Titel:
Kein Ausfall bei Verwertung einer Gesellschaftersicherheit
Normenkette:
InsO § 44a
Leitsätze:
§ 44a InsO ist ein gesetzlich geregelter Spezialfall des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und nach denselben Grundsätzen wie § 135 Abs. 2 InsO und § 143 Abs. 3 InsO auszulegen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelung des § 44a InsO gilt auch für vom Gesellschafter bestellte Sicherheiten, die nicht nur Verbindlichkeiten der Gesellschaft sondern auch persönliche Verbindlichkeiten des Gesellschafters sichern. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine solche Sicherheit ist vorrangig zugunsten der Masse zu verwerten, sodass ein Ausfall nicht vorliegt, soweit die Gläubigerin nach Insolvenzeröffnung die Gesellschaftersicherheit verwertet hat. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenz, Insolvenzverfahren, Tabelle, Feststellung, Ausfall, Sicherheit, Gesellschafter, Wahlrecht, Verwertung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 08.07.2022 – 14 HK O 11219/21
Fundstellen:
ZIP 2024, 32
ZIP 2024, 556
ZRI 2023, 954
BeckRS 2023, 30651
NZI 2024, 169
LSK 2023, 30651
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.07.2022, Az. 14 HK O 11219/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 350.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um die Tabellenfeststellung einer Insolvenzforderung nach Verwertung einer Gesellschaftersicherheit.
2
Mit Beschluss vom 30.04.2010 hat das AmtsgerichtInsolvenzgericht -Mühldorf (Az. …, …) über das Vermögen der Fa. … GmbH, inzwischen firmierend als … mbH (Insolvenzschuldnerin oder Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.
3
Die Klägerin, ein Kreditinstitut mit Sitz in S., stand sowohl mit der Insolvenzschuldnerin als auch mit dem Geschäftsführer der Insolvenzvenzschuldnerin persönlich, Herrn …, in Geschäftsbeziehungen. Sie hatte der Insolvenzschuldnerin mehrere Darlehen gewährt. Die Forderungen der Klägerin auf Darlehensrückzahlung gegen die Insolvenzschuldnerin waren durch Grundschulden am Immobilienvermögen des Gesellschafters der Insolvenzschuldnerin … sowie durch eine Lebensversicherung des … in Deutschland besichert, sämtliche Sicherheiten stammten ausschließlich aus dem Vermögen des Gesellschafters und nicht dem der Insolvenzschuldnerin. Diese dienten zugleich als Sicherheit für Darlehen, die die Beklagten unmittelbar an Herrn … persönlich ausgereicht hatte.
4
Im Mai 2010 hat die Klägerin innerhalb der vom Insolvenzgericht gesetzten Anmeldefrist ihre zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in Höhe von insgesamt EUR 1.744.972,40 valutierenden Darlehensforderungen gegen die Insolvenzschuldnerin für den Ausfall zur Insolvenztabelle angemeldet. Im amtlichen Prüftermin vom 13.07.2010 wurde die Forderung vom Beklagten in voller Höhe für den Ausfall anerkannt (Anlage K 1).
5
Die Darlehensrückzahlungsforderungen der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin waren, wie ausgeführt, ausschließlich durch die Immobilien des Gesellschafters … (zum Teil im Miteigentum mit dessen Ehefrau stehend) sowie dessen Lebensversicherung besichert. Die Insolvenzschuldnerin hatte keine eigenen Sicherheiten für die ihr gewährten Darlehen gestellt. Die Klägerin verwertete die Gesellschaftersicherheiten (Immobilien) in Höhe von mindestens EUR 1.902.000,00 im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 sowie eine Lebensversicherung des Herrn … in Höhe von EUR 50.000,00 zur Tilgung von ihr behaupteter privater Verbindlichkeiten des … gegenüber der Klägerin. Die Gewerbeimmobilie des Gesellschafters verwertete sie durch den Kauf einer ihrer Tochtergesellschaften zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 1.757.000,00. Insgesamt hat die Klägerin aus der Verwertung der von … gestellten Sicherheiten (ohne Berücksichtigung von Sicherheiten der Frau …) einen Betrag in Höhe von EUR 2.444.450,00 erzielt.
