Titel:
Keine Beihilfe für ein als Hilfsmittel zur Kontrolle einer Diabeteserkrankung eingesetztes Smartphone
Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 S. 1
BayBhV § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 7
Leitsätze:
1. Bei einem Smartphone handelt es sich nicht um einen Gegenstand, der objektiv spezifisch auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten ist. Denn objektive Eigenart und Beschaffenheit des Smartphones weisen keinerlei unmittelbaren Bezug zu einem Krankheitsbild auf. Eine andere Sichtweise käme nur in Betracht, wenn das Gerät für keinerlei Verwendung im Alltagsgebrauch in Betracht käme. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da die Beihilfevorschriften grundsätzlich die Fürsorgepflicht des Dienstherrn konkretisieren, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein über die Beihilfevorschriften hinausgehender Anspruch nur dann in Betracht, wenn die Fürsorgepflicht in ihrem aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz garantierten Wesenskern andernfalls in ihrem verfassungsrechtlichen Wesenskern verletzt wäre. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, beihilfefähige Hilfsmittel, nicht beihilfefähige Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung dienen, Aufwendungen für ein Smartphone, das als Komponente eines sog. Hybrid-Closed-Loop-Systems der Bewältigung einer Diabetes mellitus Typ 1-Erkrankung dient, Grenzen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, Gegenstände, allgemeine Lebenshaltung, Aufwendungen, Smartphone, Handy, Hybrid-Closed-Loop-Systems, Diabetes mellitus Typ 1-Erkrankung, Grenzen, Fürsorgepflicht, Dienstherr, Blutzucker, Blutzuckermessung, Insulin, Insulinpumpe, Applikationshilfe, Selbstbehandlung, Selbstkontrolle
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.03.2024 – 24 ZB 23.1840
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31294
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2023, mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Beihilfeleistungen für Aufwendungen für ein Smartphone, das für die Bewältigung der Diabetes mellitus Typ 1-Erkrankung seines Sohnes genutzt wird, abgelehnt wurde.
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1. Der Kläger ist als Beamter des Beklagten beihilfeberechtigt; sein am ... 2017 geborener Sohn ist mit einem Bemessungssatz von 80 v.H. berücksichtigungsfähig. Der Sohn des Klägers ist an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt.
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Zum Zwecke des Diabetes-Selbstmanagements verwendet der Sohn des Klägers ein Blutzuckermessgerät des Fabrikats „mylife Aveo“ (vgl. ärztliche Verordnung vom 17. Januar 2023) sowie ein so genanntes Hybrid-Closed-Loop-System. Dieses System umfasst folgende miteinander verbundene technische Komponenten: eine Insulinpumpe des Fabrikats „mylife YpsoPump“ einschließlich der auf einem Smartphone installierten App „mylife CamAPS FX App“ (vgl. ärztliche Verordnung vom 7. Oktober 2022) sowie ein so genanntes Sensor-System zur Gewebezuckerkontrolle in Real-Time (rtCGM) der Marke „Dexcom G6“ (vgl. ärztliche Verordnung vom 20. Oktober 2022), das den Glukosegehalt im Unterhautfettgewebe misst und anschließend die Messwerte über einen mit dem Sensor verbundenen Transmitter automatisch an ein speziell hierfür hergestelltes Empfangsgerät oder eine auf einem Smartphone installierte App überträgt. Das Sensor-System zur Gewebezuckerkontrolle in Real-Time „Dexcom G 6“ verfügt über eine Schnittstelle zu der Insulinpumpe „mylife YpsoPump“. Diese Schnittstelle verbunden mit der Nutzung der auf einem Smartphone installierten App „mylife CamAPS FX App“ ermöglichen eine automatisierte Insulinabgabe durch die Insulinpumpe „mylife YpsoPump“ beruhend auf den jeweils in regelmäßigen Intervallen durch das Sensor-System „Dexcom G 6“ ermittelten Glukosedaten und dem mit Hilfe eines Algorithmus errechneten individuellen Insulinbedarf.
