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OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 07.02.2023 – 10 U 119/22
Titel:

Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Opel-Diesel-Fahrzeugs

Normenketten:
BGB § 826
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu Diesel-Fahrzeugen von Opel: OLG München BeckRS 2021, 52557; BeckRS 2021, 52562; BeckRS 2022, 29314; OLG Bamberg BeckRS 2021, 52538; BeckRS 2022, 19980; OLG Schleswig BeckRS 2022, 8917; OLG Frankfurt BeckRS 2022, 10556; OLG Koblenz BeckRS 2022, 10605; OLG Köln BeckRS 2022, 12858; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 29322; LG Landshut BeckRS 2021, 53844; BeckRS 2022, 20735; BeckRS 2022, 22852; LG Memmingen BeckRS 2022, 12853; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2022, 29316; BeckRS 2022, 29310; LG Kempten BeckRS 2022, 29315. (redaktioneller Leitsatz)
2. Erst bei Hinzutreten einer gezielten Prüfstanderkennung, die zu einer speziell auf die Parameter des Prüfstandzyklus zugeschnittenen Motor- und Abgasreinigungssteuerung führt, kann von einem objektiv sittenwidrigen Gepräge einer Abschalteinrichtung ausgegangen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Opel, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, KBA, Rückruf, Umdrehungszahl, Außenluftdruck, Prüfstanderkennung, (keine) Umschaltlogik
Vorinstanzen:
LG Bamberg, Berichtigungsbeschluss vom 01.12.2022 – 43 O 528/22
LG Bamberg, Endurteil vom 24.10.2022 – 43 O 528/22
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 22.02.2023 – 10 U 119/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3040

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 24.10.2022, Az. 43 O 528/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.633,41 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21.02.2023.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen des Erwerbs eines gebrauchten, von der Rechtsvorgängerin der Beklagten hergestellten Fahrzeugs, in dem ein Dieselmotor, welcher der Euro-6-Abgasnorm unterliegt, verbaut ist.
2
Das Erstgericht hat die Klage, im Wesentlichen gerichtet auf Schadensersatz in Form von Kaufpreisrückerstattung in Anrechnung von Nutzungsersatz Zug-um-Zug gegen Fahrzeugübergabe und -übereignung, zurückgewiesen.
3
Auf die tatbestandlichen Feststellungen wird ebenso Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO) wie auf die Urteilsbegründung, wonach es an der erforderlichen Darlegung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung fehlt.
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Mit der Berufung verfolgt die Klagepartei nach teilweiser Erledigterklärung der Hauptsache infolge fortlaufender Fahrzeugnutzung und damit steigender anzurechnender Nutzungsentschädigung ihr ursprüngliches Begehren im Wesentlichen weiter. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
II.
5
Der Senat kommt nach eingehender Überprüfung der Sach- und Rechtslage übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Klagepartei aus den bereits vom Erstgericht zutreffend ausgeführten Gründen kein Anspruch gegenüber der Beklagten zusteht.
6
Die Klagepartei scheint ausweislich der Berufungsbegründung zu verkennen, dass nicht bereits das bloße Vorhandensein einer nach heutiger Rechtskenntnis und insbesondere im Lichte der Rechtsprechung des EuGH als unzulässig erscheinende Abschalteinrichtung per se schon den Vorwurf eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund kann die pauschale Gleichsetzung von „andersartigen Mechanismen“ mit der nach eigenem Vortrag nicht vorhandenen „Umschaltlogik, wie sie in den EA 189-Motoren zu Einbau gekommen war (…)“ (Berufungsbegründung, S. 7) nicht fruchten. Erst das Hinzutreten einer gezielten Prüfstanderkennung, die zu einer speziell auf die Parameter des Prüfstandzyklus zugeschnittenen Motor- und Abgasreinigungssteuerung führt, kann von einem objektiv sittenwidrigen Gepräge ausgegangen werden.
7
Wenig zielführend sind diesbezüglich sodann die Ausführungen zu einer Abhängigkeit von der Umdrehungszahl oder dem Außenluftdruck. Denn selbst wenn eine oder beide behaupteten Parametrierungen vorhanden sein sollten, ist nicht ersichtlich, dass diese jeweils auf ausschließlich auf im Prüfstand anzutreffende Umstände abstellen. Vielmehr ist, nach eigenem Vortrag der Klagepartei, davon auszugehen, dass beispielsweise bei einem Fahrzeugbetrieb in der norddeutschen Tiefebene keine andere Funktionsweise vorzufinden sein wird, als wenn sich der Prüfstand selbst dort – auf ungefähr gleicher Straßenhöhe über NN – befinden würde.
8
Der bislang noch nicht einmal bestandskräftige Rückrufbescheid des KBA begründet keine hiervon abweichende Indizwirkung zu Gunsten der Klagepartei.
9
Aus einer klägerseitig selbst vorgelegten Auskunft des KBA vom 18.05.2022 ergibt sich, dass das KBA im Zuge einer anderweitigen Untersuchung keinen Hinweis dazu gefunden hat, dass die zur Beanstandung führenden Prüfparameter prüfstandbezogen wären. Ausdrücklich findet sich am Ende der Auskunft der Hinweis (Hervorhebung nicht im Original): „Das KBA hat jedoch keinen Hinweis, das Opel hierbei eine Erkennung verwendet, die zwischen Prüfstands- und Straßenbetrieb unterscheidet.“.
10
Vor diesem Hintergrund bedarf es keines weiteren Eingehens auf einen überdies ebenfalls nicht erkennbaren subjektiven Schädigungsvorsatz der Organe der Beklagten respektive deren Rechtsvorgängerin.
III.
11
Der Senat kommt nach eingehender Überprüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu dem Ergebnis, dass das Ersturteil aus Sicht des Rechtsmittelführers nicht zu beanstanden und eine Abänderung nicht veranlasst ist.
12
Der Senat sieht sodann im vorliegenden Verfahren weder eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch eine Notwendigkeit, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts herbeizuführen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Schließlich erscheint eine mündliche Verhandlung mangels erwartbarer entscheidungserheblicher Erkenntnisse hieraus auch nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
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Es wird daher empfohlen, die Berufung – auch aus Kostengründen – zurückzunehmen. An die in Betracht kommende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV-GKG Nr. 1220, 1222 Ziff. 1) sowie die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bedeutung eines Hinweisbeschlusses für die adäquate Beratung eines, wenn auch rechtsschutzversicherten, Mandanten (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – IX ZR 165/19 –, juris) wird vorsorglich erinnert.