Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 03.08.2023 – B 7 K 23.154
Titel:

Behördliche Anordnung einer BHV1-Untersuchung bei Rindern

Normenketten:
VO (EU) 2017/625 Art. 138 Abs. 1, Abs. 2
VO (EU) 2016/429 Art. 5 Abs. 1
DurchführungsVO (EU) 2021/620 Art. 1 Abs. 2
Delegierten VO (EU) 2020/689 Art. 72
BHV1-VO Anhang 1 Abschnitt II Nr. 2 S. 1
BrucelloseVO § 3 Abs. 1
Rinder-LeukoseVO § 3a Abs. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. In Anbetracht dessen, dass selbst die Angabe einer fehlerhaften Rechtsgrundlage einen Verwaltungsakt nicht iSv § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtswidrig macht, wenn sich – soweit die Regelung durch den Austausch der Begründung nicht in ihrem Wesen geändert wird – die getroffene Regelung aus anderen als den angegebenen Rechtsvorschriften und Gründen als rechtmäßig erweist, führt das bloße "Nachschieben" weiterer Normen bzw. die Vervollständigung der "Normenkette" zu keiner Wesensänderung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der "Anwendungsvorrang des Europarechts" verbietet es nicht, strengere nationale Standards weiterhin aufrechtzuerhalten und anzuwenden, so dass Behörden auf der Grundlage der deutschen BrucelloseVO Halter von über 24 Monate alten Rindern verpflichten kann, die Tiere nach näherer Anweisung im Abstand von längstens drei Jahren mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Brucellose untersuchen zu lassen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
behördliche Anordnung einer BHV1-Untersuchung einer Brucellose-Untersuchung und einer Rinder-Leukose-Untersuchung, Vorrang europarechtlicher Bestimmungen, Austausch bzw. Nachschieben von Rechtsgrundlagen, Nachweispflicht der Untersuchungen, angemessene Erfüllungsfristen, Tiergesundheitsrecht, Untersuchung, Seuche, Brucellose, Rinder-Leukose, Nachweispflicht, Rindern, Bovinen Herpesvirus Typ1 (BHV1), Untersuchungsintervall
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30321

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, bei seinen Rindern Untersuchungen durchführen zu lassen und entsprechende Untersuchungsnachweise vorzulegen.
2
Der Kläger ist Rinderhalter im Landkreis … Im Rinderbestand des Klägers wurde letztmals am 08.10.2018 die Untersuchung auf Bovinen Herpesvirus Typ1 (BHV1), die Brucellose-Untersuchung und die Untersuchung auf Rinder-Leukose durchgeführt.
3
Mit Schreiben des Landratsamts … – Veterinäramt – vom 11.05.2020 bzw. 11.11.2020 wurde der Kläger aufgefordert, die BHV1-Untersuchung durchführen zu lassen. Mit weiterem Schreiben des Landratsamts … vom 07.10.2021 wurde dem Kläger zudem mitgeteilt, dass im Oktober 2021 sowohl die BHV1-Jahresuntersuchung als auch die Leukose- und Brucellose-Untersuchung durchzuführen sei, woraufhin der Kläger mit Schreiben vom 11.10.2021 erklärte, die Untersuchungen der Tiere sei nur über die Fanganlage möglich. Zum Eintreiben benötige er die Hunde, die vom Landratsamt weggenommen worden seien. Die terminliche Gestaltung der Untersuchungen liege daher – über die Freigabe der Hunde – weitgehend in den Händen des Veterinäramts.
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Im Nachgang zur Anhörung vom 07.12.2021 bezüglich des beabsichtigten Erlasses einer behördlichen Untersuchungsanordnung – einschließlich der Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Nachweise – führte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 18.01.2022 im Wesentlichen aus, der Kläger sei grundsätzlich bereit, die vorgeschriebenen Untersuchungen vornehmen zu lassen. Bisher sei dies wegen des Fehlens der Hunde nicht möglich gewesen. Das Eintreiben der Herde in die Fanganlage sei mit Hunden wesentlich schonender und zuverlässiger zu erledigen, benötige weniger Personal und die Verletzungsgefahr für Mensch und Tier verringere sich erheblich. Die beabsichtigte Verkleinerung der Herde und die anschließende Übergabe an einen Nachfolger habe sich massiv verzögert, ohne dass der Kläger dies habe beeinflussen können. Nach derzeitigem Stand könnten die geforderten Maßnahmen ohne Hunde spätestens im Mai 2022 vorgenommen werden.
