Titel:
Eintragungsfähigkeit eines in der Zeit der bestehenden Ehe des Veräußerers einheitlich und gemeinsam mit seiner Ehefrau ausgeübten Wohn- und Versorgungsrechts
Normenketten:
GBO § 18, § 47
BGB § 133, § 157, § 158, § 428
Leitsatz:
Soll ein im Gegenzug zur Eigentumsübertragung zugunsten des Veräußerers bestelltes Wohn- und Versorgungsrecht als Leibgeding an einer auf dem Grundbesitz befindlichen Wohnung auch dessen Ehefrau ab der beabsichtigten Eheschließung, aber nicht mehr nach einer etwaigen Ehescheidung zustehen, handelt es sich um die Eintragung eines einzelnen Rechts für mehrere gemeinschaftlich, das in der Zeit ab Eintritt der aufschiebenden und vor Eintritt der auflösenden Bedingung einheitlich und gemeinsam durch beide Berechtigte ausgeübt werden soll. (Rn. 8 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragung eines Wohn- und Versorgungsrechts, Bestellung des Wohnrechts für beide Ehegatten während bestehender Ehe, einheitliche und gemeinsame Ausübung eines Rechts, aufschiebende Bedingung, auflösende Bedingung, vorübergehend gemeinsame Ausübungsbefugnis
Vorinstanz:
AG Forchheim, Beschluss vom 11.04.2023 – OE-1040-4
Fundstellen:
BeckRS 2023, 30675
LSK 2023, 30675
MittBayNot 2023, 588
RNotZ 2024, 282
NJOZ 2024, 493
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Forchheim vom 11.04.2023, Az. OE-1040-4, aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die beantragte Eintragungen vom 15.06.2022 aus der Urkunde Nr. …/2022 des Notars A. vom 12.05.2022 vorzunehmen.
3. Von der Kostenentscheidung wird abgesehen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Mit notarieller Urkunde vom 12.05.2022 veräußerte der Antragsteller zu 1) in seinem Alleineigentum stehenden Grundbesitz an die Antragstellerin zu 3). Im Gegenzug bewilligte diese dem Antragsteller zu 1) ein Wohn- und Versorgungsrecht als Leibgeding an einer auf dem Grundbesitz befindlichen Wohnung. Für den Fall des Todes des Antragstellers zu 1) ist zur Löschung dessen Todesnachweis ausreichend.
2
Nach den notariell beurkundeten Bestimmungen soll ab der von dem Antragsteller beabsichtigten Eheschließung mit der Antragstellerin zu 2) auch dieser das Wohn- und Vorsorgerecht zustehen, im Falle der rechtskräftigen Scheidung dieser gegenüber erlöschen. Ausdrücklich soll beiden Antragsberechtigten als Gesamtberechtigte i. S. d. § 428 BGB „nur ein Recht“ zustehen.
3
Nach rechtlichem Hinweis auf diesbezügliche Bedenken gegen die Eintragbarkeit hat das Erstgericht die vom Notar namens und im Auftrag der Antragsteller beantragte Eintragung insgesamt zurückgewiesen. Es liege eine Bestellung von Wohn- und Vorsorgerechten für mehrere Personen vor, die im Falle der Antragsberechtigten zu 2) sowohl aufschiebend wie auch auflösend bedingt bestellt worden seien. Eine zur Eintragung vorgesehene Gesamtberechtigung i. S. d. § 428 BGB werde damit aber erst künftig entstehen und gegebenenfalls auch wieder erlöschen.
4
Hiergegen richtet sich die Beschwerde mit der Argumentation, dass von vornherein nur ein einzelnes Recht bewilligt und auch zur Eintragung beantragt worden sei, dessen Ausübungsbefugnis nur, sowohl aufschiebend wie auch auflösend bedingt, also vorübergehend, zwei verschiedenen Personen zustehen soll. Eine Konstellation einer Alternativ- oder Sukzessivberechtigung sei nicht gegeben.
5
Das Erstgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
7
Das vom Erstgericht angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.
8
Die Eintragung eines Rechts für mehrere gemeinschaftlich ist nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 GBO möglich.
9
Die Eintragung einer Gesamtberechtigung i. S. d. § 428 BGB ist ebenfalls möglich (vgl. BGHZ 46, 260; Reetz, in: Hügel, BeckOK-GBO, § 47 Rn. 40).
10
Schließlich ist eine gestaffelte Berechtigung, auch unter einer aufschiebenden Bedingung, keineswegs ausgeschlossen (vgl. Reetz, in: Hügel, BeckOK-GBO, § 47 Rn. 49).
11
Den Antragstellern ist vorliegend darin beizutreten, dass es angesichts der jedenfalls nach entsprechender Auslegung des in der notariell beurkundeten Vereinbarung Gewollten (§§ 133, 157 BGB) in der Zeit ab Eintritt der aufschiebenden und vor Eintritt der auflösenden Bedingung 10 Wx 8/23 – Seite 3 – zu einer einheitlichen und gemeinsamen Rechtsausübung beider Berechtigten kommen soll, die rein praktisch in der gemeinsamen Wohnungsnahme ihre Ausprägung finden wird.
12
Der Nachweis des Eintritts der aufschiebenden Bedingung wird absehbar durch Vorlage einer entsprechenden öffentlichen Urkunde über die wirksame Verheiratung zu erbringen sein. Ebenso wird durch Vorlage einer öffentlichen Urkunde über eine etwaige rechtskräftige Scheidung der Eintritt der auflösenden Bedingung nachzuweisen sein. Unsicherheiten über die dingliche Rechtslage sind insoweit nicht zu befürchten.
13
Ein praktischer Bedarf an der Bestellung mehrerer, voneinander unabhängiger, selbstständiger Rechte lässt sich vorliegend nicht ersehen. Die schon von der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 76, 89 ff.; RGZ 128, 246) sowie auch der Obergerichte (z. B. KG, DNotZ 1937, 330; BayObLG DNotZ 1978, 238; OLG Frankfurt, RPfleger 1978, 213) anerkannte Eintragung wird zwar in Teilen der Literatur aus rein dogmatischen Gründen in Frage gestellt (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 261c). Ein praktischer Mehrwert lässt sich angesichts der Ausnahmevorschrift des § 49 GBO nicht ersehen. Danach kann zur Auslegung von Dienstbarkeiten und Reallasten als Leibgedinge oder Ähnlichem ergänzend zum Grundbucheintrag auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden kann, um eine „Überfüllung“ des Grundbuchs zu vermeiden (vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.1978 – V ZB 6/76 –, juris, Rn. 16).
14
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 1 GNotKG; e contrario zu Nr. 14510 und Nr. 14511 KV-GNotKG; vgl. Kramer, in: Hügel, BeckOK-GBO, 48. Edition, § 77 Rn. 42).
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Damit bedarf es keiner Verfahrenswertfestsetzung.
16
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht geboten (§ 78 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GBO).