Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 24.10.2023 – 4 U 79/23 e
Titel:

Verjährung jeglicher Schadensersaztansprüche für vom Diesel-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug bei Klageerhebung in 2022 (hier: Audi A8 4.2 V8 TDI quattro)

Normenketten:
BGB § 195, § 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 852
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 1
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Angesichts einer breiten Berichterstattung in großen Tageszeitungen in den Jahren 2017 und 2018 über die Betroffenheit von Audi-Fahrzeugen mit einem V8-Dieselmotor und insbesondere über den Fahrzeugtyp A8 im Rahmen des Dieselskandals, drängte sich für Käufer eines solchen Fahrzeugs eine Nachforschung hinsichtlich der konkreten Betroffenheit geradezu auf. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einen Käufer, der im Jahr 2017 allgemeine Kenntnis vom (auch auf andere Motortypen als den EA 189 erweiterten) Dieselskandal erlangt und der sich bis Ende 2018 keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von Audi bereitgestellten Online-Plattform leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erhebung einer Klage gegen Audi war spätestens im Jahr 2018 auch hinsichtlich der V8-Dieselmotoren zumutbar. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei gebotener Nachforschung im Jahr 2018 wäre eine Klageerhebung auch unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV (Differenzschaden) zumutbar gewesen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, V-TDI-Motor, V8-Motor, unzulässige Abschalteinrichtungen, Schadensersatz, Berichterstattung, große Tageszeitungen, Verjährung, grob fahrlässige Unkenntnis, Restschadensersatz, Gebrauchtwagen
Vorinstanz:
LG Hof, Urteil vom 25.05.2023 – 23 O 136/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30469

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 25.05.2023, Az. 23 O 136/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für die Berufung auf 75.182,36 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 17.11.2023.