5
Mit Bescheid vom 10.02.2022 verpflichtete das Landratsamt … den Kläger, die BHV1-Untersuchung mittels einer blutserologischen Kontrolluntersuchung bei allen über 24 Monate alten Rindern (alle männlichen Rinder, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen (Ziff. 1), die Brucellose-Untersuchung mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Brucellose bei allen über 24 Monate alten Rindern (alle männlichen Rinder, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen (Ziff. 2) und die Untersuchung auf Rinder-Leukose mittels einer blutserologischen Untersuchung bei allen über 24 Monate alten Rindern (alle männlichen Rinder, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen (Ziff. 3). Unter Ziff. 4 des Bescheids wurde der Kläger verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis des zuständigen bzw. durchführenden Tierarztes über die erfolgte BHV1-Untersuchung (Probeentnahme sowie Einsendung der Proben zur Untersuchung) oder das Untersuchungsergebnis bis spätestens 15.04.2022 vorzulegen. Unter Ziff. 5 und 6 des Bescheides wurde Entsprechendes im Hinblick auf die Brucellose-Untersuchung (Ziff. 5) und die Rinder-Leukose-Untersuchung (Ziff. 6) angeordnet. Unter Ziff. 7 des Bescheids wurden dem Kläger bei nicht fristgerechter Erfüllung der Verpflichtungen aus den Ziff. 1 bis 6 Zwangsgelder zur Zahlung angedroht, nämlich ein Zwangsgeld in Höhe von je 1.000,00 EUR bei Nichterfüllung der Verpflichtungen nach den Ziffern 1 bis 3 des Bescheides und ein Zwangsgeld in Höhe von je 500,00 EUR bei Nichterfüllung der Pflichten aus den Ziffern 4 bis 6 des Bescheides. Ferner wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 6 des Bescheides angeordnet (Ziff. 8).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das BHV1 sei ein Alphaherpesvirus, welches bei Rindern und anderen Rinderarten eine meist akut verlaufende, hoch ansteckende Viruserkrankung verursache. Brucellose sei eine langsam verlaufende, oft unauffällige Infektion bei Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen mit verschiedenen Bakterien der Gattung Brucella. Sie führe zu zahlreichen Spätaborten. Die Krankheit sei auch auf den Menschen übertragbar und somit eine Zoonose. In einem Bestand verlaufe die Rinderbrucellose seuchenhaft. Die enzootische Leukose der Rinder, auch Rinderleukämie oder Bovine Leukose genannt, sei eine bei Rindern, Büffeln und Wasserbüffeln auftretende tumoröse Entartung der weißen Blutzellen. Sie sei ansteckend und werde als anzeigepflichtige Tierseuche bekämpft.
7
Gemäß § 2a i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1b der BHV1-VO habe der Tierhalter zur Aufrechterhaltung der BHV1-Freiheit gem. Anhang 1 Abschnitt II der BHV1-VO bei allen über 24 Monate alten Rindern blutserologische Kontrolluntersuchungen im Abstand von maximal zwölf Monaten durchzuführen. Abweichend davon könne die zuständige Behörde genehmigen, dass zur Aufrechterhaltung der BHV1-Freiheit eines Bestandes die Kontrolluntersuchung der über 24 Monate alten Rinder im Abstand von längstens drei Jahren durchgeführt werden könne. Eine solche Genehmigung liege nicht vor. Die BHV1-Untersuchung sei demnach bereits im Oktober 2019, 2020 und 2021 überfällig gewesen. Die BHV1-Untersuchung sei mittels einer blutserologischen Untersuchung bei allen über 24 Monate alten Rindern (alle männlichen Rinder, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen.
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Gemäß § 3 Abs. 1 der BrucelloseVO sei der Halter von über 24 Monate alten Rindern verpflichtet, die Tiere nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde im Abstand von längstens drei Jahren mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Brucellose untersuchen zu lassen. Die letzte Untersuchung sei im Oktober 2018, d.h. vor über drei Jahren durchgeführt worden. Die Brucellose-Untersuchung sei mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Brucellose bei allen über 24 Monate alten Rinder (alle männlichen Rinder, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen.
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Nach § 3a Abs. 1 der Rinder-LeukoseVO sei der Halter von über 24 Monate alten Rindern verpflichtet, die Rinder nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde im Abstand von längstens drei Jahren mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Rinder-Leukose untersuchen zu lassen. Im Betrieb des Klägers hätte daher auch im Oktober 2021 die Leukose-Untersuchung durchgeführt werden müssen. Die letzte Untersuchung sei im Oktober 2018 vorgenommen worden. Die Untersuchung auf Rinder-Leukose sei mittels einer blutserologischen Untersuchung bei allen über 24 Monate alten Rindern (alle männlichen Rindern, die zur Zucht verwendet werden und alle weiblichen Rinder) bis spätestens 31.03.2022 durchzuführen.
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Bei den Untersuchungsanordnungen handle es sich um eine gebundene Entscheidung. Der Kläger sei von Gesetzes wegen zur Durchführung der genannten Untersuchungen verpflichtet. Die Frist zur Durchführung der Untersuchungen (bis spätestens 31.03.2022) sei angemessen. Schwierige Witterungsbedingungen oder etwaige coronabedingte Ausfälle von Hilfspersonen o.ä. seien bei der Fristsetzung berücksichtigt worden. Aus diesem Grund sei die Frist – entgegen dem Anhörungsschreiben vom 07.12.2021, bei dem der 25.02.2022 als Frist vorgesehen gewesen sei – auf den 31.03.2022 verlängert worden. Ein Abwarten bis Mai 2022, wie es im Antwortschreiben auf die Anhörung vorgeschlagen worden sei, sei nicht möglich. Soweit sich der Kläger hinsichtlich einer Fristverlängerung darauf berufe, dass er für die Durchführung der Untersuchungen seine Hunde, die ihm vom Landratsamt fortgenommen worden seien, benötige, sei darauf hinzuweisen, dass die Hunde erst im April 2021 fortgenommen worden seien. Gleichzeitig habe der Kläger im Anhörungsschreiben ausgeführt, dass mit geeigneten und geschulten Hilfspersonen die notwendigen Maßnahmen bei der Rinderherde auch ohne die Hunde durchgeführt werden könnten. Bis Oktober 2021 habe genügend Zeit bestanden, um geeignetes Hilfspersonal zu suchen bzw. dieses anzulernen. Der Einsatz von Hilfspersonen sei auch bereits früher im gewissen Rahmen erforderlich gewesen. Es sei nachvollziehbar, dass es zumindest in geringem Umfang durch die Einweisung neuer, gegebenenfalls unerfahrener Hilfspersonen zu Verzögerungen kommen können. Es habe dennoch bis heute genügend Zeit bestanden, Abhilfe zu schaffen. Außerdem sei die BHV1-Untersuchung bereits im Oktober 2019 und im Oktober 2020 fällig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch seine Hunde gehabt und dennoch keine Untersuchungen durchführen lassen. Trotz witterungsbedingter Verzögerungen habe es in den letzten Wochen immer wieder ausreichende Zeitfenster gegeben, in denen die Durchführung einer Fang- bzw. Beprobungsaktion hätte stattfinden können.
