Titel:
Erfolglose Verfassungsbeschwerde bezüglich eines Klageerzwingungsverfahrens wegen Prozessbetrugs
Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4
BV Art. 3 Abs. 1, Art. 91 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1, Art. 120
BayVfGHG Art. 51 Abs. 1, Abs. 2
StPO § 33a, § 170 Abs. 2, § 172
Leitsätze:
1. Beruft sich ein Beteiligter auf die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, so gehört zum Rechtsweg im Klageerzwingungsverfahren auch die Anhörungsrüge nach § 33a StPO. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwerfung eines Klageerzwingungsantrags als unzulässig ist nicht willkürlich, wenn das Vorbringen der Beschwerdeführerin keine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsdarstellung enthält, die sämtliche in der als verletzt behaupteten Strafvorschrift bestimmten Tatbestandsmerkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht durch tatsächliche Lebensvorgänge beschreibt. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Bescheide der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft sowie gegen eine strafgerichtliche Entscheidung, mit der ein Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 172 StPO als unzulässig verworfen wurde., Klageerzwingungsverfahren, Rechtswegerschöpfung, Anhörungsrüge, Substantiierung, unzulässig, Willkür
Fundstelle:
BeckRS 2023, 31171
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Entscheidungsgründe
1
1 Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft M. I vom 8. Juli 2020 Az. 273 Js 136472/20, mit der ein auf ihre Strafanzeige hin eingeleitetes Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, den Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 19. August 2020 Az. 202 Zs 2281/20 c, mit dem die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen wurde, und die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 Az. 4 Ws 169/20 KL, durch die der Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen wurde.
2
Der Verfassungsbeschwerde liegt nach den Angaben der Beschwerdeführerin und – teilweise – unter Heranziehung der Verfahrensakten folgender Sachverhalt zugrunde:
3
1. Mit Anwaltsschriftsatz vom 16. April 2020 erstattete die Beschwerdeführerin Strafanzeige wegen vollendeten Prozessbetrugs gegen Frau G. (im Folgenden: die Beschuldigte). Hintergrund dieser Strafanzeige war ein vor dem Landgericht München II Az. 8 O 4982/18 geführter Zivilprozess, in dem die Beschwerdeführerin die Beschuldigte auf Rückzahlung mehrerer in der Zeit vom 30. Dezember 1997 bis 4. September 1998 gewährter Darlehen über insgesamt 18.950,00 DM (= 9.688,98 €) nebst vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten und Zinsen in Anspruch genommen hatte. In ihrer Klageschrift vom 13. Dezember 2018 hatte sie durch ihren Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen vortragen lassen, sie habe im genannten Zeitraum mit der Beschuldigten insgesamt sechs schriftliche Darlehensverträge abgeschlossen, wobei die vereinbarten Beträge zu den dort näher ausgeführten Zeitpunkten an deren inzwischen verstorbenen Vater ausbezahlt worden seien. Diese Verträge habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Juli 2018 gekündigt und die Beschuldigte unter Fristsetzung bis 30. September 2018 zur Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich der vertraglich vorgesehenen Zinsen aufgefordert. Diese sei ihrer Aufforderung jedoch nicht nachgekommen, sondern habe bestritten, mit ihr Darlehensverträge geschlossen zu haben.
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In der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2019 waren die Verfahrensbeteiligten informatorisch angehört worden. Bei dieser Gelegenheit hatte die Beschwerdeführerin zu den behaupteten Vertragsabschlüssen u. a. Folgendes erklärt:
Bei den eigentlichen Unterzeichnungen waren neben dem vorverstorbenen Vater der Beklagten nur die Klägerin und die Beklagte [die Beschuldigte] anwesend. Die Beträge sind jeweils in bar übergeben worden. Ich habe Herrn S. [Vater der Beschuldigten] vertraut,…
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Mai 2019 hatte die Beschwerdeführerin dann vortragen lassen, dass „der Erblasser, d. h. der zwischenzeitlich verstorbene Vater der Beklagten, Herr …, während seines Aufenthalts in Costa Rica, d. h. der ursprünglichen Heimat der Klägerin [Beschwerdeführerin], die unter der Anlage K 1 vorgelegten Darlehensverträge mit seiner Schreibmaschine geschrieben hat und gegenüber den Zeugen äußerte, dass seine Tochter …, d. h. die Beklagte, diese Verträge unterschreiben soll, weil er die in diesen Verträgen genannten Darlehensbeträge von der Klägerin erhalten hat und sich seine Tochter …, d. h. die Beklagte, bereit erklärt hätte, diese Darlehensbeträge an die Klägerin wieder zurückzuerstatten.“ Die vom Erblasser gefertigten Darlehensverträge habe dieser sodann der Beklagten (Beschuldigten) per Telefax übermittelt.
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Nach Einvernahme einer von der Beschwerdeführerin benannten Zeugin im Fortsetzungstermin vom 4. Juni 2019 hatte das Landgericht München II mit Endurteil vom 9. August 2019 die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen ausführt, die Beschwerdeführerin habe schon den Abschluss der behaupteten Darlehensverträge nicht nachweisen können. Denn die von ihr vorgelegten Schriftstücke seien nicht im Original beigebracht worden und daher als Nachweis für den Abschluss der Verträge nicht geeignet, da die Beklagte (Beschuldigte) die Echtheit der Unterschriften bestritten habe.
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Außerdem habe die Beschwerdeführerin ihren Sachvortrag im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mehrfach geändert. Eingangs habe sie behauptet, die Verträge seien in Anwesenheit beider Vertragsparteien und des Vaters der Beklagten (Beschuldigten) zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten geschlossen und die Darlehensbeträge in bar übergeben worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Mai 2019 habe die Beschwerdeführerin hingegen später vortragen lassen, dass ihr Vater die Vertragsentwürfe persönlich auf seiner Schreibmaschine in Costa Rica gefertigt und anschließend per Fax seiner Tochter zur Unterschrift nach Deutschland übermittelt habe. Die Darlehensvaluta habe dieser per Überweisung erhalten. Da auch weitere Unterlagen und die Angaben der vernommenen Zeugin für den Nachweis eines Vertragsschlusses nicht ausgereicht hätten und etwaige Verpflichtungen des Vaters der Beklagten (Beschuldigten) als Nachlassverbindlichkeiten verjährt seien, sei die Klage einschließlich der geltend gemachten Nebenforderungen abzuweisen.
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Die mit Schriftsatz vom 20. September 2020 zum Oberlandesgericht München eingelegte Berufung gegen diese Entscheidung hatte die Beschwerdeführerin mit weiterem Schriftsatz vom 21. November 2021 zurückgenommen.
