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OLG München, Urteil v. 10.08.2023 – 29 U 6955/21
Titel:

Ausschluss eines Trainers aus einem Fußballverband wegen möglicher Gefährdung von Kindern 

Normenketten:
BGB § 314
ZPO § 256 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 1
Leitsätze:
1. Voll überprüfbar sind Tatsachenfeststellungen, die dem Vereins- bzw. Verbandsausschluss zugrunde liegen. Der Sachverhalt, auf den ein Verein oder ein Verband einen Mitgliedsausschluss stützt, muss auf einer objektiven, an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Tatsachenermittlung festgestellt sein. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die rechtliche Grundlage für einen Vereins- bzw. Verbandsausschluss, der nicht zur Bestrafung oder Disziplinierung ergeht, sondern auf präventiven Gründen zur Gefahrenabwehr beruht, findet sich, soweit sie nicht in einer Satzung des Vereins oder Verbands ausdrücklich geregelt ist, in § 314 BGB, der gesetzlichen Regelung der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund. (Rn. 50 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verband, Verein, Mitglied, Fußballtrainer, Gefahr sexueller Übergriffe, präventive Maßnahme, Gefahrenabwehr, Kündigung, Kinder und Jugendliche, Feriencamp
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 15.09.2021 – 23 O 8765/19
Fundstellen:
SpuRt 2023, 484
LSK 2023, 30793
BeckRS 2023, 30793

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.09.2021, Aktenzeichen 23 O 8765/19, abgeändert und neu gefasst wie folgt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger, ein Fußballtrainer, wendet sich gegen die Entscheidung des beklagten B. FußballVerbands e.V., den Kläger auszuschließen und dem Kläger das Recht abzuerkennen, einem Verbandsverein des Beklagten als Mitglied anzugehören.
2
Der Kläger hatte seit dem Jahr 2007 verschiedene Lehrgänge beim Beklagten sowie beim D. Fußball-Bund e.V. (DFB), dessen Mitglied der Beklagte ist, absolviert und verschiedene Trainerlizenzen erworben. Er war Mitglied in verschiedenen b. Fußballvereinen, so auch in einem zwischen den Parteien streitigen Zeitraum im Jahr 2014 im FC M. 1907 e.V. (im Folgenden: FC M.) und in der Zeit von 2015 bis zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt im Jahr 2017 beim MTV D. e.V. von 1879 (im Folgenden: MTV D.).
3
Im Juni 2015 teilten die Eltern eines damals 10-jährigen Jungen zunächst telefonisch und dann schriftlich dem Beklagten mit, dass es während des vom Beklagten organisierten Sommercamps in den Sommerferien 2014 nach den Schilderungen ihres Sohnes zu sexuellen Übergriffen des Klägers an dem Jungen gekommen sei. An drei Abenden habe der Kläger auf dem Bett des Jungen während des gemeinsamen Anschauens eines Filmes auf dem Tablet des Jungen diesem unter die Hose an das Geschlechtsteil gefasst (vgl. die schriftliche Schilderung, Anlage B 1). Nach den Angaben der Eltern habe der Sohn dies erst erzählt im Zusammenhang mit seiner Weigerung, an dem Sommercamp 2015 teilzunehmen, wenn dort wieder der Kläger als Betreuer eingesetzt sei. Mit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch eine Befragung des Sohnes oder durch Einleitung staatlicher Ermittlungsmaßnahmen waren die Eltern nicht einverstanden. Eine weitere Befragung des Kindes oder seiner Eltern hat nicht stattgefunden.
4
Der Kläger bestreitet die sexuellen Übergriffe. Er schildert die Zeit im Camp mit dem Jungen in der als Anlage zum Schriftsatz vom 16.11.2016 an den Beklagten gesandten Darstellung (hier vorgelegt als Anlage B 15 (2), Seiten 3 ff. zu Bl. 132/168 dA [Anlage B 15 gibt es zweimal]).
5
Zur Aufarbeitung des Sachverhalts vereinbarten die Parteien im Juli 2015, dass der Kläger Gespräche mit dem Kinderschutzzentrum M. führen und dieses einen Abschlussbericht erstatten werde (vgl. Anlage B 3). Das Kinderschutzzentrum erstellte einen Abschlussbericht vom 21.07.2016, unterzeichnet von einer Diplom-Psychologin und einem Diplom-Sozialpädagogen (Anlage B 6).
6
Der Beklagte leitete mit Schreiben vom 26.07.2016 (Anlage B 7) ein verbandsrechtliches Verfahren gegen den Kläger ein, wies ihn auf die Möglichkeit eines Ausschlusses aus dem Verband hin und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
7
Auf eine Beschwerde des Klägers vom 12.07.2017 (Anlage K 6) bei der B. Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten teilte diese am 03.04.2018 mit, dass das angezeigte Verhalten der für das Kinderschutzzentrum tätigen Diplom-Psychologin nicht mit den Vorgaben der Berufsordnung konform gewesen sei (Anlage K 7).
8
Am 09.10.2017 traf das Präsidium des Beklagten die folgende, als „Beschwerdeentscheid“ bezeichnete Entscheidung (Anlagen K 1 und B 8):
I. Herr [Name des Klägers] wird aus dem B. Fußball-Verband ausgeschlossen. Ihm wird das Recht aberkannt, einem Verbandsverein als Mitglied anzugehören.
II. Der Spielerpass mit der Nr. …3 wird eingezogen.
9
Mit Anwaltsschreiben vom 23.10.2017 (Anlage K 3) legte der Kläger hiergegen Beschwerde beim Verbands-Sportgericht des Beklagten ein. Das Verbands-Sportgericht erteilte den Parteien am 19.04.2018 einen Hinweis und gab Gelegenheit zur Stellungnahme (Anlagen K 5 und B 11).