11
Ferner sei dem Landratsamt bis zum 15.04.2022 jeweils ein Nachweis über die abgeschlossenen Maßnahmen nach den Ziff. 1 bis 3 des Bescheids zu erbringen. Der schriftliche Nachweis sei vom zuständigen bzw. durchführenden Tierarzt auszustellen. Es müsse bestätigt werden, dass folgende Untersuchungen (Probeentnahme sowie Einsendung der Proben zur Untersuchung) durchgeführt worden seien: BHV1-Untersuchung nach Ziff. 4 des Tenors dieses Bescheids, Brucellose-Untersuchung nach Ziff. 5 des Tenors dieses Bescheides und Rinder-Leukose-Untersuchung nach Ziff. 6 des Tenors dieses Bescheides. Alternativ sei auch die Übermittlung eines schriftlichen Nachweises des Untersuchungsergebnisses möglich. Die gesetzte Frist zur Nachweiserbringung (15.04.2022) sei ebenfalls angemessen.
12
Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 30, 31 und 36 VwZVG. Die Zwangsgeldandrohungen seien erforderlich, um den Kläger anzuhalten, die festgelegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die angedrohten Zwangsgelder seien auch der Höhe nach geeignet, den Kläger dazu anzuhalten, die erforderlichen Maßnahmen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb zu veranlassen. Auch seien die Zwangsgeldandrohungen im Hinblick auch der Bedeutung der Angelegenheit angemessen.
13
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 8 des Bescheidstenors stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (wird weiter ausgeführt und begründet).
14
Mit Schriftsatz vom 17.03.2022 erhob die Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.02.2022, den das Landratsamt … mit Schreiben vom 23.03.2022 der Regierung von … zur Entscheidung vorgelegt hat. Mit Schreiben vom 01.04.2022 teilte die Regierung von … dem Landratsamt … mit, dass entgegen der Rechtsbehelfsbelehrungim angefochtenen Bescheid ein fakultatives Widerspruchsverfahren im Bereich des Tierseuchenrechtes (Tiergesundheitsrechts) nicht zulässig sei, woraufhin das Landratsamt … mit Schreiben vom 12.04.2022 der Bevollmächtigten des Klägers eine geänderte Rechtsbehelfsbelehrung(„unmittelbare Klageerhebung“) zum Ausgangsbescheid vom 10.02.2022 übermittelte und darauf hinwies, dass die Rechtsmittelfrist erst mit Bekanntgabe dieses Schreibens zu laufen beginne.
15
Mit Schriftsatz vom 25.05.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 27.05.2022, erhob die Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragt,
den Bescheid des Landratsamts … vom 10.02.2022 aufzuheben.
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Mit Schriftsatz vom 27.06.2021 teilte die Klägerbevollmächtigte dem Gericht mit, dass es derzeit Gespräche zwischen den Beteiligten wegen einer Gesamtbereinigung der Angelegenheit – auch im Hinblick auf das Verfahren B 1 K 21.603 – gebe und daher gebeten werde, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
17
Mit Schreiben vom 16.08.2022 stimmte das Landratsamt … dem Ruhensantrag zu, woraufhin mit gerichtlichem Beschluss vom 18.08.2022 das Verfahren ruhend gestellt wurde.
18
Am 20.02.2023 beantragte das Landratsamt … die Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens. Dem Kläger sei mit Bescheid vom 18.08.2022 und 01.12.2022 bis zum 28.02.2023 ermöglicht worden, mit Hilfe von drei „Treiberhunden“ die Untersuchungen bei seinem Rinderbestand durchführen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 08.02.2023 habe die Bevollmächtigte des Klägers jedoch mitgeteilt, dass mit den Untersuchungen noch nicht begonnen worden sei. Außerdem sei der Rinderbestand nicht merklich reduziert worden. Der Versuch eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, sei gescheitert. Der Kläger habe auch mit Hilfe seiner Hunde die Arbeiten und Maßnahmen hinsichtlich der Rinderherde nicht durchführen lassen.
