Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 24.08.2023 – M 1 K 19.703
Titel:

Beseitigung eines Brennholzlagers im Außenbereich

Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB§ 35 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 5
Leitsätze:
1. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb erfordert einen dauernden, auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten und organisierten Einsatz von Körper- und Finanzkraft in einem wirtschaftlich bedeutsamen Umfang. Anhand der Verkehrsauffassung ist zu bestimmen, welche Betriebsgröße und Betriebsintensität einschließlich einer spezifisch betrieblichen Organisation und Planung vorliegen müssen, die eine Bebauung im Außenbereich rechtfertigen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Vorhaben dient nur dann einem forstwirtschaftlichen Betrieb iSd § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Forstwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Brennholzlager, Forstwirtschaftlicher Betrieb, Außenbereich, forstwirtschaftlicher Betrieb, Dienen, Organisationsverfügung, Ermessen, Duldungsanordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30428

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger tragen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über eine den Klägern gegenüber verfügte Anordnung der Beseitigung eines Brennholzlagers im Außenbereich.
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Die Kläger sind Pächter des Grundstücks FlNr. 2086 Gem. …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, in welchem der Eigentümer des Grundstücks lebt. In ca. 3,5 km Entfernung zu dem Grundstück betreiben sie ein Altenpflegeheim.
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Im Jahr 2008 erließ das Landratsamt R. eine Organisationsverfügung zur Lagerung von Festbrennstoffen zur Biomassefeuerung im Außenbereich. Danach können im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Betriebs Flächen und Gebäude für die weiterführende Verarbeitung von Holz in portionierte Festbrennstoffe und deren Lagerung von der privilegierten Nutzung mitgezogen werden. Dieser Betriebsteil muss eine bodenrechtliche Nebensache von untergeordneter Bedeutung darstellen, d.h. ihm darf in Bezug auf die forstwirtschaftliche Kerntätigkeit nur eine Hilfsfunktion zukommen. Ferner soll für die Genehmigungspraxis u.a. gelten, dass für ein Vorhaben im Außenbereich mit räumlicher Trennung vom Wohnhaus außerhalb privilegierter Betriebe ein weiteres – eingeschossiges und nicht unterkellertes – Nebengebäude zur Lagerung von Festbrennstoffen zur ausschließlichen Beheizung des bestehenden Wohnbestandes (d.h. nicht zur Fremdlagerung oder gar zur Lagerung zu Veräußerungszwecken) als genehmigungsfähig angesehen wird, wenn es in der Grundfläche 50 m² nicht übersteigt und auf demselben Grundstück sowie in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Hauptgebäude errichtet wird.
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Mit Antrag vom 1. Juni 2012 beantragten die Kläger die Erteilung eines Vorbescheids für den Umbau eines Freilaufstalls zur kombinierten landwirtschaftlichen-tiertherapeutischen Nutzung auf dem unmittelbar nördlich an FlNr. 2086 angrenzenden Grundstück FlNr. 2086/3 Gem. …
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Mit Antrag vom 6. September 2012 beantragten die Kläger weiter die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Brennholzlagers durch Überdachung der vorhandenen Kläranlage und der vorhandenen Terrassenfläche sowie Anbau eines sonnengeschützten Unterstandes mit Tränke für die Tierhaltung auf dem Grundstück FlNr. 2086 Gem. … Die Grundfläche des Brennholzlagers sollte 30,77 m² betragen und der Trocknung und Lagerung von Brennholz für den Eigentümer und den Pächter – die Kläger – dienen. Nördlich anschließend an das Brennholzlager sollte ein sonnengeschützter Unterstand mit Tränke zur Tierhaltung entstehen.