10
Mit Urteil vom 10.07.2018 (Anlage B 12) wies das Verbands-Sportgericht die Beschwerde des Klägers zurück. Einen Wiederaufnahmeantrag verwarf es mit Urteil vom 09.10.2018 als unzulässig.
11
Der Kläger erhob Klage zum Schiedsgericht des B. Fußballverbandes e.V., welches sich mit Schreiben vom 19.06.2019 für unzuständig erklärte (Anlagen K 11 und B 13).
12
Der Kläger trägt vor, es sei zu keinem Zeitpunkt zu einem wie auch immer gearteten sexuellen Übergriff durch ihn gekommen, weder an dem Jungen, dessen Eltern dies gegenüber dem Beklagten behaupteten, noch an anderen Kindern oder Jugendlichen. Er habe dem Beklagten angeboten, nur noch Herren- und keine Jugend- oder Kindermannschaften mehr zu betreuen. Die Entscheidung würde ihn schwer beeinträchtigen. Der Fußballsport und vor allem die Trainertätigkeit seien für ihn von großer persönlicher und auch wirtschaftlicher Bedeutung. Die Angelegenheit und die Entscheidungen des Beklagten würden ihn psychisch schwer belasten und hätten eine Depression bis hin zur Suizidgefahr ausgelöst.
13
Der Beklagte habe sich ausschließlich auf die Stellungnahme des Kinderschutzzentrums gestützt, welche aber nicht als Entscheidungsgrundlage hätte dienen dürfen. Die Schweigepflichtentbindung sei unter rechtswidrigem Druck erklärt und inzwischen widerrufen worden. Eine psychologische Einschätzung und Diagnose hätten dort nicht getroffen werden dürfen, weil er zu keinem Zeitpunkt ein Fachgespräch mit der unterzeichnenden Psychologin geführt hätte, sondern ausschließlich mit dem Sozialpädagogen. Auch werde in dem Bericht voreingenommen von seiner Schuld ausgegangen und ihm vorgeworfen, dass er es nicht bereue. Ferner sei die Entscheidung des Verbands als Strafe zu qualifizieren und ohne Rechtsgrundlage ergangen. Sie sei auch unverhältnismäßig.
14
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Entscheidung des Präsidiums der Beklagten vom 09.10.2017, mit welcher der Kläger aus dem Verband ausgeschlossen wurde und ihm das Recht aberkannt wurde[,] einem Verbandsverein als Mitglied anzugehören, unwirksam ist und die Rechte des Klägers, dem Verband des Beklagten und einem Verbandsverein als Mitglied anzugehören, weiter bestehen.
15
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe es wiederholt abgelehnt, nur noch Herrenmannschaften zu trainieren. Der Beklagte ist der Ansicht, die Präsidiumsentscheidung sei von der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur eingeschränkt überprüfbar. Es handele sich nicht um eine Strafsanktion, sondern um eine generalpräventive Entscheidung zur Abwehr von weiteren Gefahren. Der Beklagte habe alle formellen Vorgaben eingehalten und die sich gegenüberstehenden Interessen sachgerecht abgewogen. Er habe das ihm zustehende Ermessen sachgemäß und ohne Rechtsfehler ausgeübt.
17
Mit Urteil vom 15.09.2021, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I, Az. 23 O 8765/19, der Klage stattgegeben.
18
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und beantragt,
das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
19
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, dass nach „09.10.2017“ eingefügt wird: „sowie die Entscheidung des Verbands-Sportgerichts vom 10.07.2017“, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
20
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen, zum Zeitpunkt des Sommercamps 2014 und zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen des Verbands nicht bzw. nicht mehr Mitglied im MTV D. gewesen zu sein. Im hierzu nachgelassenen Schriftsatz vom 11.05.2023 hat der Beklagte unter Verweis auf die Auskunft des MTV D. gem. Anlage B 24 vorgetragen, dass der Kläger vom 04.05.2015 bis zum 24.10.2017 Mitglied des MTV D. gewesen sei (Schriftsatz vom 11.05.2023, Seite 2, Bl. 195 dA). Ferner hat der Beklagte unter Verweis auf die Auskunft des FC M. gem. Anlage B 23 vorgetragen, dass der Kläger dort Mitglied vom 16.05.2013 bis zum 31.12.2014 gewesen sei (Schriftsatz vom 11.05.2023, Seite 2, Bl. 195 dA).
21
Der Kläger hat hierauf erwidert, er habe beim MTV D. „zum 08.05.2017“ gekündigt (Schriftsatz vom 09.06.2023, Seite 7, Bl. 209 dA) und hierzu ein Kündigungsschreiben des Klägers vorgelegt, das vom 08.05.2017 datiert und dahin lautet, dass der Kläger zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigt (Anlage K 14). Den FC M. habe der Kläger aufgrund eines Streits mit der sportlichen Leitung im Februar 2014 verlassen (Schriftsatz vom 09.06.2023, Seite 7, Bl. 209 dA).
22
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20.04.2023 Bezug genommen.
B.
23
Die zulässige Berufung ist begründet.
24
Die Klage ist abzuweisen, weil die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten rechtmäßig sind.
25
I. Die Klage ist zulässig.
26
1. Insbesondere ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, weil die etwaige Mitgliedschaft und das Recht des Klägers, Mitglied des Beklagten und eines seiner Mitgliedsvereine zu sein, sowie die damit einhergehende Berechtigung, als Fußballtrainer im vereins- bzw. verbandsmäßig organisierten Fußballsport in Bayern tätig zu sein, Rechtsverhältnisse iSd § 256 Abs. 1 ZPO sind und von den angegriffenen Entscheidungen beeinträchtigt werden. Der verbands- bzw. vereinsinterne „Rechtsweg“ ist, soweit es dessen bedürfte, ausgeschöpft (vgl. BGH NJW-RR 2013, 873 Rn. 33, 34 – Berufsboxer mit Verweis auf BGHZ 13, 5, 13 ff. u. 16 = NJW 1954, 833; BGHZ 47, 172, 174 f. = NJW 1967, 1268).
