Inhalt

VG München, Urteil v. 17.10.2023 – M 1 K 19.4761
Titel:

Erweiterung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs im Außenbereich

Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Ein Vorhaben dient nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb iSd § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Es reicht nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung für Erweiterung eines Pensionspferdebetriebs, Darstellungen des Flächennutzungsplans, Dienende Funktion, Außenbereich, Landwirtschaftlicher Betrieb, Sonstiges Vorhaben
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30421

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.  
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Erweiterung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs.
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Mit Bescheid vom 13. Juli 2016 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Baugenehmigung zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs mit Nebenanlagen auf den Grundstücken FlNrn. 1698, 1699 Gem. … (Vorhabengrundstücke). Die Klägerin betreibt seitdem dort eine (genehmigte) Pferdepension.
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Mit Bauantrag vom 4. Oktober 2018 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs (Errichtung von zwei Pferdeoffenställen mit Auslauf, eines Futterhauses, eines Reitplatzes mit Zaun und einer Maschinenhalle). Im Vergleich zu der mit Bescheid vom 13. Juli 2016 genehmigten und errichteten Anlagen soll die Maschinenhalle durch eine minimale Drehung des Gebäudekörpers geringfügig anders ausgerichtet werden. Der bestehende Reitplatz soll um ca. 5 m weiter nach Norden verlegt werden. Der im östlichen Bereich der Vorhabengrundstücke bestehende Offenstall für Kleinpferde soll in den nördlichen Grundstücksbereich verlegt werden. Am Standort des Paddockboxenstalls soll ein Futterhaus errichtet werden, am Standort des bestehenden Offenstalls für Großpferde eine weitere Koppel entstehen. An der Stelle des bestehenden Offenstalls für Kleinpferde, der nach Osten geöffnet ist, ist ein Offenstall für Großpferde, der nach Südwesten geöffnet ist, geplant.
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Mit Beschluss vom 18. Dezember 2018 verweigerte die Beigeladene ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben.
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Unter dem 8. Juli 2019 nahm das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Rosenheim Stellung zu dem Vorhaben. Die Klägerin bewirtschafte eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 8,85 ha und halte zwölf Ponys und 14 Großpferde. Der Betrieb werde gut und sachkundig geführt. Die derzeit verfügbare Fläche ermögliche die Haltung von bis zu 24 Großpferden oder zwölf Ponys und 18 Großpferden. Der bestehende Reitplatz sei sehr hochwertig erstellt worden und aus fachlicher Sicht sinnvoll platziert. Eine Verschiebung des Reitplatzes Richtung Norden diene nicht dem Betrieb der Klägerin. Für die minimale Drehung der Maschinenhalle bestehe keine Notwendigkeit. Das Gebäude sei so errichtet worden, dass die in der Nähe befindliche Wohnbebauung bestmöglich abgeschirmt werde. Eine Drehung des Gebäudes diene nicht dem Betrieb. Die Verlegung des Offenstalls mit Bau eines Futterhauses erhöhe voraussichtlich die Geräuschbelastung, weil sich die Tiere frei bewegen könnten. Des Weiteren stünden dort bereits Gebäude des Betriebs. Eine Verlegung des Offenstalls für Kleinpferde sei daher nicht sinnvoll. Der Bau eines Großpferdeoffenstalls mit Öffnung nach Südwesten ergebe keinen Sinn. An der vorgesehenen Stelle befinde sich ein gut konzipierter Offenstall für Kleinpferde. Die diesbezügliche Planung verlagere die Geräuschbelastung von Osten nach Südwesten; bei zusätzlicher Verschiebung des Reitplatzes sei die Ausrichtung des Stalls nicht optimal. Zusammenfassend sei die gesamte Hofstelle sinnvoll konzipiert und errichtet worden, sodass die Änderungsmaßnahmen nicht befürwortet würden. Die bestehenden Gebäude seien so gebaut worden, dass die Geräuschbelastung optimal minimiert werde. Die nun geplanten Maßnahmen dienten somit nicht dem Betrieb der Klägerin.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. September 2019, der Klagepartei zugestellt am 18. September 2019, lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung ab. Das Vorhaben sei dem Außenbereich zuzuordnen. Eine Privilegierung liege nicht vor. Das AELF Rosenheim sei zu der fachlichen Einschätzung gelangt, dass es nicht der Landwirtschaft diene. Die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB seien beeinträchtigt. Ferner entstehe ein rechtserheblicher Bezugsfall.
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Mit am 19. September 2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt zuletzt,
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1. den Ablehnungsbescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 13.09.2019, Az: … / … aufzuheben,
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2. den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen mit der Maßgabe, dass das in der Eingabeplanung enthaltene Futterhaus entfällt.
