Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 27.09.2023 – B 7 S 23.30770
Titel:

Erfolgloser Eilantrag eines Syrers wegen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Griechenland

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35
GrCH Art. 4
EMRK Art. 3
Asylverfahrens-RL Art. 33 Abs. 2a
Leitsatz:
Die Unzulässigkeitsentscheidung kann aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller als anerkannter Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, diesen der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren mit der Folge, dass Verstöße im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sekundärmigration Griechenland, Keine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei längerem Voraufenthalt, beruflicher Integration und Sprachkenntnissen, Darlegungspflicht des Asylbewerbers, Eilantrag, Syrer, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Unzulässigkeitsentscheidung, Flüchtlingseigenschaft, Griechenland, Lebensverhältnisse, ernsthafte Gefahr, systemische Mängel, elementarste Bedürfnisse, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, international Schutzberechtigte