27
Nach § 13 Nr. 2 lit. b und § 28 Nr. 1 DFB-Ausbildungsordnung idF 2007 und idF 2014 (Anlagen B 29 und B 30) ist der Nachweis der Mitgliedschaft in einem Verein eines Mitgliedsverbandes des DFB Zulassungsvoraussetzung für alle Trainerlizenzen des DFB.
28
2. Bei dem Verbands-Sportgericht des Beklagten handelt es sich nicht um ein echtes Schiedsgericht iSd §§ 1025 ff. ZPO, sondern um ein verbandsinternes Organ, sodass dem Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit weder dessen Entscheidung noch eine entsprechende Einrede entgegenstehen kann.
29
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten durch sein Präsidium und durch sein Verbands-Sportgericht, den Kläger aus dem Beklagten auszuschließen und ihm das Recht abzuerkennen, einem Verbandsverein des Beklagten als Mitglied anzugehören, sowie die Beschwerde hiergegen zurückzuweisen, formell und materiell rechtmäßig sind.
30
1. Die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus einem sozial mächtigen Verband und dementsprechend die Entscheidung eines solchen Verbands, eine Person nicht als Mitglied des Verbands oder eines verbandsangehörigen Vereins zuzulassen, setzt voraus, dass der Verband im Verhältnis zu dieser Person zu einer solchen Entscheidung befugt ist und die Entscheidung auch im Übrigen formell und materiell rechtmäßig ergangen ist. Formelle Rechtmäßigkeit setzt insbesondere voraus, dass der Ausschluss eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, dass das nach der Satzung und den Ordnungen des Verbands zuständige Organ entschieden hat und das vorgesehene Verfahren eingehalten wurde. Die materielle Wirksamkeit bzw. sachliche Berechtigung setzt voraus, dass der Ausschluss durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, wobei die Überprüfung durch das staatliche Gericht bei sozial mächtigen Verbänden nicht nur auf grobe Unbilligkeit oder Willkür begrenzt ist (vgl. Neudert/Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., 2021, Erster Teil, Rn. 379 mzN; BGH NJW 1995, 583, 585 – Reitsport; BGH NJW 1988, 552, 554 f.).
31
Der Vereinigung ist dabei in Anerkennung ihrer grundgesetzlich geschützten Autonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) zur Wert- und Zielerreichung ein gewisser Beurteilungs- und Ermessensspielraum zuzubilligen, so dass das staatliche Gericht nicht ohne weiteres seine Überzeugung und seine Wertmaßstäbe an die Stelle derjenigen des Verbandes setzen darf (vgl. BGH NJW 1988, 552, 555) . Da ein Ausschluss aber umso eher unbillig sein wird, je wichtiger für den Betroffenen die Mitgliedschaft ist, sind diesem Beurteilungs- und Ermessensspielraum bei sozial mächtigen Verbänden enge Grenzen gesetzt (vgl. BGH NJW 1988, 552, 555; BGH NJW 1997, 3368, 3370; vgl. ferner Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl, § 25 Rn. 28). Aufgrund des sog. Ein Platz-Prinzips im Sport, wonach nur ein Verband auf einer Fach- und Gebietsebene existiert, handelt es sich bei Sportverbänden wie dem Beklagten regelmäßig um sozial mächtige Verbände, da sie – auf der jeweiligen fachlichen und räumlichen Ebene – als Einzige bestimmte Leistungen und Vorteile unter selbst aufgestellten Kriterien anbieten bzw. vermitteln (vgl. zur Größe und Bedeutung des Beklagten auch seine eigenen Angaben auf Seite 3 der Klageerwiderung, Bl. 14 dA,
A.
I.).
32
Allerdings ist im Streitfall auch zu beachten, dass die Entscheidung des Beklagten lediglich die Mitgliedschaften und etwaige daran knüpfende Trainer- und Betreuertätigkeiten in B. und nur im organisierten Vereins- bzw. Verbandsbereich betrifft und nicht auch in anderen Bundesländern oder in verbandsexternen Einrichtungen. Zudem hat der Kläger nach seinen Angaben in der Vergangenheit zwar seit seiner Kindheit seinen Lebensmittelpunkt in B., aber auch zwei Jahre in einem anderen Bundesland und ein dreiviertel Jahr in einem weiteren Bundesland gelebt und dort als Fußballtrainer gewirkt. Der Kläger ist daher für die Ausübung einer Fußballtrainertätigkeit nicht unbedingt auf die Mitgliedschaft in einem dem Beklagten angeschlossenen Verein angewiesen. Die Grenzen des Beurteilungs- und Ermessensspielraums für den Beklagten sind daher im Streitfall etwas weniger eingeengt.
33
Voll überprüfbar sind allerdings Tatsachenfeststellungen, die dem Vereins- bzw. Verbandsausschluss zugrunde liegen. Der Sachverhalt, auf den ein Verein oder ein Verband einen Mitgliedsausschluss stützt, muss auf einer objektiven, an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Tatsachenermittlung festgestellt sein (vgl. BGH NJW 1984, 918, 919).
34
2. Die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten sind formell rechtmäßig.
35
a) Der Beklagte ist im Verhältnis zum Kläger befugt, ihn „aus dem B. Fußball-Verband“ und damit von einer (etwaigen) Mitgliedschaft beim Beklagten auszuschließen sowie ihm das Recht abzuerkennen, einem Verbandsverein des Beklagten als Mitglied anzugehören.
