Inhalt

VG München, Beschluss v. 26.10.2023 – M 9 SN 23.4418
Titel:

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Geländeauffüllung - Niederschlagswasser

Normenketten:
VwGO § 80, § 80a
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6
WHG § 37 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 59 S. 1
Leitsätze:
1. Nicht jede durch ein Vorhaben verursachte Veränderung des Wasserabflusses begründet zugleich eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung nachbarlicher Rechte. Gewisse Veränderungen der Wasserverhältnisse durch ein in der Nähe des eigenen Grundstücks geplantes Vorhaben muss der Nachbar hinnehmen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Versickerung anfallenden Niederschlagswassers ist nicht Teil des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren und damit nicht Gegenstand der Baugenehmigung. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das gemeindliche Einvernehmen zur Baugenehmigung ist im Verhältnis zum Nachbarn ein bloßes sog. Verwaltungsinternum; Außenwirkung gegenüber dem Nachbarn hat lediglich die Baugenehmigung, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Einvernehmenserteilung besteht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarantrag, Auffüllung, Außenbereich, Gebot der Rücksichtnahme, vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, Veränderung des Wasserabflusses, Niederschlagswasser, Unbestimmtheit, Auffüllmaterial, gemeindliches Einvernehmen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.01.2024 – 1 CS 23.2030
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30425

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,-- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Sofortvollzug der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Auffüllung des bestehenden Geländes auf dem Grundstück FlNr. 1123 der Gemarkung G* … (Baugrundstück). Das Vorhaben liegt etwa 1,8 km südlich der Gemeinde G* … und grenzt an die Gemeindeverbindungsstraße zwischen den Orten G* … und W* … in der Nähe des Weilers F* … an. Diese Gemeindeverbindungsstraße wird derzeit ebenfalls im Bereich des Vorhabens verändert, nach entsprechender Mitteilung im Schriftsatz des Beigeladenenbevollmächtigten vom … September 2023, dort S. 3 unter 2.2.1, ist dieser Straßenausbau insbesondere auch Hintergrund der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung; gegen diesen Straßenausbau sind ebenfalls Rechtsbehelfe des Antragstellers bei Gericht anhängig, vgl. die Verfahren Az. M 28 K 23.4362 und M 28 E 23.4342. Der Antragsteller ist u.a. Eigentümer des an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks FlNr. 1080/1, Gemarkung G* … (Nachbargrundstück).
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Auf entsprechenden Bauantrag mit der Vorhabensbezeichnung „Auffüllung des bestehenden Geländes zur Erleichterung der Bewirtschaftung neben der GVS zwischen W* … und G* … auf der FlNr. 1123 der Gemarkung G* …“ wurde dem Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamtes P* … (Landratsamt) vom … Juni 2023 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Auffüllung des bestehenden Geländes zur Erleichterung der Bewirtschaftung“ auf dem oben genannten Grundstück erteilt. Auf den Bescheid des Landratsamts sowie auf die genehmigten Bauvorlagen, die sich bei den vorgelegten Behördenakten befinden, wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am *. Juni 2023 zugestellt (Bl. 110 der Behördenakten – BA).
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Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. Juli 2023 Klage erheben (Az. M 9 K 23.3257). Eine Entscheidung über diese Klage ist noch nicht getroffen.
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Mit weiterem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 6. September 2023 lässt der Antragsteller beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungsbescheid vom *. Juni 2023 (Az. Hauptsache M 9 K 23.3257) – vorab im Wege des „Hängebeschlusses“ – anzuordnen.
6
Der Baugenehmigungsbescheid verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Verletzt sei zumindest das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, dem hier drittschützende Wirkung zukomme, da die dem Antragsteller aus der Verwirklichung des Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen überstiegen, was ihm als Nachbar noch zumutbar sei. Das ergebe sich insbesondere schon daraus, dass trotz genehmigter Auffüllung keinerlei Berücksichtigung der – durch die Auffüllung geänderten – Abflusssituation auf sein anliegendes, vom Antragsteller als Landwirt genutztes landwirtschaftliches Grundstück FlNr. 1080/1 der Gemarkung G* … erfolgt sei. Mit der Auffüllung verändere sich entgegen Art. 37 Abs. 1 Satz 2 WHG der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers zum Nachteil des tiefer liegenden Grundstücks des Antragstellers, was im gesamten Verfahren nicht berücksichtigt worden sei. Der Abfluss werde verstärkt, zumindest aber „auf andere Weise verändert“. Mithin sei das Vorhaben rücksichtslos bzw. lasse sich das, da dieser Umstand im gesamten Verfahren nicht berücksichtigt worden sei, jedenfalls zulasten des Grundstücks des Antragstellers annehmen. Anhand der vorliegenden Bauakten und Unterlagen könne jedenfalls nicht beurteilt werden, ob dies zulasten des Antragstellers der Fall sei. Eine ausreichende, inhaltlich bestimmte und belastbare Vorhabenbeschreibung gebe es nicht. Ausweislich der Beschreibung des Bauvorhabens in den Behördenakten solle ein Auffüllungsvolumen von 12.000 m³ erfolgen. Auf Blatt 24 der Behördenakte heiße es, dass das anfallende Niederschlagswasser auf der gesamten Fläche großflächig versickere. Wie dies möglich sein solle, erschließe sich nicht und sei durch nichts belegt. Tatsächlich sei das auch nicht der Fall. Ausweislich des anliegenden Lichtbildes vom … Juli 2023 sei ersichtlich, dass der Wasserablauf – teilweise sei bereits aufgefüllt – zum Nachteil des unterliegenden Grundstücks verändert werde und auch aufgefülltes Material eingeschwemmt werde. Das werde sich bei weiterer Auffüllung auch noch verstärkt zeigen. Hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG sei damit zulasten des Antragstellers jedenfalls nicht gegeben. Auch folgender Hintergrund sei zu berücksichtigen: Eine Privilegierung im Sinne von 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB liege schon nicht vor. Die Ausführungen auf Blatt 104 der Behördenakte beruhten auf den Angaben des Bodengutachters, wonach es sich um Lößlehm handeln solle. Dass die Genehmigung sich hierauf beschränken würde, ergebe sich aus dem Bescheid gerade nicht. Jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung überwiege selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Klage das Interesse des Antragstellers. Mit der tatsächlichen Durchführung der Auffüllung würden vollendete Tatsachen geschaffen. Ein Abwarten des Beigeladenen auf die Hauptsacheentscheidung sei diesem zumutbar. Der Beigeladene selbst habe zunächst ohne die notwendige Genehmigung die Auffüllung begonnen. Das rein wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen habe zurück zu stehen. Im Übrigen werde das Vorhaben damit beschrieben, vergleiche Blatt 23 der Behördenakte, dass „Material aus einer Baugrube auf dem Firmengelände von ‚I* … & S* …‘ abgegraben“ und auf dem Baugrundstück aufgefüllt werde. Vor diesem Hintergrund dürfte ein wirksames gemeindliches Einvernehmen im Sinne des § 36 BauGB nicht vorliegen. Dieses sei durch den Ersten Bürgermeister M* … S* … erteilt worden, den Vater des Geschäftsführers der Firma I* … & S* …, D* … S* … Ausweislich des Internetauftritts der „…“ GmbH & Co. KG vom *. September 2023 würden im Impressum der Komplementär-GmbH sowohl der 1. Bürgermeister als auch dessen Sohn D* … als Geschäftsführer aufgeführt. Auf die entsprechenden, in der Antragsbegründung wiedergegebenen Auszüge aus diesem Impressum wird Bezug genommen. Damit liege eine persönliche Beteiligung des 1. Bürgermeisters im Sinne von Art. 20 Absatz 1 Satz 3 BayVwVfG, Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO vor. Grund für den Baubeginn vor Beantragung und Erteilung der notwendigen Baugenehmigung seien offenbar Interessen der Firma gewesen. Auf den Schriftsatz im Übrigen sowie die beigefügten Anlagen wird Bezug genommen, ebenfalls auf den weiteren Schriftsatz vom 9. September 2023 samt Anlagen.
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Mit Beschluss des Gerichts vom 7. September 2023 wurde der Bauherr zum Verfahren beigeladen.
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Der Antragsgegner hat die Behördenakten vorgelegt. Er beantragt
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Antragsablehnung.
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Auf den entsprechenden Schriftsatz vom 18. September 2023, der sich sowohl auf das Klagewie auch auf das gegenständliche Antragsverfahren bezieht, wird Bezug genommen.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls
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Antragsablehnung.
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Auf den entsprechenden Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. September 2023 sowie auf den Begründungsschriftsatz vom 25. September 2023 wird jeweils Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren (Az. M 9 K 23.3257) sowie auf die vorgelegten Behördenakten samt genehmigter Bauvorlagen Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Klage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die streitgegenständliche Baugenehmigung keine zugunsten des Antragstellers drittschützenden Vorschriften verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier des Grundstücksnachbarn, die gemäß § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Var. 1 VwGO grundsätzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
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Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse gegenüber dem entgegenstehenden Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die mit der Klage angegriffene Baugenehmigung verletzt nach summarischer Prüfung den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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In der hier vorliegenden Konstellation der Drittanfechtung verspricht die Klage des Antragstellers in der Hauptsache nur dann Erfolg, wenn durch die streitgegenständliche Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche gerade auch dem Schutz des Antragstellers dienen und Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Solche Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch aller Voraussicht nach nicht verletzt.
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1. Die vom Antragsteller geltend gemachte Befürchtung, dass sich durch die angegriffene Baugenehmigung der natürliche Ablauf wild ablaufenden Wassers zum Nachteil seines landwirtschaftlich genutzten Nachbargrundstücks nachteilig verändern könnte bzw. dass das mangels Berücksichtigung der Abflusssituation jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, begründet keine Verletzung des Antragstellers in ihn schützenden subjektiv-öffentlichen Rechten.
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Die Bezugnahme auf die Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG (zu ergänzen ist für den vorliegenden Fall: i.V.m. § 37 Abs. 4 WHG), gegen die die angefochtene Baugenehmigung unter Zugrundelegung der Argumentation des Antragstellers verstoße – danach sei zumindest die zweite Variante dieser Regelung („auf andere Weise verändert“) einschlägig – vermag nicht zur Annahme der Verletzung des Antragstellers in einer drittschützenden Vorschrift zu führen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Vorschrift hier vorliegen oder nicht. Denn bei der Vorschrift des § 37 WHG handelt es sich, mit Ausnahme des Absatzes 3, nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum um eine solche des Privatrechts, nicht des Öffentlichen Rechts (vgl. nur Czychowski/Reinhardt in: dieselben, Wasserhaushaltsgesetz, 13. Auflage 2023, § 37 Rn. 2 ff. m.w.N.). Die Baugenehmigung wird jedoch gemäß Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt, so dass eine Verletzung des Antragstellers in subjektiv-öffentlichen Rechten durch die angegriffene Baugenehmigung insofern ausgeschlossen ist. Unabhängig davon liegt hierin auch kein Umstand, der im Prüfungsumfang des hier anwendbaren vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO liegt, so dass auch deswegen eine Verletzung von Rechten des Antragstellers durch die angegriffene Baugenehmigung insofern nicht vorliegen kann. Vielmehr gewährt das öffentliche Baurecht generell, vorbehaltlich einer Prüfung des Rücksichtnahmegebots (dazu sogleich) keinen Schutz gegen den Abfluss von Wasser auf das Nachbargrundstück (vgl. Dirnberger in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Werkstand: 149. EL Januar 2023, Art. 66, Rn. 658 m.w.N.). Der Schutz richtet sich vielmehr grundsätzlich nach Privatrecht.
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2. Auch eine Verletzung des geltend gemachten bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots durch die angefochtene Baugenehmigung ist nicht gegeben.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und anderseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 23). Inhalt und Reichweite des Rücksichtnahmegebots werden durch die einfachen Gesetze bestimmt (BverwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – juris Rn. 6). Von daher ist das Gebot der Rücksichtnahme aus einfach-gesetzlichen Bestimmungen des Baurechts, deren Bestandteil es ist (BverwG, ebenda) abzuleiten und nachbarschützend ist es dann, wenn in qualifizierter und individualisierter Art und Weise auf schützenswerte Interessen eines von der Allgemeinheit zu unterscheidenden Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Eine Rechtsverletzung liegt erst dann vor, wenn der Nachbar tatsächlich unzumutbar beeinträchtigt wird.
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Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots ist nicht gegeben, unabhängig, an welche Regelung im Rahmen des hier bodenrechtlich einschlägigen § 35 BauGB das Rücksichtnahmegebot angeknüpft wird.
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Zunächst ist hier wie oben die Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG zu berücksichtigen, die die hier vorliegende Konstellation dem Privatrecht zuweist, was bereits grundsätzlich gegen die Möglichkeit einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots spricht – vgl. hierzu die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG. Diese zeigt in Abgrenzung zu § 37 Abs. 1 WHG, dass hier, d.h. im vorliegenden Fall, gerade kein wasserwirtschaftlicher Tatbestand vorliegt.
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Aber auch jenseits dieser Wertung liegt keine Rücksichtslosigkeit vor.
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Inwieweit § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB insoweit Drittschutz entfalten kann, kann offen bleiben, da bei der hier gegebenen Niederschlagswasserversickerung auf einer unbefestigten, landwirtschaftlich genutzten Fläche, wie gerade gezeigt, kein wasserwirtschaftlicher Tatbestand und auch keine der übrigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB genannten Varianten vorliegt.
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Schließlich bleibt das Rücksichtnahmegebot im bodenrechtlichen Bereich des § 35 BauGB jenseits von Lärmeinwirkungen o.ä. noch als sogenannter unbenannter Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB („insbesondere“) zu prüfen. Auch insoweit liegt jedoch keine Rechtsverletzung vor. Dies schon deshalb, weil der Antrag bereits keine hierfür ausreichenden tatsächlichen Umstände glaubhaft macht. Dort wird nämlich weder überhaupt geltend geschweige denn glaubhaft gemacht, worin genau welche tatsächlichen Umstände begründet liegen sollen, die die Schwelle zur Unzumutbarkeit für den Antragsteller überschreiten. Nach der im hiesiegen Antragsverfahren allein maßgeblichen Aktenlage fällt das Gelände bereits vor Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung zum Nachbargrundstück hin ab. Es fehlt aber im gegenständlichen Antrag jegliche Substantiierung, worin genau und konkret gerade durch die streitgegenständlich genehmigten Auffüllungen nun für den Antragsteller vor dem Hintergrund der naturgegebenen Geländesituation Nachteile von solchem Gewicht eintreten, dass die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede durch ein Vorhaben verursachte Veränderung des Wasserabflusses zugleich eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung nachbarlicher Rechte begründet. Gewisse Veränderungen der Wasserverhältnisse durch ein in der Nähe des eigenen Grundstücks geplantes Vorhaben muss der Nachbar hinnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2012 – 15 CS 12.634 – juris Rn. 14; B. v. 29.11.2010 – 9 CS 10.2197 – juris Rn. 15 a.E.). Das gilt zumal in der hier vorliegenden Situation aneinandergrenzender landwirtschaftlich genutzter Flächen, bei denen gerade bei den hier gegebenen Grundstücksgrößen stärker als bei versiegelten Flächen eine flächige Verteilung von anfallendem Oberflächenwasser ohne weiteres gegeben ist. Solche etwaigen, trotzdem bestehenden und so erheblichen Umstände wie erforderlich hat der Antragsteller nicht im Ansatz geltend gemacht. Auch aus den vorgelegten Fotos geht tatsächlich nichts Entsprechendes hervor; das, was diesen in der Antragsbegründung beigelegt wird, ist darauf tatsächlich nicht zu erkennen. Zwar ist es keineswegs undenkbar, dass durch die Umsetzung der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung, d.h. durch die damit erlaubten, nicht unerheblichen Auffüllungen tatsächlich Veränderungen und ggf. auch (wohl allenfalls geringfügige) Verschlechterungen für den Antragsteller eintreten könnten. Allerdings ist es die Aufgabe des Antragstellers und nicht des Gerichts, das im Einzelnen ausreichend substantiiert geltend und vor allem glaubhaft zu machen. Das ist jedoch nicht erfolgt. Schließlich bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen die vom Antragsteller kritisierte, aber in tatsächlicher Hinsicht auf der Hand liegende Annahme in der Baubeschreibung bzw. im Beiblatt zu dieser (Bl. 23 f. BA), dass „anfallendes Niederschlagswasser“ auf der gesamten Fläche „großflächig versickern“ wird, unabhängig davon, dass dieser Umstand nicht Teil des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist und damit nicht Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung. Daher sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die bei dem hier streitgegenständlichen Vorhaben im Baugenehmigungsverfahren weitergehende fachliche Untersuchungen in Bezug auf die evtl. sich verändernden Abflussverhältnisse erfordert hätten, weshalb auch aus dem Gesichtspunkt, dass im Genehmigungsverfahren die Auswirkungen auf das Grundstück des Antragstellers und die Abflusssituation zu diesem nicht oder zu wenig berücksichtigt worden seien, als solchem keine Nachbarrechtsverletzung folgt.
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3. Auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen nachbarrechtlichen Unbestimmtheit der Baugenehmigung – als Geltendmachung einer solchen werden die entsprechenden Ausführungen in der Antragsbegründung vom Gericht verstanden – ergibt sich keine begründete Befürchtung einer Nachbarrechtsverletzung. Die Ausführungen insbesondere auf S. 3 Mitte bis S. 4 oben des Schriftsatzes vom 6. September 2023 vermögen eine solche nicht zu begründen, sie liegt auch davon abgesehen nicht vor. Die Baugenehmigung ist unter Berücksichtigung der genehmigten Bauvorlagen inhaltlich auch in nachbarrechtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt. Soweit vor allem geltend gemacht wird, die Passage „Das anfallende Niederschlagswasser wird auf der gesamten Fläche großflächig versickert“ auf S. 2 des Beiblatts zur Baubeschreibung vom … März 2023 (Bl. 24 BA) führe zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung, trifft das nicht zu. Das schon deshalb nicht, weil dieser Umstand, wie oben dargelegt, nicht am Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens Teil hat und somit auch nicht von der erteilten Baugenehmigung erfasst wird. Unabhängig davon handelt es sich hierbei in der Sache nicht um einen Umstand, der die Bestimmtheit der Baugenehmigung betrifft, sondern – nach Auffassung des Antragstellers – ihre sachliche Richtigkeit in Frage stellt; insofern wird auf die entsprechenden Ausführungen oben Bezug genommen.
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4. Ob, wie vom Antragsteller bestritten, die genehmigte Geländeauffüllung zur lediglich besseren – aus den vorgelegten Vorgängen ergibt sich, dass das Baugrundstück auch bislang bewirtschaftet wurde – Bewirtschaftung (die Bezeichnung des Vorhabens weder im Bauauntrag noch in der Baugenehmigung spricht gar nicht von Bodenverbesserung, unabhängig davon, ob diese einem landwirtschaftlichen Vorhaben überhaupt und ohne weiteres dienen würde) bauplanungsrechtlich auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässig ist (vgl. dazu, ob Auffüllungen überhaupt als privilegierte Vorhaben in Betracht kommen können, etwa VG München. U.v. 21.3.2023 – M 1 K 19.2122 – juris Orientierungssatz und Rn. 26; vgl. die Stellungnahmen des AELF vom 19.4.2023, BL. 58 und Rückseite BA sowie später vom 25.5.2023 samt in der Behördenakte dazwischenliegender Kommunikation; vgl. außerdem z.B. auch die Aktennotiz auf Bl. 59 BA sowie die entsprechende E-Mail an das AELF vom …4.203 auf Bl. 60 BA, wo jeweils davon die Rede ist, ob bzw. wie eine Privilegierung „hinbekommen“ [sic!] werden kann), kann offen bleiben, da es sich bei der Frage der objektiv-rechtlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nicht um einen Umstand handelt, der zum Erfolg des Nachbarantrags führen kann; dem Antragsteller obliegt es nicht, losgelöst von befürchteten Verletzungen in eigenen Rechten, die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung allgemein überprüfen zu lassen; das wäre allenfalls bei einem hier nicht vorliegenden Verbandsrechtsbehelf anders.
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5. Schließlich führt weder der Umstand, dass das gemeindliche Einvernehmen vom Ersten Bürgermeister der Gemeinde G* … erteilt wurde noch der Umstand, woher das Auffüllmaterial stammt, zu einer Verletzung des Antragstellers in subjektiv-öffentlichen Rechten durch die erteilte Baugenehmigung.
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Ob, wie vom Antragsteller geltend gemacht, die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens wegen eines Tätigkeitsverbots bzw. persönlicher Beteiligung rechtswidrig ist, ist für den Angriff auf die streitgegenständliche Baugenehmigung unerheblich, da, selbst wenn das der Fall wäre, das gemeindliche Einvernehmen im Verhältnis zum Antragsteller hier ein bloßes sogenanntes Verwaltungsinternum ist; Außenwirkung zum Antragsteller hat lediglich die Baugenehmigung, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Einvernehmenserteilung besteht. Ebenso wenig ist für die Frage einer Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung relevant, von welcher Firma das zur Verwendung beabsichtigte bzw. mittlerweile verwendete Auffüllmaterial stammt.
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6. Unabhängig davon, ob der zusätzlich gestellte Antrag auf Erlass eines sogenannten Hängebeschlusses (richtig: Zwischenverfügung) bereits unzulässig ist, da kein Rechtsschutzbedürfnis hierfür erkennbar ist (hierzu umfassend VG München, B.v. 9.7.2018 – M 9 SN 18.1319 – juris Rn. 28 – 30 m.w.N.), hat dieser keinen Erfolg, da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt wird und somit kein Raum bleibt für den Erlass einer dem widersprechenden Zwischenverfügung.
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Nach alldem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.7.1 sowie 1.5. Der (unselbständige) Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung wird im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht als streitwerterhöhend gewertet.