Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 10.02.2023 – W 8 S 23.92
Titel:

offensichtlicher Sofortantrag, hinreichende Begründung des Sofortvollzugs, Widerruf der Beauftragung für den Betrieb einer Corona-Teststelle, gesetzlich vorgesehene Aufhebungsmöglichkeit, Widerrufsvorbehalt, kein nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen für Beauftragung, keine Unzuverlässigkeit, Abstellen auf das Verhalten der gesetzlich vertretungsberechtigten Person, Verweis auf Führungszeugnis nicht ausreichend, Länger zurückliegende leichte Straftat, Mängel beim Teststellenbetrieb nach Feststellung behoben

Normenketten:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO § 114 S. 2
TestV § 6 Abs. 1 Nr. 2
TestV § 6 Abs. 2
GewO § 35
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagworte:
offensichtlicher Sofortantrag, hinreichende Begründung des Sofortvollzugs, Widerruf der Beauftragung für den Betrieb einer Corona-Teststelle, gesetzlich vorgesehene Aufhebungsmöglichkeit, Widerrufsvorbehalt, kein nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen für Beauftragung, keine Unzuverlässigkeit, Abstellen auf das Verhalten der gesetzlich vertretungsberechtigten Person, Verweis auf Führungszeugnis nicht ausreichend, Länger zurückliegende leichte Straftat, Mängel beim Teststellenbetrieb nach Feststellung behoben
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3135

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 2. Dezember 2022 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Rücknahme ihrer Beauftragungen für den Betrieb einer Corona-Teststelle gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayVwVfG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 – Coronavirus-Testverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. September 2021 (im Folgenden: TestV) seitens des Antragsgegners, vertreten durch das Landratsamt Würzburg.
2
1. Die Antragstellerin erhielt mit Bescheiden des Landratsamtes Würzburg vom 13. Dezember 2021, 22. Juli 2022 und 11. Oktober 2022 die Beauftragung als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für Testungen nach §§ 2-4b TestV für die Teststelle „R* … C* … H* …“, L* … … … H* … ab dem 13. Dezember 2021 Testungen nach § 1 Abs. 1 TestV durchzuführen. Die Bescheide enthielten jeweils unter Nr. 3 den Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.
3
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2022 nahm das Landratsamt Würzburg die Beauftragungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV für Testungen nach §§ 2-4b TestV vom 13. Dezember 2021 sowie vom 22. Juli 2022 und vom 11. Oktober 2022 zurück (Nr. 1) und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an (Nr.2). In den Gründen des Bescheides ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Rücknahme der Beauftragungen nach Nr. 1 des Bescheides stütze sich auf Art. 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ff. BayVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 TestV. Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG dürfe ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründe oder bestätigt habe (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Ferner könne die Beauftragung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 bei der Beauftragung nicht vorgelegen hätten oder nachträglich entfallen würden. Der Erlass der Bescheide zur Beauftragung sei rechtswidrig erfolgt, da der Teststellenbetreiber zum jeweiligen Zeitpunkt der Beauftragung die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV dafür erforderliche Zuverlässigkeit nicht aufgewiesen habe. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen durch das Landratsamt Würzburg hätten keine Bedenken an der Zuverlässigkeit des Betreibers bestanden. Eine nachträglich angefragte Auskunft aus dem Bundeszentralregister nach § 6 Abs. 2 Satz 4 TestV habe jedoch ergeben, dass der Betreiber bereits vor den Beauftragungen einschlägig vorbestraft gewesen sei. Diese Beauftragungen ermöglichten dem Betreiber als berechtigter Leistungserbringer, die von ihm erbrachten Leistungen und Sachkosten nach TestV abzurechnen und seien damit Voraussetzung einer Geldleistung. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte könne sich der Anbieter nicht berufen. Die Beauftragung für Teststellen erfolge zur Umsetzung der nationalen Teststrategie zur effektiven Eindämmung der Corona-Pandemie. Um flächendeckend Testungen anbieten zu können, könnten die von den nach § 6 Abs. 1 TestV berechtigten Teststellenbetreibern erbrachten Leistungen und Sachkosten mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden. Die ordnungsgemäße Abrechnung liege im öffentlichen Interesse, insbesondere im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Durch die Abrechnung von nicht durchgeführten Tests würden die entsprechenden Leistungserbringer für nicht erbrachte Leistungen vergütet. Um solchen Missbrauchs- bzw. Betrugsfällen vorzubeugen, sei eine ständige Prüfung der Einhaltung der in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV genannten Zuverlässigkeit als Voraussetzung für die Beauftragung weiterer Leistungserbringer notwendig. Durch die Aufhebung der Beauftragung könne verhindert werden, dass der Teststellenbetreiber solche nicht erbrachten Leistungen abrechne. Angesichts der Bedeutung ordnungsgemäß betriebener Teststellen für den Rechtsstaat sei die Rücknahme der Beauftragung im Hinblick auf den Eingriff in die Rechte des Teststellenbetreibers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 GG sowie seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 GG gerechtfertigt.
4
Am 2. Januar 2023 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2022 erheben.
5
Mit Bescheid vom 9. Januar 2023 hob das Landratsamt Würzburg die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 2 des Bescheides vom 2. Dezember 2022 bzgl. der Teststelle „R* … C* … H* …“, L* … …, … H* … auf (Nr.1) und ordnete diese erneut an (Nr. 2).
6
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO begründete es damit, dass diese geboten sei, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung das klägerische Interesse an der Suspensivwirkung ihres Rechtsbehelfs übersteige. Zwar solle grundsätzlich jedem Bürger eingeräumt werden, dass er von der mit Rechtsbehelfen bekämpften belastenden behördlichen Regelung zunächst nicht betroffen werde. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn durch die aufschiebende Wirkung und den damit einhergehenden Nichtvollzug der Anordnung in unmittelbarer zeitlicher Nähe bedeutende Rechtsgüter gefährdet würden. Dies sei vorliegend der Fall. Der Kampf gegen die Pandemie und die auf diesem Wege angestrebte Nichtüberlastung des Gesundheitssystems könne nur durch eine ordnungsgemäße Umsetzung einer exakt konzipierten Teststrategie erfolgreich geführt werden. Es sei dargelegt worden, dass auf Grund der einschlägigen Vorstrafe von Betrug in drei Fällen eine Zuverlässigkeit nicht gegeben und damit ein sofortiger Marktaustritt erforderlich sei, da die Behörde in die Abrechnungsmodalitäten der Teststellenbetreiber keinen Einblick habe. Eine Überprüfung, ob die Abrechnung rechtmäßig erfolge, sei daher nicht möglich. Eine engmaschige Überprüfung sei kein milderes Mittel, da die Abrechnung direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 7 TestV durchgeführt werde und deren tatsächliche Durchführung nur schwerlich zu überprüfen sei. Der Behörde sei bewusst, dass die Intensität des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die sofortige Vollziehung an Gewicht zulege. Andererseits gebiete der Übertragungsweg in Form von Infektionsketten mit exponentieller Entwicklung der Fallzahlen ein sofortiges Handeln.