36
aa) Zwar ist ein Verband grundsätzlich nur befugt, die eigenen Mitglieder auszuschließen (vgl. BGHZ 28, 131, 134 = NJW 1958, 1867, 1868). Unstreitig ist der Kläger kein unmittelbares Mitglied des Beklagten.
37
bb) Die Befugnis wird dem Beklagten aber über § 3 lit. b Ziff. 6 der Satzung des MTV D. (Anlage B 22) iVm § 25 der Satzung des Beklagten (Anlage B 9) vermittelt.
38
§ 25 der Satzung des Beklagten sowohl idF vom 05.05. 2018, die zum Zeitpunkt des 10.07.2018 galt (Anlage B 9), als auch in der Fassung vom 17.07.2017, die zum Zeitpunkt des 09.10.2017 galt (Anlage B 19) lautet:
§ 25 Aufgaben des Verbands-Präsidiums (…)
(5) Ausschluss von Verbands- und Vereinsmitgliedern.
(…)
§ 3 lit. b) der Satzung des MTV D. (Anlage B 22) lautet:
Ausschluss: Ein Vereinsmitglied kann vom Vereinsausschuss aus der Vereinsliste gestrichen werden bei:
(…) 6. bei Ausschluss aus dem B. Landessportverbandes oder seiner Fachverbände.
39
Die Befugnis, Mitglieder aus den Mitgliedsvereinen auszuschließen, hat ein Verband, abgesehen von einer Doppelmitgliedschaft, auch dann, wenn ihm die Satzung des Vereins diese Befugnis einräumt (vgl. BGHZ 28, 131, 134 = NJW 1958, 1867, 1868; Neudert/Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., 2021, Erster Teil, Rn. 369b mwN; vgl. zur Problematik der Disziplinargewalt des Verbands gegenüber dem Mitglied eines ihm angehörenden Vereins BGH, NZG 2016, 1315 Rn. 41 ff.). Dies ist hier mit § 3 lit. b Ziff. 6 der Satzung des MTV Dießen und der Befugnisnorm des § 25 in der Satzung des Beklagten geschehen.
40
Der Kläger war zum Zeitpunkt des „Beschwerdeentscheids“ vom 09.10.2017 Mitglied des MTV D. Dies hat der Beklagte in dem gem. § 283 ZPO nachgelassenen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung innerhalb der gesetzten Frist vorgetragen und hierzu als Beleg die Liste gem. Anlage B 24 zum Spielerstatus des Klägers vorgelegt. Der Vortrag war gem. § 283 S. 2 1. Alt. ZPO ohne Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung zu berücksichtigen. Soweit der Kläger in der Erwiderung hierauf ein Kündigungsschreiben vom 08.05.2017 mit der Formulierung einer Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorlegt, führt dies nicht zu einem früheren Ende der Mitgliedschaft. Die Kündigung des Klägers vom 08.05.2017 wirkt gem. § 3 lit. a Satz 2 der Satzung des MTV D. (Anlage B 22) zum Schluss des Kalenderjahres. Dass die Voraussetzungen einer ausnahmsweise früheren Wirkung gem. § 3 lit. a Satz 3 der Satzung vorlagen (Umzug; Zahlung des vollen Jahresbetrags), ist nicht ersichtlich.
41
Mit der Bezugnahme der Satzung des MTV D. als dem Verein, dem der Kläger zum Zeitpunkt des „Beschwerdeentscheids“ als Mitglied angehörte, auf einen Ausschluss eines Vereinsmitglieds aus einem Fachverband des B. Landessportverbandes, wie des Beklagten, ermächtigt der Verein den Beklagten, dem der Verein seinerseits als Mitglied angehört, Vereinsmitglieder auszuschließen.
42
cc) Die entsprechende Befugnis des Beklagten gegenüber dem Kläger ergibt sich im Streitfall ferner daraus, dass sich der Kläger durch seine Tätigkeit als Fußballtrainer im Bereich des Beklagten und als Betreuer und Fußballtrainer in den vom Beklagten organisierten und durchgeführten Fußballsommercamps für Kinder und Jugendliche zumindest konkludent der entsprechenden Entscheidungsbefugnis bzw. Verbandsgewalt des Beklagten unterworfen hat.
43
Denn die Verbandsgewalt des Verbands erstreckt sich auch auf ein Nichtmitglied bzw. auf ein nur mittelbares Mitglied, wenn eine unmittelbare, vom Verband eröffnete und vom Nichtmitglied oder mittelbaren Mitglied tatsächlich wahrgenommene Beziehung zum Verband besteht (vgl. Neudert/Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., 2021, Erster Teil, Rn. 369b mwN). Dies ist z. B. bei der Teilnahme an Veranstaltungen des Verbandes, etwa an von ihm organisierten Sportveranstaltungen, oder bei der Benutzung seiner Einrichtungen der Fall (vgl. Neudert/Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl., 2021, Erster Teil, Rn. 369b mwN; vgl. zur Disziplinargewalt BGH NZG 2016, 1315 Rn. 50 ff.). In diesen Fällen ist für beide Seiten, insbesondere auch für die an einer solchen Veranstaltung teilnehmende Person oder die Einrichtungen des Verbands nutzende Person ohne weiteres erkennbar, dass die Teilnahme oder Nutzung daran geknüpft ist, dass die vom Verband aufgestellten Regeln einzuhalten sind und der Verband gegebenenfalls auch zu konkreten funktionsnotwendigen oder gefahrenabwehrenden Maßnahmen befugt ist. Die Unterwerfung unter eine entsprechende Entscheidungsbefugnis des Verbands (Verbandsgewalt) ist daher bei Inanspruchnahme solcher Angebote bzw. Leistungen des Verbands durch eine – an der Veranstaltung teilnehmende oder eine Einrichtung nutzende – Person konkludent miterklärt.
