Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.10.2023 – M 8 SN 23.4872
Titel:

Nachbareilantrag, Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Erschließung, Umfang eines bestellten Geh- und Fahrtrechts, Nutzungsintensivierung (bejaht), Notwegerecht (verneint), Abstandsflächen, Seitenwände von Dachaufbauten

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1
BauGB § 212a
BauGB § 34
BayBO Art. 6 Abs. 6 S. 1 Nr. 3
BGB § 917 ff.
Schlagworte:
Nachbareilantrag, Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Erschließung, Umfang eines bestellten Geh- und Fahrtrechts, Nutzungsintensivierung (bejaht), Notwegerecht (verneint), Abstandsflächen, Seitenwände von Dachaufbauten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31293

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 11. November 2022 gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für das Grundstück …str. 26, Fl.Nrn. 12344/0 und 12344/2, Gem. … … (im Folgenden: Baugrundstück). Das Baugrundstück ist gegenwärtig mit einem straßenseitigen Wohngebäude und im rückwärtigen Bereich mit Nebengebäuden (Garagen) bebaut. Die Zufahrt zu den Garagen erfolgt über die …straße u.a. über die im Eigentum der Antragstellerin stehende unbebaute Fl.Nr. 12343/2, Gem. … (im Folgenden: Wegegrundstück).
2
Die Antragstellerin ist ebenso Eigentümerin des Anwesens …str. 28 / …str. 2a, Fl.Nrn. 12343, Gem. … (im Folgenden: Nachbargrundstück), welches sich im Osten an das Baugrundstück anschließt. Das Nachbargrundstück (Fl.Nr. 12343) ist mit einem straßenseitigen Wohngebäude und einem ebenfalls wohngenutzten Rückgebäude bebaut.
3
Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
4
Mit Bauantrag vom 4. August 1955 (Eingangsdatum) wurde für das Baugrundstück eine Baugenehmigung zum Wiederaufbau beantragt. Dem Bauantrag beigefügt war ein Schreiben vom 29. Juli 1955, wonach die Zufahrt zu den im rückwärtigen Bereich des Gebäudes zur Ausführung kommenden acht Garagen von der …straße aus erfolge. Am 3. April 1956 erteilte die Antragsgegnerin daraufhin die beantragte Baugenehmigung (PlanNr. 72272/55 und 47499/55) zur Errichtung eines straßenseitigen fünfgeschossigen Wohngebäudes ohne Hofdurchfahrt zum Innenhof sowie zwei Garagengebäuden (acht Stellplätze) im Innenhof. Im Nachgang wurde festgestellt, dass die Zufahrt zu den Garagengebäuden von der …straße aus über zwei weitere Privatgrundstücke (Fl.Nrn. 12402/8 und 12343/2) erfolgen muss und u.a. eine dingliche Sicherung zur Nutzung des Grundstücks Fl.Nr. 12343/2 (Wegegrundstück) nicht vorlag. Am 25. September 1958 wurde daraufhin zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Fl.Nrn. 12344 und 12344/2 (Baugrundstück) eine Grunddienstbarkeit an der Fl.Nr. 12343/2 (Wegegrundstück) bestellt, wonach u.a. der jeweilige Eigentümer der herrschenden Grundstücke berechtigt ist, über das dienende Grundstück zu gehen und zu fahren (Notar Dr. … Urkunden-Rolle Nr. …
5
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2022 (auf Grundlage des Bauantrags vom 23. Juli 2021 nach PlanNr. …*) erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen die bauaufsichtliche Erlaubnis zum Rückbau des bestehenden Dachstuhls und Neuerrichtung/Aufstockung mit zwei Wohnungen (inklusive Dachterrassen) im Dachgeschoss, Abbruch und Neuerrichtung [der] Dachgauben im 4. OG, Einbau eines Lifts, Abbruch einer bestehenden Garagenanlage und Neuerrichtung mit Einbau von zwei Doppelparkern und Errichtung von zwei Notleiteranlagen auf dem Baugrundstück im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Geplant ist u.a. der Abbruch des bestehenden Satteldachs (Firsthöhe +16,30m) und Errichtung eines sehr steilgestellten Walmdachs bzw. Flachdachs mit einer Oberkante der Attika von +16,76 m. Auf dem Dach sind zwei Dachterrassen mit eingehausten Dachaustritten / Oberlichten mit einer Höhe von +18,91 m und einer Oberkante des Geländers von +17,73 m vorgesehen (Maßangaben jeweils hofseitig). Ausweislich der genehmigten Bauvorlagen erfolgt die „Zuwegung zum Hof über die bestehende Durchfahrt auf dem Nachbargrundstück bei bestehender Grunddienstbarkeit“. Der Baugenehmigungsbescheid enthält u.a. eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch wegen Abrückens von der Baulinie zur …straße durch die Dachterrassenaustritte sowie das Dachterrassengeländer (Ziff. 1) und eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Bayerische Bauordnung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Bayerische Bauordnung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück Fl.Nr. 12343 (Ziff. 3). Durch das Vorhaben kämen Abstandsflächen auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschrift und nachbarliche Belange würden durch die erteilte Abweichung nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Die Abstandsfläche hofseitig falle auf die Dachfläche eines Rückgebäudes.
