Inhalt

VG München, Beschluss v. 29.08.2023 – M 7 S 23.1068
Titel:

zur Vergabe von Ausschusssitzen

Normenketten:
BayGO Art. 33 Abs. 1 S. 2, S. 5
Geschäftsordnung Stadtrat § 7
Schlagworte:
Kommunalverfassungsstreit, Besetzung von Ausschüssen im Stadtrat, Gebot der Spiegelbildlichkeit, Auflösung einer Pattsituation, Zulässigkeit einer Ausschussgemeinschaft, Ausschussbesetzung, Ausschussgemeinschaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30431

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, über die Besetzung der Ausschüsse Hauptverwaltungsausschuss, Bauausschuss, Werkausschuss, Ausschuss für Klimaschutz, Stadtentwicklung und Gesamtverkehrsplanung und Ausschuss für soziale Angelegenheiten (Sozialausschuss) bis spätestens zum 29. September 2023 in der Weise neu zu beschließen, dass die Besetzung in der Form wiederhergestellt wird, wie sie vor der am 7. Februar 2023 beschlossenen „Berichtigung des Tagesordnungspunkts 8 der öffentlichen Sitzung des Stadtrates vom 7. Mai 2020“ bestand. Bei Einlegung eines Rechtsmittels verlängert sich die Frist bis zum Ablauf von vier Wochen nach Ergehen einer verfahrensabschließenden Entscheidung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller, die gewählten Mitglieder des Stadtrats der Antragsgegnerin für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) und die Bayernpartei (BP), wenden sich gegen den nachträglich erfolgten Entzug ihrer Sitze als Ausschussgemeinschaft in mehreren ständigen Ausschüssen des Stadtrats.
2
Nach dem abschließenden Ergebnis der Kommunalwahl 2020 ergibt sich für den Stadtrat der Antragsgegnerin folgende Sitzverteilung:

Gruppierung

Sitze

CSU

9

Grüne

6

SPD

3

ÜWG

3

AfD

1

BP

1

ÖDP

1

3
Der Hauptverwaltungsausschuss, der Bauausschuss, der Ausschuss für Klimaschutz, Stadtentwicklung und Gesamtverkehrsplanung, der Werkausschuss und der Ausschuss für soziale Angelegenheiten (Sozialausschuss) der Antragsgegnerin bestehen jeweils aus zehn Mitgliedern (vgl. § 2 Abs. 1 der Satzung zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2020).
4
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Stadtrats Bad Aibling vom 11. Mai 2020 (im Folgenden: Geschäftsordnung) können sich einzelne Stadtratsmitglieder und kleine Gruppen oder Fraktionen, die aufgrund ihrer eigenen Stärke keine Vertretung in den Ausschüssen erreichen würden, zur Entsendung gemeinsamer Ausschüsse zusammenschließen (Ausschussgemeinschaften, Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO).
5
Die Bildung der Ausschüsse richtet sich nach § 7 Abs. 1 Geschäftsordnung. Dieser lautet (nach Sinnabschnitten gegliedert):
6
- In den Ausschüssen nach § 2 der Satzung zur Regelung von Fragen des örtlichen Stadtverfassungsrechts sind die den Stadtrat bildenden Fraktionen und Gruppen unter Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Stärke vertreten (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO). (Satz 1)
7
- Die Sitze werden nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers verteilt. Dabei wird die Zahl der Stadtratssitze jeder Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft nacheinander so lange durch 1, 3, 5, 7 und so weiter geteilt, bis so viele Teilungszahlen ermittelt sind, wie Ausschusssitze zu vergeben sind. Jeder Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft wird sodann der Reihe nach so oft ein Sitz zugeteilt, wie sie jeweils die höchste Teilungszahl aufweist (Satz 2 bis 4).
8
- Haben Fraktionen oder Gruppen den gleichen Anspruch auf einen Ausschusssitz, so entscheidet die größere Zahl der bei der Stadtratswahl auf die Wahlvorschläge der betroffenen Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen; bei Beteiligung einer Ausschussgemeinschaft entscheidet das Los (Satz 5).
9
- Wird durch den Austritt oder Übertritt von Stadtratsmitgliedern das ursprüngliche Stärkeverhältnis der im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppen verändert, so sind diese Änderungen nach den Sätzen 2 bis 4 auszugleichen; haben danach Fraktionen, Gruppen oder Ausschussgemeinschaften den gleichen Anspruch auf einen Ausschusssitz, so entscheidet das Los (Satz 6).
10
- Das in Satz 2 festgelegte Verfahren ist ausgeschlossen, wenn die Sitzverteilung im Einzelfall zu einer Überaufrundung einer Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft zu Lasten einer anderen führt und diese Überaufrundung durch alternative Verfahren (Hare-Niemeyer oder d'Hondt) vermieden wird, ohne dass jene Verfahren zu einer Unterrepräsentation anderer Fraktionen, Gruppen oder Ausschussgemeinschaften in Bezug auf deren rechnerische Sitzanteile führen. Eine Überaufrundung im Sinne von Satz 7 liegt vor, wenn das Berechnungsverfahren bei einer Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft eine Aufrundung um mehr als 0,99 der dieser nach der strengen Proportionalberechnung zu stehenden Anzahl der Ausschusssitze bewirkt oder bewirken kann (Satz 7 und 8).
11
- Bei Anwendung des alternativen Verfahrens nach Hare-Niemeyer wird die Zahl der Stadtratssitze jeder Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft mit der Zahl der zu vergebenden Ausschusssitze multipliziert und durch die Gesamtzahl der Stadtratssitze geteilt; jede Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft erhält zunächst so viele Sitze, wie ganze Zahlen auf sie entfallen; die weiteren zu vergebenden Sitze sind in der Reihenfolge der höchsten Zahlenbruchteile, die sich bei der Berechnung ergeben, auf die Fraktionen, Gruppen oder Ausschussgemeinschaften zu verteilen (Satz 9).
12
- Bei Anwendung des alternativen Verfahrens nach d'Hondt wird die Zahl der Stadtratssitze jeder Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft nacheinander so lange durch 1, 2, 3, 4 und so weiter geteilt, bis so viele Teilungszahlen ermittelt sind, wie Ausschusssitze zu vergeben sind; jeder Fraktion, Gruppe oder Ausschussgemeinschaft wird sodann der Reihe nach so oft ein Sitz zugeteilt, wie sie jeweils die höchste Teilungszahl aufweist (Satz 10).
13
Die Antragsteller hatten sich nach der Kommunalwahl 2020 zu einer Ausschussgemeinschaft verbunden, um gemeinsame Vertreter in die zehn Sitze umfassenden Ausschüsse entsenden zu können. Es hatte sich infolgedessen nach dem gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Geschäftsordnung anzuwendenden Sitzzuteilungsverfahren Sainte-Laguë/Schepers für diese jeweils folgende Sitzverteilung ergeben:

Gruppierung

Sitze

CSU

4

Grüne

3

SPD

1

ÜWG

1

AfD

0

BP/ÖPB

1

14
Auf Antrag des Stadtratsmitglieds der AfD beschloss der Stadtrat in seiner Sitzung vom 7. Februar 2023 im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871) unter dahingehender „Berichtigung des Tagesordnungspunkts 8 der öffentlichen Sitzung des Stadtrates vom 7. Mai 2020“ anstelle der Vertreter der Ausschussgemeinschaft jeweils dem Stadtratsmitglied der AfD den Sitz in diesen Ausschüssen zuzuteilen. Aus der Niederschrift geht hervor, dass der Vorgang an den Bayerischen Gemeindetag und die Rechtsaufsichtsbehörde (Landratsamt Rosenheim) mit der Bitte um Stellungnahme gesandt worden war. Deren Stellungnahmen hätten ergeben, dass diese jüngste Rechtsprechung auf die Stimmen- bzw. Sitzkonstellation Anwendung finde und dem Antrag des Stadtratsmitglieds der AfD weitgehend zu entsprechen sei.
15
In der Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetags vom 25. Januar 2023 wird u.a. ausgeführt, die Berechnung ohne Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft ergebe, dass die Verfahren Sainte-Laguë/Schepers und d`Hondt wegen möglicher Überaufrundung bei der CSU ausschieden und auf das Hare-Niemeyer-Verfahren zurückzugreifen sei. Dieses führe zu einer Pattsituation zwischen AfD, BP und ÖDP. Aufgrund der Pattauflösungsregelung hätte der AfD der letzte Ausschusssitz zugestanden, da für diese Partei bei der Kommunalwahl 2020 im Vergleich zu BP und ÖDP die meisten Wählerstimmen abgegeben worden seien. Damit führe die Bildung der Ausschussgemeinschaft BP/ÖPB zum Verlust dieses Ausschusssitzes in Sinne des (o.g.) Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.
16
Am 7. März 2023 erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage (M 7 K 23.1067) und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschluss des Stadtrats vom 7. Februar 2023 sei rechtswidrig. Die Antragsteller hätten im Rahmen der Vorbereitung dieser Sitzung und in der Aussprache zur Beschlussfassung ihre Zweifel an der Richtigkeit der Neubesetzung der Ausschusssitze angemeldet. Die Neubesetzung sei mehrheitlich gegen die Stimmen der Antragsteller und eines weiteren Stadtrats beschlossen worden. Das Sitzungsprotokoll sei den Antragstellern am 1. März 2023 übersandt worden. Die Antragsteller hätten einen Anspruch auf Zuteilung eines Sitzes in den streitgegenständlichen Ausschüssen an die durch sie gebildete Ausschussgemeinschaft, der weder zu einer Überaufrundung noch zur Verdrängung einer größeren Gruppierung, namentlich der AfD, führe. Unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei zu prüfen, ob die Ausschussgemeinschaft eine an sich aus eigener Kraft im Ausschuss vertretene Gruppierung vollständig aus diesem verdränge. Dies sei jedoch erkennbar nicht der Fall. Der AfD stehe aus eigener Kraft kein Ausschusssitz zu, da ihr Sitzanspruch nur gleichrangig mit dem anderer Gruppierungen sei, die Pattauflösung nach Stimmenzahl zugunsten der Gruppierung ÜWG ausfalle, auch eine Sitzzuteilung nach Hare-Niemeyer nicht zugunsten der Gruppierung AfD ausfalle und jedenfalls keine größere Gruppierung im Sinne der neueren Rechtsprechung vorliege. Bei einer Sitzzuteilung nach Sainte-Laguë/Schepers ohne Ausschussgemeinschaft ergäbe sich, dass die ersten neun Sitze des Ausschusses an die Gruppierungen CSU (4), Grüne (3), SPD (1) und ÜWG (1) nach Maßgabe ihrer Höchstzahlen gingen. Für den zehnten Sitz bestehe der identische Anspruch von 1,00 für die Gruppierungen CSU, SPD, ÜWG, AfD, BP und ÖDP. Nach der Zahl der bei der Wahl enthaltenen Stimmen würde dieser Sitz an die Fraktion der CSU gehen. Dies bedeute jedoch eine Überaufrundung (fünf Ausschusssitze bei einem Idealanspruch von 3,75). Dabei führe nicht das Zuteilungsverfahren an sich bereits zur Überaufrundung, sondern erst die Auflösung der Pattsituation durch Abstellen auf die Wahlstimmen. Aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 8.5.2015 – 4 BV 15.201) ergebe sich, dass zwar die sichere Überaufrundung und auch die Möglichkeit einer Überaufrundung durch „Losglück“ der betreffenden Gruppierung zur Unzulässigkeit eines Zuteilungsverfahrens führe. Würde jedoch die unzulässige Pattauflösung durch Herausnahme der betreffenden Gruppierung verhindert, bestünde diese Gefahr nicht mehr. Dies erhelle sich umso mehr, wenn man bedenke, dass die Pattauflösung gerade der Verteilung eines Sitzes diene, der allen in Frage kommenden Gruppierungen in gleicher Weise zustehe, also sowohl der einen wie der anderen Gruppierung zufallen könne. Dies sei aber bei einer bereits aufgerundeten (und damit potentiell überaufgerundeten) Gruppierung nicht mehr der Fall. Der Anspruch dieser Gruppierung sei damit nicht dem der anderen Berechtigten gleichwertig. Nach der zuletzt genannten Ansicht scheide die CSU aus der Pattsituation aus. Es verblieben noch SPD, ÜWG, AfD, BP und ÖDP. Unter diesen habe die ÜWG die meisten absoluten Stimmen erhalten und sei damit grundsätzlich berechtigt, einen zweiten Sitz zu erhalten. Die Ausschussgemeinschaft erhalte somit einen Sitz auf Kosten der Gruppierung ÜWG, die aber nicht vollständig verdrängt werde, sondern einen Sitz für sich behalte. Bei einer Sitzzuteilung nach Hare-Niemeyer ohne Ausschussgemeinschaft verblieben nach Verteilung der ganzen Zahlen (CSU 3, Grüne 2, SPD 1, ÜWG 1) drei weitere Sitze, von denen zwei an die höchsten Zahlenbruchteile (CSU 0,75 und Grüne 0,50) verteilt werden könnten. Für den letzten Sitz kämen AfD, BP und ÖDP mit dem gleichen Bruchteil von 0,42 in Betracht. Fraglich sei, wie diese Pattsituation aufzulösen sei. Die Ansicht des Landratsamts, wonach auch für diese Ersatzverteilung § 7 Abs. 1 Satz 5 Geschäftsordnung anzuwenden sei, überzeuge schon systematisch nicht. § 7 Abs. 1 Geschäftsordnung regele in den Sätzen 2 bis 6 das Sitzzuteilungsverfahren nach Sainte-Laguё/Schepers. In den Sätzen 7 und 8 werde dann das Abweichen wegen Überaufrundung thematisiert. Satz 9 regele das Verfahren Hare-Niemeyer und Satz 10 das Verfahren d'Hondt. Dass nun die sich auf das Verfahren Sainte-Laguё/Schepers beziehende Pattauflösung aus Satz 5 analog für die Alternativverfahren in den Sätzen 9 und 10 heranzuziehen sei, erschließe sich nicht. Wäre dies gewollt gewesen, hätte man einen entsprechenden Verweis mühelos einführen können. Auch aus der Natur der Sache ergebe sich nicht, dass das Losverfahren, das gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO die Regel sei und nur durch ausdrückliche Normierung verdrängt werden könne, nicht zur Anwendung kommen solle. Zudem stammten die Regelungen offensichtlich aus dem Geschäftsordnungsmuster des Bayerischen Gemeindetags. Laut Anmerkungen des Herausgebers „präferiert das Geschäftsordnungsmuster grundsätzlich den Losentscheid, weil dieses Verfahren auch bei Beteiligung von