Inhalt

VG München, Beschluss v. 18.09.2023 – M 30 X 23.4359
Titel:

Richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen im Rahmen des Vereinsrechts

Normenketten:
GG Art. 13 Abs. 2, Art. 103 Abs. 1
VereinsG § 3, § 4, § 5 Abs. 1, § 10
VereinsGDV § 4
Leitsätze:
1. Um zu gewährleisten, dass im Zeitpunkt der Durchsuchung ein wirksamer und vollziehbarer Sicherstellungsbescheid vorliegt, darf die Durchsuchung erst nach zumindest gleichzeitiger Zustellung des Sicherstellungsbescheids an den Betroffenen erfolgen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Sicherstellungsbescheid ist Grundlage dafür, dass der Adressat die behördliche Ingewahrsamnahme von konkret bezeichneten Gegenständen, die sich in seinem Gewahrsam befinden, zu dulden hat. Gem § 4 S. 2 VereinsGDV ist in der schriftlichen Begründung des Sicherstellungsbescheids u.a. darzulegen, dass die sichergestellte Sache zum Vereinsvermögen gehört. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass zum Zeitpunkt der richterlichen Anordnung der Durchsuchung die Sicherstellungsverfügung erst im Entwurfsstadium vorliegt und die konkret sicherzustellenden Gegenstände dann unmittelbar bei Vornahme der Maßnahme mit Begründung entsprechend der Vorgabe des § 4 VereinsGDV zu vermerken sind, ist nicht zu beanstanden. Ein anderes Verfahren erscheint wenig praktikabel. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Sicherstellung und eine zum Zweck der Sicherstellung erfolgende Durchsuchung der Wohnung eines „einfachen“ Vereinsmitglieds ist nicht quasi auf Verdacht zulässig. Vielmehr müssen darüber hinaus ausreichende Anhaltspunkte nicht nur dafür vorliegen, dass der Betreffende Verbindungen zu dem Verein hat, sondern vielmehr darüber hinaus dafür, dass sich Gegenstände aus dem Vermögen des Vereins gerade bei ihm befinden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
5. Diese Anhaltspunkte hat die Vollzugsbehörde bei der Beantragung des Durchsuchungsbefehls im Einzelnen darzulegen; die Darlegung hat sich speziell auf die Vermutung zu beziehen, dass sich Sachen des Vereinsvermögens im Gewahrsam des Betreffenden befinden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Vereinsverbot und dessen Vollzug, Durchsuchung zum Zwecke, Vermögensbeschlagnahme und –sicherstellung, nicht bei „einfachen“ Vereinsmitgliedern ohne nähere Anhaltspunkte, Auffinden weiterer Beweismittel nach Vereinsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31286

Tenor

I. Aufgrund der vereinsrechtlichen Verfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 4. August 2023 wird die Durchsuchung der Wohnung einschließlich etwaiger Nebenräume, Nebengelasse, der dazugehörenden jeweiligen Briefkästen, soweit hierüber eine (Mit-)Verfügungsgewalt besteht, Kraftfahrzeuge und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder des Herrn … … … … … … durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte am Mittwoch, den 27. September 2023, ab 6.00 Uhr
1. zum Zweck der Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens des Vereins „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V.“,
2. zum Zweck der Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung an den vorstehend genannten Verein oder seiner Teilorganisationen deren verfassungswidrige Bestrebungen gefördert hat oder diese zur Förderung der Bestrebungen bestimmt sind,
angeordnet.
3. Zudem wird die zuvor genannte Durchsuchung gegenüber den Antragsgegnern zu 1) und zu 2)
zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen des Vereins „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V.“ und zum Auffinden weiterer Beweismittel angeordnet.
Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
Gesucht werden darf insbesondere nach Dokumenten mit organisations- bzw. veranstaltungsbezogenen sowie personenbezogenen Hinweisen auf den o.g. Verein und dessen Teilorganisationen, wie z.B.:
- Mitgliederlisten oder-ausweise
- Organisationspläne oder andere Unterlagen über die Organisation
- Kassenunterlagen, Kontounterlagen mit Organisationsbezug
- Propaganda- und Infomaterial und diesbezügliche Verteiler- und Bezugslisten
- Verteiler-, Bezugslisten
- Ankündigungen, Einladungen und Protokolle und sonstiger vereinsbezogener Schriftwechsel
- Telefonlisten
- Fotos, Videos, Chatprotokolle
- Bekleidungsstücke mit Vereins-Symbolen
- Abzeichen, Devotionalien u. ä. mit Vereinssymbolen
- Rechtsextremistische Bücher, Schriften, Tonträger, DVDs
- Unterlagen mit rassistischen und antisemitischen Inhalten
- Nationalsozialistische Symbole und Devotionalien (Abzeichen, Büsten, Fahnen, Orden.
Dazu ist insbesondere nach vorhandener IT-Technik wie PCs, Laptops, Tablet-Computer, digitalen Speichermedien, zu Kommunikationszwecken nutzbaren Spielekonsolen, elektronischen Speichermedien (auch in Spielekonsolen) sowie Mobiltelefonen zu suchen und diese durchzusehen.
Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich insoweit auch auf von den vorgenannten Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien (sog. Clouds wie z.B. GoogleDrive, Microsoft OneDrive, Dropbox, Apple iCloud, AmazonDrive), soweit auf sie von einem aufgefundenen elektronischen Speichermedium zugegriffen werden kann.
Von der Durchsuchung umfasst ist auch die Durchsicht lokal gespeicherter Daten sowie der bei einem Provider gespeicherten elektronischen Postfächer und Profile der Antragsgegner zu 1) und zu 2) mit den in den elektronischen Postfächern gespeicherten Nachrichten inklusive der Anhänge, auch der noch nicht endgültig gelöschten Nachrichten sowie der noch nicht abgesendeten Entwürfe.