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Im Jahr 2012 habe der Eigentümer des nördlich der Vorhabengrundstücke gelegenen Grundstücks FlNr. 1617/10 Klage gegen die Klägerin erhoben und das Unterlassen ruhestörenden und die zulässigen Grenzen überschreitenden Lärms, insbesondere durch Arbeiten, Pferdelärm, Hundegebell und Geschrei gefordert. Die Klage sei vom Amtsgericht Rosenheim abgewiesen worden. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hätten die Klägerin und der Eigentümer der FlNr. 1617/10 einen Prozessvergleich geschlossen. Inhalt des Vergleichs sei die Verpflichtung der Klägerin, eine Planung entsprechend dem Entwurf eines Planungsbüros vom 18. Juni 2014 bei den zuständigen Behörden einzureichen. In der Folge habe die Klägerin mit dem AELF und dem Fachzentrum Pferdehaltung eine Eingabeplanung entwickelt, die das AELF als nachhaltig bewertet habe. 2017 habe der o.g. Eigentümer beim Amtsgericht Rosenheim beantragen lassen, dass gegen die Klägerin ein Zwangsgeld festgesetzt werde, um sie anzuhalten, eine Planung gemäß dem Prozessvergleich einzureichen. Die Zivilgerichte hätten sich in mehreren Entscheidungen der Ansicht des Eigentümers der FlNr. 1617/10 angeschlossen, dass die mit Bescheid vom 13. Juli 2016 genehmigte Eingabeplanung dem Prozessvergleich widerspreche. Die nunmehr eingereichte Eingabeplanung halte sich an den Planentwurf vom 18. Juni 2014. Das Futterhaus sei nicht mehr Gegenstand der Klage, weil das Landgericht Traunstein in dem Vollstreckungsverfahren darauf hingewiesen habe, dass es dem Vergleich widerspreche. Das Vorhaben könne baurechtlich als sonstiges Vorhaben zugelassen werden, weil öffentliche Belange nicht beeinträchtigt würden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Vorhaben diene nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb, weil ein vernünftiger Landwirt ein derartiges Vorhaben in dieser Art und Weise mit Blick auf den bestehenden Betrieb nicht ausführen würde. Das Vorhaben beeinträchtige als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange, etwa § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB, und führe zu einer weiteren Zersiedelung der Landschaft. Ferner stehe bereits der Flächennutzungsplan der Zulassung des Vorhabens entgegen, weil dieser die Fläche als landwirtschaftlichen Nutzgrund ausweise. Sie sei somit einem privilegierten Landwirtschaftsvorhaben vorbehalten, welches nicht vorliege. Zudem werfe die Neuplanung die Frage nach der Wahrung des Gebots der Rücksichtnahme auf, weil mit der Neusituierung der Gebäude und Pferdebewegungszonen schädliche Umwelteinwirkungen auf die angrenzende Wohnbebauung ausgelöst würden.
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Die Beigeladene äußerte sich nicht im Verfahren.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 17. Oktober 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Erweiterung des bestehenden landwirtschaftlichen Pferdebetriebs. Die Ablehnung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Das gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig, weil es nicht im Einklang mit den im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften steht.
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Das im planungsrechtlichen Außenbereich befindliche und daher nach § 35 BauGB zu beurteilende Vorhaben stimmt nicht mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB überein, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO. Es liegt kein Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB vor (1.). Als sonstiges Vorhaben beeinträchtigt es öffentliche Belange (2.).
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1. Das Vorhaben ist nicht gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil es dem (unstreitig bestehenden) landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin nicht dient.
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Nach ständiger Rechtsprechung dient ein Vorhaben nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa dem gleichen Verwendungszweck und mit in etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (st. Rspr seit BVerfG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – juris). Bei der Auslegung des Merkmals „dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist (BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – juris Rn. 18).
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Daran gemessen dient das geplante Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin nicht. Die zur Genehmigung gestellte Planung beschränkt sich im Vergleich zu der mit Bescheid vom 13. Juli 2016 genehmigten Planung auf eine bloße Neuanordnung bestehender Pferdeställe nach Abriss. Ferner soll der Reitplatz marginal nach Norden verschoben werden, die Maschinenhalle soll geringfügig gedreht werden. Der Paddockboxenstall soll ersatzlos entfernt werden. Dazu gelangt das zuständige AELF in seiner Stellungnahme vom 8. Juli 2019 zu der Auffassung, dass die geplanten Änderungen dem Betrieb der Klägerin nicht dienten. Für das Vorhaben bestehe keine Notwendigkeit, weil die vorhandenen baulichen Anlagen in Absprache mit dem AELF sinnvoll angeordnet bzw. konzipiert worden seien. Die Neuausrichtung der Gebäude erhöhe bzw. verlagere die Geräuschbelastung, die bestehenden Gebäude seien so konzipiert (und genehmigt) worden, dass die Geräuschbelastung optimal minimiert werde. Dieser nachvollziehbaren fachlichen Einschätzung schließt sich die Kammer an. Die Klägerin kann die baurechtliche Genehmigung für die geplanten baulichen Veränderungen bzw. Anpassung der Anordnung der bestehenden Gebäude auf Basis eines Gerichtsvergleichs nicht verlangen. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist der Bauantrag rein privatrechtlich motiviert; er dient der Abwendung der Vollstreckung aus dem geschlossenen Prozessvergleich. Eine funktionale Änderung oder Erweiterung des Betriebs findet nicht statt. Das Vorhaben beruht damit nicht auf betrieblichen Zweckmäßigkeitsüberlegungen, für den Betrieb ist es schlicht nicht notwendig und unwirtschaftlich.
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Unter diesen Umständen kann eine dem bestehenden und ausgeübten Betrieb dienende Funktion des Vorhabens von vornherein nicht angenommen werden.
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2. Als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange, § 35 Abs. 3 BauGB.
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Das Vorhaben widerspricht bereits den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, welcher das Vorhabengrundstück als Fläche für die Landwirtschaft ausweist. Die Fläche ist damit (privilegierter) Landwirtschaft im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorbehalten, eine solche liegt jedoch bei dem Vorhaben nicht vor (s.o.).
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entsprach es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.