Ausschussgemeinschaften und Veränderungen des Stärkeverhältnisses während der Wahlperiode zur Anwendung kommen kann, also ein Wechsel des Verfahrens nicht erforderlich ist“. Soweit nicht ausdrücklich die Stimmenzahl heranzuziehen sei, solle es offenbar beim Losentscheid verbleiben. Bei einem Zusammenschluss von BP und ÖDP zu einer Ausschussgemeinschaft entstehe ein Patt nicht, ebenso wenig eine Überaufrundung. Es wäre kein Losentscheid notwendig, die AfD hätte also keine Chance auf Erhalt eines Ausschusssitzes. Soweit man zur Ansicht komme, die Gruppierung der AfD würde dennoch aus dem einzigen, ihr aus eigener Kraft zustehenden Ausschusssitz verdrängt, sei einzuwenden, dass die Ausschusssitzverteilung nach stetiger Rechtsprechung die Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse im Vergleich zum Plenum bewirken müsse. Die Größen- und Mehrheitsverhältnisse sollten, soweit dies trotz Rundungsproblematiken möglich sei, auch in einem verkleinerten Gremium beibehalten werden. Darum solle – nach neuerer Rechtsprechung – eine Verdrängung von aus eigener Kraft im Ausschuss vertretenen größeren Gruppierungen verhindert werden. Ein solcher Ausschuss würde nicht mehr die Gruppierungen des Plenums abbilden, sondern Ausschussgemeinschaften, die als solche nicht zur Wahl gestanden hätten. Vorliegend sei es jedoch nicht so, dass zwei kleinere Gruppierungen gemeinsam die größere verdrängten. Vielmehr seien es drei gleich große Gruppierungen, von denen sich zwei zusammenschlössen. Ein Ausschuss, in dem ein Vertreter der BP oder der ÖDP vertreten sei, sei nicht mehr oder weniger spiegelbildlich als ein Ausschuss mit einem AfD-Vertreter. Es ergäben sich daher Zweifel an der unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung, die ausdrücklich nur das Vorrecht größerer Gruppierungen betone. Die Ausschusssitzverteilung geschehe anhand von Gemeinderatssitzen, nicht anhand von Wählerstimmen. Gruppierungen mit gleicher Zahl an Gemeinderatssitzen seien grundsätzlich gleich groß, die Stimmenzahl sei lediglich ein Stichkriterium. Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Antragsteller voraussichtlich zu Unrecht ihre Mitgliedschaftsrechte in den Ausschüssen nicht wahrnehmen könnten. Dies stelle einen wesentlichen Nachteil für sie dar, da sie damit von wesentlichen politischen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen wären. Die Ausschüsse des Stadtrats hätten laut § 9 Abs. 1 und 4 Geschäftsordnung weitgehende Zuständigkeiten für bedeutende politische Entscheidungen. Ein Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache würde erhebliche Teile der Amtsperiode betreffen und möglicherweise auch zur Ungültigkeit der Beschlüsse des in falscher Zusammensetzung tagenden Ausschusses führen. Antrags- und ggf. Rederechte glichen die fehlende Mitgliedschaft nicht aus.
17
Die Antragsteller beantragen,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Ausschüsse Hauptverwaltungsausschuss, Bauausschuss, Werkausschuss, Ausschuss für Klimaschutz, Stadtentwicklung und Gesamtverkehrsplanung sowie Ausschuss für soziale Angelegenheiten innerhalb eines Monats neu zu besetzen und der aus den Antragstellern bestehenden Ausschussgemeinschaft jeweils einen Sitz zuzuteilen.
Hilfsweise: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über die Ausschussbesetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts innerhalb eines Monats neu zu beschließen.
18
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
19
Mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 15. Mai 2023 wurde die Behördenakte vorgelegt und ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Die Antragsteller seien nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie kein subjektives Recht verfolgten, denn es komme ihnen kein Recht auf eine bestimmte Vorgehensweise bei der verfassungskonformen Auslegung des § 7 Geschäftsordnung zu. Der Antrag sei jedenfalls bereits deshalb unbegründet, da er die Hauptsache unzulässig vorwegnehme. Unter den mit einer Vorwegnahme der Hauptsache verbundenen engen Vorgaben hätten die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund geltend gemacht. Die Ausführungen der Antragsteller gingen an der Sache vorbei. Unter Anwendung der entsprechenden Regelung der Geschäftsordnung (§ 7 Abs. 1 Satz 7), führe die Anwendung des Verfahrens Sainte-Laguё/Schepers (ebenso wie die Anwendung des Verfahrens d´Hondt) zu einer Überaufrundung bei der CSU-Fraktion (5 Ausschusssitze bei einem Idealanspruch von 3,75). Bereits nach der systematischen Stellung in Satz 7 von § 7 Abs. 1 Geschäftsordnung führe dies dazu, dass deshalb das Verfahren Hare-Niemeyer anzuwenden sei. Danach ergebe sich eine Pattsituation zwischen den Gruppierungen AfD, BP und ÖDP, die ausschließlich durch die Bildung einer Ausschussgemeinschaft von BP und ÖDP dazu führen würde, dass diese Ausschussgemeinschaft der Antragsteller den Ausschusssitz zugeteilt bekäme. Dieses Ergebnis sei seit der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2022 – 4 BV 22.871 – nicht mehr hinnehmbar und daher zu korrigieren. Bei dieser Korrektur sei die Antragsgegnerin gerade nicht mehr frei. Vielmehr habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass für Fälle wie dem Vorliegenden, in dem sich nach der in der Geschäftsordnung (§ 7 Geschäftsordnung) festgelegten Vorgehensweise im Ergebnis zeige, dass ein Ausschusssitz an eine erst nach der Wahl zusammengeschlossene Ausschussgemeinschaft verteilt werden würde, dies nicht erfolgen dürfe, wenn dadurch das auf einer relativen Stärke beruhende originäre Mitwirkungsrecht einer Fraktion oder Gruppe, hier der AfD, vollständig zunichte gemacht werde. Die notwendige verfassungskonforme Auslegung des § 7 Geschäftsordnung führe damit zu einer Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 Geschäftsordnung, wonach im Ergebnis bei gleichem Anspruch auf einen Ausschusssitz immer die größere Zahl der bei der Stadtratswahl auf die Wahlvorschläge der betroffenen Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen entscheide. Die Ausführungen der Antragsteller seien vor dem Hintergrund, dass bei der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angemahnten Ausschussbesetzung auf das Wählervotum und nicht auf die Sitze im Stadtrat abzustellen sei, unverständlich. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwirkliche das Demokratieprinzip, sodass die Ausschusssitze nach Maßgabe des Stärkeverhältnisses der Wählerstimmen zu verteilen seien. Unter Zugrundelegung der dargelegten Grundsätze sei auch die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Vorwegnahme der Hauptsache erforderliche Dringlichkeit einer gerichtlichen Regelungsentscheidung vorliegend nicht gegeben. Ein Anordnungsgrund sei nicht in einer den strengen Anforderungen bei begehrter Vorwegnahme der Hauptsache genügenden Weise glaubhaft gemacht. Die Antragsteller hätten nichts vorgetragen, aus dem sich ergeben könnte, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung für sie schwere und unzumutbare Nachteile zur Folge hätte. Die angeführte Gefahr der Ungültigkeit der Beschlüsse des in falscher Zusammensetzung tagender Ausschüsse existiere nicht, da insoweit die Regelung des Art. 50 Abs. 6 GLKrWG eingreife, die auf Beschlüsse fehlerhaft besetzter Ausschüsse analog anzuwenden sei.