Davon umfasst sind neben E-Mail-Postfächern auch die Accounts sozialer Medien wie Facebook, Instagram, TikTok, Twitter/X und Telegram sowie sog. Messengerdienste wie z.B. WhatsApp oder Signal, soweit auf sie von den aufgefundenen Geräten wie Computern, Tablet oder Mobiltelefonen aus zugegriffen werden kann.
II. Die Nachschau in und unter der Kleidung des Herrn … … Frau … … zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher) durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
III. Für den Fall, dass sie nicht freiwillig herausgegeben werden und nicht bereits eine Beschlagnahme bzw. Sicherstellung als Vereinsvermögen durch die Vollzugsbehörde in Folge der Durchsuchung i.S.v. I.1. und 2. erfolgt, wird die Beschlagnahme der Gegenstände und Unterlagen, die bei den unter I. und II. beantragten Maßnahmen vorgefunden werden und die in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Zweck der Durchsuchung nach I.3. stehen – somit als Beweismittel in dem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren, insbesondere für die weitere Aufklärung der Vereinsstruktur des verbotenen Vereins und seiner Teilorganisationen, von Bedeutung sein können – durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte angeordnet.
Beschlagnahmt werden können insbesondere vorhandene IT-Technik (z.B. PCs, Laptops, Tablet-Computer, digitale Speichermedien, zu Kommunikationszwecken nutzbare Spielekonsole, elektronische Speichermedien (auch in Spielekonsolen) sowie Mobiltelefone) und Dokumente mit organisations- bzw. veranstaltungsbezogenen sowie personenbezogenen Hinweisen auf den o.g. Verein und dessen Teilorganisationen, wie z.B.:
- Mitgliederlisten oder-ausweise
- Organisationspläne oder andere Unterlagen über die Organisation
- Kassenunterlagen, Kontounterlagen mit Organisationsbezug
- Propaganda- und Infomaterial und diesbezügliche Verteiler- und Bezugslisten
- Verteiler-, Bezugslisten
- Ankündigungen, Einladungen und Protokolle und sonstiger vereinsbezogener Schriftwechsel
- Telefonlisten
- Fotos, Videos, Chatprotokolle
- Bekleidungsstücke mit Vereins-Symbolen
- Abzeichen, Devotionalien u. ä. mit Vereinssymbolen
- Rechtsextremistische Bücher, Schriften, Tonträger, DVDs
- Unterlagen mit rassistischen und antisemitischen Inhalten
- Nationalsozialistische Symbole und Devotionalien (Abzeichen, Büsten, Fahnen, Orden
Ausgenommen von der Beschlagnahme sind Gegenstände und Unterlagen, die nachweislich in der Verfügungsgewalt Anderer als dem Antragsgegner zu 1) und 2) stehen. Ebenso ausgenommen sind Gegenstände und Unterlagen, die keinen möglichen Zusammenhang zum Verein „… … * … … … … e.V.“ und seinen Teilorganisationen erkennen lassen.
IV. Die Antragsgegner zu 3) bis zu 5) haben die unter I. und III. angeordneten Maßnahmen zu dulden, die Antragsgegnerin zu 2) die unter I.1. und 2. angeordnete Durchsuchungsmaßnahme.
V. Vor Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahmemaßnahmen sind den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) die Verbotsverfügung vom 4. August 2023 und dieser Beschluss auszuhändigen, dem Antragsgegner zu 1) eine Sicherstellungsverfügung (vgl. Entwurf vom 31. August 2023) sowie den Antragsgegnern zu 3) bis zu 5) dieser Beschluss. Für den Fall der Abwesenheit genügt ein Einlegen in den Briefkasten bzw. Zurücklassen in der Wohnung.
VI. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
VII. Die Antragsgegner zu 1) und zu 2) tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des Vereinsrechts richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) .
2
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat mit vereinsrechtlicher Verfügung vom 4. August 2023 den Verein „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V“ nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Vereinsgesetz (VereinsG) verboten und aufgelöst. Der Verein richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Insbesondere weise er eine Wesensververwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Mit dem Vereinsverbot wird die Beschlagnahme und Einziehung von Vereinsvermögen verbunden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Verfügung vom 4. August 2023 Bezug genommen.
3
Das BMI hat insoweit das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) um den entsprechenden Vollzug des Vereinsverbots am 27. September 2023 um 6 Uhr ersucht. Zu diesem Zeitpunkt sollen in mehreren Bundesländern zeitgleich Durchsuchungen zum Verbotsvollzug erfolgen. Das StMI leitete das Vollzugsersuchen am 17. August 2023 an die Regierung von Oberbayern weiter mit dem Auftrag, die Verbotsverfügung den Antragsgegnern zu 1) und 2) zuzustellen und entsprechend dem Vollzugsersuchen des BMI vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen vorzunehmen.
4
Nach telefonischer Vorankündigung beantragt die Regierung von Oberbayern mit Schriftsatz vom 4. September 2023 beim Verwaltungsgericht München entsprechende Durchsuchungssowie Beschlagnahmeanordnungen gegen die Antragsgegner zu 1) und zu 2). Nach richterlichem Hinweis vom 13. September 2023 in Bezug auf die Erkenntnislage zur Antragsgegnerin zu 2) und Frage des Ausreichens einer „einfachen“ Vereinsmitgliedschaft für die beantragten Maßnahmen hat der Antragsteller mit telefonischer Erklärung vom 18. September 2023 seine Antragstellung aufrechterhalten.