44
Eine solche individualrechtliche Beziehung und Unterwerfung unter die Entscheidungsbefugnis des Verbands ist auch im Rahmen der Betätigung als Fußballtrainer von Kinder- und Jugendmannschaften im Verbandsbereich und als Betreuer für Kinder und Jugendliche im Rahmen eines vom Verband veranstalteten Sommercamps anzunehmen. Mit der Übernahme dieser Funktion unterwirft sich die Person – wenn nicht bereits ausdrücklich aufgrund einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung – jedenfalls konkludent den Regelungen und der Entscheidungsbefugnis des Beklagten als für die Organisation des Camps zuständigem Verband jedenfalls in Bezug auf Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit und der darauf bezogenen Verantwortlichkeit des Verbands stehen. Dies umfasst im Bereich von Fußballsommercamps für Kinder und Jugendliche auch Maßnahmen des Verbands zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Einflussbereich des Verbands vor Übergriffen auf ihre körperliche und seelische Integrität.
45
dd) Die Entscheidungsbefugnis des Beklagten umfasst dabei auch die Befugnis, präventive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen.
46
Es handelt sich bei den angegriffenen Entscheidungen nicht um Strafmaßnahmen des Verbands. Den Entscheidungen des Verbands ist eindeutig zu entnehmen, dass sie nicht auf der Grundlage eines tatsächlich erfolgten sexuellen Übergriffs repressiv ergehen, sondern rein präventiv zur Gefahrenabwehr (vgl. „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, Anlage B 8, Seite 2, 3. Absatz, letzter Satz: „Für die Entscheidung kann es dahin gestellt bleiben, ob ein sexueller Missbrauch zum Nachteil des Kindes [Name] stattgefunden hat.“ und Seite 3, 1. Absatz „zum Schutz seiner Mitgliedsvereine und deren Mitglieder“; „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 5, vorletzter Absatz).
47
b) Die Entscheidungen des Präsidiums des Beklagten und des Verbands-Sportgerichts des Beklagten sind auch im Übrigen formell rechtmäßig. Sie sind jeweils durch das zuständige Verbandsorgan erfolgt: Die Entscheidung ist erstinstanzlich durch das gem. § 25 Abs. 5 der Satzung für den Ausschluss von Vereinsmitgliedern zuständige Organ des Beklagten, das Präsidium, ergangen. Die Beschwerde hat das dafür gem. § 3 Abs. 3, § 29 Abs. 1 RVO zuständige VerbandsSportgericht zurückgewiesen. Besetzungs- oder sonstige Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.
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Der Kläger wurde angehört und hat sich – anwaltlich vertreten – mehrfach geäußert.
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2. Die Entscheidungen sind auch materiell rechtmäßig. Sie sind unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Ermessensspielraums des Beklagten sachlich gerechtfertigt – sachlicher Grund ist die präventive Abwehr der Gefahr sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Einflussbereich des Beklagten aufgrund der angenommenen potentiellen Gefährdungslage – und halten sich auch unter Berücksichtigung der Rechte und Interessen des Klägers innerhalb des Beurteilungs- und Ermessensspielraums des Beklagten.
50
a) Die rechtliche Grundlage für einen Vereins- bzw. Verbandsausschluss, der nicht zur Bestrafung oder Disziplinierung ergeht, sondern auf präventiven Gründen zur Gefahrenabwehr beruht, findet sich, soweit sie – wie hier – nicht in der Satzung ausdrücklich geregelt ist, in § 314 BGB, der gesetzlichen Regelung der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 25 Rn. 28 mwN; BGH NJW 1972, 1892, 1893). Nach § 314 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn – übertragen auf das Verbandsverhältnis – dem Verband bzw. Verein unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Umstände, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses im Einzelfall ergeben soll, müssen bereits im Ausschließungsbeschluss bezeichnet und in gerichtlich nachprüfbarer Weise festgestellt werden; ein Nachschieben im Prozess ist unzulässig (BGH NJW 1990, 40, 41 – Flugsport; Grüneberg/Ellenberger a.a.O.).
51
Handelt es sich um eine präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr, ohne dass ein Tatvorwurf erwiesen ist, bedarf es zunächst der Feststellung einer Gefährdungslage, die sich auf konkrete und nachweisliche Tatsachen von hinreichendem Gewicht stützt (vgl. BVerfG NJW 2018, 1667, 1670 Rn. 45 – Stadionverbot). Ein schuldhaftes Verhalten des ausgeschlossenen Betroffenen ist nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1972, 1892, 1893). Die Entscheidung muss die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit wahren. Die gerichtliche Überprüfung hat, wie bereits oben angeführt, grundsätzlich einen gewissen Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Verbands zu wahren.
52
b) Diesen Anforderungen halten die Entscheidung des Verbands durch das Präsidium und die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde durch das Verbands-Sportgericht stand.
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Der Inhalt und Zweck der Maßnahme ist, wie sich insbesondere aus dem letzten Absatz des „Beschwerdeentscheids“ vom 09.10.2017 (Anlage B 8) und aus Seiten 5 ff. des „Urteils“ vom 10.07.2018 (Anlage B 12) deutlich ergibt, die präventive Abwehr der Gefahr sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Verbandsbereich des Beklagten. Auch wenn der Verband offenlässt, ob es zu einem Missbrauch gekommen ist, kommt der Verband auf einer konkreten Tatsachenbasis von hinreichendem Gewicht zu der Bewertung, dass eine Gefahr von sexuellem Missbrauch für Kinder durch den Kläger bestehe und der Kläger – angesichts des erheblichen Ausmaßes des gegebenenfalls drohenden Schadens – auszuschließen ist und ihm das Recht abzuerkennen ist, einem Verbandsverein als Mitglied anzugehören, weil der Verband nur auf diese Weise sicherstellen könne, den Kläger im Bereich der Fußballvereine von Kindern fernzuhalten. Diese Bewertung und die Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahme sind unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Verbands auch mit Blick auf die Rechte und Interessen des Klägers nicht zu beanstanden.