20
Der Bevollmächtigte der Antragsteller erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 10. Juni 2023. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
21
Nach Anhörung der Beteiligten wurden mit Beschlüssen vom 13. Juni 2023 zum Klage- und Eilverfahren jeweils die in den streitgegenständlichen Ausschüssen vertretenen Fraktionen und der Mandatsträger der AfD beigeladen. Diese äußerten sich in den Verfahren jedoch bislang nicht.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im Eil- und Klageverfahren (M 7 K 23.1067) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
23
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
24
Der Antrag ist zulässig.
25
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist im Hinblick auf § 123 Abs. 5 VwGO statthaft, da er auf eine erneute Beschlussfassung des Stadtrats über die Verteilung der streitgegenständlichen Ausschusssitze und damit auf eine innerorganisatorische Maßnahme ohne Verwaltungsaktsqualität gerichtet ist. In der Hauptsache ist in diesem Fall die allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 21).
26
Den Antragstellern steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Sie können eine mögliche Verletzung ihres aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und 5 GO abzuleitenden Rechts auf eine dem Gesetz entsprechende Vertretung in den Ausschüssen unter grundsätzlich zulässiger Bildung einer Ausschussgemeinschaft geltend machen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass den Antragstellern die streitgegenständlichen Ausschusssitze bereits zugewiesen waren und ihnen dann nachträglich unter Hinweis auf eine Rechtsprechungsänderung wieder entzogen wurden. Die Antragsteller haben im Übrigen auch die Zulässigkeit dieser Maßnahme bereits in der Beratung zu der betreffenden Beschlussfassung ohne Erfolg gerügt und daraufhin zeitnah Klage erhoben sowie den Eilantrag gestellt.
27
Der Antrag ist auch im Hauptantrag begründet.
28
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3).
29
Grundsätzlich gilt, dass entsprechend dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren kann, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Wird mit der beantragten einstweiligen Anordnung eine – wenn auch nur vorläufige – (teilweise) Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, ist anerkannt, dass diese nur ausnahmsweise aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Betracht kommt, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte und der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG in st. Rspr., z.B. B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG NW, B.v. 17.4.2023 – 22 B 336/23.AK – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.3.2023 – 11 CE 23.60 – juris Rn. 16 m.w.N.). Diese Grundsätze dürften auf die hier inmitten stehenden organschaftlichen Rechte im Wesentlichen entsprechend übertragen werden können (vgl. zu diesbezüglichen Maßstäben im Falle eines Organstreits VG Bayreuth, B.v. 15.9.2020 – B 9 E 20.668 – juris Rn. 54).
30
Eine unzulässige (vollständige) Vorwegnahme der Hauptsache ist mit dem Eilrechtsschutz hier nicht verbunden. Sowohl im Rechtssinne als auch – angesichts der noch bis zum 30. April 2026 laufenden Wahlperiode – in faktischer Hinsicht stellt er keine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache dar, mit der sich die bereits anhängige Klage erledigen würde. Die bloße Tatsache, dass sich eine auf einer stattgebenden Eilentscheidung beruhende Neuverteilung der Ausschusssitze im Falle einer späteren Klageabweisung nicht mehr ungeschehen machen ließe, ändert daran nichts. Von einer (grundsätzlich unzulässigen) Vorwegnahme der Hauptsache ließe sich vielmehr erst dann sprechen, wenn sich aus der einstweiligen Anordnung auch noch nach Abschluss des Hauptverfahrens irreversible Folgen ergäben (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 4 CE 20.2238 – juris Rn. 21; vgl. auch U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 22).
31
Unter Berücksichtigung der im Übrigen zur Anwendung kommenden erhöhten Maßstäbe in Bezug auf eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache haben die Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
32
Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass ihnen als Ausschussgemeinschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch darauf zusteht, dass die Antragsgegnerin die geänderte Ausschussbesetzung rückgängig macht und den vorherigen Zustand wiederherstellt. Denn der Entzug der Ausschusssitze der Ausschussgemeinschaft mit dem Stadtratsbeschluss vom 7. Februar 2023 und Zuteilung dieser Sitze an das Stadtratsmitglied der AfD dürfte sich voraussichtlich als rechtswidrig erweisen und die Antragsteller in ihren organschaftlichen Rechten aus Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und 5 GO, § 5 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 Satz 5 Geschäftsordnung verletzen. Jedenfalls dürfte den Antragstellern als Ausschussgemeinschaft abgesehen davon zumindest ein Anspruch auf Vergabe der Ausschusssitze durch Losentscheid zugestanden haben.
33
Die Begründung für die nachträgliche Änderung der Ausschussbesetzung zu Lasten der Antragsteller dürfte einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Diese wurde allein auf die geänderte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris) gestützt. Nach Ansicht der Kammer dürfte die vorliegende Fallgestaltung – Auflösung einer Pattsituation – hiervon jedoch nicht erfasst sein. Auch dürfte eine entsprechende Anwendung dieser Rechtsprechung hier nicht in Betracht kommen. Weiterhin dürften auch keine durchgreifenden Gründe dafür ersichtlich sein, die Regelung in § 7 Abs. 1 Geschäftsordnung verfassungskonform so auszulegen, dass die Regelung in dessen Satz 5 Halbs. 2 unberücksichtigt bleibt.
34
Nach dem Leitsatz des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2022 – 4 BV 22.871 – dürfen wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Spiegelbildlichkeit in den kommunalen Vertretungskörperschaften die Vorschriften über Ausschussgemeinschaften (hier: Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO) bei der Verteilung der Ausschusssitze keine Anwendung finden, wenn dadurch eine nach ihrer Größe ausschussfähige Fraktion oder Gruppe nicht mehr in den Ausschüssen vertreten wäre.