7
Es werde zu der Begründung des Bescheids vom 2. Dezember 2022 ergänzt, dass die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 TestV nachträglich entfallen seien, da sowohl infektionsschutzrechtliche als auch persönliche Anforderungen nicht vorlägen. Bereits am 21. Dezember 2021 seien zwei Teststellen des Betreibers, auch die streitgegenständliche, wegen erheblicher hygienischer Mängel geschlossen und die Beauftragung für diese Teststellen mit sofortiger Wirkung entzogen worden. Damals habe u.a. keine Beleuchtung im Zeltinneren vorgelegen, was in den jahreszeitlichen Verhältnissen problematisch gewesen sei. Es seien weder ordnungsgemäße Identitätskontrollen noch fachgerechte Proben durchgeführt worden. Ferner seien erhebliche hygienische Mängel aufgetreten. Nach einer Begehung durch das Gesundheitsamt sei eine Frist zur Behebung der Mängel gesetzt worden, in der die Behebung erfolgt sei, auch wenn es bei der streitgegenständlichen Teststelle drei Anläufe zur Behebung gebraucht habe. Bereits damals sei ein gänzlicher Widerruf der Beauftragung erwogen worden, man habe auf Grund der fristgemäßen Erfüllung jedoch vorerst davon abgesehen. Aufgrund der zusätzlichen einschlägige Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung des Geschäftsführers sei die Zuverlässigkeit vollständig nicht gegeben. Es würden sich erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung der betreffenden Teststellen ergeben. Auf Grund der Schwere der Verstöße könne auch für die Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass ein ordnungsgemäßer Testbetrieb durch die Klägerin hergestellt werde. Die Summierung der dargelegten Mängel sowohl aus infektionsschutzrechtlicher als auch aus persönlicher Sicht sei ausreichend für den Widerruf der Beauftragung. Da es sich vorliegend um schwere Mängel handele, die den elementaren Betrieb einer Teststrecke beträfen, sei auch kein milderes Mittel als der sofortige Widerruf der Beauftragung ersichtlich.
8
2. Am 20. Januar 2023 ließ die Antragstellerin im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamtes Würzburg vom 2. Dezember 2022, Az. …, wird insoweit wiederhergestellt, als der Antragstellerin die Beauftragungen mit Bescheid vom 13.12.2021 sowie vom 22.07.2022 und vom 11.10.2022 als weiterer Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Testv für Testungen nach §§ 2-4b TestV, in der Teststelle „R* … C* … H* …“, L* … …, … H* … ab dem 13.12.2021 Testungen nach § 1 Abs. 1 TestV durchzuführen, zurückgenommen wurden.
9
Sie führte in weiterem Schriftsatz vom 27. Januar 2023 zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO sei der gesetzliche Regelfall, ungeachtet dessen, dass stets ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines (rechtmäßigen) Verwaltungsaktes bestehe. Eine Notstandsmaßnahme gemäß Abs. 3 S. 2 liege nicht vor. Hinsichtlich der erforderlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO fehle im streitgegenständlichen Bescheid ein Eingehen auf den Einzelfall-Ausnahmecharakter. Im Bescheid vom 9. Januar 2023 werde darauf Bezug genommen, dass dargelegt sei, dass auf Grund der einschlägigen Vorstrafe von Betrug in drei Fällen eine Zuverlässigkeit nicht gegeben und damit ein sofortiger Marktaustritt erforderlich sei, da die Behörde in die Abrechnungsmodalitäten der Teststellenbetreiber keinen Einblick habe. Bei der Antragstellerin sei jedoch bei keinem der Gesellschafter oder Geschäftsführer ein Betrug Gegenstand gewesen, sondern eine Steuerhinterziehung. Des Weiteren sei die Begründung nicht vollständig. Es werde lediglich ergänzend zu dem Bescheid vom 2. Dezember 2022 aufgeführt, dass die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TestV nachträglich entfallen seien, da sowohl infektionsschutzrechtliche als auch persönliche Anforderungen nicht vorlägen. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Bescheid vom 2. Dezember 2022 im Hinblick auf Nr. 2, die Anordnung der sofortigen Vollziehung, für die die Begründung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erfolgen müsse, bereits aufgehoben worden sei. Eine Bezugnahme auf einen aufgehobenen Bescheid bei der Begründung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO entspreche nicht den durch § 80 Abs. 3 VwGO verfolgten Zwecken. Darüber hinaus würden zusätzliche Gründe genannt, aus denen eine sofortige Vollziehung angeordnet werden könne. Diese seien nicht zur Begründung der Nr. 1 des Bescheides vom 2. Dezember 2022 verwendet worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung werde somit mit anderen Gründen gerechtfertigt als die Rücknahme der Beauftragungen. Dabei sei die Begründung formelhaft, es erfolge keine Aufzählung einzelner Mängel. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der ehemalige Geschäftsführer sein Amt niedergelegt habe und nun seit dem 23. Dezember 2022 eine neue Geschäftsführerin bestellt sei. Es hätte in die Begründung aufgenommen werden müssen, weshalb dennoch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung notwendig sei. Die Antragstellerin oder deren Gesellschafter oder Geschäftsführerin seien auch bisher nicht zu Eintragungen im BZRG befragt worden.