19
Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, da der Bescheid vom 10.02.2022 rechtmäßig sei. Insbesondere treffe die Aussage des Klägers, er könne die Maßnahmen nur mit Hilfe seiner Hunde durchführen, nicht zu. Er habe drei seiner Treiberhunde zurückerhalten. Dennoch seien die Untersuchungen nicht durchgeführt worden. Auch die Witterung rechtfertige die Nichtdurchführung der Maßnahmen, die seit Oktober 2019 bzw. Oktober 2021 überfällig seien, nicht. Zudem habe der Kläger am 28.11.2022 gegenüber dem Veterinäramt geäußert, dass auch im Winter die notwendigen Kennzeichnungs- und Probenmaßnahmen hätten durchgeführt werden können. Letztlich sei noch darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2022 erfolglos aufgefordert worden sei, dem Landratsamt ein schriftliches Konzept vorzulegen, aus dem hervorgehe, von wem bzw. mit wessen Unterstützung wann welche Maßnahmen bei der Rinderherde durchgeführt werden könnten. Außerdem habe der Kläger Zwischenstandsmeldungen zum Monatsende (Dezember 2022 und Januar 2023) dem Landratsamt nicht vorgelegt.
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Nachdem das Verfahren mit dem früheren Az. B 7 K 22.530 am 23.02.2023 wiederaufgenommen und unter dem Az. B 7 K 23.154 fortgesetzt wurde, trug die Klägerbevollmächtigte zur Begründung der Klage im Wesentlichen vor, der Kläger wehre sich nicht grundsätzlich gegen die Durchführung der angeordneten Maßnahmen. Diese seien ihm jedoch bis zum Bescheidserlass (10.02.2022) nicht möglich gewesen. Zum Zeitpunkt der Anordnung des Ruhens des Verfahrens habe es bereits intensive Einigungsgespräche zwischen den Beteiligten gegeben. Tatsächlich sei bereits im Juli 2022 eine Einigung erzielt worden. Der entsprechende Bescheid hierzu sei jedoch erst am 18.08.2022 ergangen. Die Rückgabe der Hunde sei erst Ende September erfolgt, so dass der Kläger erst zu diesem Zeitpunkt mit den Vorarbeiten für die Durchführung der Untersuchungen habe beginnen können. Aufgrund der Tatsache, dass dem Beklagten der gesamte Gang der Angelegenheit bekannt sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb gerade jetzt in verschiedenen Richtungen erheblicher Druck ausgeübt werde. Während der Wintermonate habe der Kläger objektiv keine Möglichkeit gehabt, die Maßnahmen umzusetzen. Bevor nicht alle der derzeit noch sieben Bullen abtransportiert seien, werde kein Tierarzt die erforderliche Blutentnahme durchführen. Dem Kläger müsse die Möglichkeit gegeben werden, die Maßnahmen im Laufe des Sommers zu Ende zu bringen. Ihm seien durch die ungeplante Fortführung des Betriebs ungeheure Kosten, insbesondere Futterkosten, entstanden. Ersichtlich sei es nicht in seinem Interesse, die Rinderzucht fortzusetzen und den Betrieb fortzuführen.
21
Mit Schreiben vom 22.03.2023 führte das Landratsamt … im Wesentlichen aus, die Schaffung einer funktionsfähigen Fangeinrichtung und die Bereitstellung einer Möglichkeit zum Abtransport von zur Abgabe vorgesehenen Rindern könne nicht von der Einsatzfähigkeit der Hütehunde abhängig gemacht werden. Bereits nach Erhalt des Bescheids vom 10.02.2022 hätte der Kläger mit einigen Vorarbeiten, beispielsweise der Instandsetzung bzw. dem Bau einer funktionsfähigen Fangeinrichtung und der Instandsetzung der Zufahrtswege beginnen können. Im Übrigen sei auch seit der Rückgabe der Hunde noch genügend Zeit geblieben, in denen die Zufahrtswege zur Weide mit Viehtransportfahrzeugen hätten befahren werden können. Bei einem Gespräch am 24.06.2022 habe der Kläger selbst angegeben, dass die Untersuchungen bis Ende Dezember 2022 durchgeführt werden könnten. Nach der Einschätzung des Veterinäramtes …sei auch nicht zwingend erforderlich, die Bullen abzutransportieren. Für die Durchführung der angeordneten Untersuchung sei es ausreichend, wenn der Kläger die Bullen absondere und von der Herde wegsperre. Entsprechende Voraussetzungen hätte der Kläger längst schaffen können. Der Kläger habe das mit Schreiben vom 01.12.2022 angeforderte Konzept immer noch nicht vorgelegt. Es sei nicht bekannt, wie konkret, wann und von wem die für die Beprobung der Rinder erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Vielmehr sei der Eindruck entstanden, dass der Kläger zwar die Grundversorgung der Rinder sicherstellen könne, ansonsten mit dem Management seiner Rinderhaltung und mit der Durchführung von Maßnahmen bei der Herde völlig überfordert sei. Es scheine auch so, als sei er nicht bereit, sich um professionelle Hilfe durch Betriebshelfer zu kümmern. Unter den aktuellen Umständen sei es nicht vertretbar, dem Kläger eine Fristverlängerung für die Durchführung der Untersuchungen zu gewähren.