5
Neben der Verbotsverfügung des BMI vom 4. August 2023 und dem Entwurf einer Sicherstellungsverfügung vom 31. August 2023 wurde dem Gericht insbesondere Dossiers über die Antragsgegner zu 1) und 2) zugeleitet.
6
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
7
Die vorliegende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ergeht aufgrund des Antrags der Regierung von Oberbayern vom 4. September 2023, die gemäß § 5 Abs. 1 VereinsG i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZustV als zuständige Vollzugsbehörde mit der Maßnahme betraut wurde. Gemäß Art. 13 Abs. 2 GG i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG steht die Durchsuchung zum Zwecke des Vollzugs einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung und Vermögenbeschlagnahme unter Richtervorbehalt. Dies gilt zudem für die Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen zum Zwecke der weiteren Beweissicherung im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren gemäß § 4 Abs. 2 VereinsG. Die Entscheidung obliegt gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 2 Satz 6 VereinsG i.V.m. der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts München für das Geschäftsjahr 2023 i.V.m. der Geschäftsverteilung der danach für Vereinsrecht zuständigen 30. Kammer deren Vorsitzenden. Die örtliche Zuständigkeit besteht bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll, §§ 4 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG.
8
Der Antrag ist zulässig und weitestgehend begründet. Der Antragsteller hat die erforderlichen Voraussetzungen hierfür glaubhaft dargelegt.
9
Die beantragte vereinsrechtliche Maßnahme der Durchsuchung ergibt sich dabei zum einen zum Zwecke der Durchsetzung der Vermögensbeschlagnahme gemäß § 10 Abs. 2 VereinsG im Vollzug der vereinsrechtlichen Verbotsverfügung des BMI vom 4. August 2023 sowie der Beschlagnahme von Sachen Dritter gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1, § 12 Abs. 2 VereinsG. Zudem soll die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel zur Verwendung im weiteren Vereinsverbotsverfahren gemäß § 4 Abs. 2, Abs. 4 VereinsG erfolgen. Insoweit wird auch die Anordnung der Beschlagnahme beantragt, die anders als die Vermögensbeschlagnahme im Vollzug eines Vereinsverbots auch der richterlichen Anordnung bedarf.
10
1. Den beantragten vereinsrechtlichen Maßnahmen liegt ein vereinsrechtliches Verbot gemäß § 3 VereinsG durch das BMI vom 4. August 2023 zugrunde. Danach wird der Verein „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V“ nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VereinsG verboten und aufgelöst. Die Beschlagnahme des Vermögens und dessen Einziehung erfolgt mit Nr. 5 der Verfügung vom 4. August 2023. Ebenso werden Sachen Dritter beschlagnahmt und eingezogen, soweit der Berechtigte durch Überlassung der Sachen an den Verein oder seine genannten Teilorganisationen deren verfassungswidrige Bestrebungen gefördert hat oder soweit die Sachen zur Förderung dieser Bestrebung bestimmt sind (Nr. 7). Die sofortige Vollziehung des Vereinsverbots wird in Nr. 8 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Bezug auf die Nummern 1 bis 4 angeordnet und unter IV. D. der Verfügung begründet.
11
Die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung vom 4. August 2023 stellt mit ihrer Zustellung am 27. September 2023 eine dann sofort vollziehbare, hinreichende Rechtsgrundlage für die Vollzugsmaßnahmen nach § 10 VereinsG sowie als hinreichenden Verdacht für die weitere Beweisermittlung nach § 4 VereinsG dar.
12
Zwar ist die Frage der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots und der Vermögensbeschlagnahme nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vor dem Hintergrund des Art. 13 Abs. 1 GG hat das Verwaltungsgericht dennoch die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen und im Falle offenkundiger Mängel den Antrag auf Anordnung der Durchsuchung abzulehnen (BayVGH, B.v. 8.1.2015 – 4 C 14.1708 – beck-online Rn. 24 ff. m.w.N.- im Nachgang zu VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014 – B 1 X 14.440 – beck-online).
13
Nach der somit gebotenen summarischen Prüfung der Verbotsverfügung vom 4. August 2023 hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit und Plausibilität vermag das Gericht keine Bedenken zu erkennen. Schlüssig und plausibel wird unter ausführlicher Darstellung der jeweiligen Erkenntnisse dargelegt, dass und inwieweit sich der Verein mit seinen Teilorganisationen gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie die verfassungsmäßige Ordnung richtet.
14
Diesbezüglich wird auf die umfangreichen Ausführungen in der Verbotsverfügung Bezug genommen und von einer ausführlich wiederholenden Darstellung abgesehen. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Vereins mit seinen Teilorganisationen ergäben sich aus dem Gesamtbild, das sich aus der Verwendung von Schriftgut, Regelwerken, Sprachgebrauch sowie den Grundeinstellungen ihrer Funktionsträger zusammenfüge. Der Verein befürworte ein Konzept der biologisch definierten „Volksgemeinschaft“, habe eine antisemitische Grundhaltung und mache damit einhergehend die bestehende demokratische Ordnung verächtlich. Dies weise deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus auf. Der Verein tätige Äußerungen, die eine Verbundenheit mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentierten.
15
Der Verein lege als „…“ einen germanischen Rassebegriff zugrunde und eine nicht mit der Menschenwürde vereinbare rassistisch-biologische Position. Hierzu wird näher ausgeführt. Eine sog. „Rassemischung“ werde abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, sie führe zu einer Vielzahl von Krankheiten. Das Kriterium der „Art“ und ihrer „Reinhaltung“ sei das alles Entscheidende in der Ideologie des Vereins. Schon aufgrund der auf sprachlicher Ebene konstatierbaren Kontinuität zur NS-Ideologie, zu der umfangreich ausgeführt wird, bestehe ein Anhaltspunkt für eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. Das Wunschbild der „Rassenreinheit“ stelle darüber hinaus eine Fortführung der NS-Rassenideologie dar.