10
Die erforderliche Zuverlässigkeit sei gegeben. Es werde sich im Bescheid vom 9. Januar 2023 nicht damit auseinandergesetzt, inwiefern eine Vorstrafe einschlägig gewesen sei und um was für eine Vorstrafe es sich gehandelt habe. Darüber hinaus sei der § 6 Abs. 2 S. 3 TestV vergleichbar mit dem Gewerbeuntersagungsbescheid gemäß § 35 GewO. In der Gewerbeordnung seien verschiedene Spezialvorschriften (§§ 33c Abs. 2 Satz 2, 33d Abs. 3, 33i Abs. 2 Nr. 1, 34b Abs. 4 Nr. 1, 34c Abs. 2 Nr. 1, 34d Abs. 2 Nr. 1, 34e Abs. 2 und 34f Abs. 2 GewO), in denen einzelne Straftatbestände ausdrücklich genannt würden. Eine analoge Anwendung auf die Generalklausel in § 35 GewO sei aber nicht möglich. Da auch in der Testverordnung keine Regelbeispiele genannt seien, sondern nur allgemein die „Zuverlässigkeit“, bedürfe es einer Einzelfallabwägung. Gem. § 35 Abs. 3 GewO dürfe weiterhin nur nicht zum Nachteil von bestimmten Feststellungen einer Strafsache abgewichen werden. Die neue Geschäftsführerin und ehemalige Prokuristin habe keine Vorstrafen. Nur der Gesellschafter und ehemalige Geschäftsführer habe eine Vorstrafe. Die Tätigkeit vor Ort erfolge vor allem durch die neue Geschäftsführerin. Der ehemalige Geschäftsführer habe noch ein weiteres Unternehmen, so dass er vor allem die Organisation und Kontrolle der Antragstellerin übernehme, nicht aber selbst fehlerhafte Abrechnungen für Tests vornehmen könne. Die Vorstrafen des ehemaligen Geschäftsführers dürften der Antragstellerin nicht zugerechnet werden. Zunächst sei die Antragstellerin am 23. Dezember 2021 in das Handelsregister eingetragen worden, die die Vorstrafe des ehemaligen Geschäftsführers begründende Handlung, die fehlende Mitteilung der Änderung des Kindergelds sei allerdings bereits 2014 bis 2016 erfolgt. Darüber hinaus habe er sein Amt als Geschäftsführer der Antragstellerin niedergelegt. Die Änderung der Geschäftsführung sei bereits ins Handelsregister eingetragen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO setze die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden voraus, dass Tatsachen vorlägen, die seine eigene Unzuverlässigkeit bzw. die Unzuverlässigkeit einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf das ausgeübte Gewerbe rechtfertigten. Verantwortlicher sei hiernach in erster Linie der Gewerbetreibende selbst; nur ausnahmsweise könne einem zuverlässigen Gewerbetreibenden die Unzuverlässigkeit Dritter angelastet werden. Sei der Gewerbetreibende, wie vorliegend, eine juristische Person, sei diese für unzuverlässiges Handeln ihrer Vertretungsberechtigten verantwortlich. Mithin könne eine Unzuverlässigkeit bedingendes Verhalten des Geschäftsführers, insbesondere wenn es in Ausübung der Geschäftsführertätigkeit erfolge, gegenüber der vertretenen GmbH Anlass zu einem Einschreiten nach § 35 GewO geben. Habe der Geschäftsführer nicht in Vertretung der juristischen Person, sondern im Rahmen privater Betätigung, also in eigenem Namen oder als Vertreter eines Dritten, ordnungswidrig oder strafrechtlich relevant gehandelt und sich dadurch als persönlich unzuverlässig erwiesen, so schließe dies eine Gewerbeuntersagung gegenüber der eigentlich nicht involvierten juristischen Person mit der Begründung, diese sei infolge der Beschäftigung eines unzuverlässigen Geschäftsführers ihrerseits gewerberechtlich unzuverlässig, zwar nicht von vornherein aus, vermöge eine solche andererseits aber auch nicht per se zu begründen. Ein Automatismus wäre mit den durch die Art. 12, 14 und 19 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Rechten inländischer juristischer Personen schwerlich zu vereinbaren, zumal die Option bestehe, sich von einem „außergesellschaftlichen“ verbotswidrigen Verhalten des Vertreters, nötigenfalls durch Entziehung der Vertretungsbefugnis, zu distanzieren.
11
Hinsichtlich der Eintragung sei mitzuteilen, dass der ehemalige Geschäftsführer zwei Söhne habe, die bis ca. 2015/2016 bei ihm gewohnt hätten, weshalb er Kindergeld erhalten habe. Ein Sohn habe eine Ausbildung begonnen, sei nach einem halben Jahr jedoch zu seiner Mutter zurückgezogen und habe dort eine andere Ausbildung begonnen. Der Sohn sei daher kindergeldberechtigt gewesen. Der ehemalige Geschäftsführer habe das Kindergeld an die Mutter weitergeleitet, aber den Auszug nicht sofort angezeigt, da der Sohn sich nicht vollständig sicher gewesen sei, ob er nicht wieder zum Vater zurückziehe. Die Anzeige des Wechsels des Wohnsitzes sei somit verspätet erfolgt. Der andere Sohn habe eine Ausbildung gemacht, die er jedoch unterbrochen und schließlich abgebrochen habe. Dies habe der ehemalige Geschäftsführer drei Monate nach der Unterbrechung bei der Familienkasse angezeigt. Er habe dabei auch mitgeteilt, dass die Ausbildung seit drei Monaten tatsächlich nicht mehr fortgesetzt worden sei. Das Kindergeld sei jeweils zurückgezahlt worden.
12
Da der ehemalige Geschäftsführer, als er den Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung erhalten habe, noch nicht gewusst habe, dass er ein Testzentrum betreiben werde, habe er sich gegen den Strafbefehl, insbesondere bezüglich der Angabe des Vorsatzes, nicht gewehrt. Es sei ihm bekannt, dass er die Änderungen sofort hätte anzeigen müssen. Er habe seither sehr darauf geachtet, dass er seinen Anzeigepflichten nachkomme. Bezüglich der Unzuverlässigkeit sei zu beachten, dass ihm ein Unterlassen (fehlende Mitteilung von Änderungen beim Kindergeld) und kein aktives Tun vorgeworfen worden sei. Die Durchführung falscher Abrechnungen, wäre daher ein mit dem vorherigen Handeln nicht vergleichbarer Tatbestand.