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aa) Die Unterbindung sexuellen Missbrauchs von Kindern ist wie das Kindeswohl selbst gesamtgesellschaftlich ein herausragendes Gut von höchstem Wert und dies insbesondere im Bereich der mit Kindern und Jugendlichen vielfach befassten Sportverbände. Die nachhaltigen Schäden für die Gesundheit der Betroffenen sind allgemein bekannt. Sportverbände, die für das Training, für Sportveranstaltungen und spezifische Feriencamps für Kinder und Jugendliche organisatorisch verantwortlich sind, trifft eine entsprechende Verantwortung, die Kinder und Jugendlichen in ihrem Verantwortungsbereich zu schützen. Auch in der Satzung des Beklagten findet dies Anklang. So ist es gemäß § 3 Satz 2 der Satzung des Beklagten ein allgemeiner Grundsatz des Beklagten, rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entgegenzutreten. Im Übrigen folgt schon aus dem Zweck des Verbandes gem. § 1 Abs. 4 der Satzung, der in der Förderung und Verbreitung des Fußballsports auf ausschließlich gemeinnütziger Grundlage, mit dem Ziele der körperlichen und sittlichen Ertüchtigung der Angehörigen seiner Mitgliedsvereine, insbesondere der Jugend, besteht, und auch aus den in § 4 aufgezählten Aufgaben des Verbands, ua die Erziehung zu sportlicher Disziplin, Kameradschaft und Ritterlichkeit; der Durchführung und Förderung eines geregelten, fairen Sportbetriebes nach den geltenden Bestimmungen, die Förderung des Freizeit- und Breitensports, aus gesundheits-, familien- und gesellschaftspolitischer Sicht, dass der Verband die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um Gefahren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Fußballsport effizient entgegenzuwirken.
55
bb) Für die Beurteilung nach den Grundsätzen des § 314 BGB sind – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – zu beachten einerseits die Verbandsautonomie des Beklagten einschließlich des oben definierten Beurteilungs- und Ermessensspielraums und die von ihm zu schützenden und zu fördernden Interessen des Fußballsports und der dem Verband (mittelbar) angehörenden Fußballsporttreibenden samt ihrer körperlichen und seelischen Integrität und Gesundheit einschließlich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch; andererseits die Rechte und Interessen des Klägers, insbesondere sein Anspruch auf soziale Achtung und Integration, sein Recht, am Fußballvereinsleben teilzuhaben, und sein Interesse an der Betätigung als Fußballtrainer als eine ihm unstreitig persönlich sehr wichtige Betätigung und auch als Verdienstmöglichkeit und nicht zuletzt die etwaige Gefahr für die Gesundheit und das Leben des Klägers, die von den Entscheidungen ausgeht. Zu beachten ist schließlich, dass auf das Verhältnis zwischen einem sozial mächtigen Verband und seinem (mittelbaren) Mitglied bzw. einem der Verbandsgewalt unterworfenen Nichtmitglied auch die Wertungen der Grundrechte ausstrahlen und in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG NJW 2018, 1667 Rn. 32 f. mzN – Stadionverbot). Vorliegend stehen sich die Verbandsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) einschließlich des Schutzes der Gesundheit von Sporttreibenden und deren Angehörigen im Einflussbereich des Verbands (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) einerseits sowie auf Seiten des Klägers die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) und grundsätzlich auch seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) als tangiert gegenüber.
56
cc) Der Beklagte hat seine Entscheidungen auf eine hinreichende konkrete Tatsachenbasis für die Gefährdungseinschätzung gestützt.
57
(1) Zu den in den Entscheidungen genannten Tatsachengrundlagen gehört die als solche unstreitig erfolgte Schilderung der Eltern der Erzählung ihres Sohnes über sexuelle Übergriffe an mehreren Abenden im Sommercamp 2014 (Anlage B 1) (vgl. die Bezugnahme im „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, Anlage B 8, Seite 1, vorletzter Absatz, am Ende, und im „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 2, erster Absatz, am Ende).
58
Zur Tatsachengrundlage gehört ferner die Schilderung des Klägers gemäß Anlage B 15 (2), Seiten 3 ff., über diese Zeit im Sommercamp und über sein Verhalten diesem Jungen gegenüber (vgl. die Bezugnahme im „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, Anlage B 8, Seite 2, zweitletzter Unterabsatz: „Die geschilderte Vorgehensweise von (…)“ und im „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 3, zweiter Absatz).
59
Zur Tatsachengrundlage zählen auch mit dem Kläger geführte Gespräche durch Angehörige des Beklagten (vgl. die Bezugnahme im „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, Anlage B 8, Seite 2, mittiger und letzter Absatz, und im „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 2/3) und der Bericht des Kinderschutzzentrums (vgl. die Bezugnahme im „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, in Anlage B 8, Seiten 1 und 2, und im „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 2 und Seiten 6/9).
60
(2) Auf diesen Grundlagen durfte der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums zu der Einschätzung gelangen, dass vom Kläger eine Gefahr sexueller Übergriffe gegenüber Kindern und Jugendlichen ausgehen könnte, der der Beklagte wirksam nur durch den Ausschluss aus dem Verband und Aberkennung des Rechts, den Mitgliedsvereinen anzugehören, begegnen konnte. Der Verband hat dabei ausdrücklich offengelassen, ob es zu einem sexuellen Übergriff tatsächlich gekommen ist, da dies nicht nachgewiesen ist.
