Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 18.08.2023 – W 5 S 23.1101
Titel:

Bauaufsichtliche Anordnung zur Instandsetzung einer Bruchsteinmauer

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 114 S. 1
BayBO Art. 54 Abs. 4
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 40
Leitsätze:
1. Bei den in Art. 54 Abs. 4 BayBO genannten Rechtsgütern Leben und Gesundheit kann es aufgrund deren hohen Stellenwerts im Normalfall genügen, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts nach einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine wie auch immer geartete Qualität der Maßnahmen und der handelnden Handwerker bzw. Betriebe in Ausrichtung an die Anforderungen der Handwerksordnung enthält die baurechtliche Ermächtigungsgrundlage nach Art. 54 Abs. 4 BayBO als solche nicht. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, bauaufsichtliche Anordnung, Instandsetzung einer Bruchsteinmauer, Bestimmtheit der Anordnung, Verhältnismäßigkeit, Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31302

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 7. Juni 2023 gegen den Bescheid der Stadt W. vom 9. Mai 2023 wird bezüglich Ziffer 1. des Bescheids wiederhergestellt und bezüglich Ziffer 3. angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine zwangsgeldbewehrte bauaufsichtliche Anordnung der Stadt W..
2
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …4 der Gemarkung W. (.straße W.; Baugrundstück). Anlässlich eines Verkehrsunfalls im Juni 2022, bei dem ein erheblicher Teil einer Bruchsteinmauer beschädigt worden ist, wurde im Rahmen einer sich anschließenden bauaufsichtlichen Kontrolle am 20. Juni 2022 festgestellt, dass sich die Mauer in einem größeren Umfang in einem instabilen Zustand befindet. Infolge des Unfalls, bei dem mehrere Steine aus der Mauer gebrochen wurden, seien Teile der noch stehenden Mauer nachgiebig geworden. Es bestehe die Gefahr, dass sich weitere Mauersteine lösen und auf den angrenzenden öffentlichen Gehweg und die …straße stürzen könnten. Der Bereich wurde daraufhin von der Antragsgegnerin über eine Länge von ca. 25 m durch Absperrungen abgesichert. Es wurde des Weiteren festgestellt, dass die Mauer insgesamt kopflastig sei. Im Rahmen eines Ortstermins einschließlich eines Vertreters der Antragstellerin am 24. Juni 2022 waren sich die Beteiligten einig, dass die beschädigte Bruchsteinmauer schnellstmöglich saniert werden müsse. Insbesondere solle so eine Gefährdung für Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Mit Schreiben vom 1. September 2022 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass Anfragen bei Fachfirmen bisher erfolglos gewesen seien, sich die Antragstellerin aber weiter bemühe. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, bis spätestens 10. März 2023 die Bruchsteinmauer, unter Einbeziehung eines Statikers, instand zu setzen. Andernfalls beabsichtige die Antragsgegnerin, eine kostenpflichtige Anordnung zur Instandsetzung der Mauer zu erlassen. Das Schreiben gelte als Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Mit Schriftsatz vom 10. März 2023 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine Verlängerung der Frist bis zum 30. April 2023. Gleichzeitig führte er aus, dass sich die Antragstellerin intensiv um eine Baufirma bemüht habe, sich dies aber schwierig gestalte. Man könne jedoch ein Angebot vorlegen. Die Ausführung der Arbeiten, die bei kurzfristiger Beauftragung bis zum 30. April 2023 erfolgen könnten, würden von der Firma … … … . … im Hinblick auf die statischen Belange begleitet. Beigefügt war ein undatiertes Angebot „zum Setzen einer neuen Mauer“ eines Herrn H. M. in Höhe von insgesamt 23.632,57 EUR. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin übermittelte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. April 2023 die Gewerbeanmeldung der Firma G. M. für den Bereich der Tätigkeiten „Gartenbau, Gartenpflege“ und bat um Rückmeldung der Antragsgegnerin, ob einer Beauftragung der Firma Einwendungen entgegenstünden. Mit Schriftsatz vom 25. April 2023 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin erneut eine Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2023, da bisher keine Genehmigung der Antragsgegnerin für die Beauftragung der Arbeiten vorliege.