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Der Bescheid wurde der Klägerin am 11. Oktober 2022 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 11. November 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin für diese gegen die vorgenannte Baugenehmigung Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben.
8
Über die Klage (M 8 K 22.5608) ist bisher noch nicht entschieden worden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 beantragt sie:
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Die aufschiebende Wirkung der am 11.11.2022 gegen den Bescheid der Landeshauptstadt München vom 06.10.2022, AZ: …, erhobenen Klage wird angeordnet.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen worden sei, sodass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage dringend geboten sei. Die erteilte Abweichung verletze Nachbarrechte. Für den geplanten Dachgarten existiere kein Vorbild. Angesichts dessen sei jedenfalls die Aufstockung mit Dachaustritt und Dachterrassen bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Durch die Dachterrassen sowie die balkonfenstergroßen Dachgauben würden umfassende Einblickmöglichkeiten geschaffen. Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die Belange des Nachbarn durch die Abweichung nur geringfügig beeinträchtigt würden, so seien jedenfalls keine überwiegenden Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange für die Schmälerung ersichtlich. Die Baugenehmigung verstoße wegen des Abstandsflächenverstoßes und zudem durch die von den Fahrzeugen verursachten Emissionen und Belästigungen in den Schlafräumen durch blendende Autoscheinwerfer gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Überdies entstehe durch die Baugenehmigung ein Notwegerecht. Im Bescheid sei keine Regelung zur Erschließung getroffen worden. Es fehle an einer rechtlichen Sicherung entsprechend Art. 4 Bayerische Bauordnung. Bislang bestehe allein die Grunddienstbarkeit über ein Geh- und Fahrtrecht im ursprünglichen und eingeschränkten Umfang. Die Nutzung des Wegegrundstücks als Zufahrt zu den zwei Doppelparkern und zwei weiteren Wohneinheiten sowie auch die mittlerweile tatsächlich ausgeübte Nutzung des Baugrundstücks widerspreche dem Inhalt der bestehenden Grunddienstbarkeit. Aufgrund der fehlenden Erschließung müsse zulasten der Antragstellerin ein Notwegerecht in Anspruch genommen werden, was eine Verletzung ihres Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz bedeute. Überdies sei die Baugenehmigung unbestimmt, da nicht ersichtlich sei, wie die zwei genehmigten Doppelparker im Innenhof dieses Flurstücks zu erreichen seien. Die Antragstellerin könne anhand des Bescheids nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang ihr Grundstück in Anspruch genommen werde.
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Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2023 beantragt die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
14
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung die Antragstellerin nicht in drittschützenden Rechten verletze. Insbesondere käme ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht in Betracht, zumal die betroffenen Grundstücke in einem dicht bebauten innerstädtischen Bereich lägen. Die Abweichung von Art. 6 Bayerische Bauordnung sei ebenfalls rechtmäßig. Eine unzumutbare Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen sei nicht gegeben. Aufgrund der im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit zu Geh- und Fahrtrechten bestehe überdies kein Anhaltspunkt dahingehend, dass eine Verletzung drittschützender Rechte hinsichtlich der Grunddienstbarkeit gegeben sei.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten, auch im Verfahren der Hauptsache (M 8 K 22.5608) verwiesen.
II.
16
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. November 2022 (M 8 K 22.5608), ist unbegründet, da die in der Hauptsache von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.
17
1. Nach § 212a BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag kann das Gericht daher gem. §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag des Nachbarn auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung und dem öffentlichen Vollzugsinteresse zu treffen. Wesentliches Element der Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80a Rn. 25 f.).
18
Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind und die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
19
Die angefochtene Baugenehmigung vom 6. Oktober 2022 verletzt nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und auf die sich die Antragstellerin berufen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO. Weder ist die Baugenehmigung in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt (2.), noch wird dadurch ein „Automatismus“ in Richtung auf die Entstehung eines Notwegerechts am Wegegrundstück ausgelöst (3.). Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist nicht ersichtlich (4.). Die erteilte Abweichung ist zudem – soweit sie unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO (noch) erforderlich ist – in nachbarrechtlicher Hinsicht rechtmäßig (5.). Das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die erteilte Baugenehmigung ist deshalb gegenüber dem kraft Gesetzes zugrunde gelegten Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung nachrangig.
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2. Die Baugenehmigung ist – insbesondere hinsichtlich der Frage der Erschließung – nicht in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
21
Ein Nachbar hat keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauherrn nur inhaltlich hinreichend bestimmte Baugenehmigungen erteilt werden. Nachbarrechte können daher nur dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.1996 – 2 B 94.1513 – BayVBl. 1997, 405 f.; B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 14; VGH BW, B.v. 23.11.2017 – 3 S 1933/17 – juris Rn. 8).
