Titel:
Rücknahme eines Kleinen Waffenscheins wegen Mitgliedschaft in der "Jungen Alternative für Deutschland" (JA)
Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 10 Abs. 4 S. 4, § 45 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Es genügt vielmehr das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, also der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht der Verfolgung solcher Bestrebungen. Ein Nachweis der Verfolgung solcher sicherheitsgefährdender Bestrebungen ist nicht erforderlich. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anhaltspunkte, die im Verdachtsgehalt vage bleiben und nicht auf Tatsachen beruhen, genügen nicht. Lässt sich folglich ein Sachverhalt nicht abschließend klären, besteht aber ein tatsachenbegründeter Verdacht, dass ein Regelunzuverlässigkeitstatbestand vorliegt, dann wiegt das damit verbleibende Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und den daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter höher als die Freiheit, solche Waffen besitzen zu dürfen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die "Junge Alternative für Deutschland" (JA) dürfte eine Vereinigung iSd § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b und c WaffG darstellen, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass deren Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zu den relevanten Unterstützungshandlungen iSv § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. c WaffG zählt die Wahrnehmung von leitenden Funktionen in der Vereinigung. Wer herausgehobene Ämter in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Vereinigung in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücknahme eines Kleinen, Waffenscheins, Waffenrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, Waffenrecht, Zuverlässigkeit, Kleiner Waffenschein, Junge Alternative für Deutschland (JA), Mitgliedschaft, verfassungsfeindliche Bestrebungen, tatsachenbegründeter Verdacht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.11.2023 – 24 CS 23.1695
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31290
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner erhobenen Klage gegen die Rücknahme seines Kleinen Waffenscheins sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. März 2023.
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Am 10. Januar 2022 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung eines Kleinen Waffenscheins. Im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung teilte die Kriminalpolizeiinspektion I. der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. Januar 2022 einen Vorfall am 7. März 2020 mit, bei dem der in der Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden: AfD) tätige Antragsteller an einem politischen AfD-Werbestand mit einem Passanten in Streit geraten und Beleidigungen gefallen seien. Beide Beteiligte hätten sich schlussendlich die Hand gegeben.
3
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilte mit Schreiben vom 28. Februar 2022 im Wesentlichen mit, dass der Antragsteller bis mindestens ... der Jungen Alternative (JA) B. gewesen sei. Die JA B. sei seit Januar 2019 ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Im Zusammenhang mit einem Auskunftsersuchen habe der Antragsteller dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz im November 2020 die Kündigung der Mitgliedschaft in der JA übermittelt. Hintergründe hierzu lägen nicht vor. Die programmatischen Aussagen der JA enthielten eine aggressive Rhetorik, in der eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung teilweise offen zu Tage trete, wozu im Folgenden unter Bezugnahme auf den Verfassungsschutzbericht Bayern 2020 weiter ausgeführt wurde. Das Schreiben wurde an das Landratsamt E. versandt.
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Am 21. März 2022 erteilte die Antragstellerin dem Antragsteller den Kleinen Waffenschein Nr. …
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Mit E-Mail vom 2. Juni 2022 übersandte die Regierung von Oberbayern der Antragsgegnerin die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 28. Februar 2022. Mit weiterer E-Mail vom 10. August 2022 teilte die Regierung von Oberbayern der Antragsgegnerin unter Verweis auf ein IMS vom 30. Juli 2018 mit, dass aufgrund der Tätigkeit des Antragstellers bei der JA B. vor Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die Zustimmung der Regierung einzuholen und der Betroffene anzuhören sei, wenn Erkenntnisse gegen seine Zuverlässigkeit sprächen, was nicht erfolgt sei.
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Ausweislich einer in der Behördenakte enthaltenen Aktennotiz habe die Antragsgegnerin erst nach Erhalt des Schreibens des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz am 2. Juni 2022 von der Tätigkeit des Antragstellers in der JA B. und deren Einstufung als Beobachtungsobjekt erfahren. Es würden weitere Ermittlungen angestellt. Der Antragsteller sei am 5. Oktober 2022 zu seiner Tätigkeit und Mitgliedschaft in der JA angehört worden. Er habe ausgeführt, im Jahr 2020 aus der Vereinigung ausgetreten zu sein. Den Posten habe er nur angenommen, weil damals niemand anderes gefunden worden sei. Er bezeichne die Vereinigung mittlerweile als bedeutungslosen „Zombieverein“. Er habe nichts gegen Ausländer und mit vielen bereits im Betrieb seines Bruders gut zusammengearbeitet. Der Antragsteller sei auf die aktuelle Rechtslage hingewiesen worden, dass bei weiteren polizeilichen oder verfassungsrechtlichen Meldungen der Kleine Waffenschein entzogen werden könne. Nach einschlägiger Rechtsprechung lägen bei seinem Verhalten Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, „dass er die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitze“. Es seien der Antragstellerin auf Nachfrage seitens der Polizei keine weiteren Vorkommnisse gemeldet worden. Die Ausführungen des Antragstellers hätten die Einschätzung ergeben, dass er sich glaubhaft von seiner vergangenen Tätigkeit in der JA B. distanziert habe. Es werde auf das Prüfungsergebnis der Regierung gewartet.
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Mit E-Mail vom 13. Oktober 2022 führte die Regierung von Oberbayern u.a. aus, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe die JA am 15. Januar 2019 zum Verdachtsfall erklärt, da hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vorlägen. Dies sei durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt worden (B.v. 19.6.2020 – OVG 1 S 55/20). Die Angaben des Antragstellers stellten keine Widerlegung der Unzuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG dar. Er sei Mitglied gewesen und habe den … angenommen, weil kein anderer zur Verfügung gestanden habe. Das heiße, er habe sich definitiv mit den Inhalten identifiziert. Allein aus alltäglichen logischen Gesichtspunkten nehme eine Person nicht ohne weiteres eine Position mit viel Verantwortung und Wirkung nach außen an. Die Tatsache, dass der Antragsteller die JA jetzt als „Zombieverein“ bezeichne, genüge nicht als glaubhafte und tiefgründige Distanzierung.