6
Mit Schreiben vom 14.03.2014 hat die Klägerin dem Beklagten den endgültigen Ausfall ihrer Forderung mitgeteilt und um Feststellung der ausgefallenen Forderung im Insolvenzverfahren in Höhe von EUR 1.744.972,40 gebeten.
7
Mit Schreiben vom 13.07.2021 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die Klägerin im Hinblick auf die von ihr angemeldeten Insolvenzforderungen in Höhe von EUR 1.744.972.40 keinen Ausfall erlitten habe und er die Klägerin bei einer Verteilung im Insolvenzverfahren nicht berücksichtigen werde.
8
Erstinstanzlich vertrat die Klägerin die Auffassung, es habe sich aus den Verwertungen der Sicherheiten an den Immobilien des … bzw. dessen Ehefrau kein Erlös ergeben, der auf die angemeldeten Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin hätte angerechnet werden können, Zahlungen auf die streitgegenständliche Darlehensrückzahlungsforderung der Klägerin gegenüber der Insolvenzschuldnerin seien nicht erfolgt. Sie habe auch an Herrn … persönlich Kredite ausgereicht, die durch Grundschulden an Immobilien des … sowie dessen Lebensversicherung bei der … besichert worden seien. Die Kreditverträge mit … stünden in keinem Zusammenhang mit den Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin, ein Gesamtschuldverhältnis bestehe nicht. Sie seien lediglich durch die gleichen Sicherheiten gesichert gewesen. In den Kreditverträgen der Klägerin mit … persönlich sei die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart worden. Sie gelte auch für die mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Darlehensverträge. Ihr stehe nach österreichischem Recht ein Wahlrecht zu, ob sie die Verwertungserlöse aus den von Herrn … gestellten Sicherheiten auf dessen private Verbindlichkeiten oder die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin verrechne. Dies stehe allein in ihrem Ermessen. Die Sicherheitensteller oder der Beklagte hätten keinen Anspruch darauf mitzuentscheiden, wie die Erlöse aus den Sicherheiten verwertet würden. § 44a InsO finde vorliegend keine Anwendung, da es keine Gesellschaftssicherheiten und damit keine Doppelbesicherung gebe. Im übrigen verpflichte § 44a InsO die Klägerin lediglich zur vorrangigen Verwertung der Gesellschaftersicherheiten, was sie getan habe. Auch nach Inanspruchnahme und Verwertung aller Sicherheiten verbleibe eine Restforderung der Klägerin in Höhe von EUR 1.744.972,40 EUR. Die Klägerin müsse in Höhe dieser Forderung an der zukünftigen Verteilung im Insolvenzverfahren teilnehmen. Die von dem Beklagten erfolgte Tabellenfeststellung der Forderung „für den Ausfall“ sei unzutreffend, es gebe keinen Ausfall mehr, da die Klägerin alle Sicherheiten verwertet habe. Sämtliche Kredite seien zudem vor der Krise der Insolvenzschuldnerin ausgereicht worden.
9
Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Trotz des Prüfvermerks „für den Ausfall“ sei die klägerische Forderung unbedingt zur Tabelle festgestellt worden. Die Klägerin sei bei Verwertung der Gesellschaftersicherheiten mit ihren Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nicht ausgefallen, da diese durch die Verwertung der Gesellschaftersicherheiten vollständig erfüllt worden seien und die Verwertungserlöse die für den Ausfall festgestellte Forderung der Klägerin überstiegen. Er ist der Auffassung, die Klägerin hätte die Verwertungserlöse nicht auf Forderungen gegen den Gesellschafter … persönlich anrechnen dürfen, selbst wenn diese noch zum Zeitpunkt der Verwertung der Erlöse bestanden hätten. Die Gesellschaft sei gegenüber dem Gesellschafter stets zu bevorzugen. Bei Bestehen nur einer Sicherheit und zwei nebeneinander bestehender Forderungen müsse zunächst die Sicherheit zur Rückgewähr der Forderung gegen die Gesellschaft verwendet werden, bevor eine Inanspruchnahme der Insolvenzmasse erfolgen könne. Die Vorschrift des § 44a InsO sei anwendbar und zwingendes Recht. Nach § 44a InsO würden Kreditgeber bei Rückforderung eines Darlehens von einer insolventen Gesellschaft vorrangig auf bestehende Gesellschaftersicherheiten verwiesen, um die Masse vor dem Zugriff zu schützen. Im übrigen sei ein Verzicht des Gläubigers auf die Gesellschaftersicherheit im Verhältnis zur Gesellschaft relativ unwirksam; der Gläubiger müsse sich den Wert der Sicherheit, auf die er hätte zugreifen können und auf die er verzichtet habe, auf die Forderung gegen die Gesellschaft anrechnen lassen und nehme nur in Höhe des Ausfalls an der Verteilung teil. Wenn dies für den Fall des Verzichts gelte, müsse dies erst recht für den tatsächlich erzielten Sicherheitenerlös gelten. Im übrigen bestritt die Beklagte das Bestehen von Darlehensverbindlichkeiten des … persönlich im Zeitpunkt der Sicherheitenverwertung. wie auch eine Vereinbarung, wonach der Klägerin ein Wahlrecht zustünde, auf welche gesicherte Verbindlichkeit ein Erlös aus der Verwertung der gestellten Sicherheiten angerechnet werde.
10
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sieht einen Verzicht der Klägerin auf die Gesellschaftersicherheiten, da die Klägerin die Verwertung der Gesellschaftersicherheiten, die auch für das Gesellschaftsdarlehen gestellt worden seien, nur auf die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen den Gesellschafter (die Verbindlichkeiten des Gesellschafters persönlich) angerechnet habe. Gesellschaftersicherheiten seien zur Entlastung der Masse einzusetzen. Dies sei auch wirtschaftlich angemessen, da die Klägerin zu wenig Sicherheit für zu viel Kredit eingeholt habe. § 44a InsO enthalte die Wertung, dass Gesellschaftersicherheiten grundsätzlich der Entlastung der Masse dienen und dort einzusetzen seien.
11
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12.07.2022 eingelegten und am 08.08.2022 begründeten Berufung. Die Klägerin meint, das Landgericht habe § 44a InsO zu Unrecht angewandt. Die Vorschrift richte sich gegen den Gesellschafter und nicht gegen den Drittkreditgeber, auch wenn dieser, um das gesetzliche Ziel einer vorrangigen Belastung des Gesellschafters erreichen zu können, verfahrensmäßig in gewissem Umfang mit in die Pflicht zur Verwertung der Gesellschaftersicherheiten genommen werde. Die Vorschrift wolle aber den Drittgläubiger nicht materiell sanktionieren. Es gebe keine Einschränkung des Wahlrechts der Bank durch § 44a InsO, weder bei der Wahl der zu verwertenden Sicherheiten noch bei der Bestimmung, auf welche Forderungen sie erzielte Verwertungserlöse verrechne. Ein Verzicht der Klägerin, die lediglich das ihr vertraglich zustehende Wahlrecht ausübe, wie sie die Verwertungserlöse verrechne, liege nicht vor. Die Klägerin ist der Auffassung, die vorliegende Konstellation sei vergleichbar mit der durch den BGH bereits entschiedenen Konstellation der sog. Doppelbesicherung, in der bei Vorliegen zweier gestellter Sicherheiten für eine Gesellschaftsschuld eine Wahlfreiheit des Kreditgebers bestehe, die von der Gesellschaft oder vom Gesellschafter gestellte Sicherheit in Anspruch zu nehmen.
12
Erstmals mit Schriftsatz vom 10.02.2023 (Bl. 167 ff d.A.) macht die Klägerin geltend, sie habe mit der Insolvenzvschuldnerin am 13.12.2006 und am 05.12.2008 insgesamt 4 Darlehensverträge über eine Gesamtsumme von in Höhe von EUR 2.062.000 abgeschlossen (Anlagen K 4 bis K 7). Mit Herrn … persönlich habe sie am 13.12.2006 insgesamt 4 Darlehensverträge über eine Gesamtsumme von EUR 2.558.000,00 abgeschlossen. In allen Verträgen sei über die Einbeziehung der Allgemeinen Kreditbedingungen (Anlage K 8) der Klägerin unter Z 20 die Geltung österreichischen Rechts vereinbart worden. Zwischen dem 08.05.2010 und dem 19.08.2013 habe sie aus der Verwertung der Sicherheiten für die vier Kreditverträge mit Herrn … persönlich insgesamt einen Erlös in Höhe von EUR 2.564.051,73 erzielt. Ein Restbetrag, der auf die Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin hätte verrechnet werden können, habe sich nicht ergeben. Nach österreichischem Recht bestehe ein Wahlrecht zur Verrechnung des Verwertungserlöses der Klägerin aus dem Gesetz. Die Klägerin ist der Auffassung, dass jedenfalls unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Gesellschaftsverbindlichkeiten zu den Gesamtverbindlichkeiten 40,26 Prozent des Verwertungserlöses auf die streitgegenständliche Forderung gegen die Insolvenzschuldnerin anzurechnen sei. Bezogen auf den zur Insolvenztabelle angemeldeten Betrag von EUR 1.744.972,40 sei die Klägerin daher mit einem Betrag in Höhe von EUR 760.972,40 mindestens zu berücksichtigen.
13
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des am 08.07.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts München I (Az. 14 HK O 11219/21) wird festgestellt, dass der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. … GmbH (Amtsgericht Mühldorf, Az. …, … und inzwischen firmierend als … mbH) unter der laufenden Nummer 54 im Rang des § 38 InsO eine unbedingte Insolvenzforderung in Höhe von EUR 1.744.972,40 zusteht.
14
Der Beklagte beantragt,
die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.
15
Der Beklagte ist der Auffassung, dass § 44a InsO auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei. Insbesondere sei durch § 44a InsO ausgeschlossen, dass die Klägerin darüber entscheiden könne, dass sie die ihr durch den Gesellschafter … (auch) für die Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft gewährten Sicherheiten allein auf ihre vermeintlichen Forderungen gegen den Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin verrechnen könne. Die Gesellschaft sei gegenüber dem Gesellschafter stets zu bevorzugen. Dies bedeute für den vorliegenden Fall des Bestehens nur einer Sicherheit und zwei nebeneinander bestehender Forderungen, dass zunächst die Sicherheit zur Rückgewähr der Forderung gegen die Gesellschaft verwendet werden müsse. Die Insolvenzmasse könne nicht in Anspruch genommen werden, bevor nicht eine Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit und eine Verrechnung dieser auf die Gesellschaftsforderung bewirkt worden sei. Die von Klageseite angegeben Höhe der Darlehensvaluta des … persönlich zum Zeitpunkt der Sicherheitenverwertung bleibe bestritten. Die von der Klägerin angegebene Höhe der Sicherheitenverwertung sei unsubstantiiert und variiere. Es fehle an einer nachvollziehbaren Abrechnung über die Sicherheitenverwertung.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Hinweise in der Ladungsverfügung vom 09.12.2022 (Bl. 134 ff d.A.) sowie das Terminsprotokoll vom 28.02.2023 (Bl. 197 ff d.A.) Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung des Bestehens der unbedingten Forderung in Höhe von EUR 1.744.972,46 im streitgegenständlichen Insolvenzverfahren unter Wegfall des Zusatzes „nur für den Ausfall“.
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1. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat grundsätzlich ein berechtigtes rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, da der durch den Beklagten im Rahmen der Tabellenfeststellung vorgenommene Zusatz „nur für den Ausfall“ entscheidend darüber bestimmt, ob die Klägerin mit ihrer Forderung im Verteilungsverfahren Berücksichtigung findet. Aufgrund des von dem Beklagten angebrachten Zusatzes ist die Klägerin am Verteilungsverfahren nicht beteiligt, sie hat daher ein rechtliches Interesse daran, diesen Zusatz durch die Feststellungsklage zu Fall zu bringen.
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2. Das Landgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen, die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung. Ihr steht die Vorschrift des § 44a InsO entgegen.
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a) Zur Anwendung kommt gemäß Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 lit. i EuInsVO a.F. (EG 1346/2000) deutsches Insolvenzrecht, da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin in Deutschland im Jahr 2010 durch das Amtsgericht Mühldorf eröffnet worden ist (Art. 1, 3 EuInsVO a.F.) und daher das Recht des Eröffnungsstaates anzuwenden ist.
21
Ein Rückgriff auf § 335 InsO erfolgt wegen des Vorrangs des EU-Rechts nicht. Welches Recht (in Verbindung mit der Rom-I-Verordnung) auf die Darlehensverträge der Klägerin anzuwenden ist, ist ebenfalls unerheblich. Es kann daher offen bleiben, ob wie von der Klägerin unter Vorlage der Anlage K 6 vorgetragen und von Beklagtenseite bestritten wurde, auf sämtliche Darlehensverträge, die die Klägerin sowohl mit der Insolvenzschuldnerin als auch mit … persönlich abgeschlossen hatte, österreichisches Recht anzuwenden ist. Zudem liegen die belasteten Immobilien in Altötting, Burghausen, Forstkastl und Kirchdorf, mithin in Deutschland, so dass schon deswegen keine Sonderanknüpfung erwogen werden müsste.
22
b) Die Vorschrift des § 44a InsO findet auf den vorliegenden Sachverhalt unmittelbare Anwendung. Dessen Voraussetzungen sind sämtlich erfüllt. Der Tatbestand des § 44a InsO erfordert bereits seinem Wortlaut nach nicht, dass auch die „Gesellschaft“ selbst eine Sicherheit für ihre Verbindlichkeiten gestellt hat. Nach § 44a InsO ist die Klägerin aber wegen ihrer (festgestellten) Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nicht „ausgefallen“.
23
aa) Das von der Klägerin behauptete Wahlrecht im Hinblick auf die Verrechnung der nach der Insolvenzeröffnung durch die Verwertung der Sicherheiten erzielten Erlöse (auf die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin oder auf die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen Herrn … persönlich) folgt nicht aus den erstmals mit Schriftsatz vom 10.02.2023 vorgelegten Vertragstexten. Daraus ergeben sich lediglich die (von Beklagtenseite bestritten) einbezogenen AGB (Ziffer 20) und die Anwendung österreichischen Rechts auf die Kreditverträge. Die Behauptung der Klägerin, ihr Wahlrecht, „in welcher Reihenfolge sie auf die Sicherheiten zugreife“, ergebe sich aus dem „Gesetz“ ist nicht stichhaltig. Es geht vorliegend nicht um die Frage, „dass für eine Forderung mehrere Sicherheiten bestellt wurden und der Gläubiger ein Wahlrecht hat, in welcher Reihenfolge er zugreift“. Hier geht es vielmehr um die Fragestellung, dass ein und dieselbe Sicherheit mehrere Forderungen verschiedener Schuldner besichert und ob die Klägerin als (einheitliche) Gläubigerin ein Wahlrecht hat, auf welche der Forderungen die Verwertungserlöse angerechnet werden. Eine entsprechende Gesetzesnorm aus dem österreichischen Gesetz wurde nicht genannt. Auch in den Kreditverträgen findet sich hierzu keine Vereinbarung. Die von der Klägerin unter Ziffer A. I. 2 a) mit Schriftsatz vom 10.02.2023 (Bl. 174 d.A.) genannten OGH-Entscheidungen betreffen dem Wortlaut nach die hier nicht einschlägige Sachverhaltskonstellation, in der für eine Forderung mehrere Sicherheiten bestellt worden sind.