22
Unabhängig davon, ob und inwieweit der Nachbar einen Anspruch auf die ausreichende wegemäßige Erschließung des Baugrundstücks geltend machen kann (siehe hierzu 3.1.), kann den genehmigten Plänen die wegemäßige bauplanungsrechtliche Erschließung des Vorhabens ohne Weiteres entnommen werden (vgl. zum planungsrechtlichen Begriff der Erschließung: BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 9 CS 19.581 – juris Rn. 23).
23
In dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan (PlanNr. … mit Handeintrag vom 26. Juli 2022), welcher ausdrücklich in den Genehmigungsbescheid vom 6. Oktober 2022 einbezogen wurde, ist die „Zuwegung zum Hof über die bestehende Durchfahrt auf dem Nachbargrundstück bei bestehender Grunddienstbarkeit“ zeichnerisch dargestellt. Hieraus ist ersichtlich, dass die Zuwegung zum rückwärtigen Teil des Baugrundstücks von der …straße aus auch über das Wegegrundstück der Antragstellerin führt. Überdies wurde den Bauvorlagen ein Grundbuchauszug über die bestehende Grunddienstbarkeit am Wegegrundstück (Grundbuch …, Band …, Blatt 23714) sowie die notarielle Bestellungsurkunde vom 25. September 1958 beigefügt.
24
Eine etwaige Unbestimmtheit hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Erschließung (Art. 4 BayBO) kann die Antragstellerin nicht rügen, da die bauordnungsrechtliche Erschließung im hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht geprüft wird und die Baugenehmigung daher insoweit keine Aussage hinsichtlich der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem öffentlichen Recht trifft, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO.
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3. Drittschützende Rechte der Antragstellerin werden durch die gewählte Erschließung nicht verletzt. Durch die Baugenehmigung droht insbesondere nicht die „automatische“ Einräumung eines Notwegerechts. Zum einen reicht die bestehende dingliche Sicherung für das zugelassene Bauvorhaben aus (3.2.1.). Zum anderen kann ein solches für die Zuwegung von Garagen auf einem an anderer Stelle an die öffentliche Straße angrenzenden Wohngrundstück nicht entstehen, da die Möglichkeit Kraftfahrzeuge dort abzustellen, für eine ordnungsgemäße Erschließung i.S.d. § 917 Abs. 1 BGB nicht erforderlich ist (3.2.2).
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3.1. Das Gebot ausreichender wegemäßiger Erschließung des Baugrundstücks hat grundsätzlich weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2022 – 15 ZB 22.267 – juris Rn. 10; B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 18.2316 – juris Rn. 7; U.v. 22.1.2010 – 14 B 08.887 – juris Rn. 20; vgl. – zur planungsrechtlichen Erschließung – auch BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 2 ZB 15.1558 – juris Rn.4; B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris Rn. 9).
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Zudem ergeht gemäß Art. 68 Abs. 5 BayBO die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter. Soweit ein Nachbargrundstück von der Zufahrt in Anspruch genommen wird, handelt es sich grundsätzlich um eine privatrechtliche Angelegenheit, die vom öffentlich-rechtlichen Verfahren nicht berührt wird. Jedoch kann der Regelung von Art. 68 Abs. 5 BayBO keine Aussage darüber entnommen werden, ob und ggf. wie sich eine bestandskräftige Baugenehmigung in zivilrechtlichen Nachbarstreitigkeiten auswirkt. Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Grundstücksnutzung, die gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, ohne durch eine Baugenehmigung gedeckt zu sein, auch von der Privatrechtsordnung nicht als „ordnungsmäßig“ im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB anerkannt werden; umgekehrt stellt eine durch eine Baugenehmigung gedeckte Grundstücksnutzung auch eine ordnungsmäßige Nutzung im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, die einen Anspruch auf ein Notwegerecht begründen kann (vgl. VG München, U.v. 13.12.2022 – M 1 K 22.3796 – juris Rn. 29). Daher kann einem Nachbarn ein Abwehrrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG dann zustehen, wenn die Umsetzung der Baugenehmigung in Folge des Fehlens der wegemäßigen Erschließung des Baugrundstücks zur Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB an seinem Grundstück führt und damit gleichsam im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Eigentumsrechte bewirkt, ohne dass ihm im Übrigen hiergegen ein sonstiger effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1996 – 4 C 15.95 – BauR 1996, 841 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 30; B.v. 25.3.2022 – 15 ZB 22.267 – juris Rn. 9). Ein Notwegerecht kann dabei nicht nur dann entstehen, wenn eine dingliche Sicherung überhaupt nicht besteht, sondern – als ergänzendes Notwegerecht – auch dann, wenn die vorhandene Sicherung für das geplante Vorhaben und seine Nutzung nicht ausreicht. In allen diesen Fällen haben Verwaltungsbehörden und Gerichte als zivilrechtliche Vorfrage zu prüfen, ob die Zufahrt ausreichend gesichert und nicht auf ein Notwegerecht angewiesen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 6.6.2006 – M 1 SN 06.1698 – juris Rn. 24; U.v. 6.12.1998 – M 8 K 98.5847 – juris Rn. 42).