22
Auf Anfrage des Gerichts teilte das Landratsamt … mit Schreiben vom 04.07.2023 mit, Rechtsgrundlage für die Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 des Tenors des Bescheids vom 10.02.2022 sei Art. 138 VO (EU) 2017/625. Danach ergreifen die zuständigen Behörden bei Feststellung eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen, um den Ursprung und den Umfang des Verstoßes sowie die Verantwortung des Unternehmers zu ermitteln. Sie ergreifen auch geeignete Maßnahmen um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beende und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindere. Bei einem Tätigwerden im Einklang mit Art. 138 Abs. 1 VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Anforderungen im Bereich der Tiergesundheit gem. Art. 1 Abs. 2 Buchst. d VO (EU) 2017/625 zu gewährleisten (Art. 138 Abs. 2 Hs. 1 VO (EU) 2017/625). Dazu gehörten u.a. die in Art. 138 Abs. 2 Buchst. a bis k VO (EU) 2017/625 aufgeführten Maßnahmen, also auch die Anordnung von Behandlungen von Tieren. Unter Verweis auf die E-Mail der Regierung von … vom 30.06.2023 sei Deutschland gem. Art. 25 bis Art. 30 VO (EU) 2016/429 i.V.m. Anhang I, Anhang IV und Anhang V der DurchführungsVO (EU) 2021/620 anerkannt frei von Brucellose (Anhang I), Leukose (Anhang IV) und IBR, also BHV1-Infektionen (Anhang V). Zur Aufrechterhaltung dieses Status seien Untersuchungen nach Anhang IV der Delegierten VO (EU) 2020/689 erforderlich (Brucellose: Teil I Kapitel 3 Abschnitt 2 Nr. 1 Buchst. c; Leukose: Teil III Kapitel 2 Abschnitt 2 Buchst. c und IBR: Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 2 Nr. 1 Buchst. b). Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Delegierten VO (EU) 2020/689 würden die spezifischen Überwachungsanforderungen von den zuständigen Behörden geregelt. Da die LeukoseVO, die BrucelloseVO und die BHV1-VO nach wie vor in Kraft seien, regelten die zuständigen Behörden den Umfang der Untersuchungspflicht nach nationalem Recht.
23
Mit gerichtlichem Schreiben vom 25.05.2022 wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids gehört.
24
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen. Die Gerichtsakte im Verfahren B 1 K 21.603 wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

25
I. Über die Klage kann das Gericht gem. § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zudem mit gerichtlichem Schreiben vom 25.05.2022 entsprechend gehört.
26
II. Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 10.02.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27
1. Rechtsgrundlage für die unter Ziff. 1 des Bescheids angeordnete BHV1-Untersuchung ist Art. 138 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Hs. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EU) 2017/625.
28
Nach Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden, wenn ein Verstoß gegen Anforderungen im Bereich der Tiergesundheit (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. d VO (EU) 2017/625) festgestellt wird, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften (Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/625). Wenn die zuständigen Behörden im Einklang mit Art. 138 Abs. 1 VO (EU) 2017/625 tätig werden, ergreifen sie gem. Art. 138 Abs. 2 Hs. 1 VO (EU) 2017/625 alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 zu gewährleisten Die zuständigen Behörden sind insbesondere befugt, die Behandlung von Tieren – und damit auch die streitgegenständliche Untersuchung – anzuordnen (Art. 138 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a VO (EU) 2017/625).
29
a) Vorliegend ist durch die Nichtvornahme der fälligen BHV1-Untersuchung ein Verstoß des Klägers gegen die gesetzlichen Anforderungen im Bereich Tiergesundheit gegeben.
BHV1 – auch bekannt als IBR- oder IPV-Virus und Verursacher der Krankheitsbilder Infektiöse Bovine Rhinotracheitis und Infektiöse Vulvovaginitis – ist eine gelistete Seuche i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 2016/429 i.V.m. Anhang II VO (EU) 2016/429 (vgl. auch Erwägungsgrund 3 der ursprünglichen Fassung der DurchführungsVO (EU) 2021/620), die gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e ii VO (EU) 2016/429 nach den Bestimmungen der Art. 24 ff. VO (EU) 2016/429 zu überwachen ist. Da die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 280 Abs. 1 VO (EU) 2016/429 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 DurchführungsVO (EU) 2021/620 i.V.m. Anhang V der DurchführungsVO (EU) 2021/620 gegenwärtig insoweit „seuchenfrei“ ist, ergeben sich die seuchenspezifischen Anforderungen zur Aufrechterhaltung dieses Status aus Art. 72 Buchst. d der Delegierten VO (EU) 2020/689 i.V.m. Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 1 i.V.m. Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 2 der Delegierten VO (EU) 2020/689. Nach Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 2 Abs. 1 der Delegierten VO (EU) 2020/689 kann der Status „frei von IBR/IPV in Bezug auf gehaltene Rinder“ eines Mitgliedstaats oder einer Zone nur aufrechterhalten werden, wenn die in Abschnitt 1 festgelegten Anforderungen weiterhin erfüllt sind (Buchst. a) und eine auf eine Zufallsstichprobe gestützte jährliche Überwachung durchgeführt wird, die mindestens den Nachweis der Infektion von Betrieben mit BoHV-1 mit einer Zielprävalenz von 0,2% der Betriebe oder mit BoHV-1 infizierter Rinder bei einer Zielprävalenz von 0,1% der Rinderpopulation mit einem Konfidenzniveau von 95% ermöglichen muss (Buchst. b), wobei abweichend von Absatz 1 Buchst. b eine Überwachung durchgeführt werden kann, um jährlich unter Berücksichtigung der Produktionssysteme und der festgestellten Risikofaktoren die Abwesenheit von Infektionen mit BoHV-1 nachzuweisen, sofern in fünf aufeinander folgenden Jahren nach der Gewährung des Status „frei von IBR/IPV“ in dem Mitgliedstaat oder der Zone keine Ausbrüche festgestellt wurden (vgl. Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 2 Abs. 3 der Delegierten VO (EU) 2020/689). Die jeweiligen spezifischen Überwachungsanforderungen von gelisteten Seuchen bei Landtieren – und damit auch eine gem. Anhang IV Teil IV Kapitel 2 Abschnitt 2 Abs. 3 der Delegierten VO (EU) 2020/689 „abweichende“ Überwachungspraxis – werden in Bezug auf die Aufrechterhaltung des Status „seuchenfrei“ von der zuständigen Behörde geregelt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b iii der Delegierten VO (EU) 2020/689). Insoweit kann die Behörde auf die sich weiterhin in Kraft befindende deutsche BHV1-VO zurückgreifen, die im Anhang 1 Abschnitt II die Anforderungen der BHV1-Freiheit eines Rinderbestandes (Kontrolluntersuchungen) regelt. Gem. Anhang 1 Abschnitt II Nr. 2 Satz 1 BHV1-VO sind bei allen über 24 Monate alten Rindern blutserologische Kontrolluntersuchungen im Abstand von maximal zwölf Monaten durchzuführen, wobei bei Rinderbeständen, die frei von klinischen Erscheinungen sind, die auf eine BHV1-Infektion hindeuten, die blutserologischen Untersuchungen (nur) bei allen über 24 Monaten alten weiblichen Rindern sowie bei männlichen Rindern, die zur Zucht verwendet werden, durchgeführt werden müssen (vgl. Anhang 1 Abschnitt II Nr. 2 Satz 2 Buchst. a BHV1-VO).