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Mit Bescheiden vom 28. September 2013 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Erteilung des Vorbescheids sowie auf Erteilung der Baugenehmigung ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass ein Privilegierungstatbestand nicht vorliege. Das Vorhaben diene laut einer Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rosenheim (AELF) nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb. Es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht, weil das Vorhaben in erster Linie der Therapie von demenzkranken Menschen dienen solle. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sei ebenfalls nicht gegeben. Ein Vorhaben sei wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur dann privilegiert, wenn es der Allgemeinheit zur Verfügung stehe und im überwiegenden öffentlichen Interesse sei. Das Vorhaben stehe nur einem ausgewählten Personenkreis zur Verfügung, weil es für Bewohner des Pflegeheims der Antragsteller vorgesehen sei. Es handle sich um eine Außenstelle des Pflegeheims in E. Ferner befänden sich auf dem von den Klägern erworbenen Flächen ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude, die als Brennholzlager geeignet seien. Es sei zudem grundsätzlich fraglich, ob für das Grundstück FlNr. 2086 überhaupt ein Bedarf Brennholz in größerer Menge bestehe, weil im angrenzenden Wohnhaus lediglich der Eigentümer des Grundstücks lebe. Für die Lagerung von Brennholz für das Altenpflegeheim erscheine das Grundstück ungeeignet, weil es mehrere Kilometer entfernt liege. Als sonstiges Vorhaben beeinträchtige es öffentliche Belange. Es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, der in dem Bereich eine Fläche für Landwirtschaft vorsehe. Die natürliche Eigenart der Landschaft werde durch die im Außenbereich wesensfremde Bebauung beeinträchtigt. Ferner erweitere die Verwirklichung des Vorhabens die vorhandene Splittersiedlung.
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Die dagegen gerichtete Klage (M 1 K 13.5486) wurde mit Urteil vom 15. April 2014 abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung (1 ZB 14.1205) wurde mit Beschluss vom 24. Januar 2017 abgelehnt. Zur Begründung der Beschlussentscheidung ist ausgeführt, dass eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht vorliege. Das Vorhaben lasse sich nicht den Vorhaben zurechnen, die im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Unter Berücksichtigung der aus dem Therapiekonzept ergebenden Zweckbestimmung des Vorhabens werde deutlich, dass eine Vielzahl von Vorhaben dieser oder ähnlicher Art privilegiert sein müssten. Dies führe zu einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Ausweitung des Privilegierungstatbestands. Als sonstiges Vorhaben widerspreche es den Darstellungen des Flächennutzungsplans und beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft. Ferner drohe die Erweiterung einer Splittersiedlung.
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Mit Schreiben vom 18. September 2018 setzte der Bürgermeister der Gemeinde E. das Landratsamt über die auf dem Grundstück FlNr. 2086 halbfertig errichtete Holzhütte in Kenntnis. Die Hütte sei mittlerweile baufällig und bedeute eine Gefahr. Unter dem 19. September 2018 teilte das Landratsamt den Klägern dies mit und forderte sie dazu auf, das Gebäude bis zum 31. Oktober 2018 zu beseitigen. Sollte dies nicht innerhalb der Frist erfolgen, werde eine Beseitigungsanordnung erlassen. Im Rahmen einer Baukontrolle am 8. Januar 2019 stellte der Beklagte sodann fest, dass das Traggerüst der Hütte unverändert fortbesteht.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. Januar 2019 verfügte der Beklagte die Beseitigung des teilweise errichteten Brennholzlagers auf dem Grundstück FlNr. 2086 binnen zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids (Nr. 1) und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR an (Nr. 2). Der eingereichte Bauantrag sei mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 abgelehnt worden. Trotz Aufforderung zur Beseitigung habe die Ortseinsicht am 8. Januar 2019 ergeben, dass das Traggerüst der Hütte unverändert bestehe. Die Beseitigung beruhe auf Art. 76 Satz 1 BayBO. Die bauliche Anlage sei im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden. Die Anordnung der Beseitigung erfolge in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Die Beseitigung rechtswidrig errichteter Bauten liege grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit. Es sei kein Grund erkennbar, der eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertige. Sie sei auch verhältnismäßig. Rechtmäßige Zustände hätten nicht durch einen teilweisen Rückbau hergestellt werden können. Die Beseitigung bedeute auch keine unbillige Härte. Dem Bauherrn sei zuzumuten gewesen, vor Errichtung die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Bauantrag einzuholen und abzuwarten.
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Mit am 14. Februar 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger Klage erhoben und beantragen wörtlich,
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dass den Klägern die interne Dienstanweisung des Landratsamtes bekannt gemacht wird und wir darauf begründet einen erneuten Bauantrag für das Brennholzlager im Außenbereich einreichen können, ohne dass vorher das bestehende Baugerüst abgerissen werden muss. Das Vorhaben ist nach den vor erwähnten Grundsätzen der Teilprivilegierung für Vorhaben im Außenbereich zu genehmigen. Der Bescheid des Bauamtes des Landratsamtes und die Kostenrechnung werden aufgehoben.