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In der neuesten Rechtsprechung stellte der BGH jedoch klar, dass der Feststellung, dass eine baurechtlich nicht genehmigte und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähige Nutzung keine ordnungsmäßige Benutzung im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, nicht im Umkehrschluss entnommen werden kann, dass die Nutzung nach öffentlichem Recht zulässiger Bauten ohne weitere Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegerecht dar (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613 Rn. 10).
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3.2. Wegen des im vereinfachten Genehmigungsverfahren nur eingeschränkten Prüfungsumfang entfaltet die Baugenehmigung – wie bereits ausgeführt – Feststellungswirkung nur im Hinblick auf die Übereinstimmung des Vorhabens mit den bauplanungsrechtlichen Anforderungen an die Erschließung (§ 34 BauGB). Nur insoweit kann die Baugenehmigung für die Bestimmung, was nach Maßgabe von § 917 BGB für eine ordnungsgemäße Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, vorgreiflich sein und privatrechtsgestaltende Wirkung entfalten (vgl. VG München, B.v. 16.5.2018 – M 11 SN 18.2107 – BeckRS 2018, 10662 Rn. 22). Auf die Ausführungen der Antragstellerin zur bauordnungsrechtlichen Erschließung kommt es daher auch insoweit nicht an.
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Die wegemäßige Erschließung im Sinne des § 34 BauGB muss mindestens den Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz umfassen. Hierbei reicht grundsätzlich die Erschließung aus, die der jeweilige Innenbereich aufweist (BayVGH, B.v. 7.11.2013 – 2 ZB 12.1742 – juris R. 7; vgl. auch: VG München, B.v. 5.7.2018 – M 9 SN 18.1433 – BeckRS 2018, 14320 Rn. 23 m.w.N., wonach hinreichend der Anschluss des Grundstücks an das öffentliche Straßennetz sein soll, a.A. OVG RhPf, B.v. 20.10.2015 – 8 A 10833/15.OVG – Ls 1 und juris Rn 9 m.w.N., wonach nicht allein die Zugänglichkeit des Baugrundstücks, sondern die des geplanten Gebäudes ausschlaggebend ist).
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Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Zwar liegt das Baugrundstück vorliegend mit seiner gesamten Breite an der E. straße. Grundsätzlich kann jedoch auch dann, wenn nur ein Teil des Grundstücks von dem öffentlichen Weg aus zu benutzen ist, den restlichen Grundstücksteilen (zivilrechtlich) die notwendige Verbindung fehlen (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613, Rn. 12; U.v. 7.7.2006 – V ZR 159/05 – NJW 2006, 3426).
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3.2.1. Das Gericht vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die streitgegenständliche Nutzung durch die bestehende Dienstbarkeit nicht gedeckt sein soll. Das Entstehen eines ergänzenden Notwegerechts ist nicht ersichtlich.
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Zur Ermittlung des ursprünglichen Inhalts einer Dienstbarkeit ist in erster Linie auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Wirtschaftlichen und technischen Veränderungen ist bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs jeweils Rechnung zu tragen. Ist der Inhalt des Wegerechts nach dem Wortlaut der Grundbucheintragung oder der Bewilligung ohne Einschränkung als Recht zum Gehen und Fahren beschrieben, so bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte, um annehmen zu können, das Wegerecht sei auf die Benutzung zu einem bestimmten Zweck beschränkt. Aus der Nutzung des herrschenden Grundstücks zur Zeit der Bestellung der Dienstbarkeit kann eine solche Beschränkung nur hergeleitet werden, wenn ein unbefangener Betrachter unter Berücksichtigung des Grundbuchinhalts und aller zu seiner Auslegung verwertbaren Umstände daraus den eindeutigen Schluss auf eine entsprechende Einschränkung ziehen würde. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jeden erkennbar sind. Ein von der Eintragung abweichender Parteiwille darf demgegenüber bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. Zu den bei der Auslegung einer Grundbucheintragung zu berücksichtigenden, ohne weiteres erkennbaren Umständen gehören die tatsächlichen Verhältnisse der beteiligten Grundstücke, insbesondere die Lage und Verwendungsart des herrschenden Grundstücks. Allerdings liegen Inhalt und Umfang einer zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit nicht in jeder Beziehung von vornherein fest, sondern sind gewissen Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben. Es kommt auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden und äußerlich für jedermann ersichtlichen Charakter des betroffenen Grundstücks an sowie auf das Bedürfnis, von dem Wegerecht in diesem Rahmen Gebrauch zu machen. Dementsprechend kann der Umfang einer Dienstbarkeit mit dem Bedürfnis des herrschenden Grundstücks wachsen, wenn sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Nutzung hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht vorhersehbare oder auf eine willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist. Die (gesetzliche) Anpassung soll unter anderem verhindern, dass der Zweck der Dienstbarkeit durch die entwicklungsbedingte Veränderung der Umstände nicht beeinträchtigt oder gar unmöglich gemacht wird. Sie ist damit eine Konkretisierung des Leistungsinhalts nach § 242 BGB und wie das insoweit vergleichbare Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht von dem tatsächlichen, sondern dem hypothetischen Parteiwillen abhängig. Dabei ist der formelhaften Anknüpfung auch an den Willkürtatbestand zu entnehmen, dass in dieser Fallgestaltung an die Vorhersehbarkeit geringe Anforderungen zu stellen sind (VG München, U.v. 13.12.2022 – M 1 K 22.3796 – juris Rn. 33; U.v. 22.8.2006 – M 1 K 06.1697 – juris Rn. 23, nachfolgend BayVGH, B.v. 19.2.2007 – 1 ZB 06.3008 – juris Rn. 17; s. auch BGH, U.v. 27.1.1960 – V ZR 148/58 – juris Rn. 10; U.v. 11.4.2003 – V ZR 323/02 – juris Rn.10 ff. m.w.N.).