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Dementsprechend ist der Kläger verpflichtet, bei allen über 24 Monaten alten weiblichen Rindern sowie bei männlichen Rindern, die zur Zucht verwendet werden, jährlich blutersologische Untersuchungen durchführen zulassen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger unstreitig schon seit dem Jahr 2018 nicht mehr nachgekommen. Eine „Ausnahmegenehmigung“ i.S.v. Anhang 1 Abschnitt II Nr. 5 BHV1-Verordnung („Untersuchungsintervall“ von drei Jahren) wurde dem Kläger nicht erteilt, so dass aufgrund der Nichtdurchführung der BHV1-Untersuchung ein Verstoß gegen Anforderungen im Bereich der Tiergesundheit i.S.d. Art. 138 Abs. 1 u. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. d VO (EU) 2017/625 vorliegt.
31
b) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Ziff. 1 des Bescheids steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte die Rechtsgrundlagen für die Untersuchungsanordnung im Bescheid zunächst nur bruchstückhaft zitiert und „Präzisierungen“ erst im Laufe des Klageverfahrens erfolgt sind. Jedenfalls der maßgebliche Anhang 1 Abschnitt II der BVH1-VO, der gegenwärtig immer noch gültig ist und anhand dessen der Beklagte die Untersuchungspflicht zutreffend herausgearbeitet hat, ist im Bescheid genannt. In Anbetracht dessen, dass selbst die Angabe einer fehlerhaften Rechtsgrundlage einen Verwaltungsakt nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig macht, wenn sich – soweit die Regelung durch den Austausch der Begründung nicht in ihrem Wesen geändert wird – die getroffene Regelung aus anderen als den angegebenen Rechtsvorschriften und Gründen als rechtmäßig erweist (BVerwG, Urt. V. 19.8.1988 – 8 C 29/87 – juris; BVerwG U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – juris), führen auch die ursprünglichen „Lücken“ bei der Rechtsgrundlage nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Insbesondere erfolgt vorliegend durch das bloße „Nachschieben“ weiterer Normen bzw. durch die Vervollständigung der „Normenkette“ keine Wesensänderung der Untersuchungsanordnung.
32
c) Ermessenfehler bzw. Verstöße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind nicht ersichtlich.
33
Art. 138 Abs. 1 und 2 VO (EU) 2017/62 verpflichtet die zuständigen Behörden zum Einschreiten, wenn Bestimmungen des Tiergesundheitsrechts nicht eingehalten werden. Lediglich die Auswahl der geeigneten Maßnahmen steht im Ermessen der Behörde (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 18.4.2023 – 1 A 122/20 – juris). Insoweit hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend erkannt, dass es sich beim „ob“ des Einschreitens um eine „gebundene Entscheidung“ handelt, da die Behörde zum Einschreiten verpflichtet ist. Auch das „wie“ der Anordnung, d.h. die Maßnahmenauswahl in Form der Untersuchungsanordnung ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Bei Nichterfüllung der vorliegend kraft Gesetzes bestehenden Untersuchungspflicht ist keine andere, insbesondere weniger einschneidende Maßnahme denkbar, als die gesetzliche Pflicht mittels Verwaltungsakt anzuordnen, um letztlich einen Vollstreckungstitel zu schaffen. Die Grenzen des gerichtlich überprüfbaren Ermessens (vgl. § 114 S.1 VwGO) sind daher nicht überschritten.
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Letztlich erweist sich die Untersuchungsanordnung auch nicht als unverhältnismäßig. Im angefochtenen Bescheid und im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Untersuchung seit Jahren überfällig ist und der Kläger – trotz wiederholter Fristverlängerungen und zunächst formloser Aufforderungen – keinerlei Anstrengungen unternommen hat, die Untersuchung zu veranlassen.
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2. Rechtsgrundlage für die unter Ziff. 2 des Bescheids angeordnete Brucellose-Untersuchung ist ebenfalls Art. 138 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Hs. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EU) 2017/625.