35
Art. 33 Abs. 1 GO regelt die Zusammensetzung der Ausschüsse der Gemeinderat in der Geschäftsordnung (Art. 45 GO); die Mitglieder werden vom Gemeinderat für die Dauer der Wahlzeit aus seiner Mitte bestellt (Satz 1). Hierbei hat der Gemeinderat dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (Satz 2). Haben dabei mehrere Parteien oder Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, so ist statt eines Losentscheids auch der Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zulässig (Satz 3). Gemeinderatsmitglieder können sich zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in die Ausschüsse zusammenschließen (Satz 5).
36
Diese vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, mittels eines Zusammenschlusses von Gemeinderatsmitgliedern gemeinsame Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden, darf nicht zur Folge haben, dass eine größere Fraktion oder Gruppe aus den Ausschüssen vollständig verdrängt wird. Dieses einschränkende Normverständnis folgt aus dem Regelungszusammenhang sowie dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und ist auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zwingend geboten (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 25 m.w.N.).
37
Der Sinn und Zweck der Regelung in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO liegt darin, die Ausschüsse in ihrer Zusammensetzung möglichst zu einem verkleinerten Abbild des Gemeinderats zu machen. Die „Parteien und Wählergruppen”, also die Fraktionen und die Gruppierungen unterhalb der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Fraktionsstärke, haben danach einen einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihnen in dem Ausschuss so viele Sitze zugeteilt werden, wie es ihrem Stärkeverhältnis zueinander entspricht. Auch die Ausschussgröße darf hiernach nicht so gering bemessen werden, dass selbst ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer Vertretung in den Ausschüssen ausgeschlossen werden und der Ausschuss kein Spiegelbild des Gemeinderats mehr darstellt. Bereits in seinen 1954 und 1955 erlassenen Urteilen (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.1954 – 91 IV 54 – VGH n.F. 8, 5/9; U.v. 15.7.1955 – 97 IV 54 – VGH n.F. 8, 97/102) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof betont, dass alle Auslegungen des (damals in Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO, heute in Satz 5 enthaltenen) Rechts, sich zur Entsendung gemeinsamer Ausschussvertreter zusammenzuschließen, abzulehnen sind, die mit dem in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO als vorrangig bestimmten Wesensmerkmal der Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Gemeinderats nicht im Einklang stehen. Er hat daher die Auffassung, auch größere, ohnehin bereits in den Ausschüssen vertretene Parteien und Wählergruppen könnten sich an einer Ausschussgemeinschaft beteiligen, als zwar mit dem Wortlaut, nicht aber mit dem Sinngehalt der Vorschrift vereinbar angesehen. Zusammenschließen dürften sich vielmehr nur Einzelgänger und solche Fraktionen bzw. Gruppen, die sonst keine Vertretung im Ausschuss erhalten würden. Begründet wurde diese einschränkende Auslegung mit der Erwägung, dass zwar jeder Zusammenschluss zu einer Ausschussgemeinschaft eine Schmälerung des Leitbilds bedeute, wonach der Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Gemeinderats darstellen solle. Die Beschränkung auf Zusammenschlüsse von zunächst nicht in den Ausschüssen vertretenen Einzelgängern und Fraktionen lasse aber den Grundsatz der verhältnismäßigen Vertretung „ungleich mehr in Geltung“ als alle anderen in Betracht kommenden Auslegungen. Diese Vorgehensweise zur Auflösung des im Gesetz angelegten Normkonflikts muss auch für die folgende Fallkonstellation Anwendung finden. Ergibt sich infolge der Ausschussgröße, die vom Gemeinderat festgelegt wurde, dass nach dem für die Sitzvergabe gewählten Verteilungsverfahren (dort: d`Hondt) einer bestimmten Fraktion oder Gruppe ein eigener Ausschusssitz zusteht, dann darf dieses auf ihrer relativen Stärke beruhende originäre Mitwirkungsrecht nicht durch einen erst nach der Wahl erfolgten Zusammenschluss kleinerer Gruppen zu einer Ausschussgemeinschaft vollständig zunichtegemacht werden. Denn auch dadurch würde entgegen der zitierten Rechtsprechung eine ansehnlich große Fraktion oder Gruppe von einer Vertretung in den Ausschüssen gänzlich ausgeschlossen. Das im Gesetz verankerte Leitbild, wonach die Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Gemeinderats sein müssen, bleibt „ungleich mehr in Geltung“, wenn die an eine Ausschussgemeinschaft abgegebenen Sitze von einer Fraktion stammen, die auch danach noch an der Ausschussarbeit teilnehmen kann, als wenn es sich um die jeweils einzigen Sitze der abgebenden Fraktion oder sonstigen Gruppe handelt. Im letztgenannten Fall darf daher eine Ausschussgemeinschaft nicht bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 26 – 28 m.w.N.).
38
Dasselbe Ergebnis folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften über die Bildung von Ausschussgemeinschaften. Die in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO enthaltene Forderung, dass der Gemeinderat bei der Bestellung der Ausschussmitglieder dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen hat, ist verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben. Die Ausschüsse nehmen als Untergliederungen der gewählten Volksvertretung einzelne Aufgaben dieses Repräsentationsorgans wahr und müssen daher in ihrer Zusammensetzung das Plenum in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln. Dieses aus der Verfassung abgeleitete Spiegelbildlichkeitsprinzip, das auch den Anspruch der Fraktionen auf gleiche Teilhabe an der Willensbildung in dem gewählten Vertretungsorgan absichert, erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese zunächst im Parlamentsrecht entwickelten Verfassungsgrundsätze auf die gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewählten Volksvertretungen in den Gemeinden und Landkreisen übertragen (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 29 ff. m.w.N.).
39