16
Betone der Verein auch in Publikationen das Selbstverständnis als Glaubensgemeinschaft, um die eigentliche rassistische und fremdenfeindliche Ideologie zu verschleiern, so handle es sich jedoch um keine rein religiöse Gruppierung, sondern verfolge der Verein konkrete, verbotswürdige politische Ziele.
17
Mit der vom Verein herausgegebenen „… Zeitung“ würden nicht nur in jeder Ausgabe das „Artbekenntnis“ und das „Sittengesetz“ im Volltext abgedruckt, sondern immer wieder Artikel aus der NS-Zeit (neu) veröffentlicht und unreflektiert rassistische Einordnungskriterien aus der NS-Zeit, die die Menschheit in höher- und minderwertige Gruppen einteilen, und eine „rassische Auslese“ und eine Verbindung von „Art“/“Rasse“ mit geografischen Räumen in Kontinuität zur „Blut und Boden“-Ideologie propagiert. In den vom Verein vertriebenen Grundlagenwerken … … werde die eigene Sippe weitestgehend parallel zur Definition eines „Ariers“ durch die Nationalsozialisten des Dritten Reichs sowie mit einem Rückgang blonder Menschen in Europa ein „Untergang der großen Rasse“ beschrieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Verbotsverfügung Bezug genommen. Rassismus spiele dabei nicht lediglich im Rahmen des Mitglied-Auswahlprozesses eine zentrale Rolle, sondern stelle eine zu erfüllende Forderung hinsichtlich der Geisteshaltung der Mitglieder dar.
18
Über einen Buchdienst, für den in der „… Zeitung“ und den in Sozialen Medien betriebenen Kanälen geworben werde, würden seit mindestens dem Jahre 2015 rechtsextremistische Literatur vertrieben. Auch diesbezüglich wird auf die umfangreichen Ausführungen in der Verbotsverfügung Bezug genommen. In angebotenen Büchern für Kinder und Jugendliche seien antisemitische und fremdenfeindliche Geschichten enthalten. So würden in der Geschichte „…“ von 1940 Juden als moralisch, geistig und körperlich degeneriert sowie pauschal bösartig charakterisiert.
19
Der Verein sei bemüht, seine Bedeutung im religiös-völkischen Bereich des rechtsextremistischen Spektrums auszubauen und zu festigen. Es bestünden Bezüge zu verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen und Einzelpersonen sowohl des parteigebundenen als auch des parteiungebundenen rechtsextremistischen Spektrums. Auf die Ausführungen in der Verbotsverfügung wird insoweit Bezug genommen.
20
Die verfassungsfeindliche Haltung des Vereins sei für den Charakter der gesamten Gruppierung prägend. Die Ideologie werde vom Verein schon durch das „von der Mitgliederversammlung für gutheißenen“ Werk … „Unsere Ordnung“ vorgegeben, in der auch das „Artbekenntnis“ und das „Sittengesetz unserer Art“ als maßgebliche Reglungen aufgeführt seien. Dabei nehme der Verein auch eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Die Aktivitäten der Organisation seien bewusst auf der Grundlage einer völkischen Weltanschauung auf die Übernahme der nationalsozialistischen Ideologie, ihrer Sprache und Symbolik ausgerichtet. Insbesondere werde sie durch die Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen verwirklicht.
21
Offenkundige Mängel der Verbotsverfügung sind somit nicht ersichtlich.
22
2. Die darüber hinaus für die Anordnung einer Durchsuchung i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG erforderliche Sicherstellungsverfügung bezüglich der Sachen, die sich nicht im Gewahrsam des Vereins – insoweit genügt die in Nr. 5 der Verfügung des BMI vom 4. August 2023 enthaltene Beschlagnahmeanordnung –, sondern im Gewahrsam Dritter befinden, liegt im Entwurf vom 31. August 2023 der hierfür zuständigen Regierung von Oberbayern als zuständige Landesvollzugsbehörde ebenfalls vor und stellt eine hinreichende Grundlage für eine Durchsuchungsanordnung dar.
23
a) Um zu gewährleisten, dass im Zeitpunkt der Durchsuchung ein wirksamer und vollziehbarer Sicherstellungsbescheid vorliegt, darf die Durchsuchung erst nach zumindest gleichzeitiger Zustellung des Sicherstellungsbescheids an den Betroffenen erfolgen (vgl. OVG Bautzen, B.v. 12.11.2013 – 3 E 70/13 – juris Rn. 15; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 10 VereinsG Rn. 30).
24
b) Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG können aufgrund der sich aus der Verbotsverfügung in Nrn. 5 und 6 ergebenden Beschlagnahme des Vereinsvermögens Sachen im Gewahrsam des Vereins sowie im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden. Die Sicherstellung von Sachen des Vereinsvermögens im Gewahrsam Dritter kann dabei erst auf der Grundlage eines Sicherstellungsbescheids i.S.v. § 4 VereinsGDV erfolgen. Der Sicherstellungsbescheid ist Grundlage dafür, dass der Adressat die behördliche Ingewahrsamnahme von konkret bezeichneten Gegenständen, die sich in seinem Gewahrsam befinden, zu dulden hat (VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 13). Gemäß § 4 Satz 2 VereinsGDV ist in der schriftlichen Begründung des Sicherstellungsbescheids u.a. darzulegen, dass die sichergestellte Sache zum Vereinsvermögen gehört.
25
Nach den Entwürfen vom 31. August 2023 der Regierung von Oberbayern wird das im Besitz des Antragsgegners zu 1) und 2) befindliche Vermögen des Vereins „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V.“ sichergestellt (Nr. 1). Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V. § 6 Abs. 2 VereinsG ist der Sicherstellungsbescheid sofort vollziehbar.
