sein sollte.
22
Der streitgegenständliche Beschluss verstößt nicht gegen die BayBO. Die beschlossene Entfernung der Schlösser führt vielmehr gerade dazu, dass ein Befahren des Innenhofs durch Rettungsfahrzeuge dauerhaft gewährleistet ist.
23
Zwär stünden der Wohnungseigentümergemeinschaft auch andere Möglichkeiten zur Verfügung, die Zufahrt in den Innenhof durch Rettungsfahrzeuge sicherzustellen. Für welche der in Betracht kommenden Möglichkeiten, sich die Wohnungseigentümergemeinschaft sodann entscheidet, liegt aber in deren weiten Ermessensspielraum. Insbesondere besteht für die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Verpflichtung, sich für eine der Möglichkeiten zu entscheiden, die sich aus der Anlage K 6 ergeben.
24
Die an den Pollern angebrachten Schlösser führten somit zu einer Beeinträchtigung der bestellten Dienstbarkeit, da es für die jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks aufgrund der angebrachten Schlösser nicht mehr möglich war, das WEG-Grundstück selbst nur mit solchen Fahrzeugen zu befahren, für die derzeit keine gesetzliche Haftpflichtversicherung besteht. Die Schlösser führten somit zu einem Verstoß gegen die mit Anlage B 1 vorgelegte Dienstbarkeitsbestellungsurkunde. Dieser Verstoß gegen die mit Anlage B 1 vorgelegte Dienstbarkeitsbestellungsurkunde wird mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss beseitigt und geheilt.
25
Es liegt auch kein rechtswidriger Zweitbeschluss vor. Bei dem streitgegenständlichen Beschluss handelt es sich um eine Gebrauchsregelung im Sinne von § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, die gemäß § 25 Abs. 1 WEG mit einfacher Mehrheit beschlossen werden konnte. Aufgrund des Beschlusses zu TOP 27 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2021 haben die Eigentümer weder schutzwürdigen Rechtspositionen erlangt, noch erleiden die Eigentümer rechtlichen Nachteile durch den hier streitgegenständlichen Beschluss.
26
Abschließend ist der weite Ermessensspielraum der Wohnungseigentümergemeinschaft zu berücksichtigen. Das Ermessen der Eigentümergemeinschaft ist einer gerichtlichen Regelung weitgehend entzogen. Das Gericht kann nur prüfen, ob gesetzlich eingeräumte Handlungsspielräume angemessen ausgefüllt worden sind. Gerichtliche Aufgabe ist es nicht, eigene etwa abweichende Wertungen uneingeschränkt an die Stelle der Wertung der Wohnungseigentümergemeinschaft zu setzen. Dem Bemühen der Wohnungseigentümergemeinschaft, jeweils zumutbare praktikable Lösungen des Miteinander zu finden, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Kontrolle auf Missbrauchsfälle beschränkt und das Ermessen der Wohnungseigentümergemeinschaft und ein fehlerfrei gewonnenes Ergebnis akzeptiert wird.
27
Die Gerichte sind daher darauf beschränkt, die Ermessensentscheidung der Eigentümergemeinschaft auf Ermessensfehler hin zu überprüfen. Ein Gericht kann hingegen nicht prüfen, ob die Eigentümergemeinschaft für ein Problem die „optimale Lösung“ gefunden hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Regelung in jeder Hinsicht notwendig und zweckmäßig ist. Zu fragen ist nur, ob die Eigentümergemeinschaft die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten hat, insbesondere, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von ihrem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat. Ein richterlicher Eingriff in Regelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft kommt somit nur dann in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an einem Beschluss oder einer Vereinbarung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Dass die Grenzen der Ermessensausübung durch die Eigentümergemeinschaft vorliegend überschritten wurde, ist nicht erkennbar. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, zu beschließen, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen und die Schlösser an den Pollern zu entfernen, damit künftig gewährleistet und sichergestellt ist, dass Rettungsfahrzeuge ungehindert den Innenhof befahren können.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
29
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.