13
Der Widerruf sei auch unverhältnismäßig. Vorliegend könne durch zusätzliche Kontrollen und Auflagen verhindert werden, dass eine falsche Abrechnung erfolge. Weiterhin gäbe es gem. § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO die Möglichkeit eine Untersagung nur gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer auszusprechen oder der Antragstellerin die Auflage zu erteilen, dass er nicht aktiv im Betrieb des Testzentrums durch die Gesellschaft als Geschäftsführer oder Arbeitnehmer tätig werden dürfe. Es wäre insbesondere möglich, zunächst verstärkte Kontrollen durchzuführen. Diesbezüglich sei insbesondere zu berücksichtigen, dass bei der Antragstellerin seit Beginn der Testtätigkeit zahlreiche Kontrollen stattgefunden hätten und nicht eine Mangelhaftigkeit habe festgestellt werden können. Insbesondere könnten auch verdeckte Kontrollen durchgeführt werden.
14
Ferner sei auch keine Rücknahme gem. Art. 48 BayVwVfG möglich, da die Beauftragung nicht rechtswidrig gewesen sei. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Rücknahme i.S.d. Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG bestehe nicht, da nicht nur die Möglichkeit eines Missbrauchs zu berücksichtigen sei, der bisher zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden sei, sondern auch der Gesundheitsschutz, der aufgrund weniger Testmöglichkeiten reduziert werden würde.
15
Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er habe bereits übersehen, dass er überhaupt sein Ermessen ausüben müsse, er habe keine Abwägung und Gewichtung der betroffenen Interessen in Bezug auf die Interessen des Klägers vorgenommen, sondern sei davon ausgegangen, dass im Fall der Unzuverlässigkeit allgemein ein sofortiger Marktaustritt des Leistungserbringers zu bewirken sei. Es werde sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, inwiefern die Vorstrafe einschlägig gewesen sei und um was für eine Vorstrafe es sich gehandelt habe. Die spätere Behauptung, dass doch eine Abwägung vorgenommen worden sei, sei nicht glaubhaft, da diese erst erfolgt sei, nachdem bereits bekannt gewesen sei, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handle.
16
Mit weiterem Schriftsatz vom 9. Januar 2023 ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vortragen, dass im Steuerrecht der Vorsatz auch dann ausgeschlossen sein könne, wenn die Steuerbarkeit eines Tatbestandes unbekannt sei. Dies habe die Behörde nicht aufgeklärt. Weiter wird zur persönlichen Situation des (ehemaligen) Geschäftsführers der Antragstellerin in der Zeit, in der die Steuerhinterziehung stattgefunden habe, sowie zu den vorgeworfenen Hygienemängeln vorgetragen. Bezüglich letzter wird insbesondere vorgebracht, dass den Beanstandungen jeweils abgeholfen worden sei.
17
3. Das Landratsamt Würzburg beantragte für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 2. Februar 2023, den Antrag abzulehnen.
18
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der ehemalige Geschäftsführer sei vorab telefonisch über den bevorstehenden Widerruf informiert worden und habe Stellung nehmen können. Er habe erklärt, dass keine Einträge im BZRG vorlägen und es sich um einen Fehler handle. Ergänzend sei vorzutragen, dass die Teststelle in H* … am 15. September 2022 vom Gesundheitsamt von Stadt und Landkreis Würzburg überprüft worden sei. Hierbei seien mehrere Mängel festgestellt worden, so seien Tests unter einem Heizstrahler gelagert und ausgewertet worden, weshalb fraglich gewesen sei, ob eine angemessene Temperatur bestanden habe, es sei kein begrenzt Viruzid wirksamen Desinfektionsmittel genutzt worden, die Desinfektionsmittel seien nicht VAHgelistet gewesen, Desinfektionsmittel seien in Flaschen mit anderer Aufschrift und Anbruch- oder Ablaufdatum gefüllt worden, der anwesende Mitarbeiter habe nicht gewusst, wie eine PSA fachgerecht abzulegen gewesen sei, noch was bei einem positiven Ergebnis alles zu tun sei. Es hätten weder Hygienepläne noch Betriebsanweisungen ausgehangen. Die Mängel seien nach einer Fristsetzung behoben worden. Der Antragstellerin seien am 21. Dezember 2021 bereits zwei Beauftragungen entzogen worden. Außerdem habe die Antragstellerin ihre streitgegenständliche Teststelle am 29. Dezember 2022 trotz bestehendem Widerrufs der Beauftragung geöffnet. Dort seien 3,00 Euro Tests angeboten worden, die nach der TestV nicht mehr vorgesehen gewesen seien.
19
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei zulässig, jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse sei gem. § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend begründet worden. Insbesondere sei eine Überprüfung, ob die Abrechnung rechtmäßig erfolge, nicht möglich. Der Widerruf der Beauftragung nach Art. 49 Abs. 2 Nr.1 BayVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV sei rechtmäßig erfolgt. Der jederzeitige Widerruf sei in den jeweiligen Ausgangsbescheiden vorbehalten worden. Vorliegend seien die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TestV entfallen, da die Zuverlässigkeit des Antragstellers von vornherein aufgrund einer einschlägigen Vorstrafe nicht gegeben gewesen sei. Mit E-Mail vom 28. Oktober 2022 seien die Kreisverwaltungsbehörden vom StMGP über die rechtliche Beurteilung und das Vorgehen bzgl. der Zuverlässigkeit informiert worden. In der E-Mail heiße es u.a.: Hinsichtlich der Zuverlässigkeitsprüfung i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV werde die Auffassung vertreten, dass beim Vorliegen einschlägiger Vorstrafen zum Zeitpunkt der Beauftragung eine solche nicht hätte erteilt werden dürfen. Das bloße Vorliegen einschlägiger Vorstrafen, die sich aus dem jeweiligen Bundeszentralregisterauszug ergäben, genüge zur Verneinung der Zuverlässigkeit i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV. Weitere Ermittlungen, etwa die Prüfung der tatsächlichen Feststellungen des Urteils daraufhin, ob sie die Unzuverlässigkeit des Teststellenbetreibers dartäten, seien hingegen – anders als es im Rahmen des § 35 Abs. 1 GewO nach einhelliger Auffassung gefordert werde – nicht notwendig. Dies finde seine Rechtfertigung zum einen darin, dass der Betrieb einer privaten Teststelle anders als die Ausübung eines Gewerbes eine Erlaubnis in Gestalt einer Beauftragung und nicht grundsätzlich lediglich eine Anzeige (vgl. § 14 GewO) erfordere. Zum anderen, dass ein beauftragter Teststellenbetreiber unmittelbar mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach den §§ 7 TestV ff, Testungen, deren tatsächliche Durchführung sich nur schwerlich überprüfen lasse, aus öffentlichen Mitteln abrechne. Laut Auszug aus dem BZRG sei der Geschäftsführer der Antragstellerin am 3. Dezember 2020 wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen in Tatmehrheit zu 55 Tagessätzen verurteilt worden. Der Betrieb von Teststellen sei ein erlaubnisbedürftiges Gewerbe gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV. Es handele sich um eine Tätigkeit in einem sensiblen medizinisch-hygienischen Bereich. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Infektionsschutzes sei der Zuverlässigkeitsbegriff im Hinblick auf die Teststellen weiter zu fassen als der Begriff der Zuverlässigkeit im Sinne der Gewerbeordnung. Die Abrechnung der TestV sei ein nicht durch das Landratsamt überprüfbarer Vorgang, da die jeweiligen Betreiber ihre durchgeführten Tests mit der Kassenärztlichen Vereinigung direkt abrechnen würden. Gerade für einen solchen Prozess komme es auf die Zuverlässigkeit des Betreibers an, da die Tests mit öffentlichen Mitteln bezahlt würden. Zum Zeitpunkt der Beauftragung sei der Antragsteller bereits wegen Betrugs verurteilt gewesen. Dass es sich bei einem Betrug um eine einschlägige Straftat handele, welche die Zuverlässigkeit entfallen lasse, sei unstrittig. Obwohl bereits das Vorliegen einschlägiger Vorstrafen zur Verneinung der Zuverlässigkeit genügen würde, habe man die Entscheidung nicht ohne vorherige Abwägung getroffen. Das öffentliche Interesse an der Zulassung ausschließlich in hohem Maße zuverlässiger Teststellenbetreiber sei außerordentlich groß und rechtfertige eine strenge Handhabung. Gerade durch die, durch den Geschäftsführer der Antragstellerin begangene, Straftat der Steuerhinterziehung und der vorsätzlich beantragten Kindergelder habe sich die Unzuverlässigkeit zum Betreiben einer Teststelle manifestiert. Eine Steuerhinterziehung sei ein erhebliches Delikt, welches vorliegend schwerwiege, da darauf vertraut werden müsse, dass die Teststellenbetreiber Ihre Tests ordentlich und sauber abrechneten. Habe sich jemand durch falsche Beantragung bereits einer Straftat schuldig gemacht, sei dies in diesem sensiblen Bereich Vorsicht zum Schutz der Steuergelder geboten. Der Geschäftsführer habe seine Möglichkeit, der Behörde den Sachverhalt der Straftat pro aktiv mitzuteilen und die Sache richtig zu stellen, nicht genutzt und diese stattdessen im Telefonat 25. November 2022 abgestritten. Dies zeige deutlich, dass er nicht die erforderliche Zuverlässigkeit zum Betreiben einer Teststelle besitze. Es würden sich erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung der betreffenden Teststellen ergeben. Gerade in dem sensiblen medizinischen Bereich des Betriebs einer Teststelle sei die Zuverlässigkeit des Betreibers unerlässlich. Da Herr S. Y* … nach dem Handelsregisterauszug vom 25. November 2022 als Geschäftsführer der Antragstellerin eingetragen sei, sei auch auf ihn bzgl. der Zuverlässigkeit abzustellen. Daher genüge bereits die einschlägige Vorstrafe des Geschäftsführers, um die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu bejahen. Die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit werde jedoch nicht allein auf die einschlägige Vorstrafe gestützt. Vorliegend seien die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 TestV nachträglich entfallen, da sowohl infektionsschutzrechtliche als auch persönliche Anforderungen nicht vorlägen. Bereits am 21. Dezember 2021 seien zwei Teststellen der Antragstellerin wegen erheblicher hygienischer Mängel geschlossen und die Beauftragung für diese Teststellen mit sofortiger Wirkung entzogen worden. Die Behebung sei zwar fristgemäß erfolgt, habe jedoch bei der streitgegenständlichen Teststelle drei Anläufe gebraucht. Bereits damals sei ein gänzlicher Widerruf der Beauftragung erwogen worden, aufgrund der fristgemäßen Erfüllung habe man jedoch vorerst davon abgesehen. Die Ansicht der Behörde habe sich bestätigt, da die streitgegenständliche Teststelle in trotz bestehendem Widerrufs der Beauftragung am 29. Dezember 2022 geöffnet gewesen sei. Zusätzlich seien 3-Euro-Tests angeboten worden, die bereits seit längerer Zeit nicht mehr existierten.
20
Auf Grund der Schwere der Verstöße könne auch für die Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass ein ordnungsgemäßer Testbetrieb durch die Antragstellerin hergestellt werde. Die Summierung der dargelegten Mängel sowohl aus infektionsschutzrechtlicher, hygienischer als auch aus persönlicher Sicht seien ausreichend für den Widerruf der Beauftragung. Es sei kein milderes Mittel als der sofortige Widerruf der Beauftragung ersichtlich. Insbesondere könne eine engmaschige Überprüfung der Teststellen kein solches darstellen, da das Landratsamt, wie bereits dargelegt, in den Abrechnungsvorgang keinen Einblick habe und auch diesen nur schwer überprüfen könne. Eine Überprüfung könne ein milderes Mittel bei hygienischen Mängel sein und allein auf diese Mängel würden die Teststellen durch das Gesundheitsamt von Stadt und Landkreis Würzburg überprüft. Für eine anderweitige Überprüfung fehle es an der Zuständigkeit und der Expertise.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
22
Der Sofortantrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
23
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft wäre und die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Klage entfallen ist, indem die sofortige Vollziehung besonders angeordnet wurde. Die Klage vom 2. Januar 2023 – W 8 K 23.13 – hat aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Beauftragungen für Testungen nach §§ 2-4b TestV in der Teststelle „R* … C* … H* …“ in Nr. 2 des Bescheides vom 9. Januar 2023 wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
24
Der zulässige Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin macht mit Erfolg geltend, dass ihr Interesse an der vorläufigen Außervollzugsetzung der angegriffenen Rücknahme der Beauftragung als weiterer Leistungserbringer für Testungen nach §§ 2-4b TestV das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
25
Nach § 80 Abs. 5 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
26
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85 m.w.N.).