Bei Übertragung der diesbezüglichen höchstrichterlichen Judikatur auf die Möglichkeit zur Bildung von Ausschuss- bzw. Zählgemeinschaften in den kommunalen Vertretungsorganen bestehen nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegen die diesbezüglichen Regelungen in Bayern (u.a. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO) zwar nicht schon deshalb Bedenken, weil es an einem die partielle Abweichung vom Spiegelbildlichkeitsgrundsatz legitimierenden entgegenstehenden Verfassungsbelang fehlen würde. Das Prinzip der demokratischen Repräsentation (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) umfasst auch den Schutz der im Parlament vertretenen Minderheit. Dieser Grundsatz muss auch auf Gemeinde- und Landkreisebene gelten. Mit der Zulassung von Ausschussgemeinschaften erhalten die in die kommunale Vertretungskörperschaft gewählten Mitglieder kleiner, nicht ausschussfähiger Gruppen sowie die fraktionslosen Mandatsträger die Möglichkeit, in einzelne Ausschüsse entsandt zu werden und an der dortigen Willensbildung punktuell teilzunehmen. Die Regelung hat damit erkennbar zum Ziel, die – durch das Fehlen einer Sperrklausel begünstigte – Vielfalt der im Plenum vertretenen Grundpositionen in den Ausschüssen deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als dies durch eine rein proportionale Verteilung anhand der Stärkeverhältnisse möglich ist. Diese vom Kommunalgesetzgeber zulässigerweise angestrebte Verbreiterung des in den einzelnen Ausschüssen vertretenen Meinungsspektrums kann aber im Einzelfall nur erreicht werden, wenn die an eine Ausschussgemeinschaft vergebenen Sitze von einer Fraktion oder einer sonstigen Gruppe stammen, die auch danach noch (mit zumindest einem Mitglied) in den Ausschüssen vertreten ist. Die vollständige Verdrängung der kleinsten „an sich“ ausschussfähigen Gruppe zugunsten einer bloßen Zählgemeinschaft von noch kleineren Gruppierungen oder gar eines Zusammenschlusses von Einzelpersonen kann dagegen nicht mehr als taugliches Instrument des Minderheitenschutzes angesehen und daher als zulässige Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes gerechtfertigt werden. Denn damit würde einer gewichtigeren Minderheit, die immerhin so groß ist, dass ihr ein originärer Ausschusssitz zusteht, jede Möglichkeit der Mitwirkung in den Ausschüssen genommen. Zur Vermeidung dieser unzulässigen Rechtsfolge bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO, dass die Sitzvergabe an Ausschussgemeinschaften nicht zum völligen Ausschluss einer aus eigener Kraft ausschussfähigen Fraktion oder Gruppe führen darf (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 33 – 34 m.w.N.).
40
Grundlage der Sitzverteilung in den Ausschüssen muss die jeweilige Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum sein. Bloße Zählgemeinschaften, die sich nur ad hoc zur Gewinnung von Ausschusssitzen gebildet haben, wurden weder als solche vom Volk gewählt noch verfolgen sie über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele. Ihre Berücksichtigung aus Gründen des Minderheitenschutzes darf daher nicht zu einer erheblichen Verzerrung der Kräfteverhältnisse in den Ausschüssen führen, wie dies bei der völligen Verdrängung einer ansonsten ausschussfähigen Fraktion oder Gruppe der Fall wäre. Erfüllt eine Gruppierung aufgrund ihrer Größe alle Voraussetzungen für die Zuteilung von Ausschusssitzen, kann ihr daraus folgendes Recht, in allen Ausschüssen vertreten zu sein, (auch) nicht von der Kooperationsbereitschaft konkurrierender kleinerer Gruppen abhängig gemacht werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 36 – 37 m.w.N.).
41
Das hiernach gebotene einschränkende Verständnis des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO, wonach Ausschussgemeinschaften nur insoweit Ausschusssitze erhalten, als damit nicht eine größere im Gemeinderat vertretene Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert, überschreitet auch nicht die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung. Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 38 – 39 m.w.N.).
42
Hiernach bestehen gegen die verfassungskonforme Reduktion des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO keine Bedenken. Der Gesetzeswortlaut schließt ein enges Normverständnis, das dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz in der von der Verfassung geforderten Weise Rechnung trägt, nicht ausdrücklich aus. Da sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nichts Gegenteiliges ergibt, kommt es bei der Bestimmung des normativen Gehalts maßgebend auf den Regelungszusammenhang und den erkennbaren Gesetzeszweck an. Danach steht bei der Sitzzuteilung das in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO enthaltene Gebot einer die Stärkeverhältnisse im Gemeinderat widerspiegelnden Ausschussbesetzung im Vordergrund. Die Berücksichtigung nachträglich gebildeter Ausschussgemeinschaften soll dieses Prinzip nicht in Frage stellen, sondern nur punktuelle Ergänzungen ermöglichen. Die Regelung zielt ersichtlich nicht darauf ab, den lediglich zu einer Zählgemeinschaft verbundenen Kleingruppen einen Repräsentationsvorrang gegenüber größeren Gruppen oder gar eine dominierende Rolle in den Ausschüssen zu ermöglichen (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 40 m.w.N.).
43
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben dürfte es sich bei dem nunmehr anstelle der Antragsteller in die streitgegenständlichen Ausschüsse entsandten (einzigen) Stadtratsmitglied der AfD schon nicht um eine „nach ihrer Größe ausschussfähige Gruppe“ handeln, sodass die vorzitierte Rechtsprechung auf die hiesige Fallgestaltung keine unmittelbare Anwendung finden dürfte.
44
Der Stadtrat der Antragsgegnerin hat 24 Stadtratsmitglieder. Davon entfällt gleichermaßen jeweils nur ein einziger Sitz auf die Stadtratsmitglieder der AfD, der BP sowie der ÖDP. Da die Ausschüsse nur verkleinerte Abbildungen des Stadtrats darstellen, kann diesen einzelnen Stadtratsmitgliedern bei der gewählten Ausschussgröße bereits aus der Natur der Sache aus eigener Kraft heraus kein Ausschusssitz zufallen. Als einzelnen Stadtratsmitgliedern kann ihnen daher jeweils allenfalls ein einziger Ausschusssitz zustehen, um den dann jedoch alle drei gleichermaßen konkurrieren. Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO, der die Auflösung einer solchen Pattsituation regelt, spricht hier auch von einem Sitz, auf den mehrere Parteien oder Wählergruppe den „gleichen Anspruch“ haben. Bei der Ermittlung, ob Parteien oder Wählergruppen den gleichen Anspruch auf einen Sitz haben, ist ausschließlich auf deren Stärke im Gemeinderat, d.h. die Zahl der dortigen Sitze abzustellen (Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählergruppen, vgl. Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO), nicht hingegen in irgendeiner Weise auf die Anzahl der auf die Partei abgegebenen Wählerstimmen. Nach ihrer – auf Stadtratssitze bezogenen – Größe ist die AfD daher nicht „ausschussfähiger“ als die BP oder die ÖDP jeweils für sich allein. Der Zusammenschluss von BP und ÖDP kann hier damit auch nicht zur Folge haben, dass eine (gegenüber den einzelnen Parteien BP und ÖDP) größere Gruppe (bezogen auf das Plenum) aus den Ausschüssen „verdrängt“ würde (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 25). So spricht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weiter davon, dass die relative Stärke einer Gruppe, die nicht zu einer Verdrängung durch eine Ausschussgemeinschaft führen darf, sich danach bemisst, ob nach dem für die Sitzverteilung gewählten Verteilungsverfahren (dort: d`Hondt) einer bestimmten Fraktion oder Gruppe ein eigener Ausschusssitz zusteht und sich daher für diese daraus ein „originäres Mitwirkungsrecht“ ergibt (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 28; vgl. auch Anm. Papsthart, BayVBl 2023, 305/307, wonach es zur Beurteilung, ob ein „grundständiger Partizipationsanspruch“ für eine bestimmte Fraktion oder Gruppe besteht, einer Rückblende auf das Stärkeverhältnis der im Hauptvertretungskörper vertretenen Parteien und Wählergruppen ohne Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften bedarf und sich danach ein Ausschusssitz errechnet, wobei die bloße Loschance im Fall einer Pattsituation nicht genügt). Unter Nichtberücksichtigung der Ausschussgemeinschaft würde sich hier bei Zugrundelegung des von der Antragsgegnerin – wegen einer sich sonst ergebenden (möglichen) Überaufrundung bei der CSU – angewendeten Verteilungsverfahrens Hare-Niemeyer die oben dargestellte Pattsituation ergeben, bei der keiner der Parteien ein eigener Ausschusssitz zusteht, sondern nur eine konkurrierender, aber „gleicher“ Anspruch auf den Ausschusssitz. Somit kommt keiner der einzelnen Parteien ein „originäres“, d.h. auf ihrer Sitzstärke im Stadtrat fußendes Mitwirkungsrecht zu. Weiter dürfte es sich hier daher auch nicht um einen an die Ausschussgemeinschaft „abgegebenen Sitz“ handeln (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 28), sondern nur um eine abgegebene Chance auf die Zuteilung eines Ausschusssitzes in Auflösung einer Pattsituation. Weiter führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine vollständige Verdrängung der kleinsten „an sich“ ausschussfähigen Gruppe zugunsten einer bloßen Zählgemeinschaft von noch kleineren Gruppierungen oder gar eines Zusammenschlusses von Einzelpersonen nicht mehr als taugliches Instrument des Minderheitenschutzes angesehen und daher als zulässige Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes gerechtfertigt werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 34). Auch dies spricht dafür, dass der kleinsten „an sich“ ausschussfähigen Gruppe jedenfalls im Hinblick auf ihre Größe ein „höherwertiger“ Sitzanspruch zukommen muss, als den einzelnen Konkurrenten (ohne Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft), was hier jedoch nicht der Fall ist. Schließlich wird dies auch nochmals deutlich in den weiteren Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wo mehrfach auf die Größe der Gruppierung abgestellt wird, einmal im Verhältnis zu „konkurrierenden kleineren Gruppen“ (so in Rn. 37 a.E.), einmal mit der Qualifikation als „größere im Kreistag vertretene Gruppe“ (so in Rn. 38 a.E.) und insbesondere auch nochmals in Rn. 40, wonach die Regelung (hier des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO) ersichtlich nicht darauf abzielt, „den lediglich zu einer Zählgemeinschaft verbundenen Kleingruppen einen Repräsentationsvorrang gegenüber größeren Gruppen oder gar eine dominierende Rolle in den Ausschüssen zu ermöglichen“.
45
Die Regelung des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO dürfte nach Ansicht der Kammer auch nicht darüberhinausgehend verfassungskonform dahin auszulegen sein, dass auch der bloße Verlust einer Loschance bei der Auflösung einer Pattsituation bei ansonsten von ihrer Größe mit lediglich einem Sitz im Gemeinderat gleichwertigen Anwärtern auf einen Ausschusssitz – wie hier – zur Unzulässigkeit einer an sich zulässigen Ausschussgemeinschaft führt. Denn es handelt sich schon nicht um eine Fallgestaltung, bei der es zu einer Abweichung vom verfassungsrechtlichen Gebot der Spiegelbildlichkeit kommt.
46
Das Spiegelbildlichkeitsgebot orientiert sich (so auch gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO) ausschließlich an dem Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählergruppen. Auf die bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen kommt es hierbei nicht an. Das Spiegelbildlichkeitsgebot gebietet daher nicht, dass eine Partei allein aufgrund höherer Stimmenzahl gegenüber im Gemeinderat gleich stark vertretenen Parteien bevorzugt berücksichtigt werden müsste. Das Abstellen auf die Höhe der Stimmenzahl ist lediglich ein neben dem Losentscheid zulässiges Verfahren zur Auflösung einer Pattsituation (vgl. Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO) und auch insoweit gesetzlich nicht etwa vorrangig vorgegeben. Vielmehr obliegt es jeweils der Organisationshoheit des Gemeinderats, eigenständig im Rahmen seines Organisationsermessens in der Geschäftsordnung ein nach § 33 Abs. 1 Satz 3 GO zulässiges Verfahren für die Auflösung der Pattsituation vorzugeben (hier erfolgt in § 7 Abs. 1 Satz 5 Geschäftsordnung, wonach bei Beteiligung einer Ausschussgemeinschaft ein Losentscheid zu erfolgen hat). Ein gesetzlicher Anspruch der Stadtratsmitglieder oder Fraktionen auf die Wahl eines bestimmten Verfahrens besteht dabei nicht. Demnach ist hier nicht ersichtlich, wie das Spiegelbildlichkeitsgebot durch die Bildung der Ausschussgemeinschaft beeinträchtigt wäre. Eine „erhebliche Verzerrung“ der (auf das Plenum bezogene) „Kräfteverhältnisse in den Ausschüssen“ (vgl. BayVGH, U.v. 19.10.2022 – 4 BV 22.871 – juris Rn. 36) ist hierdurch nicht ersichtlich. Im Gegenteil führt hier die Bildung der Ausschussgemeinschaft dazu, dass anstelle nur einer weiteren Partei, sogar zwei weitere im Stadtrat vertretene Parteien auch in den Ausschüssen vertreten wären, ohne dass diese jeweils von ihrer einzelnen Sitzstärke „kleiner“ wären, als die dadurch „verdrängte“ Partei.
47
Doch selbst wenn – dies unterstellt – eine verfassungskonforme Auslegung auch insoweit angezeigt wäre, dürfte jedenfalls kein zwingender Grund dafür ersichtlich sein, weiter darüberhinausgehend auch noch die Regelung zur Pattauflösung in § 7 Abs. 1 Satz 5 Geschäftsordnung dergestalt einzuschränken, dass – wie vorliegend erfolgt – nur dessen erster Halbsatz herangezogen und folglich die Bildung (hier sogar bereits die Existenz) der Ausschussgemeinschaft gänzlich ausgeschlossen (bzw. hier vernichtet) wird.
48
Vielmehr dürften die Ausschusssitze dann zumindest durch Losentscheid zu verteilen gewesen sein und hätten nicht ohne weiteres den Antragstellern entzogen und an das Stadtratsmitglied der AfD vergeben werden dürfen. Denn auch für eine diesbezügliche verfassungskonforme Auslegung der Geschäftsordnungsregelung zur Pattauflösung fehlt es an einer maßgeblichen Verletzung des Spiegelbildlichkeitsgebots durch dieselbe und eine solche dürfte daher im Ergebnis zu einer übermäßigen und daher im Sinne einer praktischen Konkordanz nicht mehr zu rechtfertigenden Verkürzung des Minderheitenschutzes – hier des Rechts auf Bildung von Ausschussgemeinschaften – führen.