34
Nach der dem Gericht vorliegenden Urkunde ist der jeweilige Eigentümer der herrschenden Grundstücke (Baugrundstück) berechtigt, über das dienende Grundstück (Wegegrundstück) zu gehen und zu fahren. Das im Grundbuch eingetragene Geh- und Fahrtrecht ist dem Wortlaut nach von Nutzungsart und -umfang her unbeschränkt bestellt, eine Bezugnahme zu dem damaligen Bestand auf dem herrschenden Grundstück ist nicht erfolgt. Besondere weitere Umstände sind nicht – schon gar nicht für jeden eindeutig – erkennbar.
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Die weiteren getroffenen Vereinbarungen – Herstellung eines Fahrbahnbelags, Kostentragung, Versicherung, Lärm, Verschmutzung – betreffen offensichtlich nicht den Umfang des Geh- und Fahrtrechts, sondern dienen der Minimierung der Kosten und der Auswirkungen für bzw. auf das dienende Grundstück. Es handelt sich um eine vertragliche Ausformulierung der bereits aus Gründen der Billigkeit gebotenen schonenden Ausübung der Dienstbarkeitsnutzung.
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Die Formulierung „der jeweilige Eigentümer“ ist eine übliche Standardformulierung und bedeutet entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Exklusivität. Im Gegenteil lassen Sinn und Zweck der Bestellung der Grunddienstbarkeit, wie sie aus der Eintragungsbewilligung erkennbar sind (vgl. zur Auslegung von Dienstbarkeiten auch: OLG Saarbrücken, U.v. 25.7.2018 – 1 U 121/17 – juris) nur den Schluss zu, dass von der Grunddienstbarkeit auch die Nutzung des Wegegrundstücks durch Dritte aus dem Rechtskreis des Eigentümers des herrschenden Grundstücks umfasst ist. Bereits zum Zeitpunkt von Eintragung und Bewilligung war das herrschende Grundstück mit einem Mietshaus bebaut. Die ausschließliche Nutzung des Wegegrundstücks durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, nicht aber durch Mieter oder weitere zur ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks erforderliche Dritte entspricht offensichtlich weder dem Willen der damaligen Parteien noch dem Sinn und Zweck der Eintragung, nämlich der Erschließung des Innenhofs.
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Der Ausbau des bestehenden Wohngebäudes und die Erweiterung um zwei Wohneinheiten ca. 70 Jahren nach der Errichtung, welche mit dem An- und Abfahrtsverkehr zu zwei weiteren Stellplätzen einhergeht, entspricht einer üblichen Bedarfssteigerung des wohngenutzten Grundstücks, welche allein auf einer naturgemäßen Fortentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse beruht. Es handelt sich um eine ortsübliche und absehbare Nutzungsintensivierung, die das dienende Grundstück ersichtlich nicht unbillig belastet. Eine spürbare, ungerechtfertigte Belastungsmehrung durch die zusätzlichen Fahrten von und zu den beiden weiteren Stellplätzen ist bei üblicher Nutzung nicht erkennbar.
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3.2.2. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, entsteht ein ergänzendes Notwegerecht durch die streitgegenständliche Baugenehmigung – selbständig tragend – deshalb nicht, weil die bestehende Verbindung des Baugrundstücks mit dem öffentlichen Weg (Anliegen an der …rstraße) für die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks im Sinne des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ausreicht. Bei einem Wohngrundstück gehört das Abstellen von Kraftfahrzeugen nicht zu einer ordnungsmäßigen Nutzung im Sinne des § 917 BGB. Folglich kommt bei einem solchen Grundstück ein N.weg nicht in Betracht, um eine Zufahrt zu einer Garage zu schaffen, die über die bestehende Verbindung zu einem öffentlichen Weg nicht erreichbar ist (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613 – Rn. 13).