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Aus dem weiteren E-Mail-Verkehr zwischen der Antragsgegnerin und der Regierung von Oberbayern geht hervor (vgl. Bl. 18 der Behördenakte), dass auch ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 9. November 2022 nichts an der Auffassung der Regierung, dass eine ausreichende Distanzierung nicht vorliege, ändere. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz habe nur mitgeteilt, dass aktuell keine verwertbaren Informationen vorlägen. Tatsächlich habe die Mitgliedschaft aber bestanden und daher greife § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a WaffG. Es würde keine Zustimmung erteilt, vielmehr sei die Erlaubnis durch die Antragsgegnerin zu widerrufen. Aus dem E-Mail-Verkehr geht weiter hervor, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration der Auffassung der Regierung bezüglich der unglaubhafte Distanzierung des Antragstellers zugestimmt habe. Zudem sei der Antragsteller aktives …Mitglied der JA gewesen, sodass der Widerruf der Erlaubnis zwingend sei (vgl. Bl. 16 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 20. Januar 2023 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Hinweis auf dessen zwischenzeitlich bekannt gewordene Mitgliedschaft und Tätigkeit in der JA B. zu dem beabsichtigten Widerruf seines Kleinen Waffenscheins an.
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Der bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte des Antragstellers äußerte sich mit Schreiben vom 6. Februar 2023 und 16. Februar 2023. Der Antragsteller stehe auf dem Boden des Grundgesetzes und achte die freiheitliche demokratische Grundordnung. Er habe dies bisher als zuverlässiger Steuer- und Gebührenzahler bewiesen und sei noch nie im Zusammenhang mit staatsfeindlichen Aktionen aufgefallen. Bei der sog. JA handele es sich um die Jugendorganisation der AfD, welche aufgrund demokratischer Wahlen im Bundestag und den Landtagen sitze. Tatsächlich sei die JA vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft worden. Dies bedeute, dass sich der Verdacht in einer gewissen Weise beim Verfassungsschutz erhärtet habe, ohne schon eine abschließende Kategorisierung einer Bestrebung als extremistisch treffen zu können. Die Begriffe „radikal“, „extremistisch“ oder „staatsfeindliche Ideologie“ würden weder im Waffengesetz noch im Bundesverfassungsschutzgesetz verwendet. Dies bedeute nach dem Vorbehalt des Gesetzes, dass ein Verhalten nur dann zum Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen führe, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c WaffG vorlägen. Allein die Tatsache, dass es sich um einen Verdachtsfall handele, zeige bereits, dass die Prüfung nicht abgeschlossen sei. Das Amt, welches der Antragsteller im Jahr … … … … … … … der JA ausgeübt habe, möge ein Indiz für eine Weltanschauung oder Gesinnung sein, stelle aber noch keine Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, d. h. eine politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet sei, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG). Im Falle des Antragstellers sei noch nicht einmal festgestellt worden, welche konkreten Bestrebungen bzw. wessen Bestrebungen er unterstützt habe. Insofern reiche es nicht aus, dass einzelne Vertreter der Mutterpartei AfD, welche teilweise sogar aus der Partei ausgeschlossen worden seien oder werden sollten, eine extremistische Weltanschauung an den Tag gelegt hätten. Keinesfalls lasse sich daraus ein Schluss auf die Weltanschauung des Antragstellers ableiten. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, dass er ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umgehe; insbesondere sei er nicht auffällig geworden.
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Mit Bescheid vom 3. März 2023, dem Bevollmächtigten des Antragstellers auf elektronischem Wege am gleichen Tage zugestellt, nahm die Antragsgegnerin den am 21. März 2022 ausgestellten Kleinen Waffenschein Nr. … zurück (Nr. 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, den Kleinen Waffenschein Nr. … bis spätestens 23. März 2023 im Ordnungs- und Gewerbeamt abzugeben (Nr. 2). Für den Fall, dass der Kleine Waffenschein nicht bis zum 23. März 2023 zurückgegeben werde, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,- Euro zur Zahlung fällig (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und es wurde eine Gebühr in Höhe von 100,- Euro festgesetzt (Nr. 5).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen der Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit habe das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, dass der Antragsteller im Jahr … … … … … … der JA gewesen sei. Die JA werde aufgrund von extremistischen Bestrebungen durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt geführt (vgl. Verfassungsschutzberichte Bayern 2019 bis 2022). Der Kleine Waffenschein sei nach § 45 Abs. 1 WaffG zurückzunehmen, weil nachträglich bekannt geworden sei, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Aufgrund der Mitgliedschaft und der Tätigkeit im … der JA hätte dem Antragsteller der Kleine Waffenschein gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und c WaffG versagt werden müssen, da er die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die erforderliche Zuverlässigkeit besäßen in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung gewesen seien, die Bestrebungen verfolge oder verfolgt habe, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet seien. Die JA sei als solche Vereinigung zu klassifizieren. Sie habe extremistische Bestrebungen und werde deshalb vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt eingestuft. Hierzu werde konkret auf die Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten Bayern 2019 bis 2022 hingewiesen. Zur Beobachtung der bundesweit aktiven JA hätten hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung geführt, die sich unter anderem aus programmatischen Aussagen der JA ergäben, in denen eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung offen zu Tage trete. Unter Verwendung teils aggressiver Rhetorik habe die JA immer wieder vor einem ”Bevölkerungsaustausch“ durch Muslime gewarnt und dies als angebliches Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung dargestellt. Diese Aussagen der JA machten deutlich, dass die Würde des Menschen als oberster Wert der Verfassung nicht respektiert werde. Die JA vertrete einen ethnisch homogenen Volksbegriff und mache jene, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehörten, in eindeutiger Weise verächtlich. So habe die JA die Migrationspolitik der Bundesregierung im Jahr 2019 als ”wahnsinniges Bevölkerungsexperiment“ bezeichnet, für das das ”Volk […] mit seinem Blut“ bezahle und das dazu führe, dass das deutsche Volk abgeschafft werde“. Verfassungsschutzrechtlich relevant sei ein Volksbegriff, der von einer ethnisch homogenen Gemeinschaft ausgehe. Danach würde denjenigen Personen, die nicht dem „ethnisch definierten Volk“ angehörten, der sich aus der Menschenwürde ergebende Achtungsanspruch abgesprochen und die elementare Rechtsgleichheit verweigert. Dies widerspreche dem in der Verfassung verankerten Volksverständnis, wonach alle Personen – unabhängig von der ethnischen Herkunft – dem deutschen Volk angehörten, die die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen. Die JA sei vom Bundesamt für Verfassungsschutz am 15. Januar 2019 aus den genannten Gründen zum Verdachtsfall erklärt worden. Die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in der Entscheidung vom 19. Juni 2020 bestätigt worden, wozu weiter ausgeführt wurde. Die JA in Bayern verfüge derzeit über 100 Anhänger/Mitglieder in vier Bezirksverbänden. Schon allein die Mitgliedschaft in der JA sei für die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausreichend (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG). Der Nachweis konkreter Aktivitäten mit entsprechender Zielrichtung in der Vereinigung sei für die Annahme einer Regelunzuverlässigkeit nicht erforderlich. Aus Sicht des Gesetzgebers stelle die Mitgliedschaft in einer verfassungswidrigen Vereinigung ein ”Mehr“ gegenüber einer bloßen Unterstützung von außen dar und sei daher ebenso geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass eine Person mit Waffen verantwortungsvoll umgehe. Aufgrund der geringen Mitgliederzahl und der Tätigkeit des Antragstellers als … … … … lasse sich darauf schließen, dass der