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Die Kläger seien Eigentümer von Waldgrundstücken und ließen aus Stammholz Bretterware schneiden, für das ein Lagerplatz benötigt werde. Aus dem eigenen Wald werde Brennholz erzeugt. Der Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2086 heize ausschließlich mit Holz, das ebenfalls in dem beantragten Brennholzlager gelagert werden könne und solle. Ferner liege die Besonderheit des geplanten Betriebs in der sozialen Landwirtschaft als Platz für Beschäftigungstherapie. Rechtmäßige Zustände könnten hergestellt werden, indem für das Brennholzlager ein erneuter Bauantrag eingereicht werde, der unter den Voraussetzungen der Organisationsverfügung genehmigt werden könne. Das Vorhaben falle zudem unter die Privilegierung als Forstbetrieb. Es werde ferner auf die Verfahrensfreiheit für die Errichtung freistehender Gebäude, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienten, hingewiesen. Der Betrieb sei beim Landwirtschaftsamt R. als „Forstbetrieb allgemein“ erfasst.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Vorhaben sei weder genehmigt – es existiere eine bestandskräftige Ablehnung eines entsprechenden Bauantrags – noch als sonstiges Vorhaben genehmigungsfähig. Öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB würden beeinträchtigt. Daran ändere auch die Organisationsverfügung nichts. Unabhängig von der rechtlichen Bedeutung dessen lägen die Voraussetzungen in der Person der Kläger nicht vor. Das Ermessen sei in rechtmäßiger Weise ausgeübt worden.
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Mit Beschluss vom 1. Dezember 2020 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden.
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Mit Schreiben vom 5. Mai 2023 hat das Gericht die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 VwGO.
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I. Die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Bescheids vom 14. Januar 2019, ist zulässig, aber unbegründet. Die Anordnung der Beseitigung des Brennholzlagers ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Das Gericht wertet bei Auslegung der Klage nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel, § 88 VwGO, das klägerische Begehren, dass ihnen die Organisationsverfügung des Landratsamts R. aus 2008 zur Verfügung gestellt wird, nicht als eigenen Klageantrag.
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Inhalt der Organisationsverfügung ist dabei einerseits, dass im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Betriebs Flächen und Gebäude für die weiterführende Verarbeitung von Holz in portionierte Festbrennstoffe und deren Lagerung von der privilegierten Nutzung mitgezogen werden können. Insoweit betrifft dies die Frage, ob ein Vorhaben einem forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient.
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Andererseits regelt die Organisationsverfügung, dass für die Genehmigungspraxis gelten soll, dass am Maßstab von § 35 Abs. 2 BauGB ein weiteres Nebengebäude zur Lagerung von Festbrennstoffen zur ausschließlichen Beheizung des bestehenden Wohnbestands als genehmigungsfähig angesehen wird, wenn es in der Grundfläche 50 m² nicht übersteigt und auf demselben Grundstück sowie in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Hauptgebäude errichtet wird. Insoweit betrifft dies die Frage, ob ein Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden kann, wenn es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB nicht beeinträchtigt.
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Diese beiden Aspekte – und eine mit der Organisationsverfügung etwaig verbundene Bindung der Verwaltungspraxis – sind im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens bzw. bei bauaufsichtlichem Einschreiten ohnehin zu prüfen. Einer allgemeinen Leistungsklage, gerichtet auf zur-Verfügung-Stellen der Organisationsverfügung, würde das Rechtschutzbedürfnis fehlen, weil die Kläger ihr Ziel, bei der Frage der Genehmigungsfähigkeit die Organisationsverfügung zu berücksichtigen, durch die – erhobene – Versagungsgegenklage gegen den Bescheid vom 28. September 2013 bzw. durch die hier streitgegenständliche Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 14. Januar 2019 bereits erreicht haben. Ferner galt die Organisationsverfügung (Ziffer 4. der Verfügung) ohnehin lediglich bis 30. Juni 2009, wobei über die Praktikabilität und Umsetzbarkeit nach Ablauf des Datums erneut zu entscheiden sein sollte. Ob sich die Organisationsverfügung bewährt hat und an der Genehmigungspraxis auch weiterhin festgehalten wird, oder diese Praxis mittlerweile aufgegeben worden ist, ist unklar.