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Welche Art der Benutzung eines Grundstücks i.S.v. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnungsmäßig ist, bestimmt sich nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks, sondern danach, was nach objektiven Gesichtspunkten diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Zu berücksichtigen sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Benutzung bei einem Wohngrundstück setzt in der Regel (nur) die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus. Von der Erreichbarkeit des Grundstücks zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück zu fahren und den Personenkraftwagen dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für das ein N.weg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, so kann es mit Personenkraftwagen angefahren werden. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken selbst dann gewährleistet, wenn keine Personenkraftwagen auf dem Grundstück abgestellt werden können. Eine Zufahrt über das Nachbargrundstück, um das Fahrzeug auf dem eigenen Wohngrundstück abstellen zu können, ist dem Eigentümer nach § 917 Abs. 1 BGB nicht zuzubilligen. Ausschlaggebend dafür ist, dass angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein N.weg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, an das Fehlen einer für die ordnungsmäßige Benutzung notwendigen Verbindung strenge Anforderungen zu stellen sind und daher Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks rechtfertigen (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613, Rn. 9 m.w.N.). Ausreichend ist, wenn Kraftfahrzeuge vor dem Grundstück oder in seiner nächsten Nähe auf der Straße nur unter Schwierigkeiten, jedenfalls aber in benachbarten Straßen abgestellt werden können (BGH, U.v. 18.10.2013 – V ZR 278/12 – NJW-RR 2014, 398).
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Die ordnungsgemäße Benutzung (§ 917 Abs. 1 Satz 1 BGB) des ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Baugrundstücks erfordert es bei Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nicht, dass dem Vorhaben zuordenbare Fahrzeuge im von der Erschließungsstraße (.straße) aus nicht erreichbaren Innenhof abgestellt werden können. Das Baugrundstück ist mit Kraftfahrzeugen ohne Weiteres anfahrbar und die Fahrzeuge können in der Erschließungsstraße oder benachbarten Straßen abgestellt werden, sodass ein Notwegerecht zulasten der Antragstellerin nicht in Betracht kommt. Eine besondere Situation, die im Einzelfall eine andere Beurteilung erfordern würde, ist nicht ersichtlich.
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4. Verstöße gegen weitere, drittschützende Normen des Bauplanungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO i.V.m. § 34 BauGB) sind nicht ersichtlich. Das Vorhaben verstößt insbesondere nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
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4.1. Es kann dabei dahinstehen, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v.12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Zur Bestimmung dessen, was dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, ist insbesondere die nähere Umgebung als (städte-)baulicher Rahmen, in den das Vorhaben- und Nachbargrundstück eingebettet sind, sowie die jeweilige besondere bauliche Situation der betroffenen Grundstücke in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 22.3.2022 – M 8 K 20.3855 – juris Rn. 29; U.v. 14.6.2021 – M 8 K 19.2266 – juris Rn. 41).
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4.2. Dieses berücksichtigend wird der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots notwendige Interessenausgleich zwischen hinzutretender und vorhandener Bebauung durch das Vorhaben gewahrt. Insbesondere geht von dem Vorhaben schon aufgrund der Stellung der Gebäude zueinander, der Höhenverhältnisse sowie der Ausbildung der nordwestlichen Grenzwand des Gebäudes …straße 2a als Brandwand keine erdrückende oder einmauernde Wirkung aus, noch ist ein nicht mehr hinnehmbarer Verschattungseffekt zu besorgen.
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Überdies gibt das Rücksichtnahmegebot dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. Sächs. OVG, B.v. 23.2.2010 – 1 B 581/09 – juris Rn. 5). Diese sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und regelmäßig hinzunehmen. Eine vom Regelfall abweichende Sondersituation ist auch bei Berücksichtigung insbesondere der Dachterrassen und Gauben nicht erkennbar. Unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeiten hinsichtlich des Vordergebäudes scheiden schon deswegen aus, da insbesondere von der Dachterrasse aus vorrangig die Dachlandschaft zu sehen ist und die Terrasse zum Schutz der Nachbarschaft von der gemeinsamen Grenze abgerückt errichtet wird. Gleiches gilt für Dach und Brandwand des Rückgebäudes. Die Dachterrasse an der Nordostseite des Rückgebäudes ist bereits gegenwärtig Einblicken von der Bestandsbalkonanlage des Vordergebäudes auf dem Baugrundstück ausgesetzt. Eine unzumutbare Intensivierung kann angesichts der dicht bebauten innerstädtischen Lage auch bei Berücksichtigung der Gauben und Dachterrassen für zwei weitere Wohnungen nicht ausgemacht werden, zumal auch hier gilt, dass Letztere zum Schutz der Nachbarschaft von der Grenze abgerückt errichtet wird.