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Am 30. November 2022 erwarb der Kläger für seinen Sohn ein Smartphone der Marke „Samsung Galaxy S10“ und wendete hierfür 300,00 EUR auf.
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Der Beklagte gewährte dem Kläger jeweils Beihilfe für die geltend gemachten Aufwendungen für das Blutzuckermessgerät des Fabrikats „mylife Aveo“, für die Insulinpumpe des Fabrikats „mylife YpsoPump“ sowie für das Sensor-System zur Gewebezuckerkontrolle in Real-Time (rtCGM) der Marke „Dexcom G6“ einschließlich entsprechendem Zubehör mit – hier nicht streitgegenständlichen – Bescheiden.
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2. Mit Beihilfeantrag vom 2. Februar 2023 machte der Kläger unter Vorlage der Rechnung vom 30. November 2022 die Aufwendungen für die Anschaffung eines Smartphones der Marke „Samsung Galaxy S10“ in Höhe von 300,00 EUR bei dem Beklagten geltend.
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Mit Bescheid vom 20. Februar 2023 wurde die Beihilfe für die vorgenannte Aufwendung in Höhe von EUR 0,00 festgesetzt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen, nicht beihilfefähig seien (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV).
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Mit Schreiben vom 13. Februar 2023 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch, wies im Wesentlichen auf die medizinische und technische Notwendigkeit der Verwendung des Smartphones im Zusammenhang mit der Behandlung der Diabetes mellitus 1-Erkrankung seines Sohnes hin und legte u.a. ein Schreiben der behandelnden Ärztin vom 30. Januar 2023 vor, in dem bescheinigt wird, dass für die Einstellung der Insulinpumpe ein Handy benötigt werde, damit die dazugehörige App verwendet werden könne.
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Der Widerspruch wurde von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2023 zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung sowie für Körperersatzstücke nach § 21 BayBhV und der Anlage 4 hierzu richte. Mobiltelefone oder Handys seien, auch in spezieller Ausführung, in der Anlage 4 nicht aufgeführt. Geräte dieser Art seien unabhängig von Preis und Ausstattung den allgemeinen Lebenshaltungskosten zuzuordnen. Die Gewährung einer Beihilfe für die Beschaffung des Mobiltelefons sei somit ausgeschlossen.
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3. Mit Schriftsatz vom 11. April 2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am selben Tag, erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Bescheid vom 20. Februar 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2023 und trug vor, die Ablehnung sei rechtswidrig, da ein Anspruch auf die begehrte Beihilfe bestehe. Die verschriebene „YpsoPump“ diene den Zwecken der Messung des Blutzuckerwertes und der Gabe von Insulin. Dies stimme mit dem in der Anlage 4 genannten „Blutzuckermeßgerät“ und „Insulinapplikationshilfen und Zubehör (Insulindosiergerät, -pumpe, -injektor)“ überein. Zur Verwendung dieser speziellen Insulinpumpe sei die zugehörige App, installiert auf einem kompatiblen Smartphone, zwingend nötig. Weder der Beklagte noch seine Ehefrau hätten ein kompatibles Smartphone besessen, sodass das streitgegenständliche anzuschaffen gewesen sei. Dieses werde dabei lediglich als Bedieneinheit für die Insulinpumpe und nicht wie ein typisches Smartphone privat verwendet. Das Smartphone diene damit nicht der allgemeinen Lebenshaltung i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV. Es sei einerseits ein älteres Modell, das ohne die Erkrankung des Sohnes nicht angeschafft worden wäre. Da es zum Betreiben der App, die zur Bedienung der Pumpe erforderlich sei, notwendig sei und es sich um ein kompatibles Modell handeln müsse, sei es andererseits objektiv nur als Bedieneinheit zu gebrauchen. Dies würde dadurch verstärkt, dass eine anderweitige Nutzung Akkuleistung verbrauchen würde und somit die notwendige Nutzung der App gefährdet würde. Eine gesonderte schriftliche Verordnung des Smartphones sei zwar nicht erfolgt, eine solche sei aber auch nicht nötig. Die verschriebene Pumpe sowie der verschriebene Sensor benötigen als unabdingbare Nutzungsvoraussetzungen die zugehörige App, die auf einem kompatiblen Smartphone installiert sein