61
(3) Der Verband hat seine Gefahreneinschätzung vor allem darauf gestützt, dass der Kläger klassische Schwierigkeiten in der Wahrnehmung von Grenzverletzungen im körperlichen Umgang mit Kindern habe, dass er große Schwierigkeiten im Nähe-Distanz-Verhältnis zu Kindern habe und nicht selbst in der Lage sei zu erkennen, wie in seiner Rolle als Trainer Grenzen im körperlichen Umgang mit Kindern zu setzen sind (vgl. „Beschwerdeentscheid“ vom 09.10.2017, Anlage B 8, Seite 2, zweite Hälfte; „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 3, zweiter Absatz).
62
Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Die Schilderung des Klägers seiner Vorgehensweise im Sommerferiencamp 2014 im Umgang mit einem 10-jährigen Jungen, der Heimweh hatte (Anlage B 15, Seite 3ff., zur Berufungsbegründung Bl. 132/168 dA; [Anlage B 15 gibt es zweimal]), zeigt, welche Verhaltensweisen ihm als üblich und geeignet im Umgang mit Kindern dieser Altersgruppe erscheinen, die für mehrere Tage außerhalb ihrer gewohnten Umgebung und ohne ihre gewohnten Bezugspersonen in seine Obhut gegeben sind. Das beschriebene Verhalten umfasst immer wieder körperliche Nähe und Berührungen sowie Zeiten und Beschäftigungen des Klägers allein mit einem Kind, auch alleine in dessen Zimmer (gemeinsam auf dem Bett sitzend einen Film schauend), während andernorts offenbar Gemeinschaftsbeschäftigungen stattfinden. Auf die Einzelheiten der Schilderung Anlage B 15, Seiten 3 ff., wird verwiesen. Es wird deutlich erkennbar, dass der Kläger kein Problembewusstsein hat in Bezug auf das Nähe-Distanz-Verhältnis zu den in seine Obhut als Campbetreuer bzw. als Fußballtrainer gegebenen Kindern, in Bezug auf die körperliche Nähe zu den Kindern und Berührungen der Kinder, in Bezug auf Aufenthalten in den Zimmern der Kinder – auch im Bett eines Kindes – ohne die Anwesenheit anderer Personen und auch in Bezug auf Chatkontakte mit den Kindern in sozialen Medien.
63
Die Wertung des Beklagten, dass dieses Verhalten einem klassischen Groomingprozess entspricht, wie er zur Anbahnung sexueller Übergriffe gegen Kinder typisch sei, wobei ein Missbrauch vom Beklagten auch in diesem Zusammenhang nicht angenommen wird, ist nicht zu beanstanden.
64
Bereits die Mitteilung der Eltern gem. Anlage B 1 und die Schilderung des Klägers über sein Verhalten im Sommercamp 2014 gem. Anlage B 15 (2) sind hinreichende konkrete Tatsachengrundlagen, die unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Ermessensspielraums des Beklagten seine Gefahreneinschätzung tragen und die ergriffenen präventiven Maßnahmen in Bezug auf das hohe Gut des Schutzes der körperlichen und seelischen Integrität von Kindern und Jugendlichen rechtfertigen.
65
(4) Der Beklagte durfte auch den Bericht des Kinderschutzzentrums in seine Einschätzung einbeziehen, zumal der Kläger die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens ablehnte. Das Kinderschutzzentrum ist in seinem Bericht ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass dem Beklagten das Problembewusstsein in Bezug auf die körperliche Nähe und Berührungen und das Nähe-Distanz-Verhältnis zu Kindern fehlt. Soweit der Bericht des Kinderschutzzentrums fragwürdige Passagen aufweist, insbesondere eine Art von Vorverurteilung des Klägers und eine Krankheitsdiagnose ohne entsprechende Fachkompetenz enthalten dürfte, übernimmt der Verband diese Annahmen und Würdigungen in seiner Entscheidung gerade nicht als seine eigenen; er lässt offen, ob es zu sexuellen Übergriffen gekommen ist, und greift keine Krankheitsdiagnose auf. Nachdem es sich um die Bewertung durch ein Fachzentrum für Kinderschutz handelte, ist es dem Verband gestattet, den Bericht nicht schlicht zu ignorieren, sondern die Wertung eines fehlenden Problembewusstseins in Bezug auf die körperliche Nähe und Berührungen und das NäheDistanz-Verhältnis zu Kindern zu berücksichtigen, zumal sich darin die eigene Wertung des Beklagten in Bezug auf die Schilderung des Klägers gem. Anlage B 15 (2) und der in den Gesprächen von Vertretern des Beklagten mit dem Kläger gewonnene Eindruck widerspiegeln. Der Verband hat dem Kläger schließlich auch die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens vorgeschlagen, was dieser jedoch ablehnte.