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Ob sich das Vorhaben und insbesondere der „Dachgarten mit Dachterrassen“ darüber hinaus nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB) ist nicht von Belang, da der Antragstellerin insoweit über das Gebot der Rücksichtnahme hinaus keine weiteren subjektiven Rechte zustehen.
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4.3. Die Anzahl und die Situierung der Stellplätze auf dem Baugrundstück sowie der damit einhergehende Verkehr lassen ebenso keine für die Antragstellerin unzumutbaren Auswirkungen erwarten. Diese sind als sozialadäquat hinzunehmen.
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Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind in Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Bauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 23 m.w.N.). Diese Grundsätze sind auch auf den unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB (Gemengelage) übertragbar.
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Die hier vorgesehenen zwei Stellplätze (Doppelparker) entsprechen dem Stellplatzbedarf nach der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin (Satzung der Antragsgegnerin über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge vom 19. Dezember 2007, MüAbl. Sondernummer 1, S. 1). Eine Sondersituation ist nicht erkennbar, zumal angesichts der wenigen zu erwartenden Fahrten keine unzumutbare Belästigung zu erwarten ist und der betroffene Innenhof seit Jahrzehnten eine entsprechende Vorprägung durch Kraftfahrzeugnutzung aufweist.
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Ebensowenig lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass von den ein- und ausfahrenden Kraftfahrzeugen unzumutbare Lichtemissionen zulasten des Nachbargrundstücks ausgehen. Einem subjektivem Fehlverhalten Einzelner ist nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern regelmäßig mit Mitteln des Zivil-, Straf-, und Ordnungswidrigkeitenrechts zu begegnen.
50
4.4. Eine Verletzung von drittschützenden Rechten durch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB wegen Abrückens von der Baulinie zur …rstraße ist offensichtlich nicht gegeben. Der hier betroffenen Festsetzung (§ 30 Abs. 3 BauGB) kommt keine nachbarschützende, sondern eine bloß städtebauliche Funktion zu. Auf die objektive Rechtmäßigkeit der Befreiung kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin in diesem Punkt ist nicht gerügt und nicht ersichtlich (vgl. zum Nachbarschutz bei einer Befreiung von einer nur dem Interesse der Allgemeinheit dienenden Festsetzung: BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris Rn. 17; B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 6, BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 CS 19.1595, BeckRS 2019, 32500).
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5. Das Vorhaben verstößt ferner nicht gegen weitere, (zumindest auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 59 Satz 1 Nr. 1b) BayBO i.V.m. Art. 6 BayBO.
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5.1. Grundsätzlich gilt, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten sind, die auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Eine Abstandsfläche ist jedoch nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO.
53
Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze – wie hier – zudem die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, außer Betracht (vgl. auch BayVGH, B.v. 2.8.2022 – 2 ZB 22.1229 – n.V.; VG München, U.v. 28.3.2022 – M 8 K 20.3855 – juris Rn. 48; VG München, B.v. 27.3.2023 – M 8 SN 23.1010 – juris Rn. 37). Unter Dachaufbauten versteht man Gebäudeteile, Bauteile und sonstige (bauliche) Anlagen, die innerhalb der Dachfläche liegen, über die Dachfläche hinausragen und nicht Bestandteil des Dachs sind. Hierunter fallen u.a. Dachgauben, Dachlaternen, Glaskuppeln, Aufzugsaufbauten und Technikräume, aufgeständerte Dachterrassen sowie deren Geländer und oben geschlossene Pergolen über Dachterrassen (Kraus/Harant in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 150. EL Februar 2023, Art. 6 Rn. 243f.).
54
Aufgrund Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO fallen sowohl für die östlichen, zum Nachbargrundstück hin ausgerichteten Seitenwände der Notleiteranlage (sofern man diese als abstandsflächenpflichtiges Bauteil betrachten wollte) als auch für die entsprechenden Seitenwände der Dachgauben und die von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurückgesetzte Dachterrassenumwehrung auf der Ostseite keine Abstandsflächen an. Gleiches gilt für die östliche Seitenwand des eingehausten Dachaustritts bzw. Oberlichts. Anhand der genehmigten Bauzeichnungen ist auszumachen, dass dieses Bauteil in seiner Wirkung einer Dachlaterne bzw. einer geschlossenen Pergola vergleichbar ist. Insbesondere dient er nicht als Aufenthaltsraum, sodass auch diesem Bauteil die Privilegierung des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO zugutekommt.
55
Da eine Abstandsfläche für die vorgenannten Bauteile nicht erforderlich ist, ist nicht erheblich, ob die hierfür erteilte Abweichung rechtmäßig ist, da eine Rechtsverletzung der Antragstellerin insoweit ausscheidet.