Entscheidungsgründe

1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselthematik.
2
Der Kläger erwarb am 19.09.2016 einen PKW Audi A8 4.2 V8 TDI quattro (283 kW) zum Kaufpreis von 102.776,00 € bei einem Kilometerstand von 9.900 km. Der streitgegenständliche PKW unterfällt einer verbindlichen Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes zur Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware. Das Fahrzeug ist insoweit mit verschiedenen Strategien zur Emissionskontrolle ausgestattet, die vom Kraftfahrtbundesamt beanstandet werden. Mit der Klage begehrt die Klagepartei Schadensersatz wegen behaupteter Manipulationen am Abgassystem. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
3
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 25.05.2023 abgewiesen. Der Anspruch sei jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt, nachdem spätestens im Jahr 2018 der Kläger wenigstens grob fahrlässige Unkenntnis von der Diesel-Thematik auch in Bezug auf den V-TDI Motor und insbesondere auch von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte.
4
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
5
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klagepartei. Zu Unrecht habe das Erstgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Klagepartei ergebe sich auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art. 18 der RL 2007/46/EG, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Der Differenzschaden sei zu ersetzen. Verjährung sei nicht eingetreten. Das Rückrufschreiben sei erst 2019 oder 2020 an die Fahrzeugkäufer versandt worden. Es bestehe ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 BGB.
6
Die Klagepartei beantragt,
Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 25.05.2023 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Audi Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer (FIN): an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 102.776,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlen, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung Kilometerstand bei Kauf).
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden angemessenen Schadensersatz in Höhe von 5% bis 15% des Kaufpreises des Fahrzeugs (102.776,00 €) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei über den Betrag
aus dem Antrag zu 1) hinaus alle Schäden zu ersetzen, die aus dem Kauf des Fahrzeugs aufgrund einer installierten Manipulationssoftware noch entstehen werden.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Antrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.293,25 € freizustellen.
7
Die Beklagtenpartei beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
8
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.
9
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 29.08.2023 und die Berufungserwiderung vom 12.10.2023 verwiesen.
10
Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Auch liegen die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor.
11
Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden.
12
Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist das angegriffene Urteil in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde ein Schadensersatzanspruch abgelehnt.
13
1. Der Anspruch der Klagepartei gemäß § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 ist wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 03.10.2022 die Einrede der Verjährung erhoben. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 717/21 –, Rn. 32, juris).
14
Beim Kläger ist spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen. a)
15
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – ZR 492/21 –, Rn. 20, juris).
16
Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2022 – ZR 250/21 –, Rn. 18, juris). b)
17
Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten kam es bereits im Jahr 2017 zu einer Berichterstattung in großen Tageszeitungen über die Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Audi mit V-6 bzw. V8-Motoren im Rahmen des Dieselskandals (Klageerwiderung vom 03.10.2022, Seite 7 ff.) . Diese Berichterstattung setzte sich im Jahr 2018 fort (a.a.O., Seite 10 ff.). In einer Pressemitteilung der Beklagten vom 21.07.2017 wurde darauf hingewiesen, dass Dieselfahrzeuge der Beklagten mit dem Sechszylinder-Motor V8 eine neue Software bekommen, die das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb verbessert. Hinsichtlich der weiteren Berichterstattung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen. Zudem konnte auf der Internetseite der Beklagten abgefragt werden, ob ein Fahrzeug mit einer bestimmten Fahrzeugidentifikationsnummer von einem Rückrufbescheid betroffen war (a.a.O., Seite 15 f.). c)
18
Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen des Erstgerichts zur allgemeinen Kenntnis des Klägers von der Dieselthematik an. Es erscheint angesichts der umfangreichen - unbestrittenen – Berichterstattung seit 2015 über die „Abgasaffäre“ ausgeschlossen, dass der Kläger hiervon nichts mitbekommen haben soll. Überdies hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, wann konkret der Kläger wovon erfahren bzw. nicht erfahren hat. Damit fehlt es am substantiierten Bestreiten.
19
Die Medienberichterstattung über die auch beim klägerischen Fahrzeug zum Einsatz gekommenen V-TDI- bzw. V8-Motoren einschließlich der Pressemitteilung des KBA wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Kläger bestreitet damit lediglich die positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges und trägt vor, dass aufgrund der Berichterstattung nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges auszugehen sei. d)
20
Nach Auffassung des Senats ist bei Kenntnis von der allgemeinen Berichterstattung spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszugehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Dieselskandal im Allgemeinen bereits im Jahr 2015 im Zusammenhang mit dem allseits bekannten Motor EA 189 bekannt wurde. Dieser Berichterstattung kann sich niemand verschlossen haben. Entsprechendes wird auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei Kenntnis der oben dargestellten Berichterstattung in den Jahren 2017 und 2018 über die Fahrzeuge der Beklagten mit einem V8-Dieselmotor und insbesondere über den Fahrzeugtyp A8, den auch der Kläger besaß, drängte sich eine Nachforschung hinsichtlich der konkreten Betroffenheit geradezu auf. Diese aus Sicht des Senats bestehende Nachforschungspflicht begründet eine grobe Fahrlässigkeit, wenn den Anhaltspunkten für eine Betroffenheit nicht nachgegangen wird.
21
Ein Käufer, der im Jahr 2017 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal auch hinsichtlich des im Streit stehenden Dieselmotors erlangt und die sich bis Ende 2018 keine Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von der Beklagten gestellten Online-Plattform leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris zum Motor EA189). Nachdem die Informationsquellen öffentlich kommuniziert und leicht zugänglich waren, wäre der Kläger ohne Weiteres auf die Internetseite der Beklagten gestoßen. Er hätte sich dadurch Gewissheit über die Betroffenheit seines Fahrzeugs durch Inanspruchnahme öffentlich verfügbarer Informationsquellen verschaffen können. Der Kläger hat damit auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht hätten, nicht ausgenutzt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris).
22
Die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte war spätestens im Jahr 2018 auch hinsichtlich der V8-Dieselmotoren zumutbar. Die Rechtslage war bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Abgaswerte nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand reduziert, nicht mehr in einem die Unzumutbarkeit der Klageerhebung begründeten Maße zweifelhaft. Namentlich bedurfte es keiner näheren Kenntnis darüber, welche im Sinne des § 31 BGB maßgeblichen Personen im Einzelnen für den Abgasskandal verantwortlich sind. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2018 aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es ebenfalls nicht an. Dass noch nicht alle Fragen aus dem sogenannten Dieselskandal durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt waren, kann die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 35, juris). e)
23
Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Zeitpunkt lag somit im Jahr 2018. Mit Ablauf des Jahres 2021 war der Anspruch verjährt. Die später im Jahr 2022 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
24
f) Das betrifft des Weiteren auch Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007. Grundlage der Haftung nach diesen Vorschriften ist die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasbehandlung des Fahrzeuges. Dass eine derartige Abschalteinrichtung beim Fahrzeug des Klägers verbaut war, ergibt sich aus dem Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes (vergleiche Anlage K9). Bei gebotener Nachforschung im Jahr 2018 wäre eine Klageerhebung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar gewesen.
25
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus §§ 852, 818 Abs. 1 BGB.
26
Ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB setzt jedenfalls voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 40, juris). Aus dem Abschluss des Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen zwischen dem Kläger und einem Dritten folgt kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 41, juris).
27
Vorliegend hat der Kläger sein Fahrzeug am 30.09.2016 bei einem Kilometerstand von 9.900 km als Gebrauchtwagen erworben. Bei diesem Erwerbsvorgang hat die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors nichts mehr erlangt.
28
3. Mangels des Bestehens einer durchsetzbaren Hauptforderung gegen die Beklagte besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt für die Feststellung des Bestehens von Annahmeverzug durch die Beklagte mit der Annahme des klägerischen Fahrzeuges.
29
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
30
Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
31
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.