27
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im vorliegenden Fall im ausreichenden Maße schriftlich begründet worden. Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein, gerade im Ordnungsrecht. Das Gericht sieht die Begründung hier als hinreichend an, weil daraus hervorgeht, dass sich der Antragsgegner des rechtlichen Ausnahmecharakters und damit der Notwendigkeit eines besonderen Vollzugsinteresses bewusst gewesen ist (vgl. VGH BW, B.v. 5.7.2022 – 1 S 1224/22 – juris Rn. 17). Der Antragsgegner hat hier insoweit einzelfallbezogen argumentiert (vgl. VG Augsburg. B.v. 10.3.2022 – Au 9 S 22.434 – juris Rn. 52 ff., 56). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung das Interesse der Antragstellerin an der Suspensivwirkung ihres Rechtsbehelfs übersteige, da ohne die aufschiebende Wirkung und dem damit einhergehenden Nichtvollzug der Anordnung in unmittelbarer zeitlicher Nähe bedeutende Rechtsgüter gefährdet würden. Der Kampf gegen die Pandemie und die auf diesem Wege angestrebte Nichtüberlastung des Gesundheitssystems könne nur durch eine ordnungsgemäße Umsetzung einer exakt konzipierten Teststrategie erfolgreich geführt werden. Auf Grund der einschlägigen Vorstrafe von Betrug in drei Fällen sei eine Zuverlässigkeit nicht gegeben und damit ein sofortiger Marktaustritt erforderlich, da die Behörde in die Abrechnungsmodalitäten der Teststellenbetreiber keinen Einblick habe. Eine engmaschige Überprüfung sei kein milderes Mittel, da die Abrechnung direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 7 TestV durchgeführt werde und deren tatsächlichen Durchführung nur schwerlich zu überprüfen sei. Zudem hat das Landratsamt weiter ausgeführt, es sei ihm bewusst, dass die Intensität des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die sofortige Vollziehung an Gewicht zulege. Andererseits gebiete der Übertragungsweg in Form von Infektionsketten mit exponentieller Entwicklung der Fallzahlen ein sofortiges Handeln. Daraus wird deutlich, dass sich der Antragsgegner die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit des Sofortvollzugs bewusstgemacht hat. Damit ist die Forderung, die besonderen auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, Rechnung getragen. Die weitere Frage, ob die vom Antragsgegner angeführte Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs in der Sache trägt, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts (vgl. VG Würzburg, B.v. 28.2.2022 – W 8 S 22.200 – juris Rn. 27 m.w.N.).
28
Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird. Die getroffene Regelung ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
29
Der Widerruf der mit Bescheiden vom 13. Dezember 2021, 22. Juli 2022 und 11. Oktober 2022 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV erfolgten Beauftragungen der Antragstellerin durch den Antragsgegner zur Durchführung von Bürgertestungen nach § 4a TestV ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig.
30
Die Antragstellerin war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids (grundlegend BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1; fortführend etwa BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – GewArch 2015, 366) nicht unzuverlässig im Sinne der TestV.
31
Rechtsgrundlage für den angegriffenen Widerruf ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 und Nr. 2 TestV. Danach kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen (Alternative 1) oder im Verwaltungsakt vorbehalten (Alternative 2) ist. Die Beauftragungen durch die Bescheide vom 13. Dezember 2021, 22. Juli 2022 und 11. Oktober 2022 stellen Verwaltungsakte dar. Weiter ist der Widerruf der Beauftragung in § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV zugelassen, wenn die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bei der Beauftragung nicht vorgelegen haben oder nachträglich entfallen sind. Darüber hinaus hat sich der Antragsgegner den Widerruf auch in den beiden Bescheiden über die Beauftragung der Antragstellerin vom 13. Dezember 2021, 22. Juli 2022 und 11. Oktober 2022 (dort jeweils unter Nr. 3) ausdrücklich vorbehalten.
32
Ob und inwieweit das Landratsamt den Bescheid vom 2. Dezember 2022 im Nachgang Art. 49 BayVwVfG als Ermächtigungsgrundlage zugrunde legen durfte, obwohl es die Beauftragung zunächst gem. Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG zurückgenommen hat, kann angesichts dessen, dass sich der Bescheid schon aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist, dahinstehen.
33
Vorliegend ist der Widerruf durch Rechtsvorschrift in § 6 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 TestV gesetzlich vorgesehen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 TestV können als weitere Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV weitere Anbieter nur beauftragt werden, wenn sie unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinproduktrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TestV gewährleisten (Nr. 1), und die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen, sowie einer Geheimhaltungspflicht nach § 203 des Strafgesetzbuches oder einer vertraglich vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterliegen (Nr. 2). § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV bestimmt weiter, dass die Beauftragung aufgehoben werden kann, wenn die Voraussetzung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 TestV bei der Beauftragung nicht vorgelegen haben oder nachträglich entfallen sind.
34
Das Erfordernis der Zuverlässigkeit als durchgängige Voraussetzung für die Beauftragung bestand schon in den früheren Fassungen der TestV, weil eine ordnungsgemäße Durchführung der Tests in jedem Fall gewährleistet sein muss. Sie ist mittlerweile auch ausdrücklich normiert (vgl. Bockholdt in Schlegel/Meßling/Bockoldt, Covid-19 – Corona-Gesetzgebung – Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 14 Rn. 48).
35
Vorliegend sind die Voraussetzungen zur Beauftragung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV nicht nachträglich, also nach der Beauftragung zur Betreibung der streitgegenständlichen Corona-Teststellen mit Bescheiden vom 13. Dezember 2021, 22. Juli 2022 und 11. Oktober 2022, im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV entfallen, weil die Antragstellerin weiterhin die erforderliche Zuverlässigkeit aufweist.
36
Der Antragstellerin fehlt die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV nicht, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der der Antragstellerin erteilten Erlaubnisse als weiterer Leistungserbringer im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV nicht erfüllt sind.
37
Der Begriff der Zuverlässigkeit, auf deren Fehlen das Landratsamt vorliegend die Rücknahme der Beauftragung der Antragstellerin stützt, knüpft im vorliegenden Regelungszusammenhang an das gewerberechtliche Begriffsverständnis an (vgl. VG Würzburg, B.v. 12.12.2022 – W 8 S 22.1790 – juris, Rn. 56 ff.), was sich sowohl aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV als auch aus der Verordnungsbegründung (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronavirusTestV_Sept-2021_mit_Begruendung.pdf, S. 34) ergibt (vgl. VG Würzburg, B.v. 12.12.2022 – W 8 S 22.1790 – juris). Die Tatsachen, die eine Unzuverlässigkeit begründen sollen, müssen damit gewerbebezogen, die Zuverlässigkeit der Antragstellerin muss also in Bezug auf das konkret ausgeübte Gewerbe fraglich sein (Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Werkstand: 87. EL September 2021, § 35 Rn. 34 ff.).