Antragsteller die Bestrebungen der JA nicht nur mitgetragen bzw. i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG unterstützt habe, sondern im Rahmen seines Amts sogar maßgeblich geprägt habe. Durch solch aktives, über eine reine Mitgliedschaft hinausgehendes freiwilliges Engagement sei die JA in ihrer Existenz gesichert worden. Damit sei deren Fortbestand möglich geworden, was es wiederum der JA ermöglicht habe, die Bestrebungen weiter zu führen. Auch der zeitnahe Austritt und die Distanzierung im Gespräch vom 5. Oktober 2022 könne hieran nichts ändern, da seit dem Ausscheiden des Antragstellers aus der JA noch keine fünf Jahre vergangen seien. Dass der Antragsteller nach dem Vortrag seines Bevollmächtigten in der Vergangenheit den ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition unter Beweis gestellt habe und nicht auffällig geworden sei, ändere an der anzunehmenden waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nichts. Der Besitz von Waffen, für deren Führen ein Kleiner Waffenschein erforderlich sei, sei erlaubnisfrei und die Waffen nicht eintragungspflichtig. Deshalb lasse sich vom Besitz eines Kleinen Waffenscheins nicht ableiten, ob der Antragsteller überhaupt eine Schreckschusswaffe besitze. Auch die bisherige Unauffälligkeit könne den Vorwurf der Unzuverlässigkeit nicht entkräften. Unabhängig davon sei ein beanstandungsfreier Waffenbesitz in der Vergangenheit notwendig, jedoch nicht ausreichend, um die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Denn ein (wohl: beanstandungsfreies) waffenrechtliches Verhalten in der Vergangenheit müsse ohnehin bei jedem Waffenbesitzer Voraussetzung sein. Die Tatbestandsmerkmale des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG seien damit erfüllt und der Kleine Waffenschein Nr. … sei zurückzunehmen. Ein behördliches Ermessen bestehe nicht. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG sei der widerrufene Kleine Waffenschein unverzüglich zurückzugeben. Die Rückgabe solle ohne schuldhaftes Verzögern (vgl. § 121 BGB) erfolgen. Hierdurch solle die missbräuchliche Verwendung ungültiger Erlaubnisdokumente im Rechtsverkehr verhindert werden. Die Androhung des Zwangsgelds stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Frist sei angemessen und ermessensgerecht, wozu weiter ausgeführt wurde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass für die Verpflichtung zur Abgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis der Sofortvollzug angeordnet werde. Es müsse verhindert werden, dass einer nichtberechtigten Person das Führen einer erlaubnisfreien Waffe in der Öffentlichkeit ermöglicht werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs trage eine im Waffenrecht festgestellte Unzuverlässigkeit wegen der besonderen Sicherheitslage im Regelfall auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung von waffenrechtlichen Maßnahmen ohne zusätzliche Begründung, weil der Besitz eines Kleinen Waffenscheins und das damit verbundene Führen von Waffen in der Öffentlichkeit durch unzuverlässige Personen für die Gemeinschaft eine nicht hinnehmbare Gefahr darstelle. An die Begründung der sofortigen Vollziehung seien in solchen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen. Besondere Umstände, die ein weitergehendes Interesse am Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis, welche das Führen von erlaubnisfreien Waffen in der Öffentlichkeit zulasse, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Die Kostenentscheidung beruhe auf den – im Einzelnen zitierten – einschlägigen Vorschriften des Kostenrechts.
13
Hiergegen erhob der Bevollmächtige des Antragstellers am 28. März 2023 Klage (M 7 K 23.1518) und stellte zugleich einen Eilantrag. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei fehlerhaft. Eine solche müsse besonders begründet werden. Vorliegend erschöpfe sich die Begründung bestenfalls in demselben Argument, mit dem in der Hauptsache der Widerruf des Kleinen Waffenscheins begründet werde. Das sei keine separate Begründung und in der Vergangenheit schon von Verwaltungsgerichten in anderen Angelegenheiten aufgehoben worden. Ansonsten sei der Behördenvortrag formelhaft und der Bezug zum aktuellen Fall werde nicht hergestellt. Der Widerrufsbescheid benenne lediglich allgemeine Erwägungen zum Thema Sofortvollzug, stelle aber nicht kausal den Zusammenhang zu einem möglichen, zu befürchtenden Waffenmissbrauch des Antragstellers her. Eine solide Sachverhaltsaufklärung sei von der Behörde nicht vorgenommen, geschweige denn im Bescheid kommuniziert worden; an diesem Mangel leide auch der Sofortvollzug. Anscheinend handele die Waffenbehörde auf Anweisung und nutze das zur Verfügung gestellte spärliche und wenig aussagekräftige Material. Der Behördenvortrag, der Antragsteller sei Mitglied in der JA gewesen, könne keinen für den Sofortvollzug brauchbaren Erkenntnisgewinn bieten. Im Fall des Antragstellers sei noch nicht einmal festgestellt worden, welche konkreten Bestrebungen bzw. wessen Bestrebungen er persönlich unterstützt haben solle. Insofern reiche es nicht aus, dass einzelne Vertreter der Mutterpartei AfD, welche teilweise sogar aus der Partei ausgeschlossen worden seien oder werden sollten, eine extremistische Weltanschauung an den Tag gelegt hätten. Keinesfalls lasse sich daraus ein Rückschluss auf die Weltanschauung des Antragstellers ziehen. Ähnlich sei bereits durch das Verwaltungsgericht Magdeburg (vgl. B.v. 28.2.2023 – 1 B 212/22 MD) entschieden worden, aus dem im Folgenden zitiert wurde. Es sei schon deshalb antragsgemäß zu entscheiden. Bei summarischer Prüfung erweise sich der Ausgang der Klage als offen, wenn nicht sogar als erfolgreich. Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens schon aufgrund des unzureichend geschilderten Lebenssachverhalts völlig offen sei, seien bei einer Entscheidung über den vorliegenden Antrag alle wechselseitigen Interessen zu ermitteln und zu gewichten. Die vorzunehmende Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers für die Dauer des Hauptsacheverfahrens Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gebühre. Vorliegend könne nämlich der Vollzug des Bescheids ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen aufgeschoben werden. Es werde zu Unrecht von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen, folglich bestehe auch kein besonderes öffentliches Interesse an der Durchführung der getroffenen Anordnungen. Im Rahmen des Klageverfahrens (M 7 K 23.1518) wurde über das mit Schriftsatz vom 16. Februar 2023 bereits im Verwaltungsverfahren Vorgetragene hinaus ausgeführt, es seien keine belastbaren und im Einzelnen nachprüfbaren Tatsachen in der Person des Antragstellers gegeben, die ihn als gesichert verfassungsfeindlich erscheinen ließen, sodass eine Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und c WaffG gegeben wäre. Der Antragsteller kandidiere für die AfD bei der Landtagswahl am 8. Oktober 2023. Er fühle sich der freiheitlich demokratischen Ordnung verpflichtet und achte das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung. Die mit Zwangsgeld flankierte Aufforderung, den Kleinen Waffenschein bis zum 23. März 2023 (also gut eine Woche vor Ablauf der Klagefrist) abzugeben, beschneide den Antragsteller in seinen prozessualen Rechten. Würde er der Aufforderung klaglos nachkommen, würde sich die Frage nach seinem Rechtsschutzbedürfnis stellen. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2023 wurde weiter ausgeführt, die JA sei seit April 2023 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft worden. Der Verfassungsschutz bezeichne die JA mittlerweile allerdings bis auf Weiteres nicht mehr als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“. Damit reagiere das Bundesamt auf ein Eilverfahren, mit dem die AfD und die JA gegen die Einstufung vorgegangen seien (VG Köln – 13 L 1124/23). In dem Eilantrag sei dem Verfassungsschutz u.a. ein Eingriff in den demokratischen Wettbewerb kurz vor den anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen vorgeworfen worden – dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die AfD in einem Umfragehoch befinde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe vermutlich auf Einwirkung durch das Gericht in einer Stillhaltezusage zugesichert, die Einstufung der Nachwuchsorganisation vorläufig auszusetzen. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG könne daher weiterhin nicht pauschal auf den Antragsteller angewendet werden.