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2. Mit Bescheid vom 9. Mai 2023, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 12. Mai 2023, verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die Bruchsteinmauer auf dem Grundstück mit der Flurnummer …4, … W., „so instand zu setzen bzw. instand setzen zu lassen, dass die im Zusammenhang mit dem Zustand der Bruchsteinmauer bestehende Gefahrenlage beseitigt ist“ (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung der unter Ziffer 1 dieses Bescheids angeordneten Maßnahme wurde angeordnet (Ziffer 2). Für den Fall der Nichterfüllung der unter Ziffer 1 angeordneten Verpflichtung bis spätestens 8. August 2023 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.250,00 EUR angedroht (Ziffer 3).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Rechtsgrundlage für den Erlass der bauaufsichtlichen Eingriffsmaßnahme in Art. 54 Abs. 4 BayBO finde. Bei der Bruchsteinmauer handele es sich um eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 der BayBO. Die Bruchsteinmauer besitze passiven Bestandsschutz jedenfalls durch die Tatsache, dass sie zum Zeitpunkt der Errichtung dem Stand der Technik entsprochen haben müsse und über einen längeren – den passiven Bestandsschutz erreichenden – Zeitraum den materiell-rechtlichen Vorschriften entsprochen habe. Aufgrund der tatsächlichen Umstände vor Ort ergäben sich aufgrund des Zustandes der Bruchsteinmauer erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass gerade die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Personen als überragend wichtige Rechtsgüter gefährdet seien. Angesichts des Zustandes der Bruchsteinmauer sei die Möglichkeit eines Schadenseintritts – auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs seit dem die Bruchsteinmauer beschädigenden Verkehrsunfall – sogar nicht nur eine entfernte Möglichkeit. Unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter sei die Gefahr nach Art und Umfang schwerwiegend und nachhaltig. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte sei das Stellen von Anforderungen bezüglich der Bruchsteinmauer notwendig. Es seien Arbeiten an der Bruchsteinmauer erforderlich, um die oben beschriebene erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit zu beseitigen. Die Anordnung unter Ziffer 1 dieses Bescheids erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 40 BayVwVfG). Auch beachte sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein Einschreiten der Verwaltungsbehörde sei sachgerecht, um die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Personen (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu schützen. Die Anordnung sei nach pflichtgemäßem Ermessen an die Antragstellerin als Störer zu richten. Der Regelungsadressat habe bereits vor dem Verkehrsunfall notwendige Instandsetzungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum bzgl. der Bruchsteinmauer unterlassen. Der Regelungsadressat sei auch Eigentümer des Grundstücks und besitze damit neben seiner Handlungsstörereigenschaft auch die Zustandsstörereigenschaft (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 1 LStVG analog). Die bauaufsichtliche Maßnahme sei erforderlich, da keine milderen, gleichwirksamen Mittel ersichtlich seien. Insbesondere sei keine eigenverantwortliche Instandsetzung der Bruchsteinmauer bzw. Veranlassung der Instandsetzung der Bruchsteinmauer – trotz entsprechender Kommunikation durch die Fachabteilung Bauaufsicht – erfolgt. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 sei die Antragstellerin schriftlich aufgefordert worden, die Bruchsteinmauer auf dem o.g. Grundstück bis spätestens Freitag, den 10. März 2023, unter Einbeziehung eines Statikers instand zu setzen. Dies sei nicht innerhalb der gesetzten Frist geschehen. Es sei gegenüber der zuständigen Behörde auch nicht in substantiierter Form nachgewiesen worden, dass der Gewerbebetrieb des Herrn M. berechtigt sei, die vorzunehmenden Arbeiten durchzuführen. In diesem Zusammenhang werde auf die Handwerksordnung verwiesen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Handwerksordnung sei der selbstständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbes nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Gemäß § 1 Abs. 2 der Handwerksordnung sei ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben werde und ein Gewerbe vollständig umfasse, welches in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt sei, oder Tätigkeiten ausgeübt würden, die für dieses Gewerbe wesentlich seien (wesentliche Tätigkeiten). In der Anlage A der Handwerksordnung stehe unter Nr. 1 „Maurer und Betonbauer“. Herr M. betreibe als Gewerbetreibender und natürliche Person einen selbstständigen Betrieb im stehenden Gewerbe. Die vorzunehmenden Tätigkeiten an der Mauer stellten jedenfalls für das Gewerbe des Maurers wesentliche Tätigkeiten dar und müssten auch handwerksmäßig ausgeführt werden. § 1 Abs. 2 Satz 2 sei nicht einschlägig; insbesondere sei für eine derartige Maurertätigkeit ein Lernzeitraum von über drei Monaten anzusetzen. Für den o.g. Betrieb, der in seiner vorgelegten Gewerbeanmeldung andere Tätigkeiten als die an der vorliegenden Mauer vorzunehmenden Tätigkeiten angemeldet habe, liege nach Auskunft eines Mitarbeiters der Handwerkskammer Unterfranken keine Eintragung in der Handwerksrolle vor. Es sei kein milderes Mittel ersichtlich, welches die Gefahr beseitigen könnte. Die Anordnung nach Art. 54 Abs. 4 BayBO sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne, das heißt angemessen. Grundrechte würden nicht verletzt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung habe ihre Rechtsgrundlage in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Es liege im besonderen öffentlichen Interesse, dass die aufschiebende Wirkung einer eventuellen Klage (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) entfalle. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung hätte insbesondere zur Folge, dass bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Anordnung der Straßenverkehr auf einer Bundesstraße über eine nicht unerhebliche Straßenlänge aufgrund der Absperrung bzw. des dahinterliegenden, vorübergehenden Fußgängerbereichs nicht unerheblich beeinträchtigt werden würde. Die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 3 des Bescheides beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
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3. Am 7. Juni 2023 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid der Stadt W. vom 9. Mai 2023 erheben (Az. W 5 K 23.813).
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Mit Schriftsatz vom 5. August 2022 ließ sie im streitgegenständlichen Verfahren beantragen,
1.
die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegenüber der Verpflichtung unter Nummer 1. des Bescheides vom 9. Mai 2023 wiederherzustellen und
2.
die Vollziehung der vorliegenden Nummer 3. des Bescheides vom 9. Mai 2023 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auszusetzen.
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Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus: Das behördliche Verhalten und das vorgerichtliche Sanierungsangebot der Antragstellerin stünden einer sofortigen Vollziehung des Zwangsgeldes und der sofortigen Vollziehung der Verpflichtung zur Sanierung der Bruchsteinmauer entgegen. Da die Antragstellerin zwecks Sanierung der Bruchsteinmauer dem von ihr benannten Unternehmen einen amtlich befugten Statiker zur Seite stelle, sei für eine ordnungsgemäße Durchführung der Bauarbeiten gesorgt. Es bestehe ein Widerspruch dahingehend, dass die Antragstellerin eine Verpflichtung erfüllen wolle und die Antragsgegnerin hierauf folgend die von der Antragstellerin angebotene Leistung ablehne. Im Übrigen enthalte die Verpflichtung unter Ziffer 1. des Bescheides keine Bedingung dahingehend, dass diese Verpflichtung nur durch ein Unternehmen erfolgen dürfe, welches in Anlage A des Verzeichnisses der Unternehmen eingetragen sei, das vollhandwerklich geführt würde und welches Mitglied der örtlich zuständigen Handwerkskammer sei. Das von der Antragstellerin genannte Unternehmen und der Statiker seien unverändert bereit, die Sanierung der Mauer durchzuführen. Im Hinblick auf die erhobene Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2023 und die durch die Antragstellerin bereits vor Erlass des Bescheides angekündigte Sanierung der Bruchsteinmauer seien die Verpflichtung der Antragstellerin zur Bezahlung des Zwangsgeldes und die Festsetzung rechtswidrig.
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Im Übrigen wird auf die Klagebegründung im Verfahren Az. W 5 K 23.813 vom 11. Juli 2023 verwiesen.
9
4. Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 16. August 2023 (eingegangen bei Gericht am 18. August 2023 trotz Fristsetzung bis 16. August 2023), den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache erfolglos bleiben werde. Der Ausgangsverwaltungsakt sei unter Ziffer 1. offensichtlich rechtmäßig. Hierzu werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 9. Mai 2023 und die Klageerwiderung vom 4. August 2023 im Verfahren W 5 K 23.813 verwiesen. Ein Nachkommen hinsichtlich der Verpflichtung aus Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 sei insbesondere mit nicht unerheblichem Aufwand bzw. nicht unerheblicher finanzieller Belastung verbunden. Die Aussetzung der Vollziehung hätte demgegenüber zur Folge, dass sich die notwendige Abwehr der erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen (vgl. Bescheid vom 9. Mai 2023) zeitlich erheblich verzögere. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit stellten hochrangige Rechtsgüter dar (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Bei einer Gesamtschau ergebe sich daher im Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung, dass hier Schutzgüter von erheblicher Bedeutung in Frage stünden, die privaten Interessen der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs und bei wertender Betrachtung der Vollzugsfolgen überwögen und die begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach der zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Sach- und Rechtslage nicht geboten sei. Selbst bei den im Alternativverhältnis stehenden, hypothetischen Annahmen, dass die Erfolgsaussichten nicht eindeutig zu beurteilen, sondern nur tendenziell abschätzbar wären bzw., dass noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gemacht werden könnten, würde eine Interessenabwägung zwischen dem behördlichen Vollzugsinteresse und dem (privaten) Aussetzungsinteresse des Betroffenen jeweils ergeben, dass das öffentliche Interesse überwiegen würde und die begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach der zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Sach- und Rechtslage nicht geboten sei.
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Auch die unter Ziffer 3. angeordnete Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 9. Mai 2023 sei offensichtlich rechtmäßig. Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin werde ausgeführt, dass der Verwaltungsbehörde bekannt sei, dass über die Erforderlichkeit des Grundverwaltungsakts hinaus die Androhung von Verwaltungszwang wiederum für sich erforderlich sein müsse. Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Zwangsmittelandrohung sei es als notwendig anzusehen gewesen, die Antragstellerin nachdrücklich zur Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 zu veranlassen. Der Antragstellerin sei bereits sehr früh bekannt gewesen, dass der im Bescheid vom 9. Mai 2023 näher beschriebene Gefahrenzustand zeitnah beseitigt werden soll. Der weitere und im Bescheid vom 9. Mai 2023 näher beschriebene Ablauf der Kommunikation und die (Un-)Tätigkeit seitens der Antragstellerin ließen eine Zwangsgeldandrohung erforderlich sein. Im Nachhinein habe sich mittlerweile sogar herausgestellt, dass trotz Androhung eines Zwangsgeldes der Verpflichtung aus Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen worden sei. Die Aussage, dass die Verwaltungsbehörde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen habe, erscheine abwegig und sei auch nicht substantiiert dargelegt worden. Die Verwaltungsbehörde habe sich vielmehr äußerst fair und transparent gegenüber der Antragstellerin verhalten. Dies zeige sich insbesondere darin, dass mit dem Erlass des Verwaltungsaktes – trotz der vorliegenden Sach- und Gefahrenlage – sehr zurückhaltend umgegangen und grundsätzlich auf die Eigenverantwortlichkeit der Antragstellerin gesetzt worden sei. Weiter sei die Erfüllung der der Antragstellerin auferlegten Pflicht im maßgeblichen Zeitraum objektiv und auch zumutbar gewesen.
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Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Schreiben vom 16. August 2023 verwiesen.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte in dem Verfahren W 5 K 23.813 Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag, der nach §§ 122 Abs. 1 und 88 VwGO sachgerecht dahingehend auszulegen ist, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Verfahren W 5 K 23.813 bezüglich der Verfügung unter Ziffer 1. des Bescheids der Stadt W. vom 9. Mai 2023 wiederherzustellen und gegen Ziffer 3. des Bescheids anzuordnen, hat Erfolg.