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Rinder-Brucellose (Brucella abortus, Brucella melitensis und Brucella suis) ist eine gelistete Seuche i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 2016/429 i.V.m. Anhang II VO (EU) 2016/429 (vgl. auch Erwägungsgrund 3 der ursprünglichen Fassung der DurchführungsVO (EU) 2021/620), die gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e ii nach den Bestimmungen der Art. 24 ff. VO (EU) 2016/429 zu überwachen ist. Da die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 280 Abs. 1 VO (EU) 2016/429 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 DurchführungsVO (EU) 2021/620 i.V.m. Anhang I der DurchführungsVO (EU) 2021/620 gegenwärtig insoweit „seuchenfrei“ ist, ergeben sich die seuchenspezifischen Anforderungen zur Aufrechterhaltung dieses Status aus Art. 72 Buchst. a der Delegierten VO (EU) 2020/689 i.V.m. Anhang IV Teil I Kapitel 3 Abschnitt 1 i.V.m. Anhang IV Teil I Kapitel 3 Abschnitt 2 der Delegierten VO (EU) 2020/689. Nach Anhang IV Teil I Kapitel 3 Abschnitt 2 Abs. 1 der Delegierten VO (EU) 2020/689 kann der Status „frei von einer Infektion mit Brucella abortus, B. melitensis und B. suis in Bezug auf gehaltene Rinder“ eines Mitgliedstaats oder einer Zone nur aufrechterhalten werden, wenn die in Abschnitt 1 Buchstaben a, b und d festgelegten Anforderungen weiterhin erfüllt sind (Buchst. a) und während der ersten zwei aufeinanderfolgenden Jahre nach Gewährung des Status eine auf eine repräsentative Stichprobe aller Betriebe, in denen Rinder gehalten werden, gestützte jährliche Überwachung durchgeführt wurde, die mindestens den Nachweis einer Infektion mit Brucella abortus, B. melitensis und B. suis bei einer Zielprävalenz von 0,2% der Betriebe, in denen Rinder gehalten werden, oder einer Zielprävalenz von 0,1% der Rinderpopulation mit einem Konfidenzniveau von 95% ermöglichen muss (Buchst. b); wenn während zweier aufeinander folgender Jahre nach der Gewährung des Status kein Fall einer Infektion mit Brucella abortus, B. melitensis und B. suis bei gehaltenen Rindern bestätigt wurde, muss die Überwachung auf Folgendes gestützt werden: eine zufallsgestützte jährliche Überwachung, die mindestens den Nachweis einer Infektion mit Brucella abortus, B. melitensis und B. suis bei einer Zielprävalenz von 0,2% der Betriebe, in denen Rinder gehalten werden, oder einer Zielprävalenz von 0,1% der Rinderpopulation mit einem Konfidenzniveau von 95% ermöglichen muss (Buchst. c i), oder eine risikobasierte jährliche Überwachung zum Nachweis von Infektionen mit Brucella abortus, B. melitensis und B. suis unter Berücksichtigung der Produktionssysteme und der festgestellten Risikofaktoren, einschließlich der Ausbreitung der Infektion von anderen Tieren als gehaltenen Rindern (Buchst. c ii).
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Die vorstehende europarechtlich normierte (lediglich) zufallsgestützte bzw. risikobasierte – d.h. dass die Auswahl der zu untersuchenden Tiere bzw. der zu kontrollierenden Betriebe gezielt auf Basis einer Risikoanalyse erfolgt – jährliche Überwachung, steht der streitgegenständlichen Untersuchungsanordnung gegenüber dem Kläger nicht entgegen. Europarechtlich ist zwar nicht verpflichtend, dass jeder Rinderbestand innerhalb eines bestimmten Zeitraum wiederkehrend (z.B. jährlich) auf Brucellose zu untersuchen ist. Die nationalen Behörden können der Brucelloseüberwachung jedoch (weiterhin) ein dreijähriges Untersuchungsintervall bei jedem betroffenen Rinderhalter zugrunde legen. Auch im Hinblick auf Brucellose werden nämlich die jeweiligen spezifischen Überwachungsanforderungen in Bezug auf die Aufrechterhaltung des Status „seuchenfrei“ von der zuständigen Behörde geregelt (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b iii der Delegierten VO (EU) 2020/689). Insoweit kann die Behörde auf die sich weiterhin in Kraft befindende deutsche BrucelloseVO zurückgreifen, nach deren § 3 Abs. 1 der Halter von über 24 Monate alten Rindern verpflichtet ist, die Tiere nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde im Abstand von längstens drei Jahren mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Brucellose untersuchen zu lassen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der „Anwendungsvorrang des Europarechts“ es nicht verbietet, strengere nationale Standards weiterhin aufrechtzuerhalten und anzuwenden.
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Gemessen hieran ist auch die unter Ziff. 2 des Bescheids angeordnete Untersuchung rechtlich nicht zu beanstanden. Die letzte Brucellose-Untersuchung wurde im Oktober 2018, d.h. vor mehr als drei Jahren vor Bescheidserlass durchgeführt. Da die Behörde den „nationalen Zeitraum“ von drei Jahren dem Kläger vor Erlass der förmlichen Untersuchungsanordnung voll zugestanden hat, bestehen insoweit auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung. Im Übrigen verweist die Kammer ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen unter 2.
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3. Die Anordnung der Untersuchung auf Rinder-Leukose (Ziff. 3. des Bescheids) findet ihre Rechtsgrundlage wiederum in Art. 138 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Hs. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EU) 2017/625.