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In ihrer Strafanzeige behauptete die Beschwerdeführerin, die Beschuldigte habe bewusst wahrheitswidrig den Abschluss der genannten Darlehensverträge bestritten. Denn es gäbe neue Beweismittel. Sie sei auch im Besitz einer Quittung, in der die Beschuldigte am 6. Januar 2013 unterschriftlich bestätigt habe, ihr einen Geldbetrag in Höhe von 1.000 € als Anzahlung auf die Verpflichtung aus den Darlehensverträgen in bar übergeben zu haben. Ein Zeuge habe der Beschwerdeführerin gegenüber von der Übergabe des Geldes in einem Auto berichtet, wobei die Beschuldigte dabei sinngemäß gesagt haben soll: „Dieses Geld ist eine Anzahlung auf die Darlehen, die du meinem Vater gegeben hast“. Damit sei erwiesen, dass die Beschuldigte im Zivilprozess gelogen habe.
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Der von der Beschwerdeführerin benannte Zeuge bekundete anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung im Wesentlichen, dass die Beschuldigte der Beschwerdeführerin einen Umschlag mit Geld übergeben habe, das sie bei dieser Gelegenheit „vorzählte“. Er habe noch das Wort „Quittung“ verstanden und dass es dabei um den verstorbenen Vater der Beschuldigten gegangen sei. Danach habe ihm die Beschwerdeführerin erklärt, dass die Beschuldigte bei ihr Schulden gehabt habe, die sie nun zurückbezahle.
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2. Mit der angegriffenen Verfügung vom 8. Juli 2020 Az. 273 Js 136472/20 stellte die Staatsanwaltschaft M. I das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte gemäß § 170 Abs. 2 StPO im Wesentlichen mit der Begründung ein, ein Tatnachweis sei nicht mit der für eine Anklageerhebung ausreichenden Sicherheit zu führen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung der Beschuldigten nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn diese mache von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Im Vortrag der Beschwerdeführerin sei zudem unklar, ob die Darlehen an die Beschuldigte oder deren Vater ausbezahlt worden seien. Schließlich könne auch der benannte Zeuge nur eine Geldübergabe bestätigen. Daraus lasse sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisen, dass es zu den behaupteten Vertragsabschlüssen gekommen sei.
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Gegen die ihr am 23. Juli 2020 zugegangene Einstellungsverfügung legte die Beschwerdeführerin mit Anwaltsschriftsatz vom 6. August 2020, eingegangen im Original bei der Staatsanwaltschaft M. I am 13. August 2020, Beschwerde ein, die sie im Wesentlichen wie folgt begründete: Die Staatsanwaltschaft habe das Ermittlungsverfahren zu Unrecht eingestellt. Nachweislich falsch sei nämlich die Behauptung der Beschuldigten im Zivilprozess, sie habe die Darlehensverträge nicht unterzeichnet. Dessen ungeachtet hafte sie für die Nachlassverbindlichkeiten ihres Vaters als Alleinerbin. Auch dies sei ihr bewusst gewesen, sonst hätte sie keine 1.000 € angezahlt. In der hierüber ausgestellten Quittung sei angegeben, dass der geleistete Betrag eine „Anzahlung auf Darlehensschulden“ darstelle. Folglich sei sie auch verpflichtet gewesen, dies im Zivilprozess zu erwähnen. Entgegen der Darstellung in der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung sei auch keineswegs unklar, wer die Darlehensbeträge erhalten habe. Aus der Strafanzeige gehe eindeutig hervor, dass dies der inzwischen verstorbene Vater der Beschuldigten gewesen sei.
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Die Staatsanwaltschaft M. I half der Beschwerde nicht ab, da ein Tatnachweis auch nach den weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht zu führen sei. Denn ihr Vortrag zu den Umständen des Vertragsschlusses sei widersprüchlich gewesen. Zudem sei die von ihr vorgelegte „Quittung“ nicht als Nachweis geeignet, da das Schriftstück lediglich die Unterschrift der Beschwerdeführerin trage und zudem im Betreff nicht hinreichend konkretisiert sei. Deshalb sei die Quittung auch nicht als Schuldanerkenntnis zu qualifizieren.
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3. Mit dem ebenfalls angegriffenen Bescheid vom 19. August 2020 Az. 202 Zs 2281/20 c gab der Generalstaatsanwalt in M. der Beschwerde keine Folge, da die angegriffene Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I der Sach- und Rechtslage entspreche. Diese Entscheidung ging – nach dem Eingangsstempel des anwaltlichen Vertreters – dort am 31. August 2020 ein.
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Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin mit Anwaltsschriftsatz vom 30. September 2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 StPO) mit dem Ziel, „die Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Beschuldigte, …, wegen Betrugs anzuordnen.“ Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen das Vorbringen in ihrer Strafanzeige und die Ausführungen beider Parteien im Zivilprozess vor dem Landgericht München II, teilweise durch Einkopieren der gewechselten Schriftsätze, der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Endurteils vom 9. August 2019, der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 8. Juli 2020, ihrer Beschwerdeschrift vom 6. August 2020, der Aussage des vernommenen Zeugen und des vorgenannten Bescheids des Generalstaatsanwalts.
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Ferner ließ die Beschwerdeführerin vortragen, die angegriffenen Entscheidungen verletzten das Legalitätsprinzip. Im Ergebnis sei es falsch, davon auszugehen, dass der Abschluss mehrerer Darlehensverträge zwischen ihr und der Beschuldigten nicht nachweisbar sei. Zwar seien die Originaldokumente nicht vorhanden. Allerdings seien ihre Ausführungen keineswegs widersprüchlich gewesen. Denn sie habe ihren Sachvortrag im Zivilprozess vor dem Landgericht München II nur ergänzt. Außerdem lasse sich mit der Aussage des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen ein Tatnachweis führen. Dieser habe nämlich glaubhaft bestätigt, dass im Jahr 2013 eine Geldübergabe „in Bezug auf die Darlehen“ stattgefunden und er dabei auch die Quittung gesehen habe.
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Beigefügt waren dem Schreiben diverse Ablichtungen (angeblich von der Beschuldigten unterzeichnete Darlehensverträge, vorgerichtlicher Schriftwechsel, die Klageschrift vom 13. Dezember 2018 und weitere im Zivilprozess von beiden Seiten eingereichte Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 9. April 2019, das Endurteil des Landgerichts München II vom 9. August 2019, die Strafanzeige mit Anlagen, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft, die dagegen erhobene Beschwerde und der Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 19. August 2020).
