Titel:
Erfolgloser Eilrechtsschutz des Nachbarn gegen Neubau mit Turnhalle – Abstandsfläche nach Grundstücksteilung
Normenketten:
VwGO § 80, § 80a
BayBO Art. 6
Leitsätze:
1. Eine Grundstücksteilung, in deren Folge die Grundstücksgrenze räumlich durch eine zuvor bestehende Abstandsfläche oder direkt an einem abstandsflächenrelevanten Gebäude verläuft, führt nicht dazu, dass die Abstandsfläche nach der Teilung ganz oder teilweise auf das nunmehrige Nachbargrundstück fällt. Auch nach erfolgter Teilung gilt der Grundsatz, dass die Abstandsfläche an der Grundstückgrenze endet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abstandsflächenübernahme iSd Art. 6 Abs. 2 S. 3 BayBO ist eine einseitige, (amts-)empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde. Der Erklärung muss wegen ihrer weitreichenden Wirkungen eindeutig entnommen werden können, dass und in welchem Umfang die Abstandsflächen übernommen werden. Die materielle Beweislast für die Wirksamkeit der Erklärung trägt der Bauherr. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz des Nachbarn gegen Baugenehmigung, Abstandsflächen nach Grundstücksteilung, Abstandsflächenübernahme, Rücksichtnahmegebot, Treu und Glauben, Gebot der Rücksichtnahme, Belichtung, Belüftung und Besonnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30423
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung der Antragsgegnerin zum Neubau eines Gebäudes mit Turnhalle und Hort.
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Der Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 2250/251, Gemarkung P* … An dieses Grundstück grenzen die beiden Grundstücke, auf denen das streitgegenständliche Vorhaben errichtet werden soll, an, das Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, westlich und südlich sowie das Grundstück Fl.-Nr. 2250/88, Gemarkung P* …, östlich und südlich. Alle drei Grundstücke liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 30 der Antragsgegnerin („Teilbauleitlinienplan“).
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Der Antragsteller hat sein Grundstück zusammen mit seiner Ehefrau als damaliger Miteigentümerin mit notariellen Kaufvertrag vom … September 1995 von der Antragsgegnerin als aus dem damaligen Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, abzuteilende Teilfläche erworben. Durch die spätere Teilung entstanden mithin sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, auf dem das hier gegenständliche Vorhaben großteils liegen soll, in der heutigen Form. Bereits vor dem Erwerb des Grundstücks des Antragstellers wurde für dieses im Jahr 1994 ein Bauantrag gerichtet auf den Neubau u.a. eines Wohngebäudes mit VHS-Räumen, Büros und Läden gestellt. Eine entsprechende Baugenehmigung wurde mit Bescheid vom … August 1995 erteilt. Die veräußerte Teilfläche und der Grundriss des genehmigten Gebäudes entsprechen sich im Wesentlichen, sodass das herauszumessende Grundstück nach Bebauung so gut wie keine Freiflächen aufweist. Der oben genannte notarielle Vertrag, der nach Erteilung der Baugenehmigung geschlossen wurde, enthielt auch die Verpflichtung der Erwerber, Räumlichkeiten in dem zu errichtenden Gebäude an die Antragsgegnerin zum Zwecke der Nutzung als VHS-Räume o.ä. zu vermieten. Zugleich wurde vereinbart, dass die Erwerber auf einer Teilfläche des Restgrundstücks Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, eine Tiefgarage errichten durften, welche ebenfalls mit der oben genannten Baugenehmigung genehmigt worden war. Auf die notarielle Urkunde nebst beigefügtem Lageplan und die weiteren mit dem Antragsschriftsatz vom … August 2023 vorgelegten Anlagen wird Bezug genommen. Die Grundstücksteilung, die zur Entstehung des Grundstücks Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, und des Grundstücks des Antragstellers jeweils in der heutigen Form führte, erfolgte zu einem späteren Zeitpunkt, jedenfalls nach Erteilung der Baugenehmigung für das Vorhaben auf dem heutigen Antragstellergrundstück.
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Mit Antrag datierend auf den … Juni 2021 beantragte die Antragsgegnerin als Eigentümerin der Vorhabengrundstücke eine Baugenehmigung für den Neubau eines Gebäudes mit Sporthalle und Hort. Errichtet werden soll eine abgesenkte Einfachturnhalle mit Versammlungsstätte sowie – darüberliegend – ein Hort. Auf die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen wird Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom … April 2023, dem Antragsteller ausweislich PZU zugestellt am … April 2023, wurde die beantragte Baugenehmigung erteilt. Zugleich wurde von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 30 der Antragsgegnerin für die Nichteinhaltung der Baulinien und Baugrenzen eine Befreiung erteilt. Ebenso wurden Abweichungen u.a. von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO und Art. 6 Abs. 3 BayBO erteilt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die abstandsflächenrechtlichen Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten würden bzw. für das Vorhaben eine Abweichung erteilt werden könne. Die nachzuweisenden Abstandsflächen seien wegen der Lage in einem Kerngebiet mit 0,4 H anzusetzen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Ein Antrag auf Abweichung sei gestellt worden. Die Abstandsflächen entfielen in geringem Ausmaß auf die Grundstücke der …stiftung Fl.-Nrn. 2250/297 und 2250/89, Gemarkung P* … Das erstgenannte Grundstück sei als Eigentümerweg öffentlich-rechtlich gewidmet. Angesichts der geringen Überschreitung seien keine nachteiligen Auswirkungen bezüglich der nachbarrechtlichen Schutzziele erkennbar. Im Übrigen seien auch beim Bau des Pfarrzentrums mit Kinderhaus Abstandsflächen nicht eingehalten bzw. Abweichungen erteilt worden. Der geplante Neubau werfe bei einer Wandhöhe von 8,40 m im Übrigen Abstandsflächen von 3,19 bis 3,50 m, die auf dem eigenen Grundstück nachgewiesen werden könnten. Soweit man davon ausgehe, dass die Abstandsflächen des Anwesens W* …traße 10 (Fl.-Nr. 2250/251, Gemarkung P* …, sog. „Winkelbau“) auf den Baugrundstücken Fl.-Nrn. 2250/87 und Fl.