26
Dass zum Zeitpunkt der richterlichen Anordnung der Durchsuchung die Sicherstellungsverfügung erst im Entwurfsstadium vorliegt und die konkret sicherzustellenden Gegenstände dann unmittelbar bei Vornahme der Maßnahme mit Begründung entsprechend der Vorgabe des § 4 VereinsGDV zu vermerken sind, ist nicht zu beanstanden, (vgl. VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 14; VG Aachen, B.v. 3.12.2004 – 6 L 1108/04 – beck-online Rn. 5). Ein anderes Verfahren erscheint wenig praktikabel (vgl. VG Aachen, a.a.O.).
27
Insofern wird auch die derzeit bestehende nur gattungsmäßige Bestimmtheit der sicherzustellenden Gegenstände bei Durchführung der Maßnahme durch Aufnahme in das Sicherstellungsverzeichnis unmittelbar vor der tatsächlichen Sicherstellung aufgelöst. Eine Übertragung der Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgebot der richterlichen Beschlagnahmeanordnungen (siehe unter 6.) ist daher nicht geboten.
28
c) Nach den antragstellerischen Ausführungen und dem vorgelegten Personen-Dossier ist der Antragsgegner zu 1) nicht nur Mitglied des Vereins und nahm vom 8. Oktober 2021 bis 10. Oktober 2021 an einem sog. „Thing-Treffen“, einer Mitgliederversammlung, teil, sondern wurde er auf diesem „Thing“ zum Kassenprüfer des Vereins gewählt. Zudem ist der Antragsgegner zu 1) nach den vorgelegten Erkenntnissen Leiter des „… …“. Ihm kommt damit eine über ein „einfaches“ Mitglied hinausgehende Rolle im verbotenen Verein und einer seiner Teilorganisationen zu, was hinreichend den Verdacht begründet, dass sich bei ihm sicherzustellendes Vereinsvermögen befindet.
29
d) Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) hingegen sieht das Gericht keine ausreichenden eigenständigen Anhaltspunkte für eine Vereinsvermögensbeschlagnahme.
30
In der Rechtsprechung wurde herausgearbeitet, dass eine Sicherstellung und eine zum Zweck der Sicherstellung erfolgende Durchsuchung der Wohnung eines „einfachen“ Vereinsmitglieds nicht quasi auf Verdacht zulässig ist (VGH Mannheim, B.v. 27.10.2011 – 1 S 1864/11 – juris Rn. 10; OVG Schleswig, B.v. 3.3.1994 - 4 M 142/93 – juris Rn. 7). Vielmehr müssen darüber hinaus ausreichende Anhaltspunkte nicht nur dafür vorliegen, dass der Betreffende Verbindungen zu dem Verein hat, sondern vielmehr darüber hinaus dafür, dass sich Gegenstände aus dem Vermögen des Vereins gerade bei ihm befinden (VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Schleswig a.a.O.). Diese Anhaltspunkte hat die Vollzugsbehörde bei der Beantragung des Durchsuchungsbefehls im Einzelnen darzulegen; die Darlegung hat sich speziell auf die Vermutung zu beziehen, dass sich Sachen des Vereinsvermögens im Gewahrsam des Betreffenden befinden (VGH Mannheim, a.a.O.; OVG Schleswig, a.a.O.). Diese besonderen und gegenüber der Sicherstellung von Sachen im Gewahrsam des Vereins gesteigerten Anforderungen rechtfertigen sich daraus, dass hinsichtlich Dritter die Annahme, sie könnten Gegenstände des Vereinsvermögens in Gewahrsam haben, nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, sondern insoweit vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, um den erheblichen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, der durch eine Beschlagnahme und die dazu erforderliche Durchsuchung eintritt, zu rechtfertigen. In dieser Beziehung ähnelt aber die Position eines „einfachen“, nicht mit besonderen Aufgaben betrauten Vereinsmitgliedes eher der eines außerhalb des Vereins stehenden Dritten als der eines Organs des Vereins (OVG Schleswig, a.a.O.).
31
Der Annahme des Antragstellers, bei der Antragsgegnerin zu 2) würde sich sicherzustellendes Vereinsvermögen auffinden und sicherstellen lassen, vermag das Gericht nach Aktenlage nicht zu folgen. Vielmehr lassen sich dem Personen-Dossier und den darin genannten Erkenntnismitteln keine über eine „einfache“, wenngleich aktive Mitgliedschaft der Antragsgegnerin zu 2) beim Verein und seinen Teilorganisationen hinausgehenden Anhaltspunkte entnehmen. Die Anhaltspunkte dem Antragsgegner zu 1) gegenüber reichen insoweit nicht aus. Eine Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin zu 2), die Durchsuchungsmaßnahme gegen den Antragsgegner zu 1) zu dulden, wäre vielmehr ausreichend.
32
Folglich bestehen rechtliche Bedenken gegen den Entwurf der Sicherstellungsanordnung vom 31. August 2023 der Antragsgegnerin zu 2) gegenüber und sind die Voraussetzungen für eine entsprechende Durchsuchungsmaßnahme nach § 10 Abs. 2 VereinsG bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) noch nicht erfüllt und ist der Antrag insoweit abzulehnen.
33
3. Die Durchsuchungsmaßnahme i.S.v. § 10 Abs. 2 VereinsG zum Zwecke des Auffindens von Vereinsvermögen und deren Beschlagnahme und Sicherstellung gegenüber dem Antragsgegner zu 1) ist verhältnismäßig.