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Nach Vorlage der Ermittlungsakten mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft München vom 16. Oktober 2020 (dieses verbunden mit dem Antrag auf Verwerfung des Antrags der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig) und nach Eingang der mit Verfügung des Berichterstatters vom 22. Oktober 2020 veranlassten Nachermittlungen erteilte der erkennende Strafsenat an den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin u. a. Hinweise zur mangelnden Glaubhaftmachung der Einhaltung der Frist für die Vorschaltbeschwerde gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dem trat die Beschwerdeführerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. November 2020 entgegen.
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4. Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 14. Juli 2021 Az. 4 Ws 169/20 KL, dem anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin zugegangen am 19. Juli 2021, verwarf das Oberlandesgericht München den Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 19. August 2020 als unzulässig. Seine Entscheidung stützte es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
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Zum einen seien bereits die förmlichen Voraussetzungen des Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 Abs. 2 StPO nicht erfüllt. Denn die Beschwerdeführerin habe nicht ausreichend vorgetragen, dass die zwingend zu beachtende zweiwöchige Frist der Vorschaltbeschwerde gemäß § 172 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO eingehalten worden sei (wird näher ausgeführt). Auch im Übrigen lasse das Vorbringen der Beschwerdeführerin eine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsdarstellung vermissen, die sämtliche in der als verletzt behaupteten Strafvorschrift bestimmten Tatbestandsmerkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht durch tatsächliche Lebensvorgänge ausfülle. Insbesondere enthalte die Antragsschrift keine sachgerechte und vollständige, auf ausgewählte Gesichtspunkte beschränkte Auseinandersetzung mit dem Gang des Ermittlungsverfahrens, dem Inhalt der angegriffenen Bescheide und den tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, die für deren Unrichtigkeit sprechen könnten.
21
Eine Antragsschrift, in die die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ohne jegliche Veränderung nur einkopiert und auf eine entsprechende Anlage verwiesen worden sei, sei nach ständiger Rechtsprechung weder statthaft noch ausreichend, weil ein fehlender Sachvortrag nicht dadurch ersetzt oder umgangen werden könne, dass in den Verfahrensakten hierfür eine Bestätigung gefunden werden könnte.
22
Eine Darstellung des Verfahrensgangs und der Ermittlungsergebnisse sei hier umso mehr geboten gewesen, als nicht erkennbar gewesen sei, welche Tatsachen und Beweismittel die Staatsanwaltschaft festgestellt oder für entbehrlich gehalten habe. Deshalb ermögliche die Antragsschrift dem Strafsenat für sich allein keine Prüfung, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale der als verletzt gerügten Straftatbestände durch eine ausreichende Tatsachengrundlage bestätigt werden könnten.
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Nichts anderes gelte für die gebotene Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen und den Erwägungen der Staatsanwaltschaft. Die Antragsschrift beschränke sich auch hier lediglich darauf, die Begründung der Beschwerde vom 6. August 2020 abzuschreiben und den offensichtlichen Fehler zu berichtigen, dass nicht die Beschuldigte, sondern sie selbst die Quittung vom 6. Januar 2013 unterzeichnet habe. Allerdings werde von der Beschwerdeführerin nicht erklärt, aus welchem Grund sie diese Quittung, die für die Beschuldigte den Nachweis der Erfüllung darstellen könnte, in ihrem Besitz habe.
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Ihre eigene Einschätzung, dass ihre Sachverhaltsdarstellung nicht widersprüchlich, sondern glaubhaft sei, und die Aussage des benannten Zeugen ihr Vorbringen zu den Vertragsabschlüssen beweise, stelle jedoch kein geeignetes und zielführendes Vorbringen dar. Denn die Beschwerdeführerin versuche lediglich, ihrer Auffassung als allein zutreffend Geltung zu verschaffen und jede ihrer Bewertung der Sach- und Rechtslage entgegenstehende Beurteilung für unabweisbar verfehlt zu halten. Der zwingend erforderliche Vortrag fassbarer tatsächlicher Einzelheiten, durch die Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen aufgezeigt würden, könne nicht ersetzt werden durch persönliche Überzeugungen und die Möglichkeit einer gegenteiligen Beurteilung des Beweisergebnisses. Ein solcher Vortrag wäre hier vor allem deshalb geboten gewesen, weil die Tatschilderung der Beschwerdeführerin über weite Strecken fehlerhaft, widersprüchlich, berichtigungsbedürftig und nicht nachvollziehbar gewesen sei.
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Die Beschwerdeführerin habe sich in ihrer Antragsschrift auch nicht mit dem Inhalt des Bescheids des Generalstaatsanwalts vom 19. August 2020 auseinandergesetzt, sondern lediglich das Dokument – ohne Briefkopf und Rechtsbehelfsbelehrung- unverändert einkopiert, obwohl dieser zusätzliche Anmerkungen der Staatsanwaltschaft M. I aus der Beschwerdevorlage enthalten habe.
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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 17. September 2021, vollständig eingegangen am 18. September 2021, und weiteren Schriftsätzen rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) sowie der Grundrechte „in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Sozialstaatsgebot (Art. 3 Abs. 1 BV), dem hieraus resultierenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und der Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG“.
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Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei die Beschuldigte „dringend verdächtig“, sie – die Beschwerdeführerin – „betrogen zu haben“. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO verletze daher das Legalitätsprinzip. Die Staatsanwaltschaft M. I, der Generalstaatsanwalt in M. und auch das Oberlandesgericht München hätten „ihren Sachvortrag entweder nicht beachtet oder falsch interpretiert“. Daher verletzten die angegriffenen Entscheidungen ihre verfassungsmäßigen Rechte.
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Die von der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Auffassung, der Beschuldigten sei die ihr zur Last gelegte Straftat des vollendeten Prozessbetrugs nicht hinreichend nachweisbar, weil der Abschluss der genannten Darlehensverträge nicht belegbar sei, sei falsch. Zwar seien hierzu keine Originaldokumente vorhanden. Unzutreffend sei jedoch die Darstellung in den Bescheiden, die Beschwerdeführerin hätte ihren Sachvortrag im Zivilverfahren vor dem Landgericht München II mehrfach geändert. Richtig sei vielmehr, dass sie ihr Vorbringen nur ergänzt habe. Ihre Ausführungen seien daher „als glaubhaft zu bewerten“. Außerdem habe der im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge bestätigt, dass es im Jahr 2013 zu einer Geldübergabe an sie durch die Beschuldigte „in Bezug auf die Darlehen“ gekommen sei. Daraus folge, dass die in Rede stehenden Darlehensverträge tatsächlich abgeschlossen worden seien, entweder mit der Beschuldigten selbst oder mit deren inzwischen verstorbenem Vater.