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
16
Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage gegen die unter Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 verfügte Instandsetzungsanordnung ist entfallen, weil die Stadt W. diese Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
17
Soweit der Antrag gegen die in Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Zwangsgeldandrohung in Höhe von 2.250,00 EUR gerichtet ist, ist er – als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – ebenfalls zulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) entfaltet die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung, weil es sich hierbei um eine in der Verwaltungsvollstreckung getroffene Maßnahme handelt. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 der VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 ist begründet.
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Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – juris; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – juris; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85, 90 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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2.1. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Erforderlich ist grundsätzlich eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85).
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Diesen Anforderungen wird die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid vom 9. Mai 2023 gerecht. Die Antragsgegnerin hat darauf abgestellt, dass dem Vollzugsinteresse der Vorrang gegenüber dem Aufschiebungsinteresse eingeräumt werden müsse. Das Interesse der Antragstellerin müsse hinter dem öffentlichen Interesse der Gefahrenabwehr im Interesse der Allgemeinheit im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der Leichtigkeit des Verkehrs auf der betroffenen Bundesstraße zurücktreten. Damit zeigt die Begründung, dass sich die anordnende Behörde des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und lässt zugleich die Erwägungen erkennen, die sie für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich erachtet.
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2.2. Im vorliegenden Fall lässt sich bereits aufgrund einer summarischen Überprüfung feststellen, dass die Klage der Antragstellerin gegen Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Aussicht auf Erfolg haben wird. Die verfügte Instandsetzungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Berücksichtigung dessen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
2.2.1.
23
Zweifel bestehen vorliegend schon an der hinreichenden Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheids. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass für den Adressaten des Verwaltungsakts aus der Verfügung selbst – wenn auch gegebenenfalls erst im Zusammenhang mit den Gründen des Bescheids und den zugrundeliegenden Umständen – die Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt des Verwaltungsakts ausmacht, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar wird. Maßgeblich ist insofern die am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der behördlichen Anordnung (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 10 CS 18.1717 – juris Rn. 17; B.v. 10.3.2017 – 10 ZB 17.136 – juris Rn. 7). Diesen Anforderungen wird die Anordnung nicht gerecht.
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Der Bescheid vom 9. Mai 2023 enthält einerseits in Ziffer 1. die Verpflichtung gegenüber der Antragstellerin, die Bruchsteinmauer auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 der Gemarkung W. „instand zu setzen“ bzw. „instand setzen zu lassen“, was nahelegt, dass die Antragstellerin frei sein soll bezüglich der Modalitäten der Ausführung, d.h. insbesondere in der Wahl der Person bzw. Firma, welche die Instandsetzungsarbeiten ausführt, soweit die bestehende Gefahrenlage beseitigt wird. In den Gründen des Bescheids (vgl. S. 7 des Bescheids; Bl. 262 d.A.) führt die Antragsgegnerin jedoch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit umfassend aus, dass der von der Antragstellerin im Vorfeld vorgeschlagene Unternehmer (Herr M.) nicht geeignet sei, die erforderlichen Arbeiten durchzuführen. Als Begründung hierfür wird dargelegt, dass die vorzunehmenden Tätigkeiten für das Gewerbe des Maurers wesentliche Tätigkeiten darstellten und Herr M. hierfür nicht die nach der Handwerksordnung erforderliche Qualifikation, insbesondere nicht die Eintragung in der Handwerksrolle, vorweisen könne. Diese Ausführungen im Bescheid legen nahe, dass die Behörde mit ihrem Bescheid die Ausführung durch eine Fachfirma des „Bauhauptgewerbes“ (Fundament- und Stahlbetonarbeiten sowie Maurerarbeiten) (vgl. Bl. 204 d.A.) zum Regelungsgegenstand machen wollte. Dies wiederum kommt im Tenor des Bescheids aber nicht zum Ausdruck. Für den Adressaten des Bescheids, die Antragstellerin, stellt sich damit der Regelungsgehalt und -umfang der Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheides als unklar dar.
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2.2.2. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Bescheid jedenfalls auch an einem Ermessensfehler leidet.