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Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, weist das Gericht überdies darauf hin, dass die Prozessvertretung des Beklagten die Organisationsverfügung im Rahmen des Klageverfahrens als Anlage zum Schriftsatz vom 18. Juni 2019 dem Gericht gegenüber vorgelegt hat. Ob die Organisationsverfügung an die Kläger weitergeleitet wurde, kann nicht weiter aufgeklärt werden. Den Klägern wurde jedoch der Schriftsatz weitergeleitet, aus welchem ersichtlich ist, dass die Organisationsverfügung als Anlage enthalten war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es an den Klägern gelegen, den Beklagten (erneut) um Vorlage der Organisationsverfügung zu bitten.
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2. Die Anordnung der Beseitigung des Brennholzlagers ist rechtmäßig.
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a) Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere wurden die Kläger mit Schreiben vom 19. September 2018 vor Erlass des Bescheids angehört, Art. 28 BayVwVfG.
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b) Auch in materieller Hinsicht ist die Beseitigungsanordnung nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Anordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Eine Errichtung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nach herrschender Meinung (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 149. EL 2023, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.) gegeben, wenn für das Vorhaben weder die erforderliche Baugenehmigung vorliegt (formelle Illegalität), noch das Vorhaben genehmigungsfähig ist (materielle Illegalität).
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aa) Das streitgegenständliche Brennholzlager ist formell baurechtswidrig. Gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen grundsätzlich der Baugenehmigung. Ein Fall des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO, wonach freistehende Gebäude, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen, nur eingeschossig und unterkellert sind, höchstens 100 m² Brutto-Grundfläche und höchstens 140 m² überdachte Flächen haben und nur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind, verfahrensfrei sind, liegt nicht vor. Die Kläger betreiben schon keinen forstwirtschaftlichen Betrieb (dazu sogleich unter bb) (1)).
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bb) Das Brennholzlager ist darüber hinaus auch materiell baurechtswidrig. Als sonstiges, nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich beeinträchtigt es öffentliche Belange, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB.
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(1) Das Brennholzlager ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil die Kläger keinen forstwirtschaftlichen Betrieb betreiben.
33
Unter Forstwirtschaft ist die planmäßige Bewirtschaftung des Waldes zu verstehen. Erforderlich ist hierfür ein Mindestumfang an forstwirtschaftlicher Betätigung, also Anbau, Pflege und Abschlag von Hoch-, Mittel- und Niederwald zum Zwecke der Holzgewinnung (Mischang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 12 m.w.N.). Die Anerkennung eines forstwirtschaftlichen Betriebes hängt von der Größe her gesehen weitgehend von den Feststellungen der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls ab. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 35 BauGB, wonach im Außenbereich eine Bebauung grundsätzlich unterbleiben soll, sind Mindestanforderungen an einen forstwirtschaftlichen Betrieb zu stellen. So müssen sich die bauliche Verfestigung und das privilegierte Vorhaben auf absehbare Zeit decken, woraus sich wiederum Anforderungen an eine gewisse Betriebsgröße, an ein Mindestmaß an Umfang der forstwirtschaftlichen Betätigung und auch an die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Betriebsführung ergeben. Dieses letzte Kriterium einer ernsthaften sowie dauerhaften Betriebsführung bedingt auch eine Erwerbs- bzw. Gewinnerzielungsabsicht des Betreibers, die nach objektiver Betrachtung erkennbar sein muss. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb erfordert einen dauernden, auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten und organisierten Einsatz von Körper- und Finanzkraft in einem wirtschaftlich bedeutsamen Umfang. Anhand der Verkehrsauffassung ist zu bestimmen, welche Betriebsgröße und Betriebsintensität einschließlich einer spezifisch betrieblichen Organisation und Planung vorliegen müssen, die eine Bebauung rechtfertigen (BayVGH, B.v. 12.2.1998 – 20 B 96.202 – juris Rn. 15 m.w.N.).