-Nr. 2250/88, Gemarkung P* …, lägen, würden sich diese mit denen des geplanten Vorhabens überdecken. Eine Abstandsflächenübernahme oder Eintragung einer Dienstbarkeit seien zum damaligen Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes nicht erfolgt. Das Grundstück Fl.-Nr. 2250/251, Gemarkung P* …, sei nach Erteilung der Baugenehmigung aus dem Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, herausgeteilt worden. Ob in einem solchen Fall einer nachträglichen Grundstücksteilung die Abstandsflächen des sog. „Winkelbaus“ weiterhin auf dem Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, lägen, sei rechtlich umstritten, wobei vieles dafür spreche, eine Erstreckung der Abstandsflächen auf ein abgeteiltes Grundstück abzulehnen. Es werde vorsorglich eine Abweichung erteilt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Abstandsflächen des nördlichen Bestandsbaukörpers nach dem heute gültigen Abstandsflächenrecht zu bemessen seien. Das Bestandsgebäude würde somit Abstandsflächen von maximal 4,08 m auf das Baugrundstück werfen. Gleichwohl genüge der Abstand von 5,00 m zwischen den Gebäuden nicht, da ein Abstand von 4,08 m + 3,37 m = 7,45 m notwendig wäre. Es sei zu berücksichtigen, dass die Bebauung an der D* …straße allseitig davon geprägt sei, dass die notwendigen Abstandsflächen nicht eingehalten würden. Der geplante Baukörper sei in Hinblick auf die erforderlichen Grundmaße einer Turnhalle wenig flexibel. Die konkrete bauliche Situation lasse keine weitere Verschiebung zu, ohne andere Aspekte zu beeinträchtigen. Weiter bestünde ein öffentliches Interesse, insbesondere bezüglich Schul- und Hortnutzung. Die vom Abstandsflächenrecht zu schützenden Belange der Belichtung und Belüftung sowie der soziale Wohnfrieden würden durch den Neubau nicht maßgeblich beeinträchtigt bzw. verändert. Das Anwesen W* …traße 10 habe an der Südseite keine relevanten Fensterfronten von Aufenthaltsräumen. Ebenso seien an der direkt gegenüberliegenden Nordfassade des Neubaus keine Fenster von Aufenthaltsräumen vorgesehen. Im Übrigen wird auf den Bescheid sowie die genehmigten Bauvorlagen Bezug genommen.
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Hiergegen ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 3. Mai 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (Az. M 9 K 23.2197), über die noch nicht entschieden wurde.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. August 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller beantragen,
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Die aufschiebende Wirkung der gegen den Baugenehmigungsbescheid der Gemeinde V* …, Bauamt Baugenehmigung, vom …04.2023, Az. B-0222/2022, erhobenen Klage wird angeordnet.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Der Errichtung des streitgegenständlichen Vorhabens stünde eine von der Antragsgegnerin an die Eigentümer des klägerischen Gebäudes durchgeführte Abtretung von Abstandsflächen entgegen. Zwar treffe es zu, dass das Baugrundstück des Antragstellers im Zeitpunkt der Stellung des Genehmigungsantrags und der Baugenehmigung noch nicht abgeteilt gewesen sei. Die Antragsgegnerin gehe jedoch unzutreffend davon aus, dass das Baugrundstück des Antragstellers ohne Freiflächen und ohne Abstandsflächen veräußert worden sei. Dem stehe die Erteilung des Einvernehmens zu dem Bauvorhaben durch die Antragsgegnerin entgegen. Da in dem Kaufvertrag das Bauvorhaben nebst Abstandsflächen ausgewiesen gewesen sei, sei die Erteilung des Einvernehmens in entsprechender Anwendung von Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO a.F. (entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO n.F.) auszulegen. Zwar sei in dem damaligen Kaufvertrag keine ausdrückliche Abstandsflächenübernahme erklärt worden, allerdings nehme die Kaufvertragsurkunde ausdrücklich auf das Bauvorhaben Bezug und sei die Grundfläche des Baukörpers, der identisch mit der zu veräußernden Teilfläche sei, nebst den von dem Bauvorhaben ausgelösten Abstandsflächen ausdrücklich als Anlage zum Kaufvertrag beigefügt gewesen. Daher dürften sich die vom „Winkelbau“ ausgelösten Abstandsflächen auf das Grundstück Fl.-Nr. 2250/87 erstrecken. Der „Winkelbau“ halte die Abstandsflächen daher vollständig ein. Die Errichtung des „Winkelbaus“ sei gerade im Einvernehmen mit und auch im Interesse der Antragsgegnerin erfolgt. Auch die Lage der Abstandsflächen sei bekannt und auch vom Landratsamt E* … als Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung anerkannt gewesen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden Abweichung seien nicht gegeben, insbesondere sei sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nicht mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Hinsichtlich des Anwesens W* …traße 10 bestünden sehr wohl durch das Abstandsflächenrecht zu schützende Belange der Belichtung und Belüftung hinsichtlich der an der Südseite vorhandenen Fenster von Aufenthaltsräumen. Der Umgriff der geplanten Turnhalle beurteile sich weder als Kerngebiet noch als Gemengelage. Da sich im Süden und Westen Wohnbebauung befände, sei von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen, sodass nach § 2 der Satzung der Antragsgegnerin über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe eine Abstandsfläche von 0,8 H, mindestens jedoch 3 m einzuhalten sei, wobei sich diese Abstandsflächen nicht mit den Abstandsflächen des „Winkelbaus“ überdecken dürften. Ermessensfehler bei der Begründung ergäben sich daraus, dass die Antragsgegnerin, vertreten durch den damaligen Ersten Bürgermeister, der Errichtung des „Winkelbaus“ einschließlich der dort vorgesehenen Abstandsflächen zugestimmt habe. Die diesbezügliche Unterschrift des damaligen Ersten Bürgermeisters auf der Genehmigungsplanung stelle eine schriftliche Nachbarzustimmung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO dar, die beim Antragsteller einen entsprechenden Vertrauensschutz auslöse. Die Antragsgegnerin gehe in dem angegriffenen Bescheid rechtsirrig davon aus, dass die Abstandsflächen des „Winkelbaus“ nicht der bestandskräftigen Baugenehmigung entsprechen müssten, sondern nach heutigem Recht zu ermitteln seien. Dies sei jedoch bereits deshalb nicht möglich, da dieses Gebäude überhaupt nicht Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Bauantrags sei. Das bestehende Gebäude weise gemäß