24
Eine weitere Aufklärung des österreichischen Rechts ist nicht geboten. Selbst wenn das Wahlrecht zwischen den Parteien des Darlehensvertrags, wie von der Klägerin behauptet, vertraglich vereinbart worden wäre oder sich ein solches aus dem dispositiven (Vertrags-)Recht ergäbe, könnte sich diese Regelung nicht gegenüber dem zwingenden Recht des § 44a InsO als Teil des Insolvenzstatuts durchsetzen (vgl. zum zwingenden Charakter BeckOK InsR/Prosteder/Dachner, 28. Edition, 15.10.2021, InsO § 44a Rn. 4; MükoInsO/Bitter, 4. Auflage 2019, InsO § 44 a Rn. 33).
25
bb) Das von der Klägerin behauptete Wahlrecht hinsichtlich der „Verrechnung“ der von ihr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Verwertung der Gesellschaftersicherheit erzielten Erlöse besteht nach § 44a InsO nicht; ein tatbestandsmäßiger „Ausfall“ der Klägerin bei der Inanspruchnahme der Sicherheit im Sinne des § 44a InsO liegt nicht vor.
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Die Grundvoraussetzungen des § 44a InsO, wonach die Klägerin im laufenden Insolvenzverfahren gegen die Schuldnerin einen Darlehensrückzahlungsanspruch besitzt, für die eine Gesellschaftersicherheit bestellt wurde, sind gegeben. Die Klägerin kann daher die Befriedigung aus der Insolvenzmasse gemäß § 44a InsO nur verlangen, soweit sie bei der Inanspruchnahme der Sicherheit ausgefallen ist. Ein solcher Ausfall liegt nicht vor. Die Darlehensrückzahlungsforderungen der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin betrugen im Prüftermin vom 13.07.2010 unstreitig EUR 1.744.972,40. Der Klägerin gelang es im Anschluss, im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 durch die Verwertung der Gesellschaftersicherheiten einen Betrag in Höhe von EUR 2.444.450,00 zu erlösen. Die der Klägerin eingeräumten Sicherheiten blieben damit im Wert nicht hinter der offenen Schuld der Insolvenzschuldnerin zurück. Es besteht daher für die Klägerin keine Grundlage mehr, eine zusätzliche Befriedigung aus der Insolvenzmasse (zum Nachteil der übrigen Gläubiger) zu verlangen; der darauf gerichtete Klageantrag war zurückzuweisen.
27
(1) § 44a InsO ist sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck auf die vorliegende Konstellation anzuwenden, in der nur der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Sicherheiten bestellt hat, die zudem auch noch parallel bestehende persönliche Verbindlichkeiten des Gesellschafters sichern.
28
Der Vorschrift liegt eine Dreieckskonstellation zugrunde, in der ein Dritter einer Gesellschaft ein Darlehen gewährt und der Gesellschafter der Gesellschaft für den Rückzahlungsanspruch des Drittgläubigers aus dem Darlehen eine Sicherheit leistet. Die Vorschrift ist ein gesetzlich geregelter Spezialfall des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und gemeinsam mit § 135 Abs. 2 und § 143 Abs. 3 InsO auszulegen (vgl. BeckOK/Prosteder/Dachner, 28. Ed. 15.10.2021, InsO § 44a Rn. 1; siehe auch BGH, Urteil vom 26.01.2023, IX ZR 85/21, Tz. 37). Wie die vorgenannten Vorschriften ist auch § 44a InsO gläubigerschützend. Spiegelbildlich zum Nachrang des Gesellschafterdarlehens ist die Gesellschaftersicherheit vorrangig (vgl. BeckOK/Prosteder/Dachner, 28. Ed., 15.10.2021, InsO § 44 a Rn. 3,4; K.Schmidt InsO, 20. Aufl. 2023, InsO § 44a Rn. 4). Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Drittgläubiger sich zunächst an den Gesellschafter halten muss und er anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse erst und nur verlangen kann, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit wirtschaftlich ausgefallen ist. Dies gewährleistet die bestmögliche Verwertung der Gesellschaftersicherheit zugunsten der Masse (vgl. BeckOK/InsO aaO Rn. 3).
29
(2) Die besondere Konstellation der sog. Doppelbesicherung, in der der Kredit des Dritten sowohl durch eine Realsicherheit am Gesellschaftsvermögen als auch durch eine Personal- oder Realsicherheit von Seiten des Gesellschafters besichert wurde und in der eine Wahlfreiheit des Kreditgebers besteht, die von der Gesellschaft oder vom Gesellschafter gestellte Sicherheit in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2011 – IX ZR 11/11 – Rn. 20, juris) vermag das von der Klägerin behauptete Wahlrecht im Hinblick auf die Anrechnung des Verwertungserlöses aus der einzig bestellten Gesellschaftersicherheit nicht zu stützen. Wie unter Ziffer II. 2. B) bb) (1) ausgeführt, ist der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt kein Fall der Doppelbesicherung. Es besteht vielmehr nur eine Sicherheit für zwei unterschiedliche, in keinem Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin und des … persönlich gegenüber der Klägerin. Der in § 44a InsO normierte und bezweckte Vorrang der Gesellschaftersicherheit bedeutet, dass diese auch bei einer doppelten Verwendung im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zugunsten der Masse zu verwerten ist (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 01.12.2011 – IX ZR 11/11 –, Rn. 10; BGH, Urteil vom 13.07.2017 – IX ZR 173/16 –, Rn. 18, wonach § 44 a InsO nach Verfahrenseröffnung anordnet, dass der Darlehensgläubiger für seine noch offene Forderung in erster Linie aus der Gesellschaftersicherheit Befriedigung suchen muss und in dem Fall der Befriedigung der Darlehensgläubiger durch die Gesellschaft vor Verfahrenseröffnung der durch § 44a InsO gebotene Haftungsvorrang des Gesellschafters mithilfe von § 135 Abs. 2 InsO wiederhergestellt wird). Dies muss gerade auch in Zusammenschau mit der Konstellation der sog. Doppelbesicherung gelten, da hier im Gegensatz zur Doppelbesicherung keine Surrogatsleistung besteht. Diese von § 44a InsO verlangte vorrangige Befriedigung zugunsten der Masse kann die Klägerin weder durch vertragliche Regelungen abbedingen (siehe oben) noch dadurch, dass sie die tatsächlich erlangte wirtschaftliche Befriedigung aus der Gesellschaftersicherheit ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters im Wege einer „Verrechnung“ zugunsten eines Dritten verwendet.
30
(3) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sich die Eigenkapitalersatzregeln im Grundsatz nur gegen den sicherungsgebenden Gesellschafter und nicht gegen den dritten Kreditgeber richten, wird dieser Grundsatz durch § 44a InsO durchbrochen. Das Gesetz nimmt den Kreditgeber, dem, wie der Klägerin, eine Gesellschaftersicherheit gewährt wurde, insoweit in die Pflicht, als er sich nicht mehr wahlweise an die Gesellschaft oder die Sicherheit halten kann, sondern zunächst beim Gesellschafter Befriedigung suchen muss. § 44 a InsO zwingt den Drittkreditgeber insoweit nach der (ihm bekannten) Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft zunächst auf die vom Gesellschafter gewährte Sicherheit in Form der Verwertung und schuldtilgenden Anrechung zugreifen, ehe er an der Verteilung der Insolvenzmasse teilnimmt (vgl. MüKoInsO/Bitter aaO, Rn. 5, 21, 22 zu § 44a InsO). Das in § 44a InsO normierte Ausfallprinzip bedeutet, dass der darlehensgebende Gläubiger die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit in Anspruch nehmen muss und erst mit dem von diesem nicht zu erlangenden Restbetrag an der Schlussverteilung teilnehmen kann (vgl. Braun, InsO, 9. Auflage, 2022, Rn. 6 zu § 44a).
31
(4) Soweit die Klägerin nach Insolvenzeröffnung die Gesellschaftersicherheiten verwertet und einen Erlös erzielt hat, der die Höhe der valutierten Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin im Prüftermin überstiegen hat, hat sie keinen „Ausfall“ erlitten.
32
Die von ihr bürgerlich-rechtlich begründete „Verrechnung“ der Verwertungserlöse ausschließlich auf die unabhängig von den Gesellschaftsverbindlichkeiten begründeten Verbindlichkeiten des … steht, wovon das Landgericht prägnant ausgegangen ist, einem Verzicht auf die Gesellschaftersicherheiten nahe und kann wie ein solcher zu behandeln sein. Der Klägerin als Drittkreditgeberin kann deshalb die quotale Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur in genau dem Umfang zu gewähren sein, in dem sie auch bei einem fehlenden Verzicht auf die Sicherheit an der Verteilung hätte teilnehmen können. Die Klägerin kann eine Quote auf den vollen Kreditbetrag beziehen, dies aber nur in der Höhe begrenzt auf den hypothetischen Ausfallbetrag (vgl. MüKo InsO/Bitter aaO, Rn. 35 zu § 44 a InsO). Dieses Ergebnis entspricht nicht nur dem gläubiger- und masseschützenden Normzweck des § 44a InsO, sondern trägt vorliegend auch dem Gedanken Rechnung, dass sich die Klägerin, der als darlehensgebendem Kreditinstitut sowohl die Vermögensverhältnisse der Insolvenzschuldnerin wie auch des Gesellschafters, mit dem sie in weiteren Geschäftsbeziehungen stand, bekannt waren, bewusst in eine Situation der Untersicherung begeben hat. Die von der Klägerin gewährte Verrechnung der Verwertungserlöse geht zu Lasten der übrigen Gläubiger der Insolvenzschuldnerin, was dem Kerngedanken des Masseschutzes des § 44a InsO widerspricht.
33
(5) Entgegen den Erwägungen der Klägerin (Schriftsatz vom 05.05.2023, Bl. 205 ff d.A.) ist auch nicht lediglich von einem teilweisen Ausfall der Klägerin durch die erhaltenen Verwertungserlöse auszugehen mit der Folge, dass sie mit einem Teil ihrer Forderungen in Höhe von EUR 760.836,83 an der Verteilung teilnimmt. Wie ausgeführt, ist die Klägerin durch § 44a InsO gehalten, zunächst beim Gesellschafter Befriedigung zu suchen. Nur wenn sie dies getan, aber hierdurch lediglich eine Teilbefriedigung erlangt hat, stellt sich die Frage, ob sie in der Insolvenz der Gesellschaft eine Quote auf den ursprünglichen Betrag ihrer Forderung erhält oder die Quote dem Ausfallgrundsatz des § 52 InsO entsprechend nur auf den Ausfallbetrag berechnet wird (vgl. MükoInsO, Bitter, aaO, Rn. 21 zu § 44 a). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin, wie ausgeführt, durch die Verwertung der Gesellschaftersicherheiten einen Betrag erzielt hat, der die im Prüftermin valutierten Darlehensverbindlichkeiten der Schuldnerin überstieg.
34
3. Der Schriftsatz vom 09.06.2023 gibt für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
36
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gem. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
37
Die Revision war nicht zuzulassen. Der vorliegende Einzelfall wurde aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.
38
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt, nachdem unstreitig vorliegend eine Quotenerwartung in Höhe von 20% beste