34
Genaue Grenzen zur erforderlichen Waldgröße hat die Rechtsprechung bislang nicht gezogen. Nach dem Bundesverwaltungsgericht erfüllt die Bewirtschaftung kleinerer Waldflächen von „17 Morgen“ oder „wenigen Hektar“ in der Regel nicht einmal die Voraussetzungen für einen Nebenerwerbsbetrieb (BVerwG, U.v. 13.1.1967 – 4 C 47/65 – juris). In Anlehnung daran führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus, dass es keiner weiteren Ausführungen bedarf, dass eine Waldfläche von 5 ha bis 6 ha einem forstwirtschaftlichen Teil eines wie immer gearteten Betriebs keinerlei Gewicht im Hinblick auf eine Privilegierung verleihen kann (BayVGH, B.v. 30.4.1998 – 20 ZB 98.1134 – BeckRS 1998, 25167).
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Die Kläger sind nach der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorgelegten Stellungnahme ihres Planungsbüros Eigentümer von ca. 1 ha Wald (Bl. 3. d. BA). Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) geht in seiner von der Klagepartei der Klageschrift beigefügten Stellungnahme vom 12. März 2013 von einer Fläche von 3,8 ha Wald aus (Anlage 2). Es ist nichts ersichtlich, was gegen eine Anwendung der genannten Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, mithin dafür, dass die verfügbaren Waldflächen dennoch ausreichen, sprechen könnte. Die forstwirtschaftliche Tätigkeit der Kläger ist daher nicht einmal als Nebenerwerbsbetrieb, sondern als reine Liebhaberei zu qualifizieren.
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Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, würde das Vorhaben einem forstwirtschaftlichen Betrieb auch nicht dienen. Ein Vorhaben dient nur dann einem forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Forstwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (st. Rspr seit BVerfG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – juris). Nach den Eingabeplänen soll die bauliche Anlage als Brennholzlager und Geräteunterstellplatz sowie zur Holzvortrocknung für Eigentümer und Pächter genutzt werden. Der Verpächter und Eigentümer der Hofstelle – der ebenfalls Eigentümer von Waldflächen ist – heize ebenfalls mit Holz, welches in dem Brennholzlager gelagert werden solle. Eine dem Betrieb dienende Funktion des Brennholzlagers scheidet unter diesen Umständen schon deshalb aus, weil ein vernünftiger Forstwirt das Brennholzlager nicht für die Lagerung von Holz zu privaten Heizzwecken des Eigentümers des Grundstücks zur Verfügung stellen würde.
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Etwas Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund der Organisationsverfügung von 2008, soweit darin festgelegt ist, dass im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Betriebs Flächen und Gebäude für die weiterführende Verarbeitung von Holz in portionierte Festbrennstoffe und deren Lagerung von der privilegierten Nutzung mitgezogen werden können. Die Kläger betreiben nach oben Gesagtem keinen forstwirtschaftlichen Betrieb.
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(2) Das Brennholzlager ist auch nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert, wonach ein Vorhaben, das wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll (…), zulässig ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung über den Zulassungsantrag gegen das klageabweisende Urteil vom 15. April 2014 (M 1 K 13.5486) ausgeführt, dass das Vorhaben – soweit die Kläger das Brennholzlager auch für ihr landwirtschaftlich-therapeutisches Vorhaben zu nutzen beabsichtigen – nicht nach der Vorschrift privilegiert ist (BayVGH, B.v. 1 ZB 14.1205 – juris Rn. 8 ff.). Das Gericht schließt sich, auch zur Vermeidung von Wiederholungen, diesen den Beteiligten bekannten Ausführungen an und sieht von einer weiteren Darstellung insoweit ab.
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(3) Als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB.
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(a) Das Vorhaben widerspricht bereits den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für das Grundstück eine Fläche für Landwirtschaft vorsieht, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Eine landwirtschaftliche Nutzung liegt nicht vor. Ferner beeinträchtigt es die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Die natürliche Eigenart der Landschaft ist in dem Bereich durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Das errichtete Brennholzlager erweist sich in dieser Landschaft als störender Fremdkörper.
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(b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Organisationsverfügung von 2008, soweit darin festgelegt ist, dass für die Genehmigungspraxis gelten soll, dass für ein Vorhaben im Außenbereich mit räumlicher Trennung vom Wohnhaus außerhalb privilegierter Betriebe ein weiteres – eingeschossiges und nicht unterkellertes – Nebengebäude zur Lagerung von Festbrennstoffen zur ausschließlichen Beheizung des bestehenden Wohnbestandes (d.h. nicht zur Fremdlagerung oder gar zur Lagerung zu Veräußerungszwecken) als genehmigungsfähig angesehen wird, wenn es in der Grundfläche 50 m² nicht übersteigt und auf demselben Grundstück sowie in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Hauptgebäude errichtet wird.
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Die Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass die Genehmigungs- bzw. Bauaufsichtsbehörde ein solches Vorhaben als genehmigungsfähig ansieht, wenngleich es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt und deshalb dem Grunde nach unzulässig wäre. Die Vorschrift des § 35 Abs. 2 BauGB ist nämlich trotz des entgegenstehenden Wortlauts („können im Einzelfall zugelassen werden“) keine Ermessensvorschrift; auf die Zulassung von Vorhaben im Außenbereich, die öffentliche Belange nicht beeinträchtigen, besteht vielmehr ein Rechtsanspruch (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 149. EL 2023, § 35 Rn. 73). Die Versagung einer Baugenehmigung bzw. ein bauaufsichtliches Einschreiten trotz des Vorliegens der Voraussetzungen der Regelung würde aufgrund der aus der Organisationsverfügung folgenden Verwaltungspraxis gegen das Gleichbehandlungsgebot, Art. 3 GG, verstoßen.
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Die Voraussetzungen der Genehmigungsfähigkeit nach der Organisationsverfügung liegen hier jedoch nicht vor. Das Brennholzlager ist nach den Ausführungen der Kläger und den Angaben in den Eingabeplänen für „Eigentümer und Pächter“ geplant. Zulässig ist indes nur die Errichtung eines Gebäudes zur Lagerung von Festbrennstoffen zur ausschließlichen Beheizung des bestehenden Wohnbestandes, d.h. rein privaten Zwecken der im Hauptgebäude wohnenden Personen. Fremdlagerung und Lagerung zu Veräußerungszwecken sind unzulässig. Soweit die Kläger das Lager für ihren eigenen Brennholzbedarf zu nutzen beabsichtigen, handelt es sich um verbotene Fremdlagerung auf dem Grundstück FlNr. 2086 Gem. …, weil die Kläger lediglich Pächter des Grundstücks sind und nicht im Hauptgebäude wohnhaft sind. Im Übrigen wollen die Kläger das Brennholzlager nicht (nur) für private Zwecke, sondern auch für die (bislang ungenehmigte) sog. landwirtschaftlich-therapeutische Nutzung nutzen. Nach der der Klageschrift beigefügten Anlage 1a soll das Brennholzlager den therapiebedürftigen Personen den Umgang mit natürlichen Stoffen in aktiver Form ermöglichen; sie sollen das Brennholz vorbereiten und einlagern. Der Eindruck dieser beabsichtigten Nutzung verhärtet sich dadurch, dass in den Eingabeplänen unmittelbar nördlich an das Brennholzlager angrenzend ein sonnengeschützter Unterstand mit Tränke zur Tierhaltung eingezeichnet ist, der ebenfalls Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens war. Ferner soll Obst bearbeitet und eingelagert werden. All dies widerspricht ebenfalls der in der Organisationsverfügung als genehmigungsfähig angesehenen Nutzung.
44
cc) Der Bescheid begegnet schließlich keinen Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung des Beklagten. Die Entscheidung über die Anordnung der Beseitigung gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO liegt im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Der Beklagte hat im Bescheid zu erkennen gegeben, dass er eine Ermessensentscheidung trifft, sich mit dem Interesse der Kläger – dem Interesse am Fortbestand der rechtswidrigen Errichtung bzw. wirtschaftlicher Interessen im Zusammenhang mit der Beseitigung – auseinandergesetzt, diese in die Abwägung eingestellt und im Ergebnis ermessensfehlerfrei dargelegt, weshalb das öffentliche Interesse die Beseitigung des Brennholzlagers rechtfertigt.
45
c) Nach alledem ist die verfügte Beseitigungsanordnung rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit wird im Übrigen auch nicht dadurch berührt, weil es ggf. an einer Duldungsanordnung gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks fehlt. Ob der Beklagte eine solche erlassen hat, ist nicht gerichtsbekannt. Jedenfalls macht dies die Anordnung nach Art. 76 BayBO lediglich nicht vollziehbar, die Rechtmäßigkeit bleibt davon unberührt (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 150. EL 2023, Art. 76 Rn. 437 m.w.N.).
46
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, im Hinblick auf die Personenmehrheit auf Klägerseite zudem auf § 159 Satz 2 VwGO.
47
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.