Bauantrag an der Südseite eine Abstandsfläche von 9,48 m auf. Des Weiteren sei bei der Planung übersehen worden, dass für das Gemeindegebiet die „Satzung über abweichende Masse der Abstandsflächentiefe“ gelte. Auch nach heutiger Rechtslage sei daher eine Abstandsflächentiefe von 0,8 H einzuhalten. Hieraus ergebe sich bei einer Wandhöhe von 8,40 m eine notwendige Abstandsfläche von 6,72 m für das Vorhaben. Da sich die beiderseitigen Abstandsflächen nicht überdenken dürften, ergebe sich ein erforderlicher gegenseitiger Gebäudeabstand von 9,48 m + 6,72 m = 16,20 m, d. h. ein Vielfaches der von der Antragsgegnerin zugrundegelegten Abstandsfläche von 5,00 m. Für die Erteilung einer Abweichung bestehe vorliegend auch kein zwingendes Erfordernis, da ein anderer geeigneter Weg durch Anordnung des Neubaus mit Drehung um 90 Grad an der Südgrenze des 10.000 m² großen gemeindlichen Grundstücks möglich wäre. Des Weiteren wäre eine Errichtung der geplanten Turnhalle auf der Fläche der derzeit noch bestehenden Turnhalle möglich, über deren weitere Verwendung nichts ausgesagt werde. Nach der Rechtsprechung sei eine Abweichung von Abstandsflächenvorschriften nur dann zulässig, wenn eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung vorliege, die die Abweichung zwingend erforderlich mache. Für das Vorliegen einer derartigen Konstellation seien vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Im Übrigen wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin beantragt
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag unbegründet sei. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom … April 2023 sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in eigenen, drittschützenden Rechten. Insbesondere würden gegenüber dem Grundstück des Antragstellers die Abstandsflächen der rechtlichen Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten bzw. habe das Vorhaben im Wege der Abweichung zugelassen werden können. Der Bescheid führe auf Seite 6 aus, dass die Frage nach der Erstreckung von Abstandsflächen auf ein Nachbargrundstück nach erfolgter Grundstücksteilung rechtlich umstritten sei. Nach einem aktuellen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erstreckten sich bei nachträglicher Grundstücksteilung die Abstandsflächen nicht auf das Nachbargrundstück. Nachträglich heiße dabei nach Erteilung der Baugenehmigung, in welcher die Abstandsflächen noch rechtskonform auf dem eigenen Grundstück dargestellt gewesen seien. Der BayVGH habe sich damit der erstinstanzlichen Rechtsprechung sowie der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen. In einer Entscheidung des VG Würzburg werde vor allem historisch argumentiert, da nach Art. 7 Abs. 8 BayBO 1962 die bei der Errichtung eines Gebäudes vorgeschriebenen Abstandsflächen auch bei nachträglichen Grundstücksteilung nicht hätten unterschritten oder überbaut werden dürfen. Nachdem eine entsprechende Regelung heute fehle, gehe das Gesetz dem Grunde nach davon aus, dass in derartigen Fällen eine Erstreckung auf Nachbargrundstücke ausscheide. Ebenfalls historisch argumentiere das VG München. Die Teilungsgenehmigungspflicht in Art. 11 BayBO a.F., die vor allem wegen abstandsflächenwidriger Teilungen von Grundstücken existiert habe, zeige, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen sei, dass sich im Falle einer Teilung die Abstandsflächen nicht auf das Nachbargrundstück erstreckten. Da das Abstandsflächenrecht nach Aufhebung der Teilungsgenehmigungspflicht nicht geändert oder angepasst worden sei, sei weiterhin von dieser Wertung auszugehen. Zu vergleichbaren Ergebnissen kämen auch Teile der Literatur. Weiterhin liege eine wie auch immer geartete Abstandsflächenübernahme auf das heutige Grundstück Fl.-Nr. 2250/87 der Antragsgegnerin nicht vor, insbesondere nicht durch die damalige Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens. Eine Nachbarzustimmung habe bereits nach der im Zeitpunkt der Genehmigung des „Winkelbaus“ geltenden Rechtslage ausdrücklich und schriftlich erfolgen müssen. Demgegenüber verfolge das gemeindliche Einvernehmen schon einen ganz anderen Sinn und Zweck. Es dürfe nur aus bauplanungsrechtlichen Gründen versagt werden. Bauordnungsrecht sei grundsätzlich nicht Gegenstand der gemeindlichen Einvernehmenserteilung. Abstandsflächen seien damals nicht Thema oder Bestandteil der Einvernehmenserteilung gewesen. Es sei überdies zweifelhaft, ob der Grundstücks- und Bauausschuss der Antragsgegnerin aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht überhaupt befugt gewesen wäre, eine Abstandsflächenübernahme auf ein gemeindeeigenes Grundstück zu erklären. Abgesehen davon wäre für eine wirksame Zustimmung erforderlich gewesen, dass die Antragsgegnerin bereits im Zeitpunkt der Zustimmung „Nachbarin“ gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da es im Zeitpunkt des gemeindlichen Einvernehmens noch kein benachbartes Grundstück, auf das sich die Abstandsfläche dauerhaft hätte erstreckten können, gegeben habe. Der vom Antragsteller vorgeschlagenen analogen Anwendung von Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO a.F.) stehe der klare Wortlaut entgegen. Eine Zustimmung müsse stets schriftlich, ausdrücklich und auf ein ganz konkretes Vorhaben bezogen sein. Antizipierte Zustimmungen seien nicht zulässig. Auch die Kaufvertragsurkunde vom 11. September 1995 enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin hierin Abstandsflächen übernommen hätte. Die Erteilung der Abweichung sei daher eigentlich nicht erforderlich gewesen. Eine dennoch erteilte Abweichung führe nicht zu einer Rechtsverletzung des Nachbarn. Höchst vorsorglich werde dennoch zu den Einwänden des Antragstellers gegen die vorsorglich erteilte Abweichung Stellung genommen. Eine Atypik sei nach der Rechtsprechung nicht mehr erforderlich. Die Antragsgegnerin habe ihrer Entscheidung über die Abweichung auch den korrekten Umfang der Abweichung zugrunde gelegt. Sie habe sich insbesondere auf die im Kerngebiet ausreichende Abstandsflächentiefe von 0,4 H berufen dürfen. Zur Gebietskategorisierung werde auf den Verfahrensakt, Bl. 77 und 79, verwiesen. Die maßgebliche nähere Umgebung werde durch die Bebauung beiderseits der W* …traße zwischen A* …- und M* … Straße und der D* …straße bis zum Pfarrsaal/Kinderhaus im Süden geprägt. Dort befänden sich ausschließlich kerngebietstypische Nutzungen. Es sei auch nichts dagegen einzuwenden, wenn die Antragsgegnerin bei der Bemessung der eigentlich notwendig Abstandsflächen des Gebäudes des Antragstellers auf die nach heutigem Recht geltenden Abstandsflächen zurückgreife. Bei Veränderungen gelte das günstigere, neue Abstandsflächenrecht mit der Maßgabe, dass der vorhandene Gebäudebestand geschützt sei. Weiterhin führten die in der Mitte der Südwand des klägerischen Gebäudes vorhandenen Fenster nach den genehmen Unterlagen zu einem Flur. Die Beeinträchtigung des Antragstellers im Hinblick auf Belichtung und Belüftung stelle sich als sehr gering dar. Die Südwand sei weitgehend ohne Öffnungen hergestellt und der Antragsteller verfüge über keinerlei Freiflächen, die durch den Neubau beeinträchtigt würden. Allenfalls die seitlichen Bereiche der Balkone bzw. Arkaden würden auf den Neubau blicken. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass es nach dem Grundsatz treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB ausgeschlossen erscheine, dass sich der Antragsteller auf eine Verletzung des Abstandsflächenrechts berufe. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass sich der Antragsteller im Kaufvertrag gerade keine Abstandsflächen habe sichern lassen (weder durch Erwerb weiterer Flächen noch durch Eintragung einer Abstandsflächendienstbarkeit) und durch die Begrenzung in der Kaufvertragsurkunde auf dem Grundstücksteil, auf dem der „Winkelbau“ errichtet werden habe sollen, nicht unerheblich Kaufpreis sowie Grundsteuer erspart habe.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 führt die Antragstellerseite im Wesentlichen aus, eine Abstandsflächenübernahme für das Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers sei durch die Antragsgegnerin in den Jahren 1994 bzw. 1995 erfolgt. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Erteilung der damaligen Baugenehmigung einschließlich der von dem Gebäude ausgehen Abstandsflächen die wesentliche Grundlage für den Erwerb der Teilfläche gewesen sei. Auch ohne Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit sei die Erteilung des Einvernehmens als verbindliche Abstandsflächenübernahme auszulegen. Der Genehmigungsvermerk erfülle auch offenkundig die Voraussetzungen der Schriftform. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zum Sinn und Zweck des gemeindlichen Einvernehmens i.S.v. § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ließen die Besonderheiten des streitgegenständlichen Sachverhalts völlig außer Betracht und trügen besondere dem Umstand, dass vorliegend die Antragsgegnerin sowohl als Grundstücksveräußerin als auch als Baugenehmigungsbehörde als auch als Gemeinde tätig geworden sei, keine Rechnung. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass eine Abstandsflächenübernahme explizit in den Kaufvertrag aufgenommen worden sei. Denn diese habe sich aus der Baugenehmigung ergeben. Unabhängig davon stehe dem streitgegenständlichen Bauvorhaben auch entgegen, dass sie die Abstandsflächen des Grundstücks der Antragsteller auf das Grundstück der Antragsgegnerin erstreckten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs vom 24. März 2022 – 1 ZB 22.74, denn die dort zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation unterscheide sich von der hiesigen zum einen darin, dass vorliegend eine Abstandsflächenübernahme vorliege. Zum anderen habe der hiesige Antragsteller unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Gedankens der gegenseitigen Rücksichtnahme darauf vertrauen können, dass die Antragsgegnerin auch nach Veräußerung der Teilfläche die von dem damals neu errichteten Bauvorhaben ausgehenden Abstandsflächen respektieren würde. Die Besonderheit im hier gegenständlichen Fall bestehe gerade darin, dass die Erteilung der Baugenehmigung durch die Antragsgegnerin als Aufsichtsbehörde mit den dort vorgesehenen Abstandsflächen, die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Antragsgegnerin als Gemeinde sowie die Veräußerung der Teilfläche durch die Antragsgegnerin als vormalige Grundstückseigentümerin zum Zwecke der späteren Teilung in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erfolgt seien. Weiterhin seien auch ohne Berücksichtigung der Abstandsflächen des Gebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers die notwendigen Abstandsflächen für das Vorhaben nicht eingehalten, da eine Abstandsflächentiefe von 0,8 H einzuhalten sei. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen lägen nicht vor. Der Umgriff des Bauvorhabens sei nicht als Kerngebiet oder Gemengelage, sondern als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren. Die Aufstellung der Antragsgegnerin lasse die im Umgriff, insbesondere im Westen, Süden und Südosten, liegende, prägende Wohnbebauung außer Betracht. Nicht störendes Gewerbe ändere nichts an der Qualifizierung als allgemeines Wohngebiet. § 4 Abs. 2 BauNVO sehe ausdrücklich vor, dass im allgemeinen Wohngebiet neben Wohngebäuden auch die der Versorgung dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zulässig seien. Darüber hinaus könnten gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO auch diverse andere Anlagen zugelassen werden, insbesondere sonstige nicht störende Gewerbebetriebe. Soweit die Antragsgegnerin zur Konkretisierung des Vortrags bezüglich des Fensters in dem Gebäude des Antragsstellers erfordere, werde auf die Planunterlagen verwiesen. Die Beeinträchtigung im Hinblick auf die Belichtung und Belüftung stellten sich als gravierend dar. Dies gelte zum einen in Hinblick auf die an der Südwand vorhandenen Fenster. Darüber hinaus würden die seitlichen Bereiche der Balkone und Arkaden erheblich verschattet, was die Nutzungsqualität drastisch reduzieren würde. Die Ausführung der Antragsgegnerin zum Grundsatz treuwidrigen Verhaltens gingen fehl. Die Antragsgegnerin lasse insoweit völlig außer Betracht, dass die Veräußerung der Teilfläche im Interesse der Antragsgegnerin gelegen habe. Es habe eine Verpflichtung gegeben, Flächen an die Antragsgegnerin zurück zu vermieten. Derzeit habe die Antragsgegnerin sogar das gesamte 1. Obergeschoss angemietet. Der Antragsteller habe unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben vielmehr gerade darauf vertrauen dürfen, dass die Antragsgegnerin die von dem Winkelbau ausgehenden Abstandsflächen respektiere und einhalte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es der Antragsgegnerin problemlos möglich sei, dass Bauvorhaben auf einer anderen Position des Grundstücks zu errichten. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren (Az. M 9 K 23.2197) sowie auf die vorgelegten Behördenakten samt genehmigter Bauvorlagen Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom … April 2023 hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist. Die Klage in der Hauptsache wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nach summarischer Prüfung keine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden, zugunsten des Antragstellers drittschützenden Vorschriften verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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I. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine bauaufsichtliche Zulassung hat gemäß § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das (öffentliche) Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85 ff.). Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B.v. 18.7.1973 – 1 BvR 23/73 – BVerfGE 35, 382 – juris; zur Bewertung der Interessenlage vgl. BayVGH, B.v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – juris).
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II. Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, die zugleich Genehmigungsbehörde und Bauherrin ist, gegenüber dem entgegenstehenden Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Klage des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere liegt weder eine Verletzung von abstandsflächenrechtlichen Vorschriften (1.) noch des Rücksichtnahmegebots (2.) vor. Eine Verletzung anderer Vorschriften, die (auch) dem Nachbarschutz dienen, ist weder vorgetragen noch sonst im Rahmen der im Antragsverfahren angezeigten, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ersichtlich.
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1. Die in vollem Umfang dem Nachbarschutz dienenden abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO (vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2535 – juris Rn. 19) sind durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht verletzt. Die Abstandsflächen des streitgegenständlichen Vorhabens liegen entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Vorhabengrundstück selbst. Sie überdecken sich nicht mit Flächen, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO oder aus anderen Gründen den Abstandsflächen des Gebäudes auf dem Antragstellergrundstück zugewiesen sind (a). Die dennoch erteilte Abweichung hat jedenfalls keine Rechtsverletzung des Antragstellers zur Folge (b). Daher kann im Ergebnis offen bleiben, ob sich der Antragsteller angesichts der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf einen potentiellen Abstandsflächenverstoß berufen könnte (c).
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a) Die Abstandsflächen des streitgegenständlichen Vorhabens liegen auf dem Vorhabengrundstück selbst (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO) und überdecken sich nicht mit Flächen, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO oder aus anderen Gründen – insbesondere wegen der erfolgten Grundstücksteilung – den Abstandsflächen des Gebäudes auf dem Antragstellergrundstück zugewiesen sind.
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aa) Das Maß der Abstandsflächen beträgt für das streitgegenständliche Vorhaben nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO 0,4 H. Nicht zur Anwendung kommt vorliegend § 2 Satz 1 der Satzung der Antragsgegnerin über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe vom 15. April 2021 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO, da die Satzung ein Maß der Abstandsflächen von 0,8 H nur „außerhalb von Industrie-, Gewerbe-, Kern- und festgesetzten Urbanen Gebieten“ vorschreibt, vorliegend nach Aktenlage jedoch ein Kerngebiet oder jedenfalls eine Gemengelage gegeben ist. Aus den vorgelegten Behördenakten, dem – insoweit nicht qualifiziert widersprochenen – Vortrag der Antragsgegnerin im hiesigen Verfahren und den sonstigen vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass jedenfalls der unmittelbare Umgriff des Vorhabens auch von Einzelhandelsbetrieben, Bürogebäuden und anderen zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur geprägt ist. Dies folgt beispielsweise schon mit Blick auf das Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers selbst, das u.a. eine Bäckerei, Läden, Gastronomie, Büronutzung (Gemeindeverwaltung) und Wohnnutzung beinhaltet. Der Antragsteller trägt insoweit vor, eine ausschließliche Wohnbebauung im Süden und Westen des Vorhabens stehe der Einordnung als Kerngebiet oder Gemengelage entgegen. Die entsprechende Wohnbebauung als zutreffend unterstellt folgt aus dieser jedoch nicht, dass der Vorhabenstandort nicht einem Kerngebiet oder jedenfalls einer Gemengelage, sondern beispielsweise einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen ist. Denn der sonstige unmittelbare Umgriff des Vorhabens ist wie dargestellt durch Nutzungen geprägt, aus denen sich nicht die Charakteristik eines allgemeinen Wohngebiets ableiten lässt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags der Antragstellerseite, die entsprechenden Nutzungen seinen nach § 4 Abs. 2 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet zulässig bzw. könnten nach Absatz 3 der Norm ausnahmsweise zugelassen werden. Aus einer Gesamtschau der Nutzungen nach Aktenlage ergibt sich gerade keine vorwiegend dem Wohnen dienende (vgl. § 4 Abs. 1 BauNVO) Charakteristik der unmittelbaren Umgebung. Vielmehr besteht gerade eine Prägung durch Büro- und Verwaltungsgebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften und dergleichen, sodass bei einer Beurteilung nach Aktenlage kerngebietstypische Nutzungen prägen und vorwiegen oder zumindest eine Gemengelage und damit im Ergebnis jedenfalls kein allgemeines Wohngebiet vorliegt.
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Die sich damit bei einer Wandhöhe von 8,4 m und einem Maß von 0,4 H ergebende Abstandsflächentiefe ist aufgrund des etwa 5 m betragenden Abstands des Vorhabens von der nördlichen Grundstückgrenze eingehalten.
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bb) Diese Abstandsflächen überdecken sich nicht mit Flächen, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO oder aus anderen Gründen den Abstandsflächen des Gebäudes auf dem Antragstellergrundstück zugewiesen sind. Denn die Abstandsflächen des Gebäudes auf dem heutigen Antragstellergrundstück fallen nicht in Folge der nach Erteilung der Baugenehmigung für dieses Gebäude erfolgten Grundstückteilung auf das heutige Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* … (1). Zugleich erfolgte für das Gebäude des Antragstellers keine Abstandsflächenübernahme und liegt auch sonst kein Fall des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO vor, sodass Art. 6 Abs. 2 Satz 4 BayBO nicht greift (2).
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(1) Die nach erteilter Baugenehmigung und nach Erwerb einer Teilfläche des damaligen Grundstücks Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, erfolgte Grundstücksteilung hat nicht zur Folge, dass die Abstandsflächen des auf dem heutigen Grundstück des Antragstellers befindlichen Gebäudes teilweise auf das heutige Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, fallen und diese Flächen damit der Bebauung bzw. Nutzung als eigene Abstandsflächen für Gebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, entzogen wäre.
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Es trifft zwar zu, dass in der Literatur (vgl. Hahn in Busse/Kraus, 150. EL Februar 2023, BayBO Art. 6 Rn. 82) unter Verweis auf ältere Rechtsprechung (VG München, U.v. 15.12.2014 – M 8 K 13.3686 – juris Rn. 161) teilweise angenommen wird, eine Grundstücksteilung könne dazu führen, dass die notwendigen Abstandsflächen nicht mehr auf dem eigenen, sondern einem anderen Grundstück lägen. Argumentativ stützt sich dies im Wesentlichen darauf, dass die Grundstücksteilung keinen Wegfall der bestehenden Abstandsflächen zur Folge hätte. Der Bauherr könne sonst durch Grundstücksteilungen das Abstandsflächenrecht nach seinem Belieben außer Kraft setzen. Der Landesgesetzgeber habe die bauaufsichtliche Teilungsgenehmigungspflicht, mit der früher entsprechende Zustände hätten vermieden werden können, ersatzlos aufgehoben.
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Zutreffenderweise führt eine Grundstücksteilung, in deren Folge die Grundstücksgrenze räumlich durch eine zuvor bestehende Abstandsfläche oder direkt an einem abstandsflächenrelevanten Gebäude verläuft, nicht dazu, dass die Abstandsfläche nach der Teilung ganz oder teilweise auf das nunmehrige Nachbargrundstück fällt. Entsteht durch eine Grundstücksteilung ein solcher rechtswidriger, da gegen Art. 6 BayBO verstoßender, Zustand, führt dies allein dazu, dass das bestehende Gebäude nunmehr einen zu geringen Grenzabstand aufweist und damit die erforderlichen Abstandsflächen nicht mehr einhält, nicht aber dazu, dass sich die Abstandsfläche (teilweise) auf das nunmehrige Nachbargrundstück erstreckt und (auch) dort von einer in den Abstandsflächen nicht zulässigen Bebauung freigehalten werden muss bzw. dass die Abstandsflächen nicht auf die auf diesem Grundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2022 – 1 ZB 22.74 – juris Rn. 7; B.v. 30.5.2016 – 15 ZB 16.630 – juris Rn. 25; B.v. 14.1.2009 – 1 ZB 08.97 – BayVBl 2009, 694; Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Oktober 2021, Art. 6 Rn. 119; Schönfeld in BeckOK BauordnungsR Bayern, 26. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 6 Rn. 93). Auch nach erfolgter Teilung gilt der Grundsatz, dass die Abstandsfläche – vorbehaltlich abweichender Regelungen etwa in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BayBO – an der Grundstückgrenze endet (vgl. hierzu VG Würzburg, B.v. 20.9.2016 – W 4 S 16.929 – juris Rn. 48, bestätigt von BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris). Denn für eine entsprechende – gleichsam ipso iure eintretende – Erstreckung der Abstandsflächen auf das neue Nachbargrundstück findet sich in den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften kein Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber regelt sehr genau, wann eine solche Erstreckung mit entsprechender Pflicht zur Freihaltung und Nichtanrechnung erfolgen soll, s. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BayBO (in diese Richtung auch Schönfeld in BeckOK BauordnungsR Bayern, 26. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 6 Rn. 93). Für den Fall der Grundstücksteilung ist eine solche Erstreckung gesetzlich jedoch gerade nicht vorgesehen. Nach dem Wortlaut und der Systematik der Norm scheidet eine Erstreckung damit aus.
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Auch eine historische Betrachtung kommt zum selben Ergebnis. Der Gesetzgeber hat mit § 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 12. April 1994 (GVBl. S. 210) die damals bestehende bauaufsichtliche Teilungsgenehmigungspflicht (Art. 11 BayBO damaliger Fassung) ersatzlos aufgehoben. Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 3 BayBO damaliger Fassung durfte die Teilungsgenehmigung „versagt werden, wenn durch die Teilung des Grundstückes Verhältnisse geschaffen werden, die Vorschriften dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderlaufen“. Ein Hauptanwendungsfall dieser Regelung waren Fallgestaltungen, in denen durch die Teilung die erforderliche Abstandsfläche nicht mehr auf dem Grundstück selbst eingehalten werden konnte (vgl. Schwarzer, BayBO, 2. Aufl. 1992, Nr. 6 zu Art. 11 a. F.). Daraus folgt, dass nach damaliger Rechtslage eine nachträgliche Grundstücksteilung nicht zur automatischen Übernahme der Abstandsflächen führte, ansonsten wäre es nicht erforderlich gewesen, auf solche Fallgestaltungen Art. 11 Abs. 1 Satz 3 BayBO a. F. anzuwenden. Da der Gesetzgeber 1994 die bauaufsichtliche Teilungsgenehmigungspflicht einerseits ersatzlos aufgehoben, andererseits das Abstandsflächenrecht aber weder damals noch mit nachfolgenden Änderungen inhaltlich ausdrücklich so umgestaltet hat, dass die Abstandsflächen im Falle einer nachträglichen Grundstücksteilung automatisch übernommen werden, muss man daraus schließen, dass das aktuelle Abstandsflächenrecht diesbezüglich nicht anders auszulegen ist als das damalige (vgl. VG München, B.v. 30.6.2020 – M 11 SN 20.2657 – juris Rn. 27, bestätigt von BayVGH, B.v. 23.9.2020 – 1 CS 20.1595 – juris; VG Würzburg, B.v. 20.9.2016 – W 4 S 16.929 – juris Rn. 47).
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(2) Weiterhin erfolgte für das Gebäude des Antragstellers keine Abstandsflächenübernahme und es liegt auch sonst kein Fall des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO vor, sodass Art. 6 Abs. 2 Satz 4 BayBO nicht greift.
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Eine Abstandsflächenübernahme i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist nach heutiger Rechtslage eine einseitige, (amts-)empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde (vgl. nur Hahn in Busse/Kraus, 150. EL Februar 2023, BayBO Art. 6 Rn. 124). Entsprechendes galt nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags für das Gebäude auf dem Antragstellergrundstück und der Erteilung der entsprechenden Baugenehmigung. Die Erklärung muss die Zustimmung des Nachbarn, dass sich eine Abstandsfläche in einer bestimmten Breite und Tiefe auf das Nachbargrundstück erstrecken soll, enthalten. Entsprechend ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist der Inhalt einer möglichen Erklärung gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Der Erklärung muss jedoch wegen ihrer weitreichenden Wirkungen eindeutig entnommen werden können, dass und in welchem Umfang die Abstandsflächen übernommen werden. Die materielle Beweislast für die Wirksamkeit der Erklärung trägt der Bauherr (vgl. Hahn in Busse/Kraus, 150. EL Februar 2023, BayBO Art. 6 Rn. 126 ff.; Schönfeld in BeckOK BauordnungsR Bayern, 26. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 6 Rn. 105).
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Gemessen an diesen Maßstäben erfolgte für das Bestandsgebäude auf dem Antragstellergrundstück keine Abstandsflächenübernahme. Unabhängig davon, dass hier im Zeitpunkt der einzig als Anknüpfungspunkt möglichen Erklärungen – Abschluss des notariellen Vertrages, Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens, Unterschrift auf dem Eingabeplan – mangels bereits erfolgter Teilung schon kein Nachbar und kein Nachbargrundstück, der die Erklärung abgeben bzw. für das die Erklärung wirken könnte, vorlag (an eine antizipierte Abstandsflächenübernahme – sofern man eine solche überhaupt als möglich erachtet – dürften wegen der erheblichen rechtlichen Folgen einer solchen Übernahme erhöhte inhaltliche und Bestimmtheitserfordernisse zu stellen sein), ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dem Abschluss des notariellen Vertrages, der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens oder der Unterschrift auf dem Eingabeplan ein für eine Abstandsflächenübernahme erforderlicher Erklärungsgehalt zugemessen werden kann.
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Mit Blick auf den notariellen Vertrag trifft es zwar zu, dass den Vertragsparteien das geplante Gebäude auf der herauszumessenden Teilfläche des Grundstücks Fl.-Nr. 2250/87, Gemarkung P* …, im Wesentlichen vor Augen stand und die Gesamtumstände bekannt waren. Allerdings kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass die Antragsgegnerin als Veräußerin der Teilfläche zugleich eine Abstandsflächenübernahme erklärt hat. Hiergegen spricht schon das Gesamtgefüge des Vertrages, der seine Regelungsgenstände im Übrigen (Veräußerung, Rückvermietung, Tiefgarage, etc.) sehr deutlich und ausführlich regelt. Für die Annahme einer gleichsam konkludenten Abstandsflächenübernahme ist hierbei kein Raum. Sie entspräche im Übrigen auch nicht dem bauordnungsrechtlichen Formerfordernis an eine solche Übernahme, da sie noch nicht einmal eine Andeutung im Urkundentext findet. Sie widerspräche zudem dem Grundsatz, dass in einen notariellen Vertrag alle im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte und ggf. Erklärungen aufzunehmen und zu beurkunden sind (vgl. die deshalb erfolgte notarielle Belehrung in Nr. XI, 1. der Urkunde). Weiterhin spricht die umfassende Aufklärungspflicht des Notars dagegen, dass ein Beteiligter noch etwas erklären wollte, das nicht Eingang in den Urkundentext fand. Schließlich fehlte es jedenfalls an dem – nachgewiesenen – Zugang einer entsprechenden Erklärung der Antragsgegnerin bei der damaligen Bauaufsichtsbehörde, dem Landratsamt E* …, das die Baugenehmigung erteilt hat. Es ist nicht ersichtlich oder auch nur durch den insoweit materiell beweisbelasteten Antragsteller vorgetragen, dass die notarielle Urkunde der Bauaufsichtsbehörde zuging.
31
Auch in der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu dem damaligen Bauvorhaben des Antragstellers lässt sich keine Abstandsflächenübernahme erkennen. Auch hier trifft es zwar zu, dass der Antragsgegnerin das Vorhaben einschließlich seiner später, d.h. nach Grundstücksteilung, zu erwartenden Lage an der Grenze bekannt war. Allerdings lässt sich auch unter Berücksichtigung dieses Umstands der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach Auslegung keine Übernahme von Abstandsflächen auf ein gemeindliches Grundstück entnehmen. Vielmehr hat das bauplanungsrechtliche gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB allein die bauplanungsrechtliche Beurteilung eines Vorhabens zum Gegenstand (s. § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenerfordernisse zählen hierzu nicht. Entsprechend kann eine Einvernehmenserteilung kein Gehalt dergestalt zugemessen werden, dass über Abstandsflächen entschieden oder solche gar übernommen werden sollen. Etwas anderes ergibt sich nach Auslegung der Einvernehmenserteilung auch nicht aus sonstigen Umständen dieses Vorgangs. Insbesondere liegen keine Protokolle o.ä. vor, aus denen sich ergeben könnte, dass Abstandsflächen bzw. deren Übernahme auch nur Thema in den entsprechenden Gremien gewesen sind.
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Schließlich folgt eine Abstandsflächenübernahme auch nicht aus dem Umstand, dass der damalige Erste Bürgermeister der Antragsgegnerin den Eingabeplan für das Vorhaben auf dem heutigen Grundstück des Antragstellers unterschrieben hat. Abgesehen davon, dass einer solchen Unterschrift, die ausweislich der Bauvorlage und auch inhaltlich zutreffend durch und für den damaligen Grundstückseigentümer erfolgte, kein entsprechender Erklärungsgehalt beigemessen werden kann, würde selbst eine (hier nicht vorliegende) Nachbarunterschrift auf dem Eingabeplan, auch wenn sie vorbehaltslos und mit dem Zusatz der Zustimmung zur Übernahme der Abstandsflächen erfolgt wäre, nicht genügen. Es bedarf einer eigenständigen Erklärung mit entsprechendem, eindeutig zu ermittelnden Inhalt (vgl. Hahn in Busse/Kraus, 150. EL Februar 2023, BayBO Art. 6 Rn. 124; Schönfeld in BeckOK BauordnungsR Bayern, 26. Ed. 1.12.2022, BayBO Art. 6 Rn. 105). Daran fehlt es hier.
33
Eine Abstandsflächenübernahme erfolgte damit unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt.
34
Auch die übrigen Varianten des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO sind nicht gegeben, insbesondere liegt keine Abstandsflächendienstbarkeit o.ä. vor.
35
b) Die trotz Nichtvorliegens eines Abstandsflächenverstoßes erteilte Abweichung hat jedenfalls keine Rechtsverletzung des Antragstellers zur Folge. Es ist nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht vorgetragen, dass der Antragsteller hierdurch in eigenen Rechten verletzt sein könnte.
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c) Da somit schon kein Abstandsflächenverstoß vorliegt, kann schließlich offen bleiben, ob sich der Antragsteller angesichts der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf einen potentiellen Abstandsflächenverstoß berufen könnte. Hiergegen spricht einiges, da das Bestandsgebäude auf dem Grundstück des Antragstellers seinerseits nach der erfolgten Grundstücksteilung die erforderlichen Abstandsflächen nicht (mehr) einhält. Gleichwertigkeit angenommen (diese dürfte vorliegen), wäre es dem Antragsteller daher verwehrt, sich auf eine potentielle Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch das Vorhaben zu berufen. Selbst wenn man – trotz der Grundstücksbezogenheit des Baurechts – zusätzlich die Gesamtumstände des Erwerbs der Teilfläche und der korrespondierenden Baugenehmigung heranzieht, ergibt sich hieraus nichts anderes. Denn es war dem Antragsteller jedenfalls ebenso wie der Antraggegnerin bewusst, dass das zu errichtende Gebäude auf dem Antragstellergrundstück die Abstandsflächen nicht auf dem eigenen Grundstück würde einhalten können.
37
2. Schließlich ist auch sonst kein nachbarrechtlich relevanter Rechtsverstoß ersichtlich. Insbesondere ist das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt.
38
Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – juris Rn. 22; B.v. 26.9.2018 – 9 CS 17.361 – juris Rn. 18 m.w.N.).
39
Vorliegend ist nichts vorgetragen oder sonst nach Aktenlage ersichtlich, was auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots mit Blick auf den Antragsteller hindeutet. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in Hinblick auf die Größe und Situierung des Bauvorhabens eine unzumutbare „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zu Lasten des Antragstellers vorliegen könnte. Eine solche wäre erst gegeben, wenn nach der Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht, wie sie vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2022 – 9 CS 22.1942 – juris Rn. 20; B.v. 8.7.2021 – 9 ZB 20.1567 – juris Rn. 11 m.w.N.). Für einen solchen Fall ist aus dem Vortrag der Antragstellerseite sowie aus den Akten und auch mit Blick darauf, dass das Vorhaben und das Bestandsgebäude auf dem Antragstellergrundstück Wandhöhen in durchaus vergleichbaren Größenordnungen aufweisen, nichts ersichtlich. Dieses Ergebnis besteht unabhängig davon, welche Art von Raum hinter dem von den Beteiligten vorgetragenen südseitigen Fenster in dem Bestandsgebäude liegt. Denn es besteht jedenfalls kein Recht, vor jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2016 – 9 ZB 13.1877 – juris Rn. 8). In einer Gesamtschau ist auch auf Grundlage des Vortrags der Antragstellerseite nicht erkennbar, dass eine unzumutbare Beeinträchtigung vorliegen könnte. Es fehlt schon an einem hierauf gerichteten substantiierten Vortrag. Dieser erschöpft sich in pauschalen, nicht näher dargelegten Behauptungen. Es wird nicht deutlich, warum eine potentielle Verschattung im Bereich der Balkone und Arkaden oder die Betroffenheit von Fenstern an der Südseite des Bestandsgebäudes im konkreten Einzelfall zu einer im Rechtssinne unzumutbaren Beeinträchtigung führen soll. Hinzu kommt, dass jedenfalls das hier gegenständliche Vorhaben wie oben dargestellt die erforderlichen Abstandsflächen einhält, was regelmäßig durchgreifend – indiziell bzw. in tatsächlicher Hinsicht – gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots spricht (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2018 – 9 CS 17.2597 – juris Rn. 21). Anhaltspunkte für ein anderes Ergebnis im vorliegenden Einzelfall bestehen nicht.
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Der Antrag wird daher abgelehnt.
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III. Der Antragsteller trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
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IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.