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VG München, Beschluss v. 16.10.2023 – M 11 K 20.1059
Titel:

Gemeindeklage, Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigung, Übereinstimmende Erledigung nach Rückgabe des maßgeblichen Bauantrags durch die beigeladene Bauherrin, Erklärung der Beigeladenen, einen bereits schriftsätzlich angekündigten Sachantrag nicht zu stellen

Normenketten:
VwGO § 161 Abs. 2 und 3
§ 154 Abs. 3 vwGO
Schlagworte:
Gemeindeklage, Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigung, Übereinstimmende Erledigung nach Rückgabe des maßgeblichen Bauantrags durch die beigeladene Bauherrin, Erklärung der Beigeladenen, einen bereits schriftsätzlich angekündigten Sachantrag nicht zu stellen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31279

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Beigeladene hat die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer außergerichtlichen Kosten zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wandte sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung. Nachdem die Klage näher begründet und von Seiten des Beklagten auf die Klage erwidert worden war, zeigten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 die Vertretung der Beigeladenen an und beantragten namens und im Auftrag der Beigeladenen, die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Die Sach- und Rechtslage aus Sicht der Beigeladenen wurde hierzu ausführlich erörtert und ein gerichtlicher Augenschein angeregt.
2
Nach Terminierung des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung für den 7. September 2023 teilten die Bevollmächtigte der Beigeladenen dem Landratsamt mit Schriftsatz vom 4. September 2023 – berichtigt mit Schreiben vom 5. September 2023 – mit, dass der der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde liegende Bauantrag zurückgenommen werde; die Baugenehmigung habe sich überholt, da seit Oktober 2021 eine bestandskräftige anderweitige Baugenehmigung für das Bauvorhaben vorliege. Parallel wurden das Gericht und die Klagepartei informiert. Die Kammer setzte den bereits anberaumten Termin daraufhin ab.
3
Mit Schriftsatz vom 22. September 2023, bei Gericht eingegangen am 25. September 2023, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt und regte eine Kostentragung der Beigeladenen an. Der Beklagte stimmte der Hauptsacheerledigung mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2023, bei Gericht eingegangen am 4. Oktober 2023, zu.
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Mit Schreiben vom 5. Oktober 2023, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, nunmehr keinen Antrag in der Verwaltungsstreitsache zu stellen. Auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Dezember 2011 (Az. 22 A 11.40003) wurde Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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1. Da die Klägerin und der Beklagte als Hauptbeteiligte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Einer Zustimmung der Beigeladenen bedarf es hierzu nicht (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 66, Rn. 7 sowie § 161, Rn. 6).
7
2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der bisherigen Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens der Beigeladenen aufzuerlegen.
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Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (ständ. Rspr. vgl. etwa BVerwG, B.v. 17.10.2012 – 2 C 11/12 – juris). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Erledigungserklärung durch die Hauptbeteiligten. Die übereinstimmenden Erledigungserklärungen von Klagepartei und Beklagtem beenden den Rechtsstreit in der Hauptsache, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Der gerichtliche Einstellungsbeschluss wirkt lediglich deklaratorisch (vgl. Eyermann, a.a.O., § 161, Rn. 6 m.w.M. zur Rspr.).
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Dies zugrunde gelegt, hat die Beigeladene vorliegend aus eigenem Willensentschluss die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt. Denn die Rücknahme des maßgeblichen Bauantrags hat in der Konsequenz dazu geführt, dass der Rechtsstreit um die erteilte Baugenehmigung obsolet geworden ist. Hiervon geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der von der Beigeladenen herangezogenen Entscheidung im Falle der Rücknahme eines Genehmigungsantrags einer Beigeladenen aus (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2011 – 22 A 11.40003 – juris Rn. 4).
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Anders als im Falle der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Dezember 2011 hat die Beigeladene überdies mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO). Wird mündlich verhandelt, muss ein schriftsätzlich angekündigter Antrag zwar nach allgemeinen Regeln gestellt werden; die Anbringung in einem Schriftsatz genügt aber im schriftlichen Verfahren sowie bei Nichterscheinen eines Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung (vgl. Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 154, Rn. 13). Nichts anderes gilt im Falle der Erledigung der Streitsache vor einer mündlichen Verhandlung, wo das Gericht ebenfalls eine Entscheidung anhand der Aktenlage zu treffen hat.
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Der Umstand, dass die Beigeladene am 5. Oktober 2023 erklärte, nunmehr keinen Abweisungsantrag zu stellen, rechtfertigt keine andere Billigkeitsentscheidung. Die Erklärung der Beigeladenen vom 5. Oktober 2023 erfolgte erst einen Tag nach dem Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung durch die Hauptbeteiligten und damit jedenfalls verspätet. Mit dem Zugang der letzten Erledigungserklärung bei Gericht – hier der Zustimmung des Beklagten am 4. Oktober 2023 – wurde die Rechtshängigkeit unmittelbar beendet (vgl. Eyermann, a.a.O., Rn. 6a). Ebenso wie eine Klagerücknahme nach Eingang der letzten Erklärung bei Gericht nicht mehr möglich ist (vgl. Eyermann, a.a.O., Rn. 6), können nach diesem Zeitpunkt auch keine Sachanträge der Beigeladenen oder – wie hier – der Widerruf bereits schriftsätzlich angekündigter Sachanträge der Beigeladenen Berücksichtigung finden.
12
Selbst wenn – abweichend von den o.g. allgemeinen Grundsätzen – die nach Eintritt der Erledigung erfolgte Erklärung der Beigeladenen Berücksichtigung finden würde, wäre darin die Rücknahme eines Sachantrags zu sehen, was im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung einem Unterliegen der Beigeladenen gleichzusetzen ist (vgl. dazu Wysk, a.a.O., Rn. 15).
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.