34
Die Durchsuchung verfolgt einen legitimen Zweck, in dem sie darauf abzielt, die Beschlagnahme und Sicherstellung des Vereinsvermögens des mit Verfügung vom 4. August 2023 verbotenen Vereins und seiner Teilorganisationen zu ermöglichen. Insoweit ist durchaus davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu 1) ohne richterliche Anordnung einer Durchsuchung nicht ohne weiteres zustimmen wird.
35
Aufgrund der Anhaltspunkte, beim Antragsgegner zu 1) als Kassenprüfer des Vereins sowie Leiter einer Freundeskreises Vereinsvermögensgegenstände zu finden, ist die Durchsuchung auch geeignet, der Beschlaganordnung sowie Sicherstellungsverfügung tatsächlich Wirkung zu verschaffen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich.
36
Die Durchsuchung ist auch angemessen, insbesondere vor dem Hintergrund des sich aus Art. 13 Abs. 1 GG ergebenden besonderen Schutzes der Wohnung des Antragsgegners zu 1) und Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG sowie in Bezug auf die Durchsicht der E-Mail-Postfächer und Messenger-Dienste etc. des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG bzw. informationellen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. zur Abgrenzung bei E-Mail-Postfächern BVerfG, B.v. 16.6.2009 – 2 BvR 902/06 – juris Rn. 42-54).
37
Wie die Verbotsverfügung aufzeigt (s.o.), verfolgt der Verein mit seinen Teilorganisationen durch dessen rassistischer Ideologie und Wesensverwandtschaft mit der Ideologie des Nationalsozialismus verfassungsfeindliche Bestrebungen. Dem Vereinsverbot und seinem Vollzug durch Vermögensbeschlagnahme kommt daher eine derartige Bedeutung in der Unterbindung dieser verfassungswidrigen Bestrebungen zu, dass die Beeinträchtigung der Grundrechte des Antragsgegners zu 1) sowie der weiteren Antragsgegner bei einer Abwägung zurückzutreten hat.
38
4. Die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren findet demgegenüber in § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und ist sowohl gegenüber dem Antragsgegner zu 1) als auch der Antragsgegnerin zu 2) begründet.
39
a) Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dabei Gegenstände aufgefunden werden, die als Beweismittel im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren nach § 3 VereinsG von Bedeutung sein können. Hinreichende Anhaltspunkte liegen vor, wenn über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinaus ein sachlich zureichender und plausibler Verdacht für die Verwirklichung von vereinsrechtlichen Verbotsgründen besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 21.12.2012 -
40
1 L 82/12 – beck-online; OVG Bremen, B.v. 12.10.2011 – 1 S 11/11 – beck-online). Mit Blick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG muss die Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des vorgeworfenen Verhaltens und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2014 – 2 BvR 9/10 – beck-online).
41
Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG kann nur die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Bei anderen Personen ist dagegen eine Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, dass sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet (§ 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG).
42
b) Diesen Maßstäben wird die vorliegend angeordnete Durchsuchung gerecht.
43
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist insbesondere geklärt, dass die an sich im Vorfeld eines Vereinsverbots anstehende Ermittlungsmaßnahmen auch noch nach einem verfügten Vereinsverbot in Betracht kommen (BVerwG, B.v. 9.2.2001 – 6 B 3/01 – beck-online Nr. 3. a) bb)).
44
Der Antragsgegner zu 1) und die Antragsgegnerin zu 2) sind zum Personenkreis des § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG zu zählen. In Bezug auf den Antragsgegner zu 1) kommt diesem als Kassenprüfer des Vereins sowie als Leiter eines Freundeskreises und damit einer Teilorganisation sogar eine herausragende Position zu. Eine Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens von Beweismitteln nach § 4 Abs. 4 VereinsG kommt – anders als eine Durchsuchung nach § 10 Abs. 2 VereinG (s.o.) – nach der gesetzgeberischen Formulierung bereits bei einer Vereinsmitgliedschaft in Betracht. Vorliegend reichen die Anhaltspunkte für das Auffinden von Beweismitteln für eine Anordnung der Durchsuchung hinsichtlich der Wohnung und ihrer Person auch der Antragsgegnerin zu 2), zumal diese nach den Erkenntnismitteln noch 2021 an einem sog. „Thing“ teilgenommen hat und damit nicht als sog. „Karteileiche“ einzustufen sein dürfte, sondern aufgrund der Stellung ihres Ehemanns viel für eine aktive Mitgliedschaft spricht. Es bestehen ausreichend gewichtige Anhaltspunkte, dass sich bei der Durchsuchung – nicht nur des Antragsgegners zu 1), sondern auch – der Antragsgegnerin zu 2) und ihrer Sachen weitere Beweismittel zum verbotenen Verein mit seinen Teilorganisationen zu seiner Struktur und ideologischen Ausrichtung finden lassen.
45
c) Die Durchsuchungen bei den Antragsgegnern zu 1) und 2) sind auch verhältnismäßig.
46
Auch im Anschluss an ein Vereinsverbot verfolgt das Auffinden und Sichern von weiteren Beweismitteln für ein etwaiges gerichtliches Verfahren einen legitimen Zweck (vgl. die Ausführungen des BVerwG, a.a.O.).
47
Es ist anzunehmen, dass sich bei den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) Beweismaterial über die Tätigkeiten des Vereins, seiner Teilorganisationen und seiner Vereinsstruktur angesammelt haben dürfte, insbesondere aus der Tätigkeit des Antragsgegners zu 1) als Kassenprüfer des Vereins sowie Leiters eines Freundeskreises.
48
Mildere Mittel als eine Durchsuchungsanordnung sind nicht ersichtlich, da nicht zu erwarten ist, dass die Antragsgegner ohne richterliche Anordnung den Vollzugsbehörden Zutritt zu ihrer Wohnung gestatten werden.