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Der Antragsteller beantragt,
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu den Nrn. 2-4 des Bescheids vom 3. März 2023 (Az.: III/32/1-W-23612) wird angeordnet.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung führte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 18. April 2023 im Wesentlichen aus, dem Antragsteller sei am 21. März 2022 der Kleine Waffenschein Nr. … ausgestellt worden, nachdem sämtliche Rückmeldungen der entsprechenden Behörden auf die Abfrage vom 11. Januar 2022 eingegangen seien. Die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 28. Februar 2022 sei der Antragsgegnerin erst am 2. Juni 2022 zugegangen, da sie versehentlich an das Landratsamt gesandt worden sei. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichte die Behörde nicht, eine ausschließlich auf den Einzelfall abstellende Begründung zu geben, was im Folgenden vertieft wurde. Es liege im öffentlichen Interesse, dass für die Verpflichtung zur Abgabe einer waffenrechtlichen Erlaubnis der Sofortvollzug angeordnet werde. Es müsse verhindert werden, dass einer nicht berechtigten Person das Führen einer erlaubnisfreien Waffe in der Öffentlichkeit ermöglicht werde. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG habe der Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis diese der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben, wenn diese widerrufen werde. Hierdurch solle eine missbräuchliche Verwendung ungültiger Erlaubnisdokumente verhindert werden. Ein Fehlen der sofortigen Vollziehbarkeit würde der Nr. 2 des Bescheids zuwiderlaufen. Es wäre für die Allgemeinheit nicht tolerierbar, wenn der Antragsteller bis zu einer möglicherweise langwierigen verwaltungsgerichtlichen Klärung des Sachverhalts weiter Schusswaffen führen würde. Das Interesse der Allgemeinheit am effektiven Vollzug der Rechtsordnung und die damit einhergehende Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seien höher zu gewichten als das Individualinteresse des Antragstellers an einem Fortbesitz seiner waffenrechtlichen Erlaubnis bis zur verwaltungsgerichtlichen Klärung des Sachverhalts. Ein möglicher Schadenseintritt wäre enorm. Im Rahmen des Klageverfahrens (M 7 K 23.1518) wurde mit Schriftsatz vom 10. Mai 2023 weiter ausgeführt, der Tatvorwurf des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verlange nicht den Nachweis konkreter Bestrebungen. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (gemeint wohl: Verwaltungsgericht) Magdeburg ziele lediglich auf eine Mitgliedschaft in der Partei AfD ab. Die AfD-Mitgliedschaft des Antragstellers sei im Bescheid nicht thematisiert worden. Zentrales Begründungselement des Bescheids sei die zeitweise Mitgliedschaft und …tätigkeit des Antragstellers in der JA. Die Begründung der Entscheidung sei nicht überzeugend und auf den Fall nicht übertragbar, da im Bescheid hinreichend dargestellt worden sei, weshalb Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Dieser sei bis mindestens … … … … … der JA … gewesen. Er habe deshalb maßgeblich die Programmatik der JA nach außen vertreten und geprägt. Auf die Berichte des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz von 2019 bis 2022 sowie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. März 2023 (22 K 7087/20) werde verwiesen. Nach dem Leitsatz der Entscheidung indiziere die Einstufung einer Vereinigung als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt seien, da die Norm ebenfalls – allein – voraussetze, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliege. Es müsse hingegen nicht erwiesen sein, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt würden. Die Klage sei vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen worden. Der dortige Kläger sei ebenfalls Mitglied der AfD sowie der JA und einer weiteren Vereinigung gewesen. Er habe bei der JA Ämter sowohl als Beisitzer als auch als Schriftführer ausgeübt. Nach Auffassung des Gerichts reiche sogar die bloße Mitgliedschaft in der AfD für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit aus. Die Tatsache, dass der Antragsteller bei den Landtagswahlen im Oktober 2023 für die AfD antrete, sei unerheblich. Eine hinreichende Distanzierung des Antragstellers von den Zielen der JA liege nicht vor. Die Bezeichnung der JA bei der Anhörung am 5. Oktober 2022 als „bedeutungsloser Zombieverein“ stelle keine inhaltliche Distanzierung dar. Die Aussage werde als Schutzbehauptung gewertet. Grundsätzlich seinen keine Punkte ersichtlich, die einen atypischen Fall zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG darstellten. Dass der Antragsteller nach seinem Vortrag in der Vergangenheit unter Beweis gestellt habe, dass er ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umgehen könne, genüge hierfür nicht. Ein beanstandungsfreier Umgang mit Waffen sei Grundvoraussetzung. Nach der Pressemitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 26. April 2023 sei die JA mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuft worden, was die Annahme der Regelunzuverlässigkeit bestärke.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 7 K 23.1518) sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nrn. 1 und 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 3. März 2023 anzuordnen und gegen die Nr. 2 des Bescheids wiederherzustellen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Weiter war der Antrag entsprechend der geänderten Bezeichnung der Antragsgegnerin im Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 23. Juni 2023 dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die Stadt I. richtet.