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Rinder-Leukose (Enzootische Leukose der Rinder – EBL) ist eine gelistete Seuche i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 2016/429 i.V.m. Anhang II VO (EU) 2016/429 i.d.F. von Art. 1 der Delegierten VO (EU) 2018/1629 (vgl. auch Erwägungsgrund 3 der ursprünglichen Fassung der DurchführungsVO (EU) 2021/620), die gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. e ii VO (EU) 2016/429 nach den Bestimmungen der Art. 24 ff. VO (EU) 2016/429 zu überwachen ist. Da die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 280 Abs. 1 VO (EU) 2016/429 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 DurchführungsVO (EU) 2021/620 i.V.m. Anhang IV der DurchführungsVO (EU) 2021/620 gegenwärtig insoweit „seuchenfrei“ ist, ergeben sich die seuchenspezifischen Anforderungen zur Aufrechterhaltung dieses Status aus Art. 72 Buchst. c der Delegierten VO (EU) 2020/689 i.V.m. Anhang IV Teil III Kapitel 2 Abschnitt 1 i.V.m. Anhang IV Teil III Kapitel 2 Abschnitt 2 der Delegierten VO (EU) 2020/689. Nach Anhang IV Teil III Kapitel 2 Abschnitt 2 der Delegierten VO (EU) 2020/689 kann der Status „frei von EBL in Bezug auf gehaltene Rinder“ eines Mitgliedstaats oder einer Zone nur aufrechterhalten werden, wenn die in Abschnitt 1 festgelegten Anforderungen weiterhin erfüllt sind (Buchst. a) und während der ersten fünf Jahre nach Gewährung des Status „frei von EBL“ eine Überwachung durchgeführt wird, die auf Folgendes gestützt ist: eine jährliche zufallsgestützte Probenahme zur Erkennung mit EBL infizierter Betriebe mindestens mit einem Konfidenzniveau von 95% bei einer Zielprävalenz von 0,2% (Buchst. b i), oder mindestens einmal durchgeführte serologische Untersuchung aller Rinder über 24 Monaten (Buchst. b. ii) und nach den ersten fünf Jahren nach Anerkennung des Status „frei von EBL“ eine Überwachung zum Nachweis der Infektionsfreiheit durchgeführt wird, die die Produktionssysteme und die festgestellten Infektionsrisiken berücksichtigt (Buchst. c). Insoweit ist daher für den gegenwärtigen Zustand in der Bundesrepublik Deutschland europarechtlich gemäß Anhang IV Teil III Kapitel 2 Abschnitt 2 Buchst. c der Delegierten VO (EU) 2020/689 vorgeschrieben, dass eine Überwachung zum Nachweis der Infektionsfreiheit auf Rinder-Leukose durchgeführt wird, die die Produktionssysteme und die festgestellten Infektionsrisiken berücksichtigt. Die jeweiligen Einzelheiten werden wiederum gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b iii der Delegierten VO (EU) 2020/689 von den zuständigen Behörden unter Berücksichtigung der fortgeltenden – dem Europarecht nicht entgegenstehenden nationalen Vorschriften – bestimmt. Nach § 3a Abs. 1 der Rinder-LeukoseVO ist der Halter von über 24 Monate alten Rindern verpflichtet, die Rinder nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde im Abstand von längstens drei Jahren mittels einer blutserologischen Untersuchung auf Rinder-Leukose untersuchen zu lassen.
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Da im Betrieb des Klägers bereits im Oktober 2021 die Leukose-Untersuchung hätte durchgeführt werden müssen, bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der Untersuchung auf Rinder-Leukose. Im Übrigen wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. und 2. verwiesen.
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4. Rechtliche Bedenken gegen die verfügten Nachweispflichten (Ziff. 4-6 des Bescheids) sind weder vorgetragen, noch für das Gericht anderweitig ersichtlich. Insoweit handelt es sich um „Minusbzw. Annexmaßnahmen“ zu den angeordneten Untersuchungen, die als geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung, dass der Kläger die tierseuchenrechtlichen Verstöße beendet, ebenfalls von Art. 138 Abs. 2 Hs. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Hs. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EU) 2017/625 gedeckt sind.
43
5. Die Zwangsgeldandrohungen unter Ziff. 7 des Bescheids sind rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde dem Kläger zur Erfüllung der Handlungspflichten nach den Ziffern 1-6 jeweils eine angemessene Erfüllungsfrist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG eingeräumt. Insoweit verfängt er klägerische Vortrag, die Fristen seinen zu kurz bemessen, nicht. Dem Kläger wurde eine Frist zur Vornahme der Untersuchungen von rund sechs Wochen eingeräumt. In Anbetracht der seit Monaten bzw. Jahren bestehenden Untätigkeit des Klägers, den zunächst wiederholt formlosen Zugeständnissen an den Kläger und den Missständen im klägerischen Betrieb, erweist sich die Erfüllungsfrist als angemessen. Gleiches gilt für die Erfüllungsfrist im Hinblick auf die Nachweisvorlage. Unschädlich ist ferner, dass die Erfüllungsfristen im Bescheidstenor nicht unter Ziff. 7, sondern bereits jeweils im Rahmen der Grundverfügungen angeführt wurden. Es steht nämlich außer Zweifel, dass die genannten Fristen nicht die Wirksamkeit der jeweiligen Grundverfügungen zum Gegenstand haben sollen, sondern für die Androhung der Zwangsgelder von Bedeutung sind.
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6. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.