49
Die Durchsuchungsmaßnahme ist zudem angemessen. Schließlich steht die Schwere der grundgesetzlichen Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 10 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG mit Blick auf das Gewicht der vorliegenden Erkenntnisse in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck, das am 4. August 2023 verfügte Verbot nach § 3 VereinsG zu untermauern, die Vereinsstrukturen weiter aufzudecken und hierdurch die verfassungsmäßige Ordnung als elementarem Schutzgut zu schützen.
50
Auch das zwangsweise Öffnen der Räume sowie von Sachen, sofern kein Zutritt gewährt wird bzw. diese nicht geöffnet werden, ist gerechtfertigt, da bundesweit zeitgleich Durchsuchungen durchgeführt werden sollen, und das Vorgehen nur in einer konzertierten Aktion erfolgversprechend erscheint. Soweit die Antragsgegner zu 1) und zu 2) zumindest eine (Mit-)Verfügungsgewalt besitzen, darf sich die Öffnung und Durchsuchung insoweit auch auf die zur Wohnung der Antragsgegner gehörende Briefkästen erstrecken (vgl. VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014 – B 1 X 14.440 – beck-online, allerdings mit Verweis auf § 10 Abs. 2 Satz 4 VereinsG i.V.m. § 99 StPO, der mangels Gewahrsam der Postsendungen beim Postdienstleister nicht einschlägig sein dürfte).
51
b) Die Durchsicht der elektronischen Datenträger und Datenspeicher ist nach Art. 4 Abs. 4 Satz 4 VereinsG i.V.m. § 110 Abs. 1 StPO zulässig; der dortige Begriff „Papiere“ ist weit auszulegen (BVerfG, B.v. 12.4.2005 – 2 BvR 1027/02 – juris Ls. 1; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 110 Rn. 1). Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von diesen Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Speichermedien aus zugegriffen werden kann (§ 110 Abs. 3 Satz 1 StPO). Somit ist auch ein Zugriff auf sog. Cloud-Speicher möglich. Umfasst von der Rechtsgrundlage des § 110 StPO ist zudem die offen erfolgende, unmittelbare und einmalige Durchsicht der E-Mail-Postfächer (vgl. hierzu auch BVerfG, B.v. 16.6.2009 – 2 BvR 902/06 – juris Rn. 55 ff) sowie der Nachrichten der Messenger-Dienste und in den Accounts der sozialen Medien gespeicherten Daten, soweit hierauf von den aufgefundenen Endgeräten zugegriffen werden kann (vgl. LG Koblenz, B.v. 24.6.2021 – 4 Qs 59/21 – juris Rn.17 ff.). Soweit sich die Daten auf Servern im Ausland befinden, hat die mit der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses beauftragte Stelle je nach konkreter Begebenheit zu prüfen, ob es noch eines ausländischen Rechtshilfeersuchens bedarf oder ein solches entfallen kann, etwa weil der von der Maßnahme Betroffene die Zugangsdaten den Ermittlungsbehörden überlassen hat oder diese die Zugangsdaten bei der Durchsuchung aufgefunden haben (vgl. zum Streitstand LG Koblenz, a.a.O. Rn. 21 ff. mit kritischen Anmerkungen von Bechtel in NZWiSt 2022, 160; Hegmann in BeckOK StPO § 110 Rn. 16 m.w.N. – beck-online).
52
5. Während die Beschlagnahme des Vereinsvermögens auf der Verfügung in Nr. 5 vom 4. August 2023 bzw. der Sicherstellungsverfügung vom 31. August 2023 beruht (s.o.), bedarf die Beschlagnahme von Gegenständen i.S.v. § 4 Abs. 4 VereinsG zum Zwecke der Beweissicherung der richterlichen Anordnung.
53
Dabei steht der Beschlagnahme nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VereinsG zum Zwecke der Beweissicherung nicht entgegen, wenn Gegenstände nicht dem Vereinsvermögen zugerechnet werden können (vgl. VGH Kassel, B.v. 16.2.1993 – 11 TJ 185, 186/93 – beck-online).
54
Sie wird gemäß § 4 Abs. 2 und 4 Satz 1 VereinsG, § 94 Abs. 2 StPO jedoch nur für den Fall angeordnet, dass die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden (vgl. BayVGH v. 11.12.2002 – 4 C 02.2478, juris Rn. 22).
55
Dem Bestimmtheitsgebot wird durch die vorliegend gattungsmäßige Benennung der zu beschlagnahmenden Gegenständen ihrer Art nach und einem zu fordernden Zusammenhang zum Verein „… … * … … … … e.V.“ sowie aller Teilorganisationen, genannt „…“, „…“ und „…“ und die Teilorganisation „… e.V.“ hinreichend Rechnung getragen (vgl. VGH Kassel, B.v. 21.12.2018 – 8 E 545/18 – beck-online; vgl. auch BayVGH, B.v.11.12.2002 – 4 C 02.2478 – beck-online, der insoweit höhere Anforderungen als der VGH Kassel stellt). Zwar sind die zu beschlagnahmenden Gegenstände in der Anordnung so genau zu bezeichnen, dass keine Zweifel darüber entstehen können, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind; andernfalls würde die Entscheidung, welche Gegenstände unter die richterliche Beschlagnahmeanordnung fallen, nicht dem Richter, sondern den Ermittlungsbehörden obliegen (vgl. VGH Kassel, a.a.O. Rn 27 mit Hinweis auf eine insoweit kritische Rechtsprechung). Sie darf kein „Beschlagnahmeblankett“ darstellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.9.2009 – OVG 1 L 100.08 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen hingegen auch nicht überspannt werden (VGH Kassel, a.a.O. Rn. 30). Es ist deshalb für die Wahrung des Bestimmtheitsgebots erforderlich, aber auch ausreichend, Gegenstände, Unterlagen und Daten allgemein nach ihrer Art zu benennen und diese Beschreibung zu konkretisieren, indem auf ihren Bezug zu dem zu verbietenden Verein verwiesen wird. Eine solche Eingrenzung genügt, um in ausreichendem Maße Zweifel darüber, welches Beweismaterial beschlagnahmt werden darf, auszuräumen. Unschädlich sind die hierbei verbleibenden Unbestimmtheiten, weil diese aufgrund des Wesens einer vereinsrechtlichen Ermittlungsmaßnahme nie völlig vermieden werden können (VGH Kassel a.a.O.; BayVGH, B.v. 17.10.2013 – 4 C 13.1589 – juris Rn. 8). Hinzu kommt, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG bei Beschlagnahmen von Gegenständen nicht berührt wird (BVerfG, B.v. 29.1.2002 – 2 BvR 1245/01 – beck-online).