müsse. Die Verschreibung der Pumpe sowie des Sensors umfasse daher das Smartphone ebenfalls, da ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Das Smartphone sei außerdem zumindest mit den in der Anlage genannten Geräten vergleichbar. Dieser Rechtsbegriff müsse technologieoffen ausgelegt werden. Eine andersartige Bedieneinheit der Pumpe wäre zweifelsfrei beihilfefähig. Die Vorschrift müsse so ausgelegt werden, dass auch moderne Geräte erfasst werden. Da das Smartphone vorliegend lediglich als Bedieneinheit genutzt werde, müsse es als lediglich moderne Form einer solchen in den Anwendungsbereich fallen. Zudem zeige § 21 Abs. 7 BayBhV, dass die Anlage 4 nicht abschließend sei, da auch für nicht aufgeführte Geräte im Einzelfall eine Beihilfe gewährt werden könne.
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Der Kläger lässt daher zuletzt schriftsätzlich beantragen,
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Februar 2023 und des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2023 eine Beihilfe für den Erwerb eines Samsung S10, 128 GB, als Hilfsmittel für die Bewältigung des Diabetes mellitus Typ 1, an der sein berücksichtigungsfähiger Sohn A. … erkrankt ist, in Höhe von 240,00 EUR zu bewilligen.
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Das Landesamt für Finanzen beantragt für den Beklagten,
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Der Beihilfeanspruch bestehe nicht. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV seien Anschaffung oder Miete der in der Anlage 4 genannten oder vergleichbarer Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände beihilfefähig, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet worden seien; dies gelte nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen. Das streitgegenständliche Smartphone sei ein Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliege. Somit greife die Ausschlussregelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV. Dabei müsse wesentlich auf die objektive Beschaffenheit des Gegenstands und nicht auf die subjektive Verwendungsmöglichkeit abgestellt werden. Überdies fehle es an einer konkreten ärztlichen Verordnung des Smartphones in Schriftform. Abschließend sei das Smartphone auch weder in der Anlage 4 der BayBhV genannt noch mit einem der Geräte vergleichbar. Der objektive Zweck eines Smartphones stimme nicht mit Insulinapplikationshilfen und Zubehör, die in der Anlage genannt seien, überein. Dies würde sich erst durch die Verwendung der speziellen App ergeben. Daran ändere auch die vom Kläger vorgebrachte Regelung des § 21 Abs. 7 BayBhV nichts. Dieser stelle eine Ausnahme dar und zeige den gesetzgeberischen Willen eine Einzelfallentscheidung über die Beihilfefähigkeit nur bei größeren Aufwendungen, die den Betrag von 600,00 EUR übersteigen, zu ermöglichen. Dieser Wert sei vorliegend aber nicht erreicht.
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4. Mit Beschluss des Gerichts vom 7. Juli 2023 ist die Rechtssache der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden. Die Beteiligten wurden vor Erlass des Beschlusses zu der beabsichtigten Übertragung angehört. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
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Ebenso konnte das Verfahren gemäß § 6 VwGO der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Beteiligten wurden zur Übertragung auf die Einzelrichterin gehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
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1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die die Bewilligung von Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 08.11.2012 – 5 C 4.12 – NVwZ-RR 2013, 192 Rn. 12; U.v. 02.04.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609/610 Rn. 9). Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV gelten Aufwendungen als in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Das streitgegenständliche Smartphone erwarb der Kläger 30. November 2022. Von diesem Leistungszeitpunkt ausgehend ist die Bayerische Beihilfeverordnung in der Fassung der 7. Änderungsverordnung vom 18. August 2021 (GVBl S. 558), welche am 1. Oktober 2021 in Kraft getreten ist und auch noch in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt galt, vorliegend maßgeblich.