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5.2. Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO gilt allerdings nur in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen, an die das jeweilige Gebäude grenzständig angebaut ist (VG München, U.v. 11.07.2022 – M 8 K 21.1030 – BeckRS 2022, 22948 Rn. 61 m.w.N.), hier also nicht für die hofseitige Außenwand. Die im Übrigen für die „Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück“ erteilte Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist jedoch nicht zu beanstanden.
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Zweifelsfrei vermag die hofseitige südliche Außenwand bei einer Oberkante der Attika von +16,76 m (natürliche Geländeoberfläche bei -0,37m) und einer Oberkante des Geländes der Dachterrassenumwehrung von +17,73 m sowie einer Höhe des Dachaustritts von +18,91 m die erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück aufgrund des schrägen Grenzverlaufs nicht einzuhalten (vgl. den genehmigten Abstandsflächenplan).
58
Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann (seit 1.8.2023 „soll“) die Bauaufsichtsbehörde jedoch Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird (vgl. grundsätzlich zu den Voraussetzungen einer Abweichung: BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 16 ff; B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 3; U.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 – 2 CS 14.2199 – juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 – 2 ZB 14.2077 – juris Rn. 3; B.v. 9.2.2015 – 15 ZB 12.1152 – juris Rn. 8 ff).
59
Es kann offenbleiben, ob die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO nach Einfügung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch eine atypische Situation voraussetzt (Bayer. Landtag Drucksache 17/21474, zu Nr. 5 (Art. 6); vgl. zu den Voraussetzungen einer Atypik: BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris, RdNr. 34 m.w.N., vgl. ferner zur neuesten Rechtsprechung des BayVGH zum Erfordernis der Atypik: B.v. 2.5.2023 – 2 ZB 22.2484 – BeckRS 2023, 10147, ablehnend; U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – juris Ls und Rn. 26; B.v. 19.9.2023 – 15 CS 23.1208 – juris Rn. 22, jeweils bejahend), denn eine solche liegt hier zweifelsohne vor.
60
Die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem – wie hier – allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris, Rn. 36). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation überdies dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; VG München, B.v. 12.9.2017 – M 8 SN 17.3732, bestätigt durch BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 2 CS 17.1969 – juris). Ferner begründen auch die außergewöhnlichen Grundstückszuschnitte von Bau- und Nachbargrundstück insbesondere aufgrund der schräg verlaufenden Grenze eine besondere Atypik. Die Bebaubarkeit des Baugrundstücks wäre unter Berücksichtigung von Abstandsflächenvorschriften in besonderem Maße erschwert (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 19.3.2013 – 2 B 13.99 – BayVBl 2013, 729). Bei einem ideal geschnittenen Grundstück mit geradem Grenzverlauf kämen die Abstandsflächen vorliegend entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Baugrundstück selbst und nicht auf dem Nachbargrundstück zu liegen.
61
Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften werden die schützenswerten Belange der Antragstellerin (im Wesentlichen Belichtung, Besonnung und Belüftung) durch die Erteilung der Abweichung nicht unzumutbar beeinträchtigt.
62
Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 17). Art. 6 BayBO bezweckt im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, nach umstrittener Ansicht auch den sozialen Wohnfrieden (vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 33). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 20).
63
Die durch Art. 6 BayBO geschützten Belange der Antragstellerin werden durch die Erteilung der Abweichung nicht wesentlich berührt. Im Gegenteil ergibt sich für die Antragstellerin durch das Vorhaben hinsichtlich Belichtung, Besonnung und Belüftung keine merkliche Veränderung gegenüber der Bestandssituation. Die Abstandsflächenmehrung betrifft ausschließlich die Dachfläche des Rückgebäudes …str. 2a, welche, wie das Gericht durch Einsichtnahme von allgemein zugänglichen Luftbildern (Google Maps) feststellen konnte, im Wesentlichen über eine geschlossene, nicht befensterte Dacheindeckung verfügt. Eine zusätzliche Verschattung dieses Wohngebäudes, dessen Fenster vorrangig nach Südosten ausgerichtet sind, wird durch das Vorhaben nicht bewirkt. Hinsichtlich der Dachterrasse an der Nordostseite des Rückgebäudes tritt gegenüber der bereits durch den Bestand vorhandenen Verschattung in Bezug auf die Belichtungssituation ebenfalls keine Veränderung ein.
64
Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation ist auch ein die Belange der Antragstellerin überwiegendes Bauherreninteresse gegeben. Hierzu zählt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum (BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 5). Der Nachbar hat überdies kein Recht darauf, dass eine Norm um ihrer selbst willen eingehalten wird; seine Belange sind zutreffend gewürdigt, wenn er – wie hier – nicht tatsächlich bzw. spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand August 2023, Art. 63 Rn. 39).
65
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der Prüfung der Abweichung mit der Situation der Antragstellerin in sachgerechter Weise unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts auseinandergesetzt. Die nachbarlichen Belange wurden insbesondere angesichts der Lage der Grundstücke im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zutreffend ermittelt und gewürdigt.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
67
Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten nicht erstattet erhält, da er keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.