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Das Oberlandesgericht München gehe in dem angegriffenen Beschluss zu Unrecht davon aus, dass ihr Antrag auf gerichtliche Entscheidung in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen des Gesetzes gemäß §§ 174 Abs. 1, 172 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 StPO genüge.
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Fehlerhaft sei schon die Annahme, die Einhaltung der zweiwöchigen Frist der Vorschaltbeschwerde gemäß § 172 Abs. 1 StPO sei nicht nachvollziehbar (wird näher ausgeführt). Auch die Monatsfrist gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO habe sie eingehalten. Zum einen sei der Versandzeitpunkt des Bescheids durch die Generalstaatsanwaltschaft nicht geklärt. Zum anderen seien erfahrungsgemäß Postlaufzeiten in der festgestellten Dauer – insbesondere während der Corona-Pandemie – nicht außergewöhnlich gewesen. Deswegen sei die Verfügung des Strafsenats vom 23. Oktober 2020 (richtig: 22. Oktober 2020) auch im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht nachvollziehbar, da der Zugang zu Justizbehörden nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden dürfe. Insbesondere dürfe das Gericht bei der Auslegung prozessualer Normen einen eröffneten Rechtsbehelf nicht durch überstrenge Handhabung ineffektiv machen. Denn Art. 19 Abs. 4 GG garantiere jedem Bürger einen lückenlosen und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gegen rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt.
31
Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genüge die Entscheidung des Oberlandesgerichts München auch insofern nicht, als es davon ausgegangen sei, dass ihr Vorbringen eine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsschilderung vermissen lasse. Denn die eingereichte Antragsschrift enthalte eine „detailgenaue, schlüssige“ Darstellung, einzelne Schriftstücke seien hineinkopiert und – zusätzlich – durch Beifügung entsprechender Unterlagen unter Beweis gestellt worden. Daher sei der Strafsenat durchaus in der Lage gewesen, „durch Lektüre den Sachverhalt in allen Einzelheiten zu erfassen und durch Verweis auf die dazu beigefügten Unterlagen zu verifizieren.“
32
Mit weiteren Anwaltsschriftsätzen vom 21. Oktober 2021 und 14. April 2022 bekräftigte die Beschwerdeführerin nochmals ihre Auffassung, dass ihr das „Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) und der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) i.V. m. dem Rechtsstaatsgebot (Art. 3 Abs. 1, 101, 100, 98 BV)“ einen umfassenden und effektiven Rechtsschutz gewähren würden. Es sei daher auch nicht statthaft, die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde „in Bezug auf Art. 118 Abs. 1 BV und Art. 19 Abs. IV GG“ von der Erhebung einer Anhörungsrüge abhängig zu machen.
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Da die Bayerische Verfassung keine dem Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entsprechende Rechtsschutzgarantie enthalte, müsse diese Rechtsnorm „… ungeschrieben – in den Grundrechtskatalog der BV hineingelesen und demzufolge als Prüfungsmaßstab vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof beachtet werden“. Art. 28 Abs. 1 GG setze mit der verpflichtenden Bezugnahme auf die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats unverzichtbare Normativbestimmungen für die Verfassungsordnung der Länder, die diese dem Bund gegenüber zu einer bestimmten Gestaltung des Landesverfassungsrechts verpflichten würden. Daraus folge, dass die Grundrechte, die im Grundgesetz normiert seien, ebenso wie die Staatszielbestimmungen auch für die Bundesländer gelten würden. Blieben diese mit ihren landesverfassungsrechtlichen Garantien hinter den Regelungen des Bundes zurück, würden die Grundrechte des Grundgesetzes „unmittelbar als Teil der jeweiligen Landesverfassung … genau so gelten, als wenn sie in diesen ausdrücklich geschrieben wären…“.
34
2. a) Das Bayerische Staatsministerium der Justiz erachtet die Verfassungsbeschwerde als unzulässig.
35
Die Beschwerdeführerin habe entgegen Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG den Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Da sie auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 91 Abs. 1 BV durch das Oberlandesgericht München rüge, hätte sie diesen Rechtsverstoß bereits im Klagerzwingungsverfahren gemäß § 33 a StPO geltend machen müssen. Dass sie eine solche Gehörsrüge erhoben hätte, habe sie nicht vorgetragen. Dies führe insgesamt zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, nicht nur hinsichtlich der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
36
Dessen ungeachtet sei die Verfassungsbeschwerde auch deshalb in unzulässiger Weise erhoben worden, weil sie nicht die Anforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG erfülle. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs müsse die Rechtsverletzung so weit substanziiert werden, dass eine Prüfung möglich sei, ob die angefochtene Entscheidung auf ihr beruhen könne. Dazu gehöre auch der Vortrag des wesentlichen Sachverhalts, aus dem die Rechtsverletzung hergeleitet werde.
37
Diesen Anforderungen genüge die Verfassungsbeschwerde nicht. Denn es fehlten bereits Ausführungen zum Inhalt ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung, insbesondere zu welchem Zeitpunkt dieser eingereicht worden und wie das Verfahren bis zum Erlass des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts München abgelaufen sei. Die Prüfung einer Grundrechtsverletzung durch die obergerichtliche Entscheidung sei jedoch nur im Zusammenhang mit dem eingereichten Antrag möglich.
38
b) Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet.
39
aa) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft M. I und des Generalstaatsanwalts in M. scheide schon deswegen aus, weil der sachliche Schutzbereich des Art. 91 Abs. 1 BV nur Verfahren vor den Gerichten erfasse.
40
Ungeachtet dessen sei auch eine Verletzung dieses Grundrechts der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich. Das Recht auf rechtliches Gehör umfasse den Anspruch, sich vor einer Entscheidung zur Sache äußern zu können, und auch darauf, dass der Entscheidende diesen Vortrag zur Kenntnis nehme und in seine Überlegungen einbeziehe, nicht jedoch, dass er den vorgebrachten Erwägungen auch folge.
41
Die Beschwerdeführerin halte hier lediglich die angegriffenen staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen für falsch, weil sie die Beweislage anders beurteile. Es sei aber nicht ersichtlich, dass ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden wäre. Die Staatsanwaltschaft M. I und der Generalstaatsanwalt seien nur ihrer Argumentation nicht gefolgt. Damit lasse sich jedoch ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör nicht begründen.