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Der so verstandene Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nr. 2 des Bescheids vom 3. März 2023 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende – vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
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Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nr. 2 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456 – juris Rn. 12). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn – wie insbesondere im Sicherheitsrecht – immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde – wie hier geschehen – zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2010 – 20 B 613/10 – juris Rn. 5).
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Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Rücknahme des Kleinen Waffenscheins sowie der hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
23
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
24
Unter Anwendung dieser Grundsätze dürfte der Bescheid vom 3. März 2023 nach summarischer Prüfung rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
25
Die in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Rücknahme des Kleinen Waffenscheins gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und c WaffG dürfte zurecht erfolgt sein.
26
Gemäß § 45 Abs. 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz – vorliegend der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG – zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der – hier anzuwendenden – Fassung des Gesetzes vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 166) besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren (a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die (aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder (bb) den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind oder (cc) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, (b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat oder (c) eine solche Vereinigung unterstützt haben.
27
Hiernach dürfte der Antragsteller nach summarischer Prüfung unzuverlässig sein, weil die Voraussetzungen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und Buchst. c WaffG erfüllt sein und keine Gründe vorliegen dürften, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Regelunzuverlässigkeit begründen könnten.
28
Vorliegend dürften Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung gewesen ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat und dass er diese unterstützt hat.
29
Anders als noch bei § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 gültigen Fassung vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), neu gefasst durch Gesetz vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 426), bei dem der Nachweis erforderlich war, dass die betroffene Person einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, tatsächlich verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren unterstützt hat (vgl. BT-Drs. 18/12397, S. 13), ist nunmehr ausreichend, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, Mitglied in einer Vereinigung war, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat oder eine solche Vereinigung unterstützt hat.
30
Das Ausreichen eines tatsachenbegründenden Verdachts wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung sei die frühere Fassung dem Schutzzweck der Regelung nicht gerecht geworden, Risiken des Waffenbesitzes möglichst weitgehend auszuschließen, sodass deshalb künftig mit einem risikointoleranteren Ansatz ein verbesserter Schutz der Allgemeinheit gewährleistet werden sollte, indem – wie in anderen Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren – bereits Zuverlässigkeitszweifel weitergehend „erlaubnisschädlich“ seien (vgl. etwa § 7 Abs. 6 Luftsicherheitsgesetz, § 5 Abs. 1 Sicherheitsüberprüfungsgesetz). Lasse sich ein Sachverhalt nicht abschließend klären, bestehe aber ein tatsachenbegründeter Verdacht, dass ein Regelunzuverlässigkeitstatbestand vorliege, dann wiege das damit verbleibende Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und den daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter höher als die Freiheit, solche Waffen besitzen zu dürfen. Es sei daher geboten, die Anforderungen an die Annahme der Unzuverlässigkeit entsprechend abzusenken. Anhaltspunkte, die im Verdachtsgehalt vage blieben und nicht auf Tatsachen beruhten, genügten allerdings nicht (vgl. BT-Drs. 18/12397, S. 13).
31
Durch die mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 17. Februar 2020 (BGBl I S. 166) erfolgte Neufassung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG sollte eine Regelungslücke im geltenden Recht geschlossen werden, indem künftig auch die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit begründe. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte zu ihrem Nachweis wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen ausreichend sein, dass Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen, d.h. schon der tatsachenbegründete Verdacht sei versagungsbegründend (bereits risikovermeidender Ansatz, vgl. BT-Drs. 19/15875, S. 36).
32
Entscheidend für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht gegeben ist, ist somit eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert. Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 17). Denn das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) erschöpft sich nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Vielmehr ist aus ihm auch eine Schutzpflicht des Staats für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, insbesondere eine Schutzpflicht hinsichtlich Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 23.1.2013 – 2 BvR 1645/10 – juris Rn. 4). Vor diesem Hintergrund sind die Vorschriften des Waffengesetzes von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, etwa, weil sie zu kurz gegriffen wären. Weder kann festgestellt werden, dass die öffentliche Gewalt überhaupt keine Schutzvorkehrungen gegen die von Schusswaffen ausgehenden Gefahren getroffen hätte, noch, dass die getroffenen Regelungen und Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zum Schutze der Allgemeinheit offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären. Es besteht insbesondere auch kein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen wie etwa ein Verbot von Sportwaffen. Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht kommt aber der Legislative sowie Exekutive ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der insoweit nur einer beschränkten verfassungsgerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 23.1.2013 – 2 BvR 1645/10 – juris Rn. 10). Diese Überlegung ergibt, dass im Interesse der inneren Sicherheit und der Notwendigkeit effektiver Gefahrenabwehr sowie der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei der Beurteilung, wer Schusswaffen besitzen darf, dem öffentlichen Interesse, dass möglichst wenige Waffen „ins Volk kommen“, Vorrang vor dem Interesse Einzelner am Besitz von Waffen eingeräumt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1975 – I C 25.73 – juris Rn. 20). In diesem Sinne ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Es genügt vielmehr das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, also der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht der Verfolgung solcher Bestrebungen. Ein Nachweis der Verfolgung solcher sicherheitsgefährdender Bestrebungen ist nicht erforderlich (vgl. Brunner, in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand Juni 2022 bzw. März 2023, § 5 WaffG Rn. 132, 143 ff.). Allerdings genügen Anhaltspunkte, die im Verdachtsgehalt vage bleiben und nicht auf Tatsachen beruhen, nicht. Lässt sich folglich ein Sachverhalt nicht abschließend klären, besteht aber ein tatsachenbegründeter Verdacht, dass ein Regelunzuverlässigkeitstatbestand vorliegt, dann wiegt das damit verbleibende Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und den daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter höher als die Freiheit, solche Waffen besitzen zu dürfen (vgl. BT-Drs. 18/12397, S. 13).
33
Bei dem in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genannten Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt und deren Entscheidungskompetenz auch nicht dadurch eingeschränkt ist, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Art. 21 Abs. 4 GG, § 46 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist. Für die Auslegung kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden. Nach der zweiten Tatbestandsvariante des Art. 9 Abs. 2 GG sind solche Vereinigungen verboten, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Weiter muss sich eine Vereinigung gegen diese elementaren Grundsätze „richten“. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss jedoch nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt aber, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 23 m.w.N.). Wer das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen sowie elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen, und zur Erreichung dieses Ziels auf unterschiedlichen Ebenen Aktivitäten entfaltet, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen, nimmt nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung ein. Ein kämpferisch-aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung setzt – wie ausgeführt – keine Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 26).