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2. Die vorliegende Verpflichtungsklage ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfeleistungen in Höhe von 240,00 EUR für die Anschaffung eines Smartphones für seinen Sohn (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 VwGO).
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2.1 Beihilfeleistungen werden von Gesetzes wegen nach Art. 96 Abs. 1 und 2 Satz 1 BayBG zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. Konkretisiert wird die Beihilfegewährung durch die gemäß Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen erlassene Bayerische Beihilfeverordnung. Ausgehend von § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie (Nr. 1) dem Grunde nach medizinisch notwendig sind, sie (Nr. 2) der Höhe nach angemessen sind und (Nr. 3) die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Aufwendungen für Hilfsmittel bestimmt § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV, dass die Aufwendungen für Anschaffung oder Miete der in der Anlage 4 genannten oder vergleichbarer Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände beihilfefähig sind, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind; dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
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Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Beihilfefähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil das angeschaffte Smartphone als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung anzusehen ist.
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Ob ein Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzuordnen ist, richtet sich in erster Linie nach dessen objektiver Beschaffenheit und nicht nach der subjektiven Verwendungsmöglichkeit (vgl. VG Bayreuth, U.v. 23.07.2019 – B 5 K 18.222 – juris Rn. 25). Hilfsmittel dienen somit der allgemeinen Lebenshaltung, wenn sie üblicherweise herangezogen werden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern und sie aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild haben (vgl. VG Regensburg, U.v. 12.02.2019 – RO 12 K 17.2008 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 03.06.2014 – W 1 K 14.309 – BeckRS 2014, 56011; VG Ansbach, U.v. 01.04.2014 – AN 1 K 13.01949 – juris Rn. 103; VG Freiburg, U.v. 31.10.2011 – 6 K 303/09 – juris Rn. 22). Es kommt dabei nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gegenstand ohne die Erkrankung nicht angeschafft würde oder worden wäre. Maßgebend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel – von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen – auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise genutzt werden kann (vgl. OVG NW, B.v. 07.07.1998 – 12 A 5885/96 – juris Rn. 17 m.w.N.; VG Bayreuth, U.v. 23.07.2019 – B 5 K 18.222 – juris Rn. 27; VG Freiburg, U.v. 31.03.2011 – juris Rn. 22 m.w.N.).
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Bei dem streitgegenständlichen Smartphone handelt es sich nicht um einen Gegenstand, der objektiv spezifisch auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten ist. Denn objektive Eigenart und Beschaffenheit des Smartphones weisen keinerlei unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild – hier Diabetes mellitus Typ 1 – auf. Eine andere Sichtweise käme nur in Betracht, wenn das Gerät für keinerlei Verwendung im Alltagsgebrauch in Betracht käme. Dies ist bei dem vom Kläger angeschafften, handelsüblichen Smartphone der „Marke Galaxy S10“ jedoch nicht der Fall. Ein solches Smartphone wird nach seiner objektiven Beschaffenheit im Regelfall außerhalb eines medizinisch-therapeutischen Kontextes von nahezu jedem Menschen ab einem gewissen Alter im Alltag benutzt; zumal es mit seinen breiten Nutzungsmöglichkeiten wie Telefonieren, Fotografieren oder dem Verwenden verschiedenster Apps (etwa Navigationshilfen, soziale Netzwerke oder Messengerdienste) gerade dazu dient, die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern. Darauf, dass das streitgegenständliche Smartphone auch im Rahmen des Diabetes-Selbstmanagements verwendet werden kann und es im vorliegenden Fall vom Kläger mit einer dezidiert medizinischen Verwendungsabsicht und allein für diesen Zweck angeschafft wurde, kommt es nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht an.