42
Ebenso wenig sei ein Verstoß gegen das Willkürverbot gemäß Art. 118 Abs. 1 BV ersichtlich. Dieser setze nämlich voraus, dass der infrage stehende Rechtsakt schlechterdings unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und eindeutig unangemessen sei. Dafür sei hier nichts ersichtlich. Der im Ermittlungsverfahren vernommene Zeuge habe lediglich eine Geldübergabe von der Beschuldigten an die Beschwerdeführerin beobachtet und bei der Unterhaltung der beiden das Wort „Quittung“ verstanden und dass es „irgendwie“ um den Vater der Beschuldigten gegangen sei. Ein Nachweis dahingehend, dass die Beschuldigte im Zivilprozess vor dem Landgericht München II bewusst wahrheitswidrig das Bestehen der behaupteten Darlehensverträge bestritten habe, lasse sich jedoch damit nicht führen. Ebenso wenig sei hierfür die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Quittung über einen Betrag von 1.000 € geeignet. Denn diese Quittung weise lediglich die Unterschrift der Beschwerdeführerin auf und sei zudem im Betreff nicht hinreichend konkretisiert.
43
bb) Auch der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 verletze die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Denn der Strafsenat habe ihren Vortrag zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin versuche auch hier, aus ihrem Recht auf rechtliches Gehör einen Anspruch auf eine abweichende, ihrer Argumentation folgende Entscheidung herzuleiten.
44
Der angegriffene Beschluss verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot. Denn das Oberlandesgericht München sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin zur Einhaltung der zweiwöchigen Frist für die Vorschaltbeschwerde (§ 172 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO) nicht ausreichend vorgetragen habe (wird näher ausgeführt). Nicht zu beanstanden sei auch die weitere Entscheidungsbegründung des Strafsenats, in der Antragsschrift seien Verfahrensgang und Ermittlungsergebnisse nicht hinreichend dargestellt, weil sich die Beschwerdeführerin darauf beschränkt habe, die angegriffene Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I und den Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. einzukopieren. Fehlerhafte Ermittlungen seien von ihr nicht aufgezeigt, sondern nur die staatsanwaltschaftliche Beweiswürdigung durch ihre eigene ersetzt worden. Auch das Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde beschränke sich auf die bloße Behauptung, das Vorbringen in der Antragsschrift sei ausreichend, ohne sich jedoch mit der Argumentation des Gerichts auseinanderzusetzen.
45
Die Verfassungsbeschwerde ist insgesamt unzulässig.
46
Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. Ist die angefochtene Entscheidung – wie hier – unter Anwendung von Bundesrecht ergangen, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat. In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, bei entsprechender Rüge auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/96 ff.; vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 49; vom 29. November 2022 – Vf. 5-VI- 22 – juris Rn. 38, jeweils m. w. N.).
47
Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die erhobenen Grundrechtsrügen Folgendes:
48
1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der einen effektiven Rechtsschutz garantiert (BVerfG vom 22.11.2016 – 1 BvL 6/14 – juris Rn. 19), rügt, kann die vom Verfassungsgerichtshof bislang offengelassene Frage, ob die aus Art. 3 Abs. 1 BV hergeleitete Justizgewährungspflicht auch ein (inhaltsgleiches) subjektives verfassungsmäßiges Recht auf effektiven Rechtsschutz im Sinn von Art. 120 BV begründet (vgl. VerfGH vom 24.3.2014 VerfGHE 67, 58 Rn. 40; vom 22. Oktober 2018 BayVBl 2019, 465; vom 24.5.2019 – Vf. 23-VI-17 – juris Rn. 37; vom 28.1.2020 – Vf. 56-VI-18 – juris Rn. 29), weiterhin dahinstehen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter 4. c) und 5). Jedenfalls erstreckt sich die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs nicht auf eine Kontrolle bundesgesetzlicher Normen. Er kann daher auch nicht prüfen, ob Bundesrecht, wie etwa die Regelungen zum Klageerzwingungsverfahren, in einer bestimmten Weise verfassungskonform im Sinn des Grundgesetzes auszulegen sind (VerfGHE 66, 94/99; VerfGH vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 19; vom 18.3.2020 BayVBl 2020, 372 Rn. 40). Mit dieser Zielrichtung ist die Verfassungsbeschwerde daher unzulässig.
49
Ungeachtet dessen gewährleistet auch Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozessordnung. Die Anrufung der Gerichte darf von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen, auch – wie hier – im Klageerzwingungsverfahren, abhängig gemacht werden (BVerfG vom 17.12.1969 BVerfGE 27, 297/319; vom 2.3.1993 BVerfGE 88, 118/123; vom 18.2.2000 BVerfGE 101, 397/408; speziell zum Klageerzwingungsverfahren: BVerfG vom 31.1.2020 NStZ-RR 2020, 115/116). Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verbietet demnach nur, ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel durch eine überstrenge Handhabung des Verfahrensrechts ineffektiv zu machen und für den Rechtsmittelführer „leer laufen“ zu lassen (BVerfG vom 22.5.2017 NJW 2017, 3141 Rn. 7; NStZ-RR 2020, 115/116; vom 21.12.2022 NJW 2023, 1277 Rn. 80). Dafür fehlt hier jedoch jeder Anhalt.
50
2. Auf eine Rüge der Verletzung des Rechts- und Sozialstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) für sich kann die Verfassungsbeschwerde nicht in zulässiger Weise gestützt werden. Denn das Rechts- und Sozialstaatsprinzip verbürgt keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte, sondern beinhaltet objektives Verfassungsrecht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 6.2.2004 VerfGHE 57, 7/10; vom 25.11.2014 BayVBl 2015, 321 Rn. 19; vom 13.3.2018 – Vf. 31-VI-16 – juris Rn. 34, vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 71; Lindner in Lindner/ Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auflage 2017, Art. 3 Rn. 1 ff.).
51
3. Die angegriffenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft M. I vom 8. Juli 2020 und des Generalstaatsanwalts in M. vom 19. August 2020 sind hier schon kein geeigneter Prüfungsgegenstand der Verfassungsbeschwerde (vgl. nachfolgend unter IV. 1.). Im Übrigen kann mit der Verfassungsbeschwerde insoweit nicht in zulässiger Weise die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt werden, da Art. 91 Abs. 1 BV die Gewährung rechtlichen Gehörs nur vor Gerichten grundrechtlich verbürgt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.5.2012 – Vf. 103-VI-11 – juris Rn. 19 m. w. N.; vom 25.8.2015 BayVBl 2016, 15 Rn. 22, vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 23.f.; vom 12.1.2022 – Vf. 19-VI-21 – juris Rn. 18 m. w. N.).
52
4. In Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg nicht erschöpft (Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VfGHG).