34
Ausgehend von diesen Grundsätzen dürfte die JA eine Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und c WaffG darstellen, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass deren Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind.
35
Im Verfassungsschutzbericht Bayern 2021 wird zur JA ausgeführt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die JA am 15. Januar 2019 zum Verdachtsfall erklärt habe, da hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vorlägen. Die programmatischen Aussagen der JA enthielten eine aggressive Rhetorik, in der eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung offen zu Tage trete. Die JA vertrete einen ethnisch homogenen Volksbegriff und mache jene, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehörten, in eindeutiger Weise verächtlich. So bezeichne die JA die Migrationspolitik der Bundesregierung als „wahnsinniges Bevölkerungsexperiment“, für das das „Volk […] mit seinem Blut“ bezahle und das dazu führe, dass das deutsche Volk „abgeschafft“ werde. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe in einer Entscheidung vom 19. Juni 2020 diese Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts folge das zentrale politische Programm der JA dem Idealbild des „autochthonen Deutschen“. Deutsche Staatsangehörige würden nach ihrer ethnischen Herkunft in Bürger erster und zweiter Klasse unterteilt. Diese diskriminierende Ausgrenzung verletze die Menschenwürde. Zudem spreche die JA durch ihre kontinuierliche Agitation gegen Asylbewerber und Migranten diesen ihre Menschenwürde ab. Bestimmte Bevölkerungsgruppen würden bewusst ausgegrenzt und Muslimen der Schutz der grundgesetzlich garantieren Religionsfreiheit nicht zugebilligt. Unter Verwendung rechtsextremistischer Kampfbegriffe – etwa der „Umvolkung“ – werde der „Austausch des deutschen Volkes“ behauptet. Aus den vom Bundesamt für Verfassungsschutz genannten Gründen werde die JA durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ebenfalls beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2021, S. 191; siehe auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2020, S. 148 ff.; Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 97, 144 ff.; siehe auch Verfassungsschutzbericht Bund 2019, S. 87 ff.).
36
Im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2021 heißt es zur JA, dass die Verlautbarungen und Programmatik der JA durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt seien. Sie verstießen gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes und stünden im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Daneben bestünden diffamierende Positionen gegen als „fremd“ wahrgenommene Menschen, die offen artikuliert würden. Innerhalb der JA seien islamfeindliche Positionen verbreitet (vgl. Verfassungsschutzbericht Bund 2021, S. 89 f. mit Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.6.2020 – 1 S 55.20; VG Berlin, B.v. 28.5.2020 – 1 L 95.20). Weiter heißt es im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2020 zur JA u.a., Äußerungen zum Parlamentarismus, in denen dieser regelmäßig durch Vergleiche mit totalitären Regimen verunglimpft werde, enthielten Anhaltspunkte für Bestrebungen, die sich gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip richteten. Zur Einstufung als Verdachtsfall wird ausgeführt, bei der JA seien tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht dafür feststellbar, dass ihre zentrale politische Vorstellung die Erhaltung des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sowie den Ausschluss von ethnisch „Fremden“ beinhalte. Ein derart völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstoße gegen die Menschenwürde. Insbesondere der behauptete „Große Austausch“ des deutschen Volkes, dessen „Abschaffung“ und „Umvolkung“ durch „Messermigranten“ sei erkennbar darauf gerichtet, Migranten die Menschenwürde abzusprechen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bund 2020, S. 97 f.; vgl. zum Ganzen auch Verfassungsschutzbericht Bund 2019, S. 87 ff.).
37
Die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten Bayerns und des Bundes dürfte dabei eine hinreichende Tatsachengrundlage i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b und c WaffG darstellen, die die Annahme rechtfertigt, dass die JA Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Denn nach Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 3 Satz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz – BayVSG – in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses gültigen Fassung vom 1. August 2021 (GVBl. S. 418) – i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG erfolgt eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht bei Vorliegen hinreichend gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Damit wird einerseits gerade noch keine Gewissheit über das Vorliegen von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, verlangt. Andererseits wird mit dem tatbestandlichen Erfordernis hinreichend gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte klargestellt, dass bloße Vermutungen oder ein bloßer Verdacht nicht ausreichen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen müssen (vgl. zu Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F. BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 26). Gleiches dürfte für die Einstufung der JA als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG) bzw. die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht des Bundes gelten, da auch insofern tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegen müssen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 5 BVerfSchG; vgl. VG Köln, B.v. 8.3.2022 – 13 K 208/20 – juris Rn. 105 ff. m.w.N.).
38
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten Bayerns und des Bundes bzw. für eine Einstufung der JA als Verdachtsfall und für die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG dürften weitestgehend identisch sein. Dementsprechend dürfte die Berichterstattung über die JA in den Verfassungsschutzberichten Bayerns und des Bundes sowie ihre Einstufung als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz indizieren, dass zugleich die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG im Hinblick auf die JA erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne bereits VG München, B.v. 11.5.2020 – M 7 S 20.87 – juris Rn. 28; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 25.4.2019 – AN 16 K 17.01038 – juris Rn. 30; vgl. zur Einstufung als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. zur Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht des Bundes VG Düsseldorf, U.v. 7.3.2023 – 22 K 7087/20 – juris Rn. 65 ff.; VG Köln, U.v. 11.8.2022 – 20 K 2177/21 – juris Rn. 47; siehe auch VG Köln, U.v. 8.9.2022 – 20 K 3080/21 – juris Rn. 84 ff., 162 ff. m.w.N.; Wiegand, NVwZ 2023, 1211/1215; a.A. VG Magdeburg, B.v. 28.2.2023 – 1 B 212/22 MD – juris Rn. 19 ff.; OVG LSA, B.v. 24.4.2023 – 3 M 13/23 – juris Rn. 10 ff.; VG Regensburg, B.v. 7.3.2022 – RO 4 S 22.28 – juris Rn. 37; Nitschke, NVwZ 2023, 814).
39
Für das Ausreichen eines tatsachenbegründeten Verdachts des Verfolgens verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Vereinigung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG dürfte insbesondere der Wortlaut der Vorschrift sprechen. Denn durch das Voranstellen der Formulierung „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ vor die in den in den Buchst. a bis c genannten einzelnen Tatbestände dürfte deutlich werden, dass sich das Erfordernis des tatsachenbegründenden Verdachts gleichermaßen auf alle dort genannten Tatbestandsmerkmale bezieht. Aus diesem Grund dürfte es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn innerhalb der Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 3 WaffG hinsichtlich des zentralen Anknüpfungspunkts der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen unterschiedliche Maßstäbe gelten würden – je nachdem, ob diese einzeln oder innerhalb einer Vereinigung verfolgt werden. Damit einhergehend dürfte es dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG bereits dann erfüllt ist, wenn Tatsachen die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 7.3.2023 – 22 K 7087/20 – juris Rn. 72 ff.).