56
6. Eine vorherige Anhörung im Verwaltungsverfahren nach § 28 VwVfG bzw. Art. 28 BayVwVfG in Bezug auf die Sicherstellungsverfügung sowie im gerichtlichen Verfahren konnte entfallen.
57
Zwar gilt insbesondere das Gebot rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich auch für richterliche Anordnungen nach § 4 Abs. 2 VereinsG ebenso für den Erlass richterlicher Anordnungen nach den §§ 94 ff. StPO (vgl. dazu Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand 92. EL August 2020, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 58 m.w.N.). Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt; in diesen Fällen ist eine Verweisung der Betroffenen auf nachträgliche Anhörung mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – beck-online unter Nr. 2.). Im vorliegenden Fall ist die unterbliebene vorherige Anhörung der Antragsgegner aufgrund der in der Antragsbegründung des Antragstellers zum Ausdruck gekommenen Erwägung gerechtfertigt, dass bei einer vorherigen Anhörung damit zu rechnen ist, dass Beweismittel beiseitegeschafft oder vernichtet werden (vgl. VGH Kassel, B.v. 16.2.1993 – 11 TJ 185, 186/93 – beck-online). Aus gleichen Erwägungen heraus konnte die vorherige Anhörung in den Verwaltungsverfahren entfallen (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1988 – 1 A 89/83 – juris Rn. 27 ff.).
58
7. Die Antragsgegnerin zu 2) – soweit sie nicht selbst Adressatin der Maßnahme ist -sowie die drei minderjährigen Kinder der Antragsgegner zu 1) und 2) als Antragsgegner zu 3) bis 5) haben die angeordneten Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme zu dulden.
59
Nachdem das Vereinsgesetz dem (Mit-)Inhaber von Räumen und Sachen, die nicht in der alleinigen tatsächlichen Verfügungsgewalt des eigentlichen Adressaten und Betroffenen der Durchsuchung und Beschlagnahme stehen, nicht ausdrücklich eine Duldungspflicht auferlegt, ist es sachgerecht diese anzuordnen (VG Gelsenkirchen, B.v. 20.1.2020 – 14 I 66/19 – juris Rn. 37; VG Ansbach, B.v. 9.4.2019 – AN 4 X 19.746 – beck-online). Grundsätzlich kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung nicht auf das Eigentum an den zu durchsuchenden Räumen, sondern die tatsächliche Verfügungsgewalt an. Bei einem gemeinsamen Hausstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die genannten Personen Verfügungsgewalt haben. Nachdem in den antragsgemäß zu durchsuchenden Räumen neben dem Antragsgegner zu 1) auch die genannten weiteren Personen wohnen und eine klare Trennung der Wohnräume zwischen Antragsgegner zu 1) und insbesondere der Antragsgegnerin zu 2), aber auch der weiteren Antragsgegner nicht möglich sein dürfte, kann das Ziel der Durchsuchung, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen bzw. sicherzustellen sowie weitere Beweismittel zur Aufklärung der Vereinsstrukturen aufzufinden, nur erreicht werden, wenn sämtliche Räume der Wohnung durchsucht werden.
60
Den Rechten der Antragsgegner zu 3) bis zu 5) in Bezug auf Gegenstände, die nur ihrer Verfügungsgewalt unterliegen, z.B. etwaig eigenen Smartphones, Tablets oder Spielekonsolen, wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass eine Beschlagnahme von Sachen zu unterbleiben hat, wenn diese nachweislich nur im alleinigen Gewahrsam Anderer als den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) stehen. Eine pauschale und undifferenzierte Beschlagnahmeanordnung vorab kommt insoweit nicht in Betracht. Hierzu bedarf es etwaig einer konkreten Bezeichnung und Festlegung auf einzelne Beweismittel, § 4 Abs. 4 Satz 3 VereinsG (vgl. Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, 2014, § 4 Rn. 61, 63).
61
8. Die besondere Verfahrenslage rechtfertigt und gebietet, dass die Zustellung der gerichtlichen Anordnung gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 176, 177 ff. ZPO durch die Regierung von Oberbayern bzw. die Polizei in Amtshilfe erfolgt (vgl. auch § 114a StPO; VG Bayreuth, B.v. 17.7.2014, B 1 X 14.440 – beck-online).
62
9. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsteller unterliegt nur insoweit, als sich die beantragte Durchsuchung gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) auf eine Vermögensbeschlagnahme nach § 10 Abs. 2 VereinsG (Nr. I. 1. und 2. des Tenors) bezieht, obsiegt hingegen in Bezug auf eine Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens von Beweismitteln nach § 4 Abs. 2, Abs. 4 VereinsG bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) und gegenüber dem Antragsgegner zu 1) vollumfänglich. Das Unterliegen fällt somit bei ganzheitlicher Betrachtung nicht ins Gewicht.
63
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, so dass es einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf.