Titel:
Beitragsfreiheit in der Landesärztekammer während der Freistellungsphase eines Aufhebungsvertrages
Normenkette:
HKaG Art. 4, Art. 6 S. 1, Art. 15 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Beitragspflicht zur Landesärztekammer knüpft nicht nur an die Mitgliedschaft an, sondern hat darüber hinaus das ärztliche Tätigsein zur Voraussetzung. Aus der Formulierung „tätig ist“ folgt bereits für sich betrachtet, dass die ärztliche Tätigkeit im Beitragsjahr gemeint ist und nicht die ärztliche Tätigkeit im Bemessungsjahr. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine ärztliche Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine irgendwie geartete Arbeitsverpflichtung infolge einer unwiderruflichen Auflösungsvereinbarung bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht bestand. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitragspflicht, Angestellter Arzt, Freistellung von der Arbeitsverpflichtung, Keine Altersteilzeitvereinbarung, Freistellung, Arbeitsverpflichtung, Beitragsfreiheit, Beschäftigungsverhältnis, Aufhebungsvertrag, Freistellungsphase, Landesärztekammer, Beiträge
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30462
Tenor
I. Die Beitragsbescheide der Beklagten zu 1 vom ... November 2019 und des Beklagten zu 2 vom … Oktober 2019 werden aufgehoben.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Beklagte zu 1 drei Viertel und der Beklagte zu 2 ein Viertel zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen für das Beitragsjahr 2019 durch die Bayerische ... in Höhe von 233,- Euro (Beklagte zu 1) sowie durch den Ärztlichen ...- und ...verband M2. in Höhe von 67,- Euro (Beklagter zu 2).
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Der Kläger ist ein zur Berufsausübung berechtigter Arzt mit Wohnsitz in M … Er stand bis zum … März 2023 bei einem Unternehmen, das medizinische Geräte herstellt, in einem Anstellungsverhältnis. Mit Auflösungsvereinbarung vom … November 2017 wurde der Kläger ab dem ... Januar 2019 bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses am … März 2023 unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt und erhielt bis zum … März 2023 sein laufendes Monatsgehalt von 6.480,61 Euro fortbezahlt. Seit dem ... Januar 2019 ist der Kläger seinen Angaben zufolge nicht mehr ärztlich tätig, sondern „Privatier“.
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Mit Email vom … April 2019 wurde dem Kläger auf seine Bitte hin zunächst mitgeteilt, es sei davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 den Kläger beitragsfrei setze. Nach Prüfung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen (u.a. der Auflösungsvereinbarung) durch die Beklagte zu 1 teilte diese dem Kläger mit Schreiben vom … Juni 2019 mit, dass die Beitragspflicht fortbestehe. Auch wenn der Kläger keine Arbeitsverpflichtung mehr habe, stehe er dennoch in einem Beschäftigungsverhältnis und erhalte dafür ein Entgelt. Bei diesem Entgelt handle es sich um eine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung des klägerischen Arbeitgebers, so dass hierfür auch weiterhin eine Beitragspflicht bestehe.
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Mit gegenständlichen Bescheiden vom … Oktober 2019 und vom ... November 2019 setzte die Beklagte zu 1 die vom Kläger zu entrichtenden Beiträge auf 67,00 Euro zum Ärztlichen ...- und ...verband M2. sowie auf 233,00 Euro zur Bayerischen ... fest (vgl. Art. 6 Satz 4 HKaG).
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Am 25. November 2019 erhob der Kläger Klage gegen die Beitragsbescheide beim Verwaltungsgericht München. Er ist der Auffassung, dass er nach der Beitragsordnung mangels ärztlicher Tätigkeit nicht mehr beitragspflichtig ist. Renten sowie andere Bezüge und Vorteile, die aufgrund früherer ärztlicher Tätigkeit gewährt werden, würden der Beitragsordnung zufolge nicht als Einkünfte aus ärztlicher Arbeit gelten. Die ausgehandelte Auflösungsvereinbarung stelle genau einen solchen Vorteil aufgrund seiner früheren ärztlichen Tätigkeit dar. Auch liege seit dem … Januar 2019 kein reguläres Arbeitsverhältnis mehr vor, sondern eine Auflösungsvereinbarung, die ein Arbeitsverhältnis bis zum … Dezember 2018 festlege und danach eine Auszahlung einer Abfindung in Form eines befristeten Angestelltenvertrags mit Gehaltszahlungen oder als einmalige (Rest-) Zahlung.
die Beitragsbescheide der Beklagten vom ... November 2019 und vom … Oktober 2019 aufzuheben.
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Die Beklagten beantragen jeweils,
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Auf Grundlage der jeweiligen Beitragsordnungen der Beklagten sei die Heranziehung des Klägers zur Beitragsleistung für das Beitragsjahr 2019 rechtens. Dieser habe nachweislich eine monatliche Zahlung in Höhe von 6.480,61 Euro aus ärztlicher Tätigkeit bezogen, deren Ausübung vertraglich ruhe. Diese monatliche Zahlung stelle eine Vergütung unter Freistellung von der Arbeitspflicht dar und sei damit als unmittelbares, auf einer ärztlichen Tätigkeit beruhendes Arbeitsentgelt anzusehen. Mit der Regelung der Beitragsordnungen, wonach u.a. Ruhegehälter, Renten sowie andere Bezüge und Vorteile, die aufgrund früherer ärztlicher Tätigkeit gewährt werden, nicht als Einkünfte aus ärztlicher Arbeit gelten, sei die monatliche Zahlung an den Kläger nicht vergleichbar.
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Auf das Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 5. Juni 2023, wonach für den Bemessungszeitraum 2019 wohl keine ärztliche Tätigkeit des Klägers im Sinn der jeweiligen Beitragsordnungen vorgelegen habe, erwiderten die Beklagten … mit Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 21. Juni 2023 unter Bezugnahme auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16. November 2005 (Az. 1 A 170/05 – juris). Die Beklagten seien nach wie vor der Auffassung, dass die monatliche Zahlung an den Kläger eine Vergütung einer zwar freigestellten, aber doch weiterhin bestehenden Arbeitspflicht darstelle und somit auch als unmittelbares, auf einer ärztlichen Tätigkeit beruhendes Entgelt anzusehen sei. Der Begriff der „ärztlichen Tätigkeit“ sei weit auszulegen, da andernfalls auch Ärzte in einem Sabbatjahr bzw. bei länger bestehender Erkrankung als nicht ärztlich tätig angesehen werden müssten. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Braunschweig sei auch für den Fall, dass der Arzt faktisch nicht mehr als Arzt tätig sei, seine Berufstätigkeit nicht vollständig aufgegeben. Ärztlich berufstätig sei ein Arzt bei einer abhängigen Beschäftigung, wenn er als Arzt aufgrund eines Arbeitsvertrags für seine Arbeit ein Entgelt erhalte. Da auch vorliegend der Arbeitsvertrag während des Beitragsjahrs Bestand gehabt habe und erst mit Ablauf des … März 2023 als aufgelöst anzusehen gewesen sei, sei auch im gegenständlichen Fall von einer Beitragspflicht auszugehen. Sonderregelungen besonderer Berufsgruppen würden nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Braunschweig auf die jeweilige Einkommenssituation abstellen und sollten im Hinblick auf einen sozialen Ausgleich eine Erleichterung für schlechter gestellte Ärzte schaffen. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall.
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Hinsichtlich des weiteren Sachstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. August 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im vollem Umfang begründet.
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Im Beitragsjahr 2019 bestand für den Kläger weder einer Beitragspflicht bei der Beklagten zu 1 noch beim Beklagten zu 2. Die gegenständlichen Beitragsbescheide der Beklagten zu 1 und zu 2 sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten; sie sind deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
13
Nach Art. 6 Satz 1 und Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) sind die ärztlichen ...verbände und die ... berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern bzw. von allen Mitgliedern der ärztlichen ...verbände Beiträge zu erheben. Die Höhe der Beiträge werden jeweils in den Beitragsordnungen festgesetzt (Art. 6 Satz 2, Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG).
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Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist hinsichtlich der Beklagten zu 1 die Beitragsordnung der Bayerischen ... in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 25. Oktober 2015 (Bayerisches Ärzteblatt 12/2014, S. 698) und hinsichtlich des Beklagten zu 2 die Beitragsordnung des Ärztlichen ...- und ...verbands M2. in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 27. November 2014 (Münchner Ärztliche Anzeigen 01/2015). Soweit es die Ermächtigung der Beklagten zur Beitragserhebung und zum Erlass einer Beitragsordnung betrifft, haben sich seit Bescheidserlass keine entscheidungserheblichen Änderungen des HKaG ergeben.
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der jeweiligen Beitragsordnungen der Beklagten besteht eine Beitragspflicht nur dann, „wenn der Arzt am ... Februar oder im Laufe des Beitragsjahres Mitglied des ärztlichen ...- und ...verbandes“ (Beitragsordnung des Beklagten zu 2) bzw. „Mitglied eines ärztlichen ...verbandes“ (Beitragsordnung der Beklagten zu 1) „und ärztlich tätig ist“. Der Ausschluss von der Beitragspflicht für im Beitragsjahr ärztlich nicht tätige Ärzte ist angesichts der sonstigen Regelungen der gegenständlichen Beitragsordnungen, insbesondere zur Beitragsbemessung, jedenfalls sinnvoll – auch zur Verwaltungsvereinfachung. Denn eine verbindliche Herabsetzung der Beitragshöhe u.a. für den Fall, dass der Arzt im Beitragsjahr mangels ärztlicher Tätigkeit keine Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erzielt hat, aber im Bemessungsjahr (dem vorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr, hier: 2017) noch ärztlich tätig war und insoweit Einkünfte erzielt hatte, sehen die Beitragsordnungen der Beklagten nicht vor. Zwar ist eine Ermäßigung des Beitrags vorgesehen bei vorübergehender Unterbrechung der Berufstätigkeit von mindestens drei Monaten, z.B. wegen Arbeitslosigkeit, Mutterschutz oder Elternzeit, Teilzeittätigkeit, Altersteilzeit oder Eintritt in den Ruhestand sowie aus gesundheitlichen Gründen. Insoweit „kann“ der (zuvor bereits) festgesetzte Beitrag auf schriftlichen Antrag bis zur Höhe des Mindestbeitrags ermäßigt werden; dies liegt aber im Ermessen der Beklagten (vgl. jeweils § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Beitragsordnungen der Beklagten).
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Für das Beitragsjahr 2019 war der Kläger als zur Berufsausübung berechtigter Arzt zwar Mitglied des Ärztlichen ...- und ...verbands M2. bzw. eines ärztlichen ...verbands (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 10 HKaG), er war aber nicht „ärztlich tätig“ (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 HKaG) und damit weder gegenüber der Beklagten zu 1 noch gegenüber dem Beklagten zu 2 beitragspflichtig.
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1. Der landesrechtliche Begriff „ärztlich tätig (sein)“ ist in Anlehnung an die Bundesärzteordnung (BÄO) zunächst dahin zu verstehen, dass er jede Person erfasst, die aufgrund der ihr erteilten Approbation oder Erlaubnis berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“ zu führen (§ 2a BÄO), und den ärztlichen Beruf ausübt, also die Heilkunde am Menschen unter der Berufsbezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“ ausübt (§ 2 Abs. 5 BÄO, § 1 Abs. 2 HeilPrG).
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Darüber hinaus kann auch ein Arzt, der die Heilkunde nicht unmittelbar am Menschen ausübt, im Sinn der Beitragsordnungen der Beklagten „ärztlich tätig“ sein, wie die Bestimmungen zur Beitragsbemessung etwa in § 2 Abs. 2 der Beitragsordnungen verdeutlichen. Nach § 2 Abs. 1 der jeweiligen Beitragsordnungen sind Grundlage der Beitragsbemessung aufgrund ärztlicher Arbeit erzielte Einkünfte/Einkommen aus dem vorvorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr (Bemessungsjahr). „Ärztliche Arbeit“ in diesem Sinn ist nach § 2 Abs. 2 der jeweiligen Beitragsordnungen die Behandlung von Patienten sowie „jede Tätigkeit, bei der ärztliche Kenntnisse und Erfahrungen angewendet oder mitverwendet werden (z.B. in Lehre und Forschung, in Industrie, Wirtschaft, Medien, bei Behörden, Körperschaften und Vereinen), unabhängig davon, ob sie als Haupt- oder Nebentätigkeit ausgeübt werden“. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der jeweiligen Beitragsordnungen betreffen zwar die Beitragsbemessung und nicht die ihr vorausgehende Beitragspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der jeweiligen Beitragsordnungen. Es besteht aber kein Anhalt dafür, dass der Begriff „ärztlich tätig ist“ enger auszulegen wäre, als der Begriff der „ärztlichen Arbeit“. Gegen ein weites Verständnis der beitragsbegründenden „ärztlichen Tätigkeit“ ist mit Blick auf die gesetzlichen Ermächtigungen zur Festsetzung der „Höhe der Beiträge in einer Beitragsordnung“ nichts einzuwenden. Denn zum einen sind die ... und die ärztlichen ...verbände berechtigt, Beiträge von allen Mitgliedern der ärztlichen ...verbände zu erheben, also auch von den zur Berufsausübung berechtigten Ärzten, die „ohne ärztlich tätig zu sein, in Bayern ihre Hauptwohnung im Sinn des Melderechts haben“. Zum andern sind sie zwar berechtigt, von allen Mitgliedern Beiträge zu erheben, hierzu aber nicht vollumfänglich verpflichtet (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Art. 6 Satz 1 und 2, Art. 15 Abs. 2 HKaG; vgl. im Übrigen BayVGH, U.v. 14.9.2009 – 21 BV 06.3083 – juris Rn. 25 ff. zur Mitgliedschaft in und Beitragspflicht beim zahnärztlichen Bezirksverband; Spelling in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Auflage 2022, § 2 BÄO Rn. 11, wonach die Ausübung der Heilkunde i.S.d. § 2 Abs. 5 BÄO auch die auf der Approbation als Arzt beruhende wissenschaftliche oder verwaltende Tätigkeit ohne Bezug zur praktischen Heilkundeausübung erfasse; Rieger in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 3. Auflage 2020, § 13 Rn. 160 m.w.N., „eine wie auch immer geartete berufliche Tätigkeit als Arzt“; BVerwG, U.v. 26.1.1993 – 1 C 33.89 u.a. – juris Rn. 15 ff. zur – allerdings nichtrevisiblen – Frage des landesrechtlichen Begriffs der ärztlichen Tätigkeit; BVerwG, U.v. 30.1.1996 – 1 C 9.93 – juris Rn. 24 ff. zur Pflichtmitgliedschaft eines in Forschung und Lehre tätigen Apothekers in der Apothekenkammer).
19
Wie ausgeführt wurde, knüpfen die Beitragsordnungen der Beklagten die Beitragspflicht nicht nur an die Mitgliedschaft im ärztlichen ...verband an, sondern schränken die Beitragspflicht auf diejenigen Mitglieder ein, die zugleich ärztlich tätig sind (jeweils § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen). Aus der Formulierung „tätig ist“ folgt bereits für sich betrachtet, dass die ärztliche Tätigkeit im Beitragsjahr gemeint ist und nicht die ärztliche Tätigkeit im Bemessungsjahr (§ 2 Abs. 1 der jeweiligen Beitragsordnungen). Dies ergibt sich auch aus dem vorstehend genannten Zweck des § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen, die tatsächlichen Verhältnisse im Beitragsjahr zu berücksichtigen. Davon abgesehen folgt dies nach Ansicht der Kammer auch aus der Bezugnahme auf „das Beitragsjahr“ in § 1 Abs. 3 Satz 1 der jeweiligen Beitragsordnungen.
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Ärztlich tätig ist nach Vorstehendem jedenfalls, wer beitragsbegründende Tätigkeiten entsprechend § 2 Abs. 2 der jeweiligen Beitragsordnungen im Beitragsjahr tatsächlich ausübt. Das war beim Kläger für das Beitragsjahr 2019 allerdings nicht der Fall. Ärztlich tätig kann nach obergerichtlicher Rechtsprechung zwar auch derjenige sein, der nach seinem Dienstvertrag zu ärztlicher Tätigkeit verpflichtet ist und dieser Verpflichtung nicht nachkommt (vgl. OVG MV B.v. 5.7.2000 – 2 L 295/99 – juris, zu einem aufgrund seiner Wahl zum Personalratsvorsitzenden vollständig von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellten Amtsarzt). Eine irgendwie geartete Arbeitsverpflichtung des Klägers bestand aber nicht. Denn ausweislich der Auflösungsvereinbarung vom … November 2017 wurde der Kläger ab dem „…01.2019 bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt“ (Nr. 3 Satz 1 der Auflösungsvereinbarung). Hintergrund der unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitspflicht ab dem ... Januar 2019 unter Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen zum Ablauf des … März 2023 war nach glaubhafter und unbestrittener Darlegung des Klägers das an ihn gerichtete Ansinnen seiner Arbeitgeberin, einer betriebsbedingten Kündigung zum … März 2018 zuzustimmen. Dieses Verlangen seiner Arbeitgeberin konnte der Kläger mithilfe eines Rechtsanwalts abwenden und stattdessen die gegenständliche Auflösungsvereinbarung aushandeln. Insoweit bestanden nach Darlegung des Klägers die Optionen einer einmaligen Abfindung in Höhe von 330.000 Euro oder – wahlweise – 51 monatliche Zahlungen in Höhe von 6.480,61 Euro. Der Kläger entschied sich für Letzteres. Eine Freistellung unter grundsätzlicher Beibehaltung der klägerischen Pflichten aus dem Dienst- und Arbeitsverhältnis, insbesondere eine nach Auffassung der Beklagten „weiterhin bestehende Arbeitspflicht“, lag damit für das Beitragsjahr 2019 ersichtlich nicht vor. Dies bestätigt auch Nr. 7 der Auflösungsvereinbarung vom … November 2017. Danach stand es dem Kläger im Zeitraum seiner Freistellung vom ... Januar 2019 bis zum … März 2023 jederzeit frei, von seiner Arbeitgeberin unter Einhaltung einer einmonatigen Vorankündigungsfrist zu verlangen, dass das Anstellungsverhältnis zu einem früheren, vom Kläger gewählten Zeitpunkt einvernehmlich aufgelöst wird. Insoweit hatte der Kläger einen Anspruch auf eine „Abfindung“ in Höhe des Betrags, der den Gehaltszahlungen entspricht, der bei Fortführung des Anstellungsverhältnisses zwischen dem früheren Beendigungsdatum und dem … März 2023 aufgelaufen wäre. Diese Vereinbarung lässt klar erkennen, dass die einseitige Freistellung des Klägers von seiner Arbeitspflicht in jeder Hinsicht unbedingt und unwiderruflich war und dem Kläger im Gegenzug für seine Freistellung keine irgendwie geartete Arbeitspflicht abverlangt wurde oder er eine Arbeitsleistung im Freistellungszeitraum hätte anbieten müssen.
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Zwar ist die Fortbezahlung des Monatsgehalts unter gleichzeitiger Aufhebung der Arbeitspflicht keine „Abfindung“ im Rechtssinn, sondern – wie die Beklagte zutreffend ausführt – eine Vergütung unter Freistellung von der Arbeitspflicht, weil die Vergütungspflicht der Arbeitgeberin fortbesteht. Auch lag – trotz einvernehmlicher und unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitspflicht – eine die Sozialversicherungspflicht begründende Beschäftigung wohl noch vor, weil eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetzt bzw. die Versicherungspflicht Beschäftigter grundsätzlich mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses endet (vgl. BSG U.v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R – juris Rn. 12 ff. m.w.N.). Der etwaige Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ändert aber nichts daran, dass eine Arbeitspflicht des Klägers ab dem … Januar 2019 nicht mehr bestand. Aus der laufenden Fortzahlung des Monatsgehalts bis zum … März 2023 konnte deshalb nicht darauf geschlossen werden, der Kläger hätte einen Gegenwert für eine bereits geleistete oder noch zu leistende ärztliche Arbeit erhalten. Unzutreffend ist deshalb die Annahme der Beklagten, es liege ein unmittelbares, auf einer ärztlichen Tätigkeit beruhendes Arbeitsentgelt vor. Das Gegenteil ist der Fall. Die fortlaufenden Monatszahlungen unter gleichzeitiger Aufhebung der Arbeitspflicht des Klägers vermitteln diesem eine Vergünstigung, die ihm aufgrund seiner früheren ärztlichen Tätigkeit gewährt wurde. Im Hinblick auf die arbeitsvertraglichen Bindungen, die bisher vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen und das Fehlen eines verhaltensbezogenen Kündigungsgrundes, genoss der Kläger einen entsprechend hohen Kündigungsschutz, der infolge einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwunden werden konnte. Mit den vonseiten der Arbeitgeberin trotz Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht geleisteten monatlichen Zahlungen hat diese die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausgehandelt, ohne dabei das berechtigte Arbeitnehmerinteresse des Klägers, für den Verlust seines Arbeitsplatzes entschädigt zu werden, hintanzustellen.
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In der Zusammenschau war der Kläger im Beitragsjahr 2019 danach weder ärztlich tätig noch verpflichtet, für seine Arbeitgeberin in irgendeiner Weise „ärztlich tätig“ zu sein, sonst zur Verfügung zu stehen oder seine Arbeitsleistung anzubieten. Zwar bestand das Anstellungsverhältnis nach der Auflösungsvereinbarung bis zum … März 2023 fort, es beschränkte sich ab dem ... Januar 2019 aber im Wesentlichen auf die Fortzahlung des Bruttomonatsgehalts. Der Kläger wurde von seiner Arbeitgeberin ab dem ... Januar 2019 „unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt“ (Nr. 3 der Auflösungsvereinbarung) und konnte auch selbst keinen Anspruch auf seine Weiterbeschäftigung geltend machen (Nr. 10 der Auflösungsvereinbarung). Der Kläger war seither, wie er selbst ausführt, „Privatier“.
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2. Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 16. November 2005 (Az.: 1 A 170/05 – juris) ergibt sich keine andere Beurteilung, weil die dieser Entscheidung zugrundeliegende Beitragsordnung in Niedersachsen von den Beitragsordnungen der Beklagten abweicht, insbesondere aber, weil dem Fall ein abweichender Sachverhalt zugrunde lag.
24
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat ein angestellter Arzt, der sich in der inaktiven Phase einer Altersteilzeitbeschäftigung befindet und aus dem fortdauernden Beschäftigungsverhältnis Einkünfte erzielt, seine Berufstätigkeit (noch) nicht auf Dauer eingestellt (vgl. Leitsatz Nr. 1, U.v. 16.11.2005 – 1 A 170/06 – juris Rn. 16 f.). Von dieser Rechtsprechung haben sich die Beklagten vorliegend offenbar leiten lassen.
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2.1 Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, gingen die Beklagten bereits bei der Beitragsfestsetzung für das 2019 ersichtlich davon aus, dass zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin ein Altersteilzeitvertrag im Blockmodell geschlossen wurde und sich der Kläger seit dem ... Januar 2019 lediglich in der inaktiven Altersteilzeitbeschäftigung befand.
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Dieser Schluss ergibt sich insbesondere aus der Bemessung der Beiträge anhand der für das Beitragsjahr 2019 zu erwartenden Einkünfte des Klägers und nicht – wie nach § 2 der Beitragsordnungen der Beklagten vorgesehen – auf Grundlage der Einkünfte/des Einkommens im Bemessungsjahr 2017.
27
Nach Aktenlage brachten die Beklagten bei der Beitragsbemessung die vonseiten des Klägers angegebenen Einkünfte aus nichtselbständiger ärztlicher Arbeit in Höhe von 76.800 Euro in Ansatz, die nach Angaben des Klägers für das Jahr 2019 „brutto“ zu erwarten gewesen seien (vgl. Nachweisbogen 2019, Bl. 8 f. der Beiakte). Auf Seite 2 sieht das/der Formblatt/Nachweisbogen 2019 Angaben des jeweiligen Arztes u.a. dazu vor, ob er „am Stichtag, dem …02.2019 in Altersteilzeit“ war und wann die Freistellungsphase beginnt. Dies hatte der Kläger dahin ausgefüllt, dass er seit dem …1.2019 in Altersteilzeit war – „Aufhebungsvertrag“ – und die Freistellungsphase gleichfalls am ...1.2019 begann. Seine zu erwartenden Einkünfte im Jahr 2019 würden 76.800 Euro brutto betragen. Mit Email vom … April 2019 bestätigte der Kläger nochmals, dass er seit dem ... Januar 2019 unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt worden war.
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Hiervon ausgehend berechneten die Beklagten die jeweilige Höhe des Beitrags von 233 Euro bzw. 67 Euro anhand des nach Angaben des Klägers für das Jahr 2019 zu erwartenden Einkommens von 76.800 Euro (76.800 € : 100 x 0,38 – 20% = 233 € [abgerundet], vgl. § 3 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 BeitrO der Beklagten zu 1; 76.800 : 100 x 0,11 – 20% = 67 Euro [abgerundet], vgl. § 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BeitrO des Beklagten zu 2).
29
Dass die Beklagten bei der Beitragsbemessung etwa versehentlich das vonseiten des Klägers angegebene zu erwartende Einkommen im Beitragsjahr 2019 anstelle des höheren Einkommens aus dem Bemessungsjahr 2017, das der Kläger im Übrigen wahrheitsgemäß mit 104.933 Euro angegeben hatte, herangezogen hatten, ist nach Auffassung des Gerichts auszuschließen. Denn die Beitragsordnungen der Beklagten sehen die Berücksichtigung solcher Veränderungen zur Vermeidung unzumutbarer Härten ausdrücklich vor. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der jeweiligen Beitragsordnungen kann der festgesetzte Beitrag auf schriftlichen Antrag zur Vermeidung unzumutbarer Härten gestundet oder höchstens bis zur Höhe des Mindestbeitrags ermäßigt werden, u.a. bei „Altersteilzeit“. Dem entsprechend ermöglicht das/der Formblatt/Nachweisbogen 2019 dem betreffenden Arzt u.a. die Angabe, dass er am Stichtag, dem ... Februar 2019 in Altersteilzeit war. Ob eine „unzumutbare Härte“ in diesem Sinn vorlag, kann dahinstehen, wenngleich hierzu offenbar bereits eine vorübergehende Unterbrechung der Berufstätigkeit von mindestens drei Monaten zählen kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BeitrO), was einer Minderung des Einkommens um ein Viertel entspricht. Der Rückgang des klägerischen Einkommens von 104.933 Euro im Bemessungsjahr 2017 auf 76.800 Euro im Beitragsjahr 2019 beträgt etwas mehr als ein Viertel. Jedenfalls hatten die Beklagten bei der Beitragsbemessung auf die zu erwartenden Einkünfte aus dem Beitragsjahr 2019 abgestellt und das ihnen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der jeweiligen Beitragsordnungen eröffnete Ermessen insoweit – bewusst oder unbewusst – zu Gunsten des Klägers dahin ausgeübt.
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2.2 Streitentscheidend ist, dass der Kläger – wie unter Nr. 1 der Entscheidungsgründe ausgeführt – im Beitragsjahr 2019 nicht ärztlich tätig war und deshalb nicht zu Beiträgen für das Beitragsjahr 2019 herangezogen werden durfte. Eine hiervon abweichende Bewertung ergibt sich aus dem vonseiten der Beklagten zum Beleg ihrer Rechtsauffassung in Bezug genommenen Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig nicht.
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2.2.1 So beziehen sich die Begriffe „Berufstätigkeit“ i.S.d. § 3 Abs. 2 der Beitragsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (NdsBO) und „ärztlich tätig (sein)“ i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen der Beklagten bereits auf unterschiedliche Regelungsbereiche.
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Ausweislich der Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig ist die ärztliche „Berufstätigkeit“ nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 der NdsBO ein bei der Beitragsbemessung (Beitragsermäßigung) zu berücksichtigender Umstand. U.a. vor diesem Hintergrund befand das Verwaltungsgericht Braunschweig, dass ein angestellter Arzt, der sich in der inaktiven Phase einer Altersteilzeitbeschäftigung befindet und aus dem fortdauernden Beschäftigungsverhältnis Einkünfte erzielt, seine Berufstätigkeit (noch) nicht auf Dauer eingestellt hat (vgl. Leitsatz, sowie juris Rn. 16 f.).
33
Im Unterschied zu den Beitragsordnungen der Beklagten erhebt nach der verfügbaren Fassung der NdsBO vom 1. Juni 2018, zuletzt geändert durch Satzung vom 28. November 2022, die Ärztekammer Niedersachsen von (allen) ihren Kammermitgliedern einen Jahresbeitrag. Von der Beitragspflicht befreit sind in Niedersachsen nur die Kammermitglieder, die nachweisen, dass sie arbeitslos sind, Sozialhilfe empfangen oder pflegebedürftig sind (§ 3 Abs. 1 NdsBO; ebs. die vonseiten des Klägers vorgelegte Fassung vom 28.11.2015).