40
Weiter dürfte auch der Sinn und Zweck der Norm dafürsprechen, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht (auch) bezogen auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Vereinigung ausreichend ist. Zentrales Anliegen des Waffengesetzes ist es, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Schutzlücken, die dem Regelungszweck des Gesetzes widersprechen, Risiken des Waffenbesitzes auf ein Mindestmaß zu beschränken, sind zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 16 m. w. N.). Eine derartige Schutzlücke, die der Gesetzgeber gerade hat schließen wollen, entstünde jedoch dann, wenn bereits feststehen müsste, dass eine Vereinigung verfassungsfeindliche Belange verfolgt. Bis zu einer solchen – oftmals mehrere Jahre dauernden – Feststellung müssten das Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und die daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter hingenommen werden, da insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG diese Schutzlücke nicht hinreichend schließen kann (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 7.3.2023 – 22 K 7087/20 – juris Rn. 79 ff. m.w.N.). Für eine Indizierung dürfte schließlich auch sprechen, dass die Waffenbehörde für die Beurteilung der Frage des Vorliegens einer verfassungsfeindlichen Vereinigung auch die Einschätzung der Verfassungsschutzämter einholen kann (vgl. VG Köln, U.v. 11.8.2022 – 20 K 2177/21 – juris Rn. 49 mit Verweis auf BT-Drs. 19/15875, S. 35)
41
Die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten Bayerns und des Bundes sowie die Einstufung der JA als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfte im Ergebnis auch nicht zu beanstanden sein. Das Verwaltungsgericht Köln führt hierzu überzeugend aus, es bestünden tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine zentrale politische Vorstellung der JA der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sei und ethnisch „Fremde“ nach Möglichkeit ausgeschlossen bleiben sollten. Ein dergestalt völkischer-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstoße gegen die Menschenwürde. Denn die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG umfasse die prinzipielle Gleichheit aller Menschen, ungeachtet aller tatsächlich bestehenden Unterschiede. Sie werde beeinträchtigt bei allen Formen rassistisch motivierter Diskriminierung sowie wenn einzelne Personen oder Personengruppen grundsätzlich wie Menschen zweiter Klasse behandelt würden (vgl. VG Köln, U.v. 8.3.2022 – 13 K 208/20 – juris Rn. 162 ff. m.w.N; siehe auch VG Berlin, B.v. 28.5.2020 – VG 1 L 95/20, BeckRS 2020, 50933, Rn. 24 ff.; nachgehend OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.6.2020 – OVG 1 S 55/20 – juris Rn. 35 ff.).
42
Das Gericht dürfte sich folglich auf die Verfassungsschutzberichte Bayerns und des Bundes sowie die Einstufung der JA als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz stützen können. Nach Auffassung des Gerichts dürften die Einschätzungen der Verfassungsschutzämter daher tragfähig sein, die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu begründen (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 25.4.2019 – AN 16 K 17.01038 – juris Rn. 30; VG München, B.v. 11.5.2020 – M 7 S 20.87 – juris Rn. 28).
43
Soweit im Übrigen das Bundesamt für Verfassungsschutz die JA im April 2023 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft (vgl. Meldung vom 27. April 2023, 12:15 Uhr, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-jugend-verfassungsschutz-rechtsextremistisch-junge-alternative-100.html, zuletzt abgerufen am 30. August 2023), sich gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln jedoch im Rahmen einer Stillhaltezusage verpflichtet hat, die JA bis zur Entscheidung des Gerichts in diesem Verfahren (13 L 1124/23) nicht öffentlich als gesichert rechtsextremistische Bestrebung zu bezeichnen (vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 20/7704, S. 10 – Vorabfassung), dürfte dies vorliegend aufgrund des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts des Bescheidserlasses nicht entscheidungserheblich beachtlich sein.
44
In der Gesamtschau dürften somit im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses hinreichende Tatsachen vorgelegen haben, die die Annahme rechtfertigten, dass die JA Bestrebungen verfolgt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind.
45
Der Antragsteller war nach den – insoweit unbestrittenen – Erkenntnissen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz jedenfalls bis mindestens … … – und damit im fünfjährigen Bezugszeitraum des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG Mitglied der JA und … … … … … der JA … Nach § 3 Abs. 5 der Bundessatzung der JA sind die Landesverbände eigenständige Vereine, die dem Bundesverband untergeordnet und den Bestimmungen der Bundessatzung unmittelbar unterworfen (Subordinationsverhältnis) sind. Gemäß § 10 Abs. 5 der Bundessatzung der JA besteht eine einheitliche Mitgliedschaft im Bundesverband und in den Landesverbänden. Ein Auseinanderfallen der Mitgliedschaft ist nicht möglich; durch den Aufnahmeakt wird die Mitgliedschaft im Bundesverband, im entsprechenden Landesverband und etwaigen Untergliederungen des Landesverbands erworben.
46
Darüber hinaus dürfte der Antragsteller die JA im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG durch seine Tätigkeit als … … … … … – und damit als Funktionsträger – in relevanter Weise unterstützt haben.
47
Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen relevanten Unterstützungshandlungen und lediglich untergeordneten Aktivitäten ist das Kriterium der Außenwirkung der konkreten Betätigung (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2021 – 24 ZB 21.167 – juris Rn. 10). Für die Beurteilung des Vorliegens einer Unterstützungshandlung dürfte weiter eine Rolle spielen, inwieweit die Vereinigung durch die konkrete Betätigung in ihrer Existenz gesichert wird (vgl. Sächs.OVG, U.v. 16.3.2018 – 3 A 556/17 – juris Rn. 51 zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F; VG Potsdam, B.v. 2.3.2023 – 3 L 10/23 – juris Rn. 18). Zu den relevanten Unterstützungshandlungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG zählt jedenfalls die Wahrnehmung von leitenden Funktionen in der Vereinigung. Wer herausgehobene Ämter wie dasjenige … … … … … … in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Vereinigung in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Vereinigung nach außen hin präsentiert. Dies gilt auch für Mitglieder eines Kreis- oder Bezirksvorstands. Selbst wenn es zuträfe, was hier offen bleiben kann, dass mit der Wahrnehmung von Ämter auf dieser Ebene in erster Linie organisatorische Aufgaben ohne gesteigerte Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt von Programmen verbunden sind, ist doch gerade die ständige organisatorische Präsenz auf der kommunalen Ebene für die öffentliche Wahrnehmung einer Vereinigung bedeutsam (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 29 zu Wahrnehmung von Ämtern in einer politischen Partei).