53
a) Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter außerordentlicher Rechtsbehelf mit subsidiärem Charakter. Über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus verlangt deshalb der in Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG zum Ausdruck kommende Grundsatz der materiellen Subsidiarität, dass ein Beschwerdeführer bereits in dem nach der einschlägigen Prozessordnung offenstehenden Rechtsmittelverfahren formgerecht und substanziiert diejenigen Beanstandungen vorgetragen hat, die er nunmehr mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen will. Hat er dies versäumt, ist es ihm verwehrt, sie nachträglich auf diesem Weg zu erheben (vgl. VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 42; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris Rn. 21; vom 4.1.2023 – Vf. 27-VI-22 – juris Rn. 21, jeweils m. w. N.). Dieser Grundsatz erfordert weiter, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde jede tatsächliche und prozessuale Möglichkeit ausschöpft, um eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte abzuwenden. Er muss das ihm Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird, und alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. VerfGH vom 2.2.2017 – Vf. 36-VI-14 – juris Rn. 23; vom 28.1.2020 – Vf. 56-VI-18 – juris Rn. 16; vom 13.1.2022 – Vf. 61-VI-19 – juris Rn. 39; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris Rn. 21; vgl. auch BVerfG vom 10.3.2016 – 2 BvR 408/16 – juris Rn. 3; NJW 2017, 3141 Rn. 3).
54
b) Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
55
Hat ein Gericht in einem nach der Strafprozessordnung ergangenen, unanfechtbaren Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, kann diese Rechtsverletzung auf Antrag im Rahmen einer Gehörsrüge nach § 33 a StPO geltend gemacht werden, insbesondere dann, wenn das Gericht Tatsachen oder Beweisergebnisse zum Nachteil des Antragstellers verwertet hat, zu denen er nicht gehört worden ist, oder wenn es zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen hat (Valerius in M.er Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2023, § 33 a Rn. 11 m. w. N.). Ist der Antrag begründet, versetzt das Gericht das Verfahren in die Lage zurück, die vor dem Erlass bestand (§ 33 a Satz 1 StPO).
56
Beruft sich ein Beteiligter – wie hier die Beschwerdeführerin – auf die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, so gehört zum Rechtsweg im Klageerzwingungsverfahren auch die Anhörungsrüge nach § 33 a StPO (VerfGH BayVBl 2016, 15 Rn. 23; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 24 f.). Sie ist geschaffen worden, um den Fachgerichten Gelegenheit zu geben, etwaige Verstöße gegen dieses Grundrecht durch erneute Sachprüfung auszuräumen (Schneider-Glockzin in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 9. Aufl. 2023, § 33 a Rn. 1). Eine solche Anhörungsrüge hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht erhoben.
57
c) Die sich daraus wegen Nichtbeachtung des Grundsatzes der Subsidiarität ergebende Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 91 Abs. 1 BV) erfasst auch die sonstigen Grundrechtsrügen, wenn sich – wie hier – die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs auf das gesamte gerichtliche Verfahren erstreckt und dieselben Gesichtspunkte betroffen sind (vgl. grundsätzlich VerfGH vom 4.2.2019 NJW 2019, 2297 Rn. 26; vom 27.12.2022 – Vf. 32-VI-22 – juris 22; speziell zum Klageerzwingungsverfahren: BVerfG vom 16.11.2018 – 2 BvR 2172/18 – juris Rn. 10 m. w. N.). Wäre nämlich eine Anhörungsrüge erfolgreich, würde das Gericht das Verfahren in die Lage zurückversetzen, die vor dem Erlass der beanstandeten Entscheidung bestanden hatte. In diesem Fall hätten auch hier im Klageerzwingungsverfahren die Einwände der Beschwerdeführerin umfassend geprüft werden können (vgl. VerfGH NJW 2019, 2297 Rn. 26).
58
5. Die Verfassungsbeschwerde ist auch deshalb unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die behaupteten Grundrechtsverletzungen nicht in einer den Anforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügenden Weise vorgebracht hat.
59
a) In der Verfassungsbeschwerde sind die Handlung und Unterlassung der Behörde, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, zu bezeichnen (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dazu gehört auch der Vortrag des wesentlichen Sachverhalts, aus dem die Rechtsverletzung hergeleitet wird. Die Verfassungsbeschwerde muss aus sich heraus verständlich sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 2.2.1966 VerfGHE 19, 14/15; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 25; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris 34 f.; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – juris Rn 41). Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar so dargelegt werden, dass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint (VerfGH vom 10.2.2014 - Vf. 53-VI-12 – juris Rn. 17; vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 19; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 25; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – juris Rn. 41). Der eigene Sachvortrag darf durch Bezugnahmen zwar ergänzt werden, er muss aber aus sich heraus verständlich bleiben. Die in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu erbringende Begründungsleistung kann weder durch die Vorlage von Anlagen noch durch deren Hineinkopieren in den Text der Verfassungsbeschwerde ersetzt werden (VerfGH vom 27.2.2017 BayVBl 2018, 34 Rn. 20; vom 21.7.2020 – Vf. 56-VI-17 – juris Rn. 63; BVerfG vom 20.3.2012 – 2 BvR 1382/09 – juris Rn. 5; vom 20.2.2019 NStZ-RR 2019, 156/157; VerfGH Nordrhein-Westfalen vom 16.7.2020 – 41/20.VB-1 – juris Rn. 3). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund eines undifferenzierten Verweises auf die Anlagen den verfassungsrechtlich relevanten Sachverhalt und die daraus hergeleitete Verletzungsrüge selbst zu ermitteln (VerfGH vom 7.2.2017 – Vf. 84-VI-15 – juris Rn. 19; vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 19; vom 20.9.2022 – Vf. 1-VI-22 – juris Rn. 29).
60
Insbesondere setzt eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines Grundrechtsverstoßes voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt (VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 40; vom 20.3.2018 BayVBl 2019, 207 Rn. 14; vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 19; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – juris Rn. 42). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung (VerfGH vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 19; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 25). Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 16.8.2017 NJW-RR 2017, 1423 Rn. 23 m. w. N.; vom 16.7.2020 - Vf. 69-VI-17 – juris Rn. 19; vom 12.1.2022 – Vf. 19-VI-21 – juris Rn. 16; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – juris Rn. 41, jeweils m. w. N.). Stützt sich eine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen, muss sich der Beschwerdeführer mit jeder dieser Begründungen befassen (VerfGH vom 7.11.2019 - Vf. 46-VI-18 – juris Rn. 19; vom 10.12.2019 – Vf. 47-VI-18 – juris Rn. 21; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 25; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 juris Rn. 35).