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Die Beklagten gehen mit ihren Beitragsordnungen einen anderen Weg. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen besteht die Beitragspflicht von vornherein nur, „wenn der Arzt am ... Februar oder im Laufe des Beitragsjahres Mitglied eines ärztlichen ...verbandes und ärztlich tätig ist“. Ärztlich tätig sein ist demnach die Voraussetzung für das Bestehen der Beitragspflicht und keine „an das ärztliche Einkommen“ anknüpfende Regelung zur Bemessung der Beitragshöhe.
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2.2.2 Insbesondere entzieht sich aber die Auflösungsvereinbarung vom … November 2017 einem Vergleich mit dem Altersteilzeitvertrag, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig zugrunde lag. Insoweit kann dahinstehen, ob eine ärztliche Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 der Berufsordnungen der Beklagten auch dann vorliegt, wenn der Arzt im Beitragsjahr nur deshalb keine ärztliche Tätigkeit mehr ausübt, weil aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung nach dem Blockmodell die Freistellungsphase begonnen hat.
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Wie bereits ausgeführt wurde, war Hintergrund der Auflösungsvereinbarung eine im Raum stehende betriebsbedingte Kündigung des Klägers, nachdem das ihn beschäftigende Unternehmen von einem Investor übernommen worden war. Insoweit konnte der Kläger eine „Abfindung“ in Höhe von 330.000 Euro aushandeln, die er wahlweise als Einmalbetrag oder – wofür er sich entschied – in Form von 51 monatlichen Zahlungen erhalten konnte. Ein Altersteilzeitverhältnis bestand nicht. Der Kläger hatte keine reduzierte Arbeitszeit über eine bestimmte Gesamtlaufzeit, er wurde vielmehr gegen eine Art Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes in Form eines weiterhin erhaltenen Monatsgehalts von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt.
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Dem gegenüber lag dem Fall des Verwaltungsgerichts Braunschweig eine Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell zugrunde. Danach betrug die Arbeitszeit des Arztes bei gleichzeitiger Reduzierung des Entgelts im Durchschnitt der Gesamtlaufzeit der Vereinbarung die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit. Der Arzt blieb zunächst in Vollzeit beschäftigt und wurde für den Rest der Gesamtlaufzeit des Altersteilzeitvertrags von der Arbeit freigestellt. Dem zufolge hatte der Arzt für die Hälfte der Laufzeit der Vereinbarung – trotz Vollzeitarbeit – ein entsprechend reduziertes Entgelt erhalten und wurde sein Kammerbeitrag aufgrund des reduzierten Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit aus einer für ihn günstigeren Beitragsgruppe ermittelt. In der Freistellungsphase wurde dem Arzt das reduzierte Entgelt fortbezahlt, für das er in der ersten Hälfte in Vollzeit ärztlich tätig war. In Bezug auf den Gleichheitssatz führt das Verwaltungsgericht Braunschweig deshalb nachvollziehbar aus, dass der Arzt, der für die Dauer von zweieinhalb Jahren bei vermindertem Einkommen vollzeitbeschäftig geblieben ist und danach seine praktische Tätigkeit eingestellt hat, sich durchaus in einer vergleichbaren Lage mit einem angestellten Arzt befindet, der ebenfalls im Rahmen einer vereinbarten Altersteilzeit fünf Jahre lang halbtags tätig ist und während dieser Zeit einen einkommensabhängigen Kammerbeitrag nach § 2 NdsBO zu entrichten hat. Denn beide würden für eine gleichlange Altersteilzeitphase aus einem Arbeitsverhältnis ein gleich hohes Entgelt für Arbeitsleistungen beziehen, die in ihrem zeitlichen Umfang einander ebenfalls entsprechen (vgl. Rn. 21).
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Von diesen Erwägungen ist der gegenständliche Fall weit entfernt. Der Kläger erhielt sein laufendes Monatsentgelt bis zum … März 2023 fortbezahlt, ohne dass dem ab dem ... Januar 2019 eine irgendwie oder irgendwann erbrachte ärztliche Arbeitsleistung oder auch nur eine Arbeitspflicht gegenüberstand, die als ärztliche Tätigkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen der Beklagten hätte gewertet werden können.
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Dass der Kläger bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnungen der Beklagten nicht unbillig zu Lasten der Beitragszahler oder besser als altersteilzeitbeschäftigte Ärzte gestellt wird, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Bei einer Altersteilzeitvereinbarung geht die reduzierte Arbeitszeit mit einem gleichermaßen reduzierten Arbeitsentgelt einher. Reduzierte Einkünfte des Arztes führen jedenfalls bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Beitragsordnungen zu gleichermaßen reduzierten Beiträgen. Bei einer um die Hälfte reduzierten Arbeitszeit bei gleichzeitiger Minderung des Arbeitsentgelts um die Hälfte, verringert sich die Beitragsleistung über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeitregelung ebenfalls um die Hälfte. Dies gilt bei einer Halbtagsregelung in jedem Fall, weil der betreffende Arzt über den gesamten Zeitraum ärztlich tätig ist. Nach Auffassung der Beklagten gilt dies auch im Blockmodell – ob dies zutrifft, bedarf auch im Rahmen dieser Überlegung keiner Klärung. Die Beklagten erachten dies jedenfalls für gerecht. Unterstellt, der Kläger wäre im Zeitraum vom … Januar 2019 bis zum … März 2023 in der Freistellungsphase einer Altersteilzeitvereinbarung gewesen, hätte es einen ebenso langen Zeitraum geben müssen, währenddessen der Kläger trotz Vollzeitarbeit ein um die Hälfte reduziertes Arbeitsentgelt erhielt (und die Kammern einen dem entsprechend reduzierten Beitrag). Diesen Zeitraum gibt es vorliegend aber nicht, weshalb ein mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig vergleichbarer Sachverhalt nicht vorliegt.