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Im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden allein möglichen summarischen Überprüfung ist zwar davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 54 Abs. 4 BayBO vorliegen. Die Vorschrift erlaubt, auch bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen zu stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Den Maßstab für die Eingriffsschwelle bildet dabei der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.1997 – 22 B 96.3491 – juris Rn. 20; B.v. 29.11.2011 – 14 CS 11.2426, Rn. 19 – juris). Bei den in Art. 54 Abs. 4 BayBO genannten Rechtsgütern Leben und Gesundheit kann es aufgrund deren hohen Stellenwerts im Normalfall genügen, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts nach einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 54 Rn. 50; BayVGH, B.v. 17.1.1989 – 15 CS 88.3477 – juris).
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Vorliegend bestehen durch den maroden Bauzustand der Bruchsteinmauer erhebliche Gefahren für Leben oder Gesundheit von Menschen. Wie sowohl die in den Akten befindlichen Lichtbilder als auch die fachlichen Stellungnahmen (vgl. Schreiben vom 13.10.2022 der … … GmbH, Bl. 81 ff. d.A.; Baukontrolleur der Antragsgegnerin, Bl. 4 ff., 16 d.A.) gezeigt haben, weist die Stützmauer neben den Unfallschäden weitere Schäden auf, die Zweifel an ihrer Standsicherheit begründen. Dies ist unter den Beteiligten – soweit ersichtlich – unstreitig. Im Ortstermin am 24. Juni 2022 waren sich dementsprechend alle Beteiligten einig, dass die Bruchsteinmauer angesichts der massiven Schädigung und der Gefahren für die Verkehrsteilnehmer, insbesondere auch die Fußgänger, schnellstmöglich saniert werden muss (Bl. 42 d.A.). Dass die fehlende Standsicherheit erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen begründet, ergibt sich ausgehend von diesen Erkenntnissen und unter Zugrundelegung des Akteninhalts bereits aus der mit ca. 2 m über das Niveau von Straße bzw. Gehweg aufragenden erheblichen Höhe der Mauer, die offensichtlich insbesondere im von dem Verkehrsunfall betroffenen Bereich, aber auch darüber hinaus erheblich beschädigt ist.
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Die Antragstellerin ist richtige Adressatin der Instandsetzungsanordnung. Als Grundstückseigentümerin (vgl. Bl. 155 d.A.) ist die Antragstellerin grundsätzlich für den Zustand der auf ihrem Grundstück befindlichen baulichen Anlagen verantwortlich. Ein Vorrang der Inanspruchnahme des Unfallverursachers als Handlungsstörer scheidet hier schon deswegen aus, da dieser nicht für den Gesamtzustand der Mauer verantwortlich ist. Dieser stellt sich vielmehr als das Resultat des Unterlassens von Instandsetzungsmaßnahmen durch die Antragstellerin in der Vergangenheit dar, die somit jedenfalls auch Handlungsstörerin i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG ist und damit nach mehreren Kriterien als Störer in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 9 CS 16.191 – juris Rn. 19).
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Allerdings leidet der streitgegenständliche Bescheid vom 9. Mai 2023 an einem Ermessensfehler (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Der Erlass von Anordnungen nach Art. 54 Abs. 4 BayBO liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensnichtgebrauch oder -ausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 114 Rn. 7 ff.).