49
Mit der Zulassung von Ausschussgemeinschaften (vgl. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO) erhalten die in die kommunale Vertretungskörperschaft gewählten Mitglieder kleiner, nicht ausschussfähiger Gruppen sowie die fraktionslosen Mandatsträger – wie ausgeführt – gerade die Möglichkeit, in einzelne Ausschüsse entsandt zu werden und an der dortigen Willensbildung punktuell teilzunehmen. Die Regelung hat damit erkennbar zum Ziel, die – durch das Fehlen einer Sperrklausel begünstigte – Vielfalt der im Plenum vertretenen Grundpositionen in den Ausschüssen deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als dies durch eine rein proportionale Verteilung anhand der Stärkeverhältnisse möglich wäre. Dass in den Ausschüssen des Gemeinderats infolge des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO auch lose Zusammenschlüsse von Mandatsträgern repräsentiert werden, die nicht auf einer gemeinsamen Liste gewählt worden sind und (typischerweise) keine übereinstimmenden kommunalpolitischen Anliegen verfolgen, stellt dabei eine vom Gesetzgeber in Kauf genommene Konsequenz dieser Regelung dar. Die damit verbundene partielle Abweichung vom Prinzip der Spiegelbildlichkeit ist verfassungsrechtlich zulässig und zwingt daher jedenfalls im Regelfall nicht zu einer restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 27).
50
Eine vollständige Verdrängung der Ausschussgemeinschaft von der ihr nach der Geschäftsordnungsregelung zustehenden Loschance durch Nichtanwendung dieser Regelung dürfte hier aus verfassungsrechtlichen oder auch sonstigen Gründen weder geboten noch zu rechtfertigen sein. Eine über die genannte partielle Abweichung hinausgehende Beeinträchtigung des Spiegelbildlichkeitsgebots ist auch durch die Anwendung der Pattauflösungsregel nicht ersichtlich. Beide am Losentscheid Beteiligte haben jeweils die gleiche Chance auf Erhalt der hierdurch zu vergebenden Ausschusssitze und sämtliche beteiligte Parteien sind jeweils (nur) mit einem Mitglied im Stadtrat vertreten. Die Wahrung des Spiegelbildlichkeitsgebots hängt demnach nicht davon ab, an welches Stadtratsmitglied bzw. auch Ausschussgemeinschaft die Ausschusssitze vergeben werden, denn dieses erfordert gerade nicht, dass sämtliche im Stadtrat vertretene Gruppen bzw. Einzelpersonen auch in einem Ausschuss beteiligt sind.
51
Eine sonstige Rechtfertigung für die Nichtanwendung der Regelung dürfte ebenfalls nicht ersichtlich sein. Die Geschäftsordnung sieht die Bildung von Ausschussgemeinschaften auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 1 Satz 1 GO ausdrücklich vor (vgl. § 5 Abs. 2 Geschäftsordnung). Auch die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 Geschäftsordnung geht von der zulässigen Bildung von Ausschussgemeinschaften aus. In der Geschäftsordnung des Gemeinderats getroffene Organisations- oder Verfahrensregelungen sind nach allgemeiner Auffassung dann willkürlich und daher unzulässig, wenn sie sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richten und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgen, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 23 m.w.N.). Hierfür bestehen vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte, zumal sich die Geschäftsordnung wie von Antragstellerseite vorgetragen an einem Geschäftsordnungsmuster des Bayerischen Gemeindetags orientiert. Im Übrigen würde hier der Mandatsträger der AfD auch insoweit noch von der grundsätzlich vorgegebenen Regelung (Abstellen auf die höhere Stimmenzahl anstelle Losentscheid, wenn keine Ausschussgemeinschaft beteiligt ist) profitieren, da ihm mit der Ausschussgemeinschaft lediglich ein Konkurrent im Rahmen des Losentscheids gegenübersteht, wohingegen es bei einem grundsätzlich vorrangigen Losentscheid zwei Konkurrenten (BP und ÖDP) wären.
52
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die erforderliche Eilbedürftigkeit ist zweifellos gegeben und die einstweilige Regelung durch das Gericht erscheint notwendig, um die schwerwiegenden Nachteile abzuwenden, die die Antragsteller im Falle eines Zuwartens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache treffen würden. Sie wären auch weiterhin voraussichtlich zu Unrecht von der Ausschussarbeit in allen wesentlichen (beschließenden – vgl. § 8 und § 9 Geschäftsordnung) Ausschüssen des Stadtrats, darunter auch der Hauptverwaltungsausschuss, ausgeschlossen. Antrags- und ggf. Rederechte gleichen die fehlende Mitgliedschaft nicht aus (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.1.2021 – AN 4 E 20.02678 – juris Rn. 46). Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, dass eine Neuentscheidung über die Sitzverteilung alsbald erfolgt.
53
Der Antragsgegner war daher zu verpflichten, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache über die Besetzung der Ausschüsse Hauptverwaltungsausschuss, Bauausschuss, Werkausschuss, Ausschuss für Klimaschutz, Stadtentwicklung und Gesamtverkehrsplanung und Ausschuss für soziale Angelegenheiten zugunsten der Antragsteller neu zu beschließen. Für die Umsetzung des Beschlusses hält das Gericht eine Frist bis einschließlich Freitag, den 29. September 2023 für angemessen. Planmäßig ist die nächste Stadtratssitzung für den 28. September 2023 vorgesehen.
54
Im Rahmen des nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO bestehenden freien Ermessens sieht das Gericht die getroffene Anordnung zur Erreichung des Zwecks – hier der Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung durch Wiederherstellung des Zustands vor der Änderung der Ausschussbesetzung mit Beschluss des Stadtrats vom 7. Februar 2023 – als geeignet und erforderlich an. Inhaltlich anderes geht auch aus der Klage- und Antragsschrift nicht hervor. Das Gericht ist an den gestellten Antrag insoweit nicht gebunden. Dabei ergibt auch eine Abwägung der gegenseitigen Interessen einen eindeutigen Vorrang der Interessen der Antragsteller an die Wiederherstellung des status quo ante. Diese waren bereits als Mitglieder in den streitgegenständlichen Ausschüssen vertreten und die Sitze wurden ihnen nachträglich wieder entzogen, was sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als zu Unrecht erfolgt erweisen dürfte. Demgegenüber hätte der aktuelle Sitzinhaber allenfalls – nach hiesiger Auffassung auch nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit – einen Anspruch auf Losentscheid.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt haben und somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt waren.
56
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. auch BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 4 CE 20.2238 – juris Rn. 28).