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Die Bereitschaft des Klägers zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum … März 2023 wurde dem Kläger in dem Sinn wirtschaftlich entgolten, dass er trotz Freistellung von der Arbeitspflicht ab dem ... Januar 2019 für den Verlust seines Arbeitsplatzes mit einer zeitanteiligen Zahlung in Höhe von insgesamt ca. 330.000 Euro entschädigt wurde, die ihm als „laufendes Monatsgehalt in Höhe von brutto EUR 6.480,61“ bis zum … März 2023 ausbezahlt wurde. Der Auflösungsvereinbarung vom … November 2017 folgend wurde das Anstellungsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers einvernehmlich aufgelöst und existierten zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung keine Gründe, die die Arbeitgeberin berechtigt hätten, das Arbeitsverhältnis aus dem Verhalten des Klägers zu kündigen (Nr. 1). Hiervon ausgehend hatte der Kläger bis einschließlich des Beitragsjahres 2018 seine Beiträge auf Grundlage der vollen und nicht etwa von reduzierten Einkünfte zu entrichten. Der Freistellung von der Arbeitspflicht ab dem ... Januar 2019 geht deshalb kein Zeitraum voraus, in dem der Kläger ein reduziertes Arbeitsentgelt erhalten hätte, das Bedingung für seine Freistellung gewesen wäre. Im Sinn einer Gleichbehandlung zu rechtfertigende Beiträge sind den Beklagten demnach nicht entgangen. Denn der Kläger hatte in einer – fiktiven – ersten Arbeitsphase eines – fiktiven – Blockmodells kein entsprechend reduziertes Einkommen, sondern wurde auf Grundlage seines vollen Gehalts zu Beiträgen veranlagt.
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3. Nachdem eine Beitragspflicht des Klägers für das Beitragsjahr 2019 bereits dem Grunde nach nicht besteht, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, wie ein etwaiger Beitrag zu bemessen gewesen wäre.
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3.1 Zur Vermeidung von Missverständnissen wird aber nochmals darauf hingewiesen, dass die Beklagten die Beitragshöhe vorliegend auf Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 der jeweiligen Beitragsordnungen nach den zu erwartenden Einkünften des Klägers im Beitragsjahr 2019 (anstelle der Einkünfte im Bemessungsjahr 2017) errechnet haben. Insoweit dürften sich die für die Beitragserhebung maßgeblichen Einkünfte wohl gleichfalls nach den Grundsätzen der Beitragsbemessung in § 2 der Beitragsordnungen bestimmen, obwohl diese Regelungen auf die Einkünfte im Bemessungsjahr abstellen. Hiervon ausgehend wäre wohl auch § 2 Abs. 3 Satz 2 der jeweiligen Beitragsordnung entsprechend anzuwenden. Ob ein dem § 2 Abs. 3 Satz 2 der jeweiligen Beitragsordnung entsprechender Ausnahmefall vorliegt, insbesondere „Vorteile vorliegen, die aufgrund früherer ärztlicher Tätigkeit gewährt werden“, ist allerdings eine zwischen den Parteien umstrittene Rechtsfrage, deren Beantwortung nach Vorstehendem zu unterbleiben hat, weil sie nicht entscheidungserheblich ist.
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3.2 Gleichfalls ist es vorliegend ohne Belang, ob ein Arzt bei einem Sabbatjahr oder bei länger bestehender Erkrankung als nicht ärztlich tätig angesehen werden müsste. Eine etwaige vonseiten der Beklagten gesehene Unbilligkeit, die sich aus dem gegenständlichen Fall ergeben würde, wäre im Übrigen nicht den gesetzlichen Ermächtigungen in Art. 6 und Art. 15 Abs. 2 HKaG zur Beitragserhebung geschuldet. Von Gesetz wegen stünde es den Beklagten frei, ihre Beitragsordnungen so zu fassen, dass auch Ärzte zum Beitrag herangezogen werden können, die nicht ärztlich tätig sind, soweit dem Äquivalenzprinzip entsprochen wird. Ob dies auch sinnvoll ist, haben die zum Erlass einer Beitragsordnung ermächtigten Berufsvertretungen der Ärzte zu entscheiden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO entsprechend. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.