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Einerseits bestehen an den Überlegungen der Antragsgegnerin zur Verhältnismäßigkeit im streitgegenständlichen Bescheid grundsätzlich keine Bedenken. Insbesondere erscheint die getroffene Regelung in Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 angesichts der von der Mauer ausgehenden Gefahren geeignet, erforderlich und angemessen. Allerdings geht die Prüfung der Ermessensfehlerhaftigkeit noch über diesen Aspekt hinaus. So darf die Behörde keine sachfremden Erwägungen, die als solche nicht vom Zweck des Gesetzes gedeckt sind, in die Ermessenserwägungen einfließen lassen. Dies betrifft im vorliegenden Fall die Ausführungen zum „Auswahlermessen“ im streitgegenständlichen Bescheid (vgl. S. 7; Bl. 262 d.A.). Dort wird u.a. ausgeführt: „Es ist gegenüber der zuständigen Behörde auch nicht in substantiierter Form nachgewiesen worden, dass der Gewerbebetrieb des Herrn M. berechtigt ist, die vorzunehmenden Arbeiten durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird auf die Handwerksordnung verwiesen…“. Sofern im Folgenden dargelegt wird, dass eine Eintragung in die Handwerksrolle fehlt, wird damit impliziert, dass es entscheidend auf die Durchführung der Arbeiten durch einen „Mauer- oder Betonbauer“-Betrieb ankomme, wobei der selbständige Betrieb die Anforderungen der Handwerksordnung erfüllen müsse. Dies entspricht jedoch nicht der Aussage, die im Tenor unter Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids getroffen wurde; danach hat die Antragstellerin die Bruchsteinmauer (selbst) instand zu setzen bzw. instand setzen zu lassen. Eine Aussage über den Ausführenden und die Modalitäten (etwa die vorherige Einbeziehung eines Statikers oder die vorherige Anfertigung eines entsprechenden Gutachtens zur Bestimmung des Schädigungsgrades und der erforderlichen Maßnahmen) enthält der Bescheidtenor nicht. Insofern sind die Erwägungen der Antragsgegnerin widersprüchlich. Daneben stellen sie sich jedoch auch im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift des Art. 54 Abs. 4 BayBO als sachfremd dar, als diesbezüglich zur Abwehr von erheblichen Gefahren Anordnungen getroffen werden können, die an den Zustand baulicher Anlagen anknüpfen. Eine wie auch immer geartete Qualität der Maßnahmen und der handelnden Handwerker bzw. Betriebe in Ausrichtung an die Anforderungen der Handwerksordnung enthält die baurechtliche Ermächtigungsgrundlage als solche nicht. Eben dies scheint aber nach den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid für die Antragsgegnerin wesentlich entscheidend gewesen zu sein.
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Wollte die Antragsgegnerin eine bestimmte Qualität oder Modalität der durchzuführenden Maßnahmen sicherstellen, hätte sie dies anhand einer ausreichenden Tatsachengrundlage im Bescheid darstellen und im Tenor entsprechend regeln müssen, etwa durch die Formulierung „durch eine Fachfirma“. Auch wäre es möglich gewesen, aufeinander aufbauende Maßnahmen vorzusehen, ausgehend von der Einschaltung eines Gutachters, der zunächst zu den statischen Anforderungen und den erforderlichen Arbeiten Stellung nimmt, über die Ausführung durch entsprechende Fachfirmen bis hin zum Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung durch einen Statiker in einem nächsten Schritt. Dies sieht der streitgegenständliche Bescheid im Tenor unter Ziffer 1. mit seiner allgemeinen Formulierung jedoch nicht vor. Daher stellen sich die Ermessenserwägungen zum Auswahlermessen auf S. 7 des Bescheids gemessen an der Aussage im Bescheidtenor als nicht sachgemäß und missverständlich dar und gehen demgemäß ins Leere.
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Nach der summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erweist sich die Anordnung in Ziffer 1. des Bescheids vom 9. Mai 2023 aufgrund dieses Ermessensfehlers aller Voraussicht nach als rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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3. Der (sinngemäß gestellte) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3. des Bescheids vom 9. Mai 2023 ist aufgrund der nach summarischer Prüfung vorliegenden Rechtswidrigkeit der Anordnung unter Ziffer 1. des Bescheids (s.o. unter 2.) ebenfalls begründet. Mit einer Aufhebung der vollstreckbaren Anordnung unter Ziffer 1. im Hauptverfahren würde es bezüglich der Durchsetzung der Anordnung mittels eines Zwangsgelds schon an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 18, 19 VwZVG) fehlen. Insofern scheidet die Durchsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts mittels einer Zwangsgeldandrohung nach Art. 36 i.V.m. Art. 31 VwZVG aus. Mithin war dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entsprechen und die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
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4. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.