61
b) Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
62
Die Beschwerdeführerin schildert zunächst den ihrer Klage beim Landgericht München II zugrunde liegenden Sachverhalt sowie ihre Replik auf die Klageerwiderung und ihre Stellungnahme zur gerichtlichen Verfügung vom 1. März 2019. Die Entscheidungsgründe des klageabweisenden Urteils sind hineinkopiert mit dem anschließenden Hinweis, dass sie die dagegen eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht München zurückgenommen habe. Darauf folgen Ausführungen zu ihrer Strafanzeige, die einkopierte Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I vom 8. Juli 2020, die Begründung ihrer Beschwerde, die sie im Wesentlichen darauf stützt, dass aufgrund der Aussage des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen und der vorgelegten, von ihr unterzeichneten Quittung feststehe, dass die Beschuldigte im Zivilprozess falsche Angaben gemacht oder jedenfalls die Wahrheit verschwiegen habe. Nach dem einkopierten Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 19. August 2020 und dem ebenfalls einkopierten Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14. Juli 2021 nebst ergänzenden Ausführungen zum Eingang dieser Entscheidungen in der Kanzlei ihres Bevollmächtigten befasst sich die Beschwerdeführerin mit den staatsanwaltschaftlichen Bescheiden, die sie für falsch hält, weil gegen die Beschuldigte nach dem Ermittlungsergebnis, insbesondere aufgrund der Aussage des vernommenen Zeugen und der vorgelegten Quittung, ein Tatnachweis möglich gewesen sei. Zudem habe das Oberlandesgericht München – so die Beschwerdeführerin weiter – zu Unrecht die Erfüllung der formellen Anforderungen des Klagerzwingungsverfahrens gemäß § 174 Abs. 1, § 172 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 StPO verneint. Beigefügt waren der Verfassungsbeschwerde in Ablichtung neben den bereits erwähnten Unterlagen die Klageschrift vom 13. Dezember 2018, die von der Beschuldigten angeblich unterzeichneten Darlehensverträge, der Schriftwechsel mit dieser und deren Prozessbevollmächtigtem einschließlich diverser Anlagen, das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht München II vom 9. April 2019 und weitere im Zivilprozess gewechselte Schriftsätze sowie die Strafanzeige der Beschwerdeführerin vom 16. April 2020 nebst Anlagen und ihre Beschwerdebegründung vom 6. August 2020.
63
Es fehlt hingegen jedwede Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft M. I zur Einstellung des auf die Strafanzeige der Beschwerdeführerin hin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO führten. In ihrer Verfügung zeigt die Staatsanwaltschaft im Einzelnen auf, weshalb ein Tatnachweis wegen Betrugs gegen die Beschuldigte nicht zu führen sei. Mit diesen die Entscheidung tragenden Argumenten setzt sich die Beschwerdeführerin inhaltlich jedoch nicht auseinander, sondern stellt nur auf ihre eigene Glaubwürdigkeit, die Aussage des vernommenen Zeugen und die von ihr unterzeichnete Quittung ab. Angesichts ihres Vorbringens im Zivilprozess zum Abschluss der Darlehensverträge, die zunächst in Gegenwart der angeblichen Vertragsparteien und des verstorbenen Vaters der Beschuldigten unterzeichnet worden seien, in einem späteren Schriftsatz hingegen von diesem in Costa Rica entworfen und der Beschuldigten per Telefax zur Unterschrift übermittelt worden sein sollen, hätte jedenfalls Anlass bestanden, sich insoweit eingehend mit den Ausführungen der Staatsanwaltschaft und ihr folgend des Generalstaatsanwalts in M. zu befassen.
64
Es erschließt sich auch dem Verfassungsgerichtshof nicht, weshalb der Abschluss der Darlehensverträge aufgrund der Aussage des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen nachweisbar sein soll, der lediglich bekundete, dass die Beschuldigte der Beschwerdeführerin einen Umschlag mit Geld übergeben, noch das Wort „Quittung“ verstanden haben soll und dass es dabei um den verstorbenen Vater der Beschuldigten gegangen sei. Ein Bezug zu den behaupteten konkreten Darlehensverträgen lässt sich mit diesen Angaben nicht herstellen.
65
Hinsichtlich des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 fehlt es bereits an einer Darstellung, zu welchem Zeitpunkt, an wen gerichtet und mit welchem Inhalt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO eingereicht wurde. Die Verfassungsbeschwerde schildert auch nicht den Verlauf des Klagerzwingungsverfahrens. Schon deswegen ist der Verfassungsgerichtshof nicht in der Lage, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob die geltend gemachten Verfassungsverstöße nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin zumindest möglich erscheinen.
66
Die Verfassungsbeschwerde wäre – ihre Zulässigkeit unterstellt – aber auch offensichtlich unbegründet.
67
1. Prüfungsgegenstand für den behaupteten Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021. Wegen des Gebots der Rechtswegerschöpfung (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG) können die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I vom 8. Juli 2020 und der Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 19. August 2020 nicht eigenständig mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden. Beschwerdegegenstand ist vielmehr grundsätzlich nur die letztinstanzliche Entscheidung, in der der Beschwerdeführer eine umfassende materielle Prüfung erreichen kann und die damit die von ihm beanstandete Beschwer enthält (vgl. VerfGH vom 23.3.2022 – Vf. 36-VI-21 – juris Rn. 23 f.; vom 21.7.2022 – Vf. 58-VI-21 – Rn. 20). Dies ist hier der angegriffene Beschluss des Strafsenats vom 14. Juli 2021.
68
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist eine gerichtliche Entscheidung nur dann willkürlich, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen. Sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig und eindeutig unangemessen sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 30.10.2019 – Vf. 52-VI-18 – juris Rn. 26; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 28, vom 21.12.2020 – Vf. 20-VI-18 juris Rn. 15; vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 55). Selbst eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet für sich allein noch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (VerfGH vom 8.12.2000 VerfGHE 53, 187/193; vom 11.3.2003 VerfGHE 56, 22/25; vom 13.1.2005 VerfGHE 58, 37/41; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 32).
69
a) Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Nach gefestigter Rechtsprechung muss ein solcher Antrag eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Sachdarstellung auch in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide sowie die tatsächlichen oder rechtlichen Gründe für die behauptete Unrichtigkeit wiedergibt. Anzugeben sind auch die Beweismittel, aus denen sich der hinreichende Tatverdacht ergeben soll. Ferner muss dargelegt werden, mit welchem Beweismittel welcher einzelne Umstand bewiesen werden soll. Die Oberlandesgerichte sollen dadurch in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. VerfGH vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 34; Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 172 Rn. 34 ff. m. w. N.).