48
Entsprechend dieser Grundsätze dürfte die Stellung des Antragstellers als … … … … … der JA … grundsätzlich geeignet sein, um von einer Unterstützung der JA im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG auszugehen. Als … … … … … dürfte er die Programmatik der JA nach außen sichtbar vertreten und für ihre verfassungsfeindlichen Ziele eingetreten sein – jedenfalls muss er sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der JA zurechnen lassen. Aus diesem Grund kann vorliegend auch dahinstehen, ob der Antragsteller, wie er vorgetragen hat, dieses Amt nur deshalb angenommen hat, weil kein anderer dazu bereit gewesen sei. Denn durch ein derartiges aktives Engagement wird eine Vereinigung in ihrer Existenz gesichert, was es dieser ermöglicht, ihre Bestrebungen weiter fortzuführen (vgl. zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. HessVGH, U.v. 12.10.2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 43).
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Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass atypische Umstände vorliegen könnten, die geeignet wären, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG ausnahmsweise zu widerlegen.
50
Solche Umstände, die in diesem Sinne geeignet sind, bei Funktionsträgern einer nicht verbotenen Vereinigung bzw. politischen Partei die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu widerlegen, liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn – negativ – keine individuellen Äußerungen und Verhaltensweisen der betroffenen Person bekannt sind, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt oder zur Missachtung der geltenden Rechtsordnung erkennen lassen. Vielmehr sind – positiv – konkrete Belege für die aktive Bekämpfung derartiger Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld zu fordern, damit die durch die Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition als entkräftet angesehen werden können. Atypische Umstände im dargelegten Sinne sind daher bei den in Rede stehenden Personen grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Vereinigung unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungspflicht (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 36).
51
Derartige atypische Umstände, die Rückschlüsse auf eine eindeutige Abkehr oder Distanzierung von dem tatbestandsmäßigen Verhalten des Antragstellers zulassen, sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche nicht daraus, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag in der Vergangenheit ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umgegangen und nicht auffällig geworden sei. Denn dies ist nicht geeignet, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu widerlegen (vgl. auch BVerwG, U.v. 19.06.2019 – Az. 6 C 9/18 – juris Rn. 34). Ein langjähriger, beanstandungsfreier Waffenbesitz ist zwar notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung für die Widerlegung der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, da waffenrechtskonformes Verhalten ohnehin bei jedem Waffenbesitzer vorausgesetzt werden kann. Auch ein schlichtes Aufgeben bzw. Unterlassen der tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen innerhalb der gesetzlichen Wohlverhaltensfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG von fünf Jahren oder der bloße Austritt aus der Partei kann grundsätzlich nicht ausreichen, um die gesetzliche Regelvermutung zu widerlegen. Es müssen hierzu vielmehr weitere Umstände im Verhalten des Betroffenen im Sinne einer eindeutigen Abkehr oder Distanzierung hinzutreten (vgl. Brunner, in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand Juni 2022, § 5 WaffG Rn. 156 ff.; HessVGH, U.v. 12.10.2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 52). Solche Umstände sind jedoch nicht ersichtlich. Weder lässt sich aus dem Austritt des Antragstellers aus der JA noch aus der von ihm bei seiner Anhörung am 5. Oktober 2022 getätigten Bezeichnung der JA als „bedeutungsloser Zombieverein“ oder seinem Hinweis auf die bisherige gute Zusammenarbeit mit Ausländern eine glaubhafte Distanzierung von den verfassungsfeindlichen Zielen der JA ableiten. Diese Handlungen lassen weder einen Rückschluss auf die innere Haltung des Antragstellers zu den sich als verfassungsfeindlich darstellenden Zielen der JA zu noch belegen sie eine entschiedene, beständige und nach außen erkennbare inhaltliche Distanzierung von den Zielen der JA.
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Schließlich dürften auch gegen die mit der Rücknahme des Kleinen Waffenscheins verbundenen notwendigen Anordnungen in Nr. 2 (Verpflichtung zur Rückgabe des Kleinen Waffenscheins) und Nr. 3 (Zwangsgeldandrohung) des Bescheids vom 3. März 2023 keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Die Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung der Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnis und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunde sicher. Soweit der Antragsgegnerin dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
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Schließlich dürfte auch die Bemessung der Frist bis zum 23. März 2023 nicht als unangemessen kurz anzusehen sein. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten auf elektronischem Wege am 3. März 2023 zugestellt, dem Antragsteller standen damit deutlich über zwei Wochen für die Rückgabe des Kleinen Waffenscheins zur Verfügung. Der Antragsteller hat auch nicht substantiiert begründet, weshalb diese Frist in seinem Fall unangemessen kurz gewesen sein soll. Allein die Tatsache, dass die Frist vor dem Ende der Rechtsmittelfrist abläuft, dürfte insoweit nicht genügen, da der Antragsteller dadurch in seinem Recht zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht beschnitten wird. Auch ist weder ersichtlich, weshalb es dem Antragsteller vorliegend nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte, den Kleinen Waffenschein bis zum 23. März 2023 abzugeben, noch inwieweit durch eine sofortige Vollziehung endgültige, unumkehrbare Tatsachen geschaffen würden. Der Kleine Waffenschein würde dem Antragsteller im Falle seines Obsiegens zurückgegeben.
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Im Übrigen würde auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
55
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – hier bezüglich der Rücknahme des Kleinen Waffenscheins – unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 16; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23 f.).
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Im Hinblick auf die Nr. 1 des Bescheids intendiert die gesetzliche Wertung des § 45 Abs. 5 WaffG bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2018 – 21 CS 17.2459 – juris Rn. 29 unter Verweis auf BT-Drs. 16/7717, S. 33). Der Antragsteller hat insoweit keine Gründe vorgetragen, die auf besondere Umstände – über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausgehend – hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Die im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin verfügte Rücknahme dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers zurückzustehen.
57
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfasste, mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Nachdem die Rücknahme des Kleinen Waffenscheins kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidung dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26). Denn diese Folgeentscheidung stellt sicher, dass die kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17) tatsächlich umgesetzt wird. Die Folgeentscheidung in Nr. 2 des Bescheids folgt unmittelbar aus der Rücknahme des Kleinen Waffenscheins und dient – wie bereits ausgeführt – der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis und stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunde sicher.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für die Rücknahme eines Kleinen Waffenscheins der Auffangwert von 5.000,- Euro anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 25), der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.