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Wenn die Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang einwendet, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Beihilfeanspruch im Wege der technologieoffenen Auslegung der Anlage 4 der Bayerischen Beihilfeverordnung begründen lassen müsse, so ist darauf hinzuweisen, dass die Formulierung der Vorschrift des § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV i.V.m. Anlage 4 diesem Ansinnen eindeutig entgegenstehen. Denn der nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mögliche Wortsinn des Gesetzes – hier wonach Gegenstande, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, nicht beihilfefähig sind – ist nicht nur Ausgangspunkt der Auslegung, sondern markiert auch die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Zu einer diesen Wortlaut überschreitenden Auslegung ist die Einzelrichterin nicht befugt, vielmehr bedürfte es insoweit eines gesetzgeberischen Tätigwerdens. Ein von vorstehender Auslegung abweichender, den klägerischen Anspruch stützender allgemeiner Wille des Gesetzgebers zur Bewilligung von Beihilfeleistungen für neue medizinische Technologien jenseits der von § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV i.V.m. Anlage 4 erfassten Hilfsmittel, der in der Norm lediglich nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen wäre und dem gegebenenfalls Rechnung getragen werden müsste, ist ebenfalls nicht erkennbar.
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Nach alledem ist vorliegend der Ausschlusstatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV erfüllt. Der vom Kläger geltend gemachte Beihilfeanspruch scheidet somit aus.
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Dahinstehen kann damit u.a., ob das vorgelegte ärztliche Schreiben vom 30. Januar 2023 den Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV an eine ärztliche Verordnung tatsächlich genügt. Dahinstehen kann weiterhin die medizinische Notwendigkeit sowie die Angemessenheit der Anschaffungskosten, gleichermaßen auch die rechtliche Einordnung des streitgegenständlichen Smartphones als Hilfsmittel oder vergleichbares Gerät im Sinne des § 21 BayBhV und der dazugehörigen Anlage 4. Die hierauf bezogene Klagebegründung mit den vorgelegten ärztlichen Äußerungen und ebenso die geltend gemachten Beweisangebote sind deshalb für eine Entscheidung nicht erheblich.
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Im Übrigen führt auch der – grundsätzlich zutreffende – Hinweis der Klägerbevollmächtigten, dass die Vorschrift des § 21 Abs. 7 BayBhV zeige, dass die Auflistung in Anlage 4 nicht abschließend sei, zu keiner anderen Bewertung der vorliegenden Sache. Denn die Ausnahmeregelung, nach der über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die weder in der Anlage 4 aufgeführt noch den dort aufgeführten Geräten vergleichbar sind und deren Anschaffungswert einen Betrag von 600,00 EUR übersteigt, die oberste Dienstbehörde, im staatlichen Bereich das Staatsministerium, entscheidet, ist vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, da der Anschaffungswert des streitgegenständlichen Smartphones bereits den Mindestbetrag von 600,00 EUR nicht übersteigt.
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2.2 Ein Beihilfeanspruch besteht darüber hinaus auch nicht ausnahmsweise aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgepflicht. Da die Beihilfevorschriften grundsätzlich die Fürsorgepflicht des Dienstherrn konkretisieren, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein über die Beihilfevorschriften hinausgehender Anspruch nur dann in Betracht, wenn die Fürsorgepflicht in ihrem aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG garantierten Wesenskern andernfalls in ihrem verfassungsrechtlichen Wesenskern verletzt wäre (BVerwG, U.v. 05.05.2010 – 2 C 12/10 – juris Rn. 13; B.v. 18.01.2013 – 5 B 44.12 – juris Rn. 8 m.w.N.), was vorliegend nicht der Fall ist. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn jedoch nicht zu jeglichen Aufwendungen, die aus Anlass einer Krankheit entstehen, Beihilfen zu gewähren und für eine lückenlose Erstattung aller Kosten, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind, zu sorgen.
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Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.