70
Diese strengen formalen Anforderungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG vom 28.11.1999 NJW 2000, 1027; vom 13.2.2008 – 2 BvR 2226/07 – juris Rn. 13; vom 8.6.2021 – 2 BvR 2010/20 – juris Rn. 24). Sie bezwecken, die zuständigen Gerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und nicht hinreichend substanziierte Anträge zu bewahren (VerfGH vom 18.7.2001 BayVBl 2001, 746 f.; vom 30.3.2004 BayVBl 2004, 493; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 34 f.; BVerfG vom 8.6.2021 – 2 BvR 2010/20 – juris Rn. 24). Durch das Klageerzwingungsverfahren soll das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft nicht durchbrochen, sondern nur seine Ausübung, die Einhaltung des Legalitätsprinzips durch die Staatsanwaltschaft kontrolliert werden. Deshalb und im Hinblick auf die Bedeutung, die die Einleitung eines Strafverfahrens für den individuellen Rechtsfrieden eines Beschuldigten hat, ist es gerechtfertigt, an die formalen Voraussetzungen eines Klageerzwingungsantrags strenge Anforderungen zu stellen (VerfGH BayVBl 2004, 493; vom 17.11.2015 – Vf. 12-VI-15 – juris Rn. 26 f.; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 35).
71
b) Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 jedenfalls nicht willkürlich. Denn die die Entscheidung des Strafsenats selbstständig tragende Begründung, der Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 und 3 StPO stünde im Übrigen entgegen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin keine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsdarstellung enthalte, die sämtliche in der als verletzt behaupteten Strafvorschrift bestimmten Tatbestandsmerkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht durch tatsächliche Lebensvorgänge beschreibe, beruht auf gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, die – wie bereits ausgeführt – auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
72
In seiner Entscheidung hat das Gericht im Einzelnen ausführlich dargelegt, dass die Antragsschrift u. a. wegen des Einkopierens des staatsanwaltschaftlichen Bescheids und des Verweises auf Anlagen keine ausreichende Darstellung des Verfahrensgangs enthalten habe, weshalb es dem Strafsenat nicht möglich sei, für sich allein, also ohne Bezugnahme auf Anlagen, weitere Schriftstücke und Ermittlungsakten zu prüfen, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale der als verletzt gerügten Straftatbestände durch eine ausreichende Tatsachengrundlage bestätigt werden könnten.
73
Nach Auffassung des Strafsenats fehlte vor allem die gebotene Auseinandersetzung mit dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnis. Denn die Antragsschrift habe sich darauf beschränkt, die Begründung der Einstellungsverfügung vom 8. Juli 2020 wörtlich zu übernehmen und auf die von der Beschwerdeführerin ausgestellte Quittung zu verweisen, ohne jedoch darzulegen, aus welchem Grund sie dieses Dokument, das der Beschuldigten als Zahlungsnachweis hätte dienen können, in ihrem Besitz gehabt habe. Den dringenden Betrugsverdacht habe sie pauschal auch damit begründet, dass ihre Sachverhaltsschilderung nicht widersprüchlich, sondern glaubhaft sei und die einkopierte Aussage des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen den Abschluss der Darlehensverträge belege. Nach Auffassung des Strafsenats war dies jedoch kein geeignetes und ausreichendes Vorbringen, weil die Beschwerdeführerin damit nur ihrer Auffassung allein Geltung habe verschaffen wollen. Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die für die Unrichtigkeit der vorangegangenen Entscheidungen sprächen, habe sie jedenfalls nicht vorgetragen.
74
Inwiefern diese für sich tragende Entscheidungsbegründung des Strafsenats angesichts der geschilderten Sachlage schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig und eindeutig unangemessen sein soll, erschließt sich nicht. Dementsprechend beschränkt sich die Beschwerdeführerin in ihrer Verfassungsbeschwerde auf den bloßen Hinweis auf das Erfordernis eines umfassenden, effektiven Rechtsschutzes verbunden mit der schlichten Behauptung, die Beschwerdeschrift enthalte eine detailgenaue, schlüssige Sachverhaltsdarstellung, deshalb habe das Oberlandesgericht München „- ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakte – eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen können.“
75
3. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2021 verstößt insoweit auch offensichtlich nicht gegen das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV).
76
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör hat grundsätzlich eine doppelte Ausprägung: Zum einen untersagt er den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass die Gerichte ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung ziehen, soweit es nach den Verfahrensvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben kann oder muss (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.7.2005 VerfGHE 58, 178/180; vom 31.3.2008 VerfGHE 61, 66/70; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 44; vom 28.2.2023 – Vf. 53-VI-22 – juris Rn. 52). Das Gericht wird hierdurch aber nicht verpflichtet, in seiner Entscheidung auf alle Ausführungen eines Verfahrensbeteiligten einzugehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht die von ihm entgegengenommenen Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung gewürdigt hat. Nur dann, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 23.9.2015 BayVBl 2016, 49 Rn. 45; vom 21.7.2020 - Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 44; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 44; vom 4.1.2023 – Vf. 27-VI-22 – juris Rn. 49). Hingegen ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 BV kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Verfahrensbeteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Die Verletzung rechtlichen Gehörs kann auch nicht damit begründet werden, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig (VerfGH BayVBl 2016, 49 Rn. 45; vom 12.3.2018 – Vf. 40-VI-17 – juris Rn. 37; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 44; vom 9.2.2022 – Vf. 62-VI-20 – juris Rn. 44).
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b) Davon ausgehend ist ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 91 Abs. 1 BV) durch das Oberlandesgericht München nicht ansatzweise ersichtlich. Denn der Strafsenat hat wie dargelegt im Einzelnen aufgezeigt, dass das Antragsvorbringen eine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsdarstellung vermissen lässt. Aus dem Umstand, dass er die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht geteilt hat, folgt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
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4. Nicht entscheidungserheblich ist daneben die Berechtigung von Rügen der Beschwerdeführerin zu dem vom Strafsenat zur weiteren Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Hinweis auf den nicht ausreichenden Vortrag zur Einhaltung der zweiwöchigen Frist der Vorschaltbeschwerde nach § 172 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO.
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5. Der Verfassungsgerichtshof hat – wie oben (unter III. 1.) dargelegt – bisher offengelassen, ob eine Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 120 BV auf die Verletzung eines aus Art. 3 Abs. 1 BV abzuleitenden subjektiven Rechts auf effektiven Rechtsschutz gestützt werden kann. Diese Frage kann auch hier offenbleiben.
Denn die Rüge der Beschwerdeführerin betrifft dieselben Gesichtspunkte, aus denen sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und einen Verstoß gegen das Willkürverbot herleitet. Auf die Ausführungen hierzu wird daher Bezug genommen.
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Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).