66
(5) Die Abweichung zwischen der komprimierten Schilderung des Vorfalls nach den Äußerungen der Eltern am Telefon gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten Herrn S. vom 02.06.2015 gemäß dessen „telefonischer Abschrift“ auf Seite 1 des „Beschwerdeentscheids“ vom 09.10.2017 (Anlage B 8, wiederholt im „Urteil“ vom 10.07.2018 Anlage B 12, Seite 2) und der ausführlichen schriftlichen Schilderung in der E-Mail vom 03.06.2015 (Anlage B 1), steht dem nicht entgegen. Diese Abweichung (nur ein Vorfall oder drei Vorfälle an drei Abenden), auf die der Kläger verweist (vgl. Berufungserwiderung, Seite 6, Bl. 176 dA, unten), führt nicht dazu, dass der Schilderung der Eltern oder derjenigen des Kindes per se die Glaubhaftigkeit abzusprechen wäre. Denn Herr xxx hat ausweislich des vorgelegten E-Mail-Verkehrs die Eltern im Anschluss an das Telefonat am 02.06.2015 gebeten, den „am Telefon mitgeteilten Vorfall so detailliert wie möglich schriftlich zu schildern“, was bereits am folgenden Tag in Gestalt der Anlage B 1 geschah. Vor diesem Hintergrund vermögen die vom Kläger monierten Abweichungen zwischen der Schilderung des Vorfalls in einem ersten Telefonat und der anschließenden ausführlichen schriftlichen Schilderung für sich gesehen keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit zu begründen.
67
dd) Der Verband ist zu den getroffenen Entscheidungen auch in einem fairen und sachgerecht geführten Verfahren unter Einbeziehung des Klägers gelangt. Er hat, nachdem er die Missbrauchsmitteilung durch die Eltern erhalten hatte, zunächst ein Verfahren eingeleitet und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Einvernehmen mit dem Kläger das Kinderschutzzentrums München mit seinen Experten einbezogen. Verbandsfunktionäre haben Gespräche mit dem Kläger geführt. Der Kläger wurde einbezogen und konnte sich – auch anwaltlich vertreten – umfassend äußern. Dies hat der Kläger auch getan. Der Verband hat dem Kläger schließlich die Möglichkeit angeboten, ein fachärztliches Gutachten beizubringen, was der Kläger ablehnte (vgl. „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 9 unten).
68
Eine etwaige Angreifbarkeit von Passagen des Abschlussberichts des Kinderschutzzentrums, in denen eine Vorverurteilung des Klägers und eine Diagnostik ohne entsprechende Fachkompetenz enthalten sein dürften, fällt nicht in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Zudem hat der Beklagte diese Würdigungen nicht als eigene übernommen. Der Beklagte hat seine Entscheidungen auch nicht allein auf den Abschlussbericht des Kinderschutzzentrums gestützt.
69
Der Verband musste – entgegen der Ansicht des Klägers – keine weitere Aufklärung dahin betreiben, ob es tatsächlich zu dem von den Eltern mitgeteilten sexuellen Missbrauch im Sommercamp 2014 gekommen war, insbesondere nicht das damals 10- bzw. 11-jährige Kind anhören. Unstreitig wünschten die Eltern keine weitere Aufklärung. Eine Befragung des Kindes durch den Verband war ohne Zustimmung der Eltern nicht zulässig. Auch eine Begutachtung des Klägers war gegen seinen Willen nicht möglich.
70
ee) Auf dieser Grundlage durfte der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums zu dem wertenden Ergebnis kommen, dass vom Kläger eine Gefahr sexueller Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche ausgehen könnte, der der Beklagte wirksam nur durch den Ausschluss aus dem Verband und den Mitgliedsvereinen begegnen konnte.
71
Angesichts des ausgesprochen hochrangigen Schutzgutes der körperlichen Unversehrtheit und der seelischen Integrität von Kindern, insbesondere ihrem Schutz vor sexuellen Übergriffen, ist dieser erhebliche Eingriff in die Rechte des Klägers als einem am Fußballsport und am Fußballvereinsleben sowie am Training von Kindern und Jugendlichen im Fußballsport leidenschaftlich interessierten Sportler, der seit Jahren in diesem Bereich aktiv ist, auch unter Berücksichtigung seiner Rechte und Interessen, seines Anspruchs auf gesellschaftliche Achtung und auch seiner seelischen Gesundheit gerechtfertigt. Selbst eine etwaige Suizidgefahr kann nicht dazu führen, dass der Verband von den erforderlichen Schutzmaßnahmen absieht. Zu berücksichtigen ist, dass die Entscheidung des Verbands das Wirken des Klägers außerhalb B. und außerhalb der Verbandsstrukturen nicht betrifft. Der Verband musste die vom Kläger behauptete existenzielle Angewiesenheit auf den Trainerstatus, weil er sich hiermit seine Lebensgrundlage finanziere, nicht zugrunde legen, da der Kläger hierfür im Verbandsverfahren trotz Aufforderung und Fristsetzung keine Belege vorgelegt hat (vgl. „Urteil“ vom 10.07.2018, Anlage B 12, Seite 9, dritter und vierter Absatz).
72
Die ergriffene Maßnahme ist nach dem auch insofern bestehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Beklagten verhältnismäßig. Eine weniger einschneidende, aber ebenso wirksame Maßnahme zur Unterbindung einer Gefährdung stand nicht zur Verfügung. Die Annahme, dass der Kläger auch dann, wenn er nicht mehr direkt Kinder und Jugendliche trainieren und in Feriencamps betreuen würde, etwa als Trainer von Erwachsenen oder in einer anderen Verbandsfunktion, im Verbands- und Vereinsleben Nähe zu Familien und Kindern haben würde und das Risiko daher zu groß wäre, dass es im Rahmen der Vereinskontakte zu Übergriffen kommen würde, ist vom Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Verbands gedeckt. Auf die streitige Frage, ob der Kläger selbst bereit war, nur Herrenmannschaften zu trainieren, oder dies in den Gesprächen mit Verbandsvertretern abgelehnt hatte, kommt es deshalb nicht an. Auch mit dem Entzug der Trainerlizenz als milderem, aber weniger wirksamem Mittel musste der Beklagte sich nicht begnügen, sondern durfte die Mitgliedschaft selbst angehen, um sicherzustellen, dass der Kläger innerhalb der Verbandsstruktur des Beklagten nicht mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommt.
C.
73
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
74
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
75
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.