38
Der Begriff der Zuverlässigkeit im gewerberechtlichen Begriffsverständnis bezeichnet ein Instrument des sicherheits- und ordnungsrechtlicher Gefahrenabwehr. Zuverlässig ist derjenige, der die Erwartung rechtfertigt, dass er den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausübung der jeweiligen erlaubnispflichtigen Tätigkeit gerecht wird. Die Sachlage ist wie beim Begriff der Zuverlässigkeit im Ordnungsrecht (vgl. VGH BW, B.v. 15.12.2021 – 1 S 3449/21 – juris Rn. 10 ff.).
39
Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß, das heißt entsprechend der gesetzlichen Vorschriften und unter Beachtung der guten Sitten, ausüben wird. Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung des Gewerbes zu gewährleisten (vgl. nur Brüning in BeckOK GewO, Pielow, 57. Ed. Stand 1.1.2022, § 35 Rn. 19 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung). Zur ordnungsgemäßen Gewerbeausübung gehören auch die mit der Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten sowie die Geordnetheit der Vermögensverhältnisse (Leistungsfähigkeit). Die Nichtabführung gewerbebezogener Steuern, insbesondere vom Gewerbetreibenden treuhänderisch für den Staat vereinnahmter Steuern, z.B. der Umsatz- oder Lohnsteuer, stellt ebenso ein gravierendes Fehlverhalten eines Gewerbetreibenden dar, wie die Nichtabführung von Beiträgen zur Sozialversicherung (Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 52 m.w.N.). Auch eine beharrliche Missachtung steuerrechtlicher Erklärungspflichten kann eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begründen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris Rn. 13).
40
Entscheidend für die hierauf gestützte Feststellung der Unzuverlässigkeit ist, ob der Gewerbetreibende nach den gesamten Umständen, also dem Gesamtbild seines Verhaltens unter Würdigung aller mit seiner Person und seinem Betrieb zusammenhängenden Umständen – auch unter Berücksichtigung seines früheren Verhaltens – willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – BVerwGE 65, 1). Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit setzt dabei weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden voraus. Es müssen jedoch Tatsachen vorliegen, aus denen sich eine Prognose bezüglich des künftigen gewerberechtlichen Verhaltens des Gewerbetreibenden ableiten lässt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses, hier des Bescheides vom 2. Dezember 2022. Die bis dahin vorliegenden Tatsachen hat die Behörde im Rahmen einer Prognoseentscheidung daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe auch in der Zukunft schließen lassen, somit künftige weitere Verstöße wahrscheinlich machen (Landmann/Rohmer, GewO, 87. EL. September 2021, § 35 Rn. 31 ff.).
41
Unter diesen Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Gerichts keine tragfähigen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt des Bescheidserlasses für die Ausführung der Testungen nach §§ 2-4b TestV im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO unzuverlässig war.
42
Die rechtskräftige Verurteilung des (ehemaligen) Geschäftsführers der Antragstellerin durch das Amtsgericht Nürnberg vom 28. Februar 2020 wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung in zwei Fällen – nicht wegen eines Betrugs in drei Fällen, wie vom Antragsgegner versehentlich angeführt – zu einer Gesamtstrafe von 55 Tagessätzen in Höhe von jeweils 40,00 EUR, mithin einer Geldstrafe i. H. v. insgesamt 2.200,00 EUR, rechtfertigt nicht die erforderliche Annahme, dass die Antragstellerin die Ausführung der Testungen nach §§ 2-4b TestV in Zukunft nicht ordnungsgemäß betreiben wird.
43
Hierbei durfte das Landratsamt entgegen der Ausführungen der Antragstellerseite auf die Person des ehemaligen Geschäftsführers der Antragstellerin abstellen. Zunächst ist bei einer juristischen Person wie der Antragstellerin bei der Beurteilung ihrer Unzuverlässigkeit auf das Verhalten der gesetzlich vertretungsberechtigten Personen abzustellen (Ennuschat in: Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 94ff.), vorliegend kann mithin auf den Geschäftsführer der Antragstellerin abgestellt werden. Dass am 20. Dezember 2022 der Geschäftsführer der Antragstellerin gewechselt hat, ist unerheblich, da der maßgeblichere Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 2. Dezember 2022 als gerichtlich angefochtener belastender Verwaltungsakt und nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist.
44
Weshalb der (ehemalige) Geschäftsführer bereits wegen der einmaligen Verurteilung für die erst 5 Jahre nach den Tathandlungen angemeldeten Gewerbe unzuverlässig sein soll, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
45
Zwar müssen die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen lassen, nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten sein, weil sich die Unzuverlässigkeit als eine Frage der persönlichen Veranlagung und Haltung nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit des Betroffenen beurteilt, so dass auch Komponenten außerhalb des Gewerbebetriebes oder aus einer Zeit, in der der Betroffene noch gar kein oder ein anderes Gewerbe betrieben hat, maßgeblich sein können. Allerdings müssen die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden soll, gewerbebezogen sein, d.h. die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen. Es gibt keine Unzuverlässigkeit schlechthin, sondern nur mit Bezug auf den Geschäftszweig (Branche) des Unternehmens (vgl. Brüning in BeckOK GewO, 57. Ed. 1.1.2022, GewO § 35 Rn. 22 m.w.N.). Dieser Gewerbebezug ist bei Eigentums- und Vermögensdelikten für alle Gewerbezweige zu bejahen (Ennuschat in: Ennuschat/Wank/Winkler. GewO, 9. Aufl. 2020 § 35 Rn. 38). Insoweit kann die Verurteilung des (ehemaligen) Geschäftsführers der Antragstellerin wegen Steuerhinterziehung auch in die sie betreffende Prüfung der Unzuverlässigkeit eingestellt werden.
46
Dem Vortrag der Antragstellerseite, es habe sich nicht um eine vorsätzliche, sondern eine fahrlässige Straftat gehandelt, steht entgegen, das der (ehemalige) Geschäftsführer der Antragstellerin durch das AG Nürnberg wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Zwar muss die Behörde im Rahmen der Unzuverlässigkeitsüberprüfung den gesamten Sachverhalt der Straftat in ihre Abwägung einstellen, sie kann aber die in einem rechtskräftigen Strafurteil (Strafbefehl) enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zur Grundlage ihrer Beurteilung der Zuverlässigkeit machen, soweit nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen vorliegen (BayVGH, B. v. 5.10.2018 – 22 ZB 18.841 – juris Rn. 15). Solche gewichtigen Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Vortrag der Antragstellerseite nicht. Insoweit kann daher auf die Gründe des streitgegenständlichen rechtskräftigen Strafbefehls zurückgegriffen werden, die keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine fahrlässige Straftat gehandelt habe, ergeben.
47
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Verurteilung zu 55 Tagessätzen lediglich um eine geringe Geldstrafe handelt und mithin im Rahmen der Strafzumessungserwägungen von einer geringen Schuld ausgegangen wurde. Hinzu kommt, dass die abgeurteilten Taten im Jahr 2015 und 2016 stattgefunden hatten und mithin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits mehr als sechs Jahre zurücklagen. Zwar war die Verurteilung durch das AG Nürnberg weiterhin im Führungszeugnis eingetragen und auch nicht tilgungsreif, sodass die äußere Grenze der Verwertbarkeit des § 51 Abs. 1 BZRG noch nicht erreicht war. Unterhalb dieser Verwertungsgrenze sind Straftaten bei der Ermittlung der Zuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 GewO zu berücksichtigen, wobei sich ihr Gewicht jedoch mit fortschreitender Zeit verringern kann. Die Behörde und das Gericht sind nicht gehindert, die Zuverlässigkeit schon vor Ablauf der Tilgungsfrist wieder anzunehmen. Die Beantwortung der Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung noch entgegengehalten werden dürfen, hat auf Grundlage einer Gesamtwürdigung zu erfolgen, in die unter anderem die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen ist (BayVGH, B.v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174 – BeckRS 2014, 100035). Dabei ist vorliegend anzuerkennen, dass der (ehemalige) Geschäftsführer – ausweislich des Führungszeugnisses vom 14. November 2022 – nach der Verurteilung durch das AG Nürnberg vom 28. Februar 2020 bis zum Bescheiderlass im Dezember 2022 nicht mehr aufgrund von Delikten polizeilich in Erscheinung getreten ist. Es ist mithin von einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit auszugehen, weshalb in Verbindung damit, dass es sich ohnehin lediglich um eine geringfüge Verurteilung handelte, keine Unzuverlässigkeit i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 TestV vorliegt.
48
Unabhängig davon, dass schon zweifelhaft ist, ob das Landratsamt seine Begründung überhaupt noch dahingehend, dass die Antragstellerin nicht die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen gem. § 6 Abs. 2 Nr. 2 TestV gewährleistet, entsprechend § 114 Satz 2 VwGO ergänzen durfte, durften die vorgebrachten Mängel in der Leistungserbringung nicht in Zusammenschau mit der strafrechtlichen Verurteilung des (ehemaligen) Geschäftsführers der Antragstellerin in die Entscheidung eingestellt werden, da diese aufgrund des zeitlichen Abstandes und ihrem geringen Ausmaß unbeachtlich ist.
49
Die strafrechtliche Verurteilung gewinnt auch nicht aufgrund der durch das Landratsamt vorgebrachten Mängel der Leistungserbringung i. R. d. §§ 2-4b TestV an Bedeutung für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Beauftragung, da eine Steuerhinterziehung nicht im Zusammenhang mit infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen steht. Mängel in der Abrechnung sind nicht vorgetragen. Vom Anbieten von 3,00 EUR-Tests im Dezember 2022, obwohl diese nicht mehr existieren, kann nicht einfach darauf geschlossen werden, dass falsch abgerechnet wird. Nach summarischer Prüfung führen die vorgebrachten Mängel auch gesondert betrachtet nicht dazu, dass die Antragstellerin nicht gem. § 6 Abs. 2 Nr. 2 TestV die ordnungsgemäße Erbringung gewährleistet. Der Großteil der Verstöße, auf die sich das Landratsamt bezieht, liegen bereits ein Jahr (Dezember 2021) bzw. mehre Monate zurück (15. September 2022) und wurden durch die Antragstellerin im engen zeitlichen Zusammenhang nach ihrer Feststellung jeweils behoben. Im Zusammenhang mit diesen Verstößen hatte das Landratsamt der Antragstellerin die Behebung der Mängel aufgegeben und die Beauftragung im Dezember 2021 kurzzeitig entzogen, der Antragstellerin in der Folge aber wieder die Durchführung von Testungen erlaubt. Insoweit durfte die Antragstellerin davon ausgehen, dass diese Beanstandungen für sich nicht zu einer – abermaligen – Aufhebung der Beauftragung führen würden. Aus Gründen der Rechtssicherheit hätte eine Aufhebung der Beauftragung aufgrund dieser Mängel daher im näheren zeitlichen Zusammenhang erfolgen müssen. Insoweit kann dahinstehen, ob dies dadurch, dass die Antragstellerin den beanstandeten Mängeln allesamt abgeholfen hat, überhaupt verhältnismäßig gewesen wäre. Dass die Teststation am 29. Dezember 2022 trotz des Widerrufs der Beauftragung geöffnet war, hätte angesichts des anhängigen Sofortverfahrens vorrangig mit einer Androhung eines Zwangsmittels verfolgt werden müssen.
50
Nach alledem ist der Widerruf durch den Bescheid vom 2. Dezember 2022 voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten. Ihr Aussetzungsinteresse überwiegt daher das öffentliche Vollzugsinteresse und dem Antrag war stattzugeben.
51
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
52
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs. Nach Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs richtet sich der Streitwert bei einem – wie hier – ausgeübten Gewerbe nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, beträgt aber mindestens 15.000,00 EUR (siehe VGH BW, B.v. 5.7.2022 – 1 S. 1224 – juris Rn. 23). Jedoch fehlen weitergehende Angaben der Antragstellerin bzw. sonstige Informationen darüber, in welcher Größenordnung der mögliche Gewinn der Antragstellerin zu beziffern wäre, auf den abzustellen ist. Mangels anderweitiger greifbarer Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bleibt es damit beim Wert von 15.000,00 EUR. Dieser Streitwert war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, so dass ein Streitwert von 7.500,00 EUR festzusetzen war.