Titel:
Keine Formgültigkeit der Erbeinsetzung bei einer "Unterschrift" oberhalb der Nennung der Erben
Normenkette:
BGB § 2247 Abs. 1
Leitsatz:
Erfolgt bei einem Testament die Unterschrift oberhalb der Nennung der Erben genügt das für eine Unterschrift im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB nicht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Testament, Unterschrift, Erbschein, Formgültigkeit, Zusatz, Einschübe, eigenhändiges Testament, Auslegung, Abschlussfunktion
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 25.08.2023 – 33 Wx 119/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31460
Tenor
I. Der Antrag des Beteiligten auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn aufgrund des Testaments vom 10.03.2022 als Alleinerben ausweist, wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten trägt der Antragsteller. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten und von Anwaltskosten findet nicht statt.
Gründe
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1. Am 04.05.2022 verstarb die Erblasserin, zuletzt wohnhaft, in. Die Erblasserin war geschieden und hat keine Kinder. Die Eltern sind bereits vorverstorben. Die Erblasserin hatte eine Schwester und einen Bruder sowie sechs Halbgeschwister und mehrere Nichten und Neffen.
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2. Die Erblasserin traf folgende bekannte letztwillige Verfügung:
Mit eigenhändigem Testament vom 10.03.2022 (Blatt 34 der Akte) verfügte die Erblasserin wie folgt:
Ich,, vermache alles was ich habe. Mein Sparbuch-Konto bei der., Versicherung bei der (Unterschrift)
3. Mit Antrag vom 08.08.2022 zu Protokoll bei Gericht beantragte der Beteiligte einen Erbschein dahingehend, dass die Erblasserin von ihm allein beerbt wird.
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Der Beteiligte begründet sein Erbrecht mit dem Testament vom 10.03.2022. Darin sei er als Alleinerbe eingesetzt. Das Testament sei auch formgültig erstellt. Mit Schriftsatz vom 19.06.2022 führte hierzu seine anwaltliche Vertretung aus, dass zwar die Unterschrift nicht am Ende des Dokumentes stehe und das Testament nicht räumlich abschließen würde. In Ausnahmefällen sei ein Testament aber dennoch gültig. Ergänzungen und Änderungen auf demselben Blatt wie das Testament seien ausnahmsweise auch dann von der darüberstehenden Unterschrift gedeckt, wenn die Auslegung des Testaments ergebe, dass sie von der vorhandenen Unterschrift nach dem Willen des Erblassers gedeckt sein sollen. Dies treffe z.B. dann zu, wenn das Testament ohne die vorgenommenen Ergänzungen lückenhaft, unvollständig oder nicht durchführbar wäre, wenn der wirkliche Wille des Erblassers nur aus beiden vom Erblasser niedergeschriebenen Erklärungen ersichtlich wird. Ein solcher Ausnahmefall wäre hier gegeben. Der Text des Testamentes, der oberhalb der Unterschrift stehe, stelle keinen vollständigen Satz dar. Der Satz würde erst durch den Test unterhalb der Unterschrift vervollständigt. Beide Textteile würden eindeutig zusammengehören und drücken den Willen der Erblasserin aus. Der zweite Teil sei keine Ergänzung oder Abänderung des ersten Textteiles, der einer weiteren Unterschrift bedurft hätte, sondern die Fortsetzung des ersten Textteils, welcher überhaupt erst mit der Formulierung nach der Unterschrift Sinn ergebe. Der erste Textteil für sich genommen enthalte keine durchführbare Verfügung von Todes wegen.
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4. Im Rahmen seines eigenen Erbscheinantrages vom 11.08.2022 machte der Beteiligte Einwendungen geltend und erklärte, dass die Verfügung von Todes wegen vom 10.03.2022 nicht maßgebend sei, da sie formunwirksam sei.
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Auf den übrigen Vortrag der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird ergänzend Bezug genommen.
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Der Erbscheinsantrag des Beteiligten ist als unbegründet zurückzuweisen. Dem Antragsteller steht kein Erbrecht zu, da das einzig für eine entsprechende Erbenstellung in Frage kommende eigenhändige Testament vom 10.03.2022 nicht formgültig im Sinne von § 2247 BGB errichtet wurde.
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Gemäß § 2247 Abs. 1 BGB kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass das Testament eigenhändig von der Erblasserin errichtet wurde. Jedoch fehlt es an der abschließenden Unterschrift.
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Die Unterschrift muss als Abschluss der Urkunde am Schluss des Textes stehen, den Urkundentext also räumlich abschließen, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern. Demnach gilt nach der Rechtsprechung eine „Oberschrift“ oben als nicht ausreichend. Bei mehreren Blättern, auch wenn diese lose sind, muss nicht jedes einzelne Blatt unterschrieben werden; es genügt die Unterschrift auf der letzten Seite, wenn an der Zusammengehörigkeit der einzelnen Seiten – beispielsweise wegen einer Nummerierung oder wegen eines fortlaufenden textlichen Zusammenhangs – kein Zweifel besteht (Grüneberg, BGB, 82. Auflage, 2023, § 2247 Rdnr. 11). Die Unterschrift muss nicht der zeitlich letzte Akt der Testaments-Errichtung sein. Es ist ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments niedergeschrieben sind.
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Zusätze, Einschübe oder Nachträge müssen grundsätzlich ebenso der Form des § 2247 BGB genügen. Befinden sich die Zusätze oder Nachträge zwar auf dem gleichen Blatt, ohne von der Unterschrift räumlich gedeckt zu sein oder gar auf einem besonderen Blatt ohne feste Verbindung mit dem unterschriebenen Blatt, so führt das Fehlen der erneuten Unterzeichnung grundsätzlich zur Unwirksamkeit desselben.
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Nachträgliche Ergänzungen oder Veränderungen des Textes brauchen nur ausnahmsweise nicht unterzeichnet werden, wenn sie rein äußerlich durch die vorhandene Unterschrift mitgedeckt werden (BGH NJW 1974, 1083). Die Frage, ob die auf dem Testament bereits befindliche Unterschrift solche nachträglichen Ergänzungen und Änderungen, die sich auf demselben Bogen/Blatt befinden, auf dem auch das Testament ursprünglich niedergeschrieben ist, deckt, ist im Wege der Auslegung des Testaments zu ermitteln. Festzustellen ist, ob nach dem Willen des Erblassers die nachträgliche Ergänzung durch seine bereits vorhandene Unterschrift gedeckt sein sollte – das äußere Erscheinungsbild der Urkunde darf dem nicht entgegentreten (vgl. BGH NJW 1974, 1083). Von Bedeutung kann in diesem Zusammenhang beispielsweise auch ein im Testamentstext aufgenommener Hinweis auf die Ergänzung sein (z.B. „nachstehende Ergänzung soll gelten“), (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2021, NJW-RR 2021, 5222). Ausreichend für die Gültigkeit kann auch sein, wenn der Text des unterschriebenen Dokuments nur unter Zuhilfenahme dieser auf einem besonderen, nicht unterschriebenen Blatt stehenden Zusätze, Einschübe und Nachträge einen Sinn ergeben.
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Dabei darf aber die Funktion der Unterschrift nicht außer Betracht bleiben. Durch das Unterschrift-Erfordernis will das Gesetz ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleisten und ein Testament vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen schützen.
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Dieser Funktion genügt die Unterschrift auf dem Testament vom 10.03.2022 nicht. Die Unterschrift erfolgt über der Nennung des Erben. Zwar stellt der über der Unterschrift stehende Textteil noch keine wirkliche letztwillige Verfügung dar, da kein Erbe genannt ist. Anderseits kann der Zusatz nach der Unterschrift auch nicht als Ergänzung oder bloße Auslegung gesehen werden. Nach der Unterschrift wird erst der Erbe und damit die wichtigste Bestimmung aufgeführt. Die Erbeneinsetzung ist nicht mehr unterzeichnet. Damit ist nicht rechtssicher festgestellt, ob die Erklärung bezüglich der Erben bereits abschließend war, ob es sich nur um einen Entwurf handelt und, ob die Erbeneinsetzung wirklich vom Willen der Erblasserin gedeckt war. Hier wäre auch Raum für eine Auflistung mehrerer Erben gewesen. Damit kommt vielmehr zum Ausdruck, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der ursprünglichen Errichtung des Testaments den Erben noch nicht bestimmt hat. Nach Ergänzung des Erbens ist fraglich, ob die Liste bereits abschließend war oder, ob es sich ggf. nur um einen Teil oder einen Entwurf gehandelt hat. Der Abschlussfunktion zur Rechtssicherheit genügt die Unterschrift in der Mitte des Testaments damit nicht, so dass dieses nicht formgültig errichtet wurde.
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Der Erbscheinsantrag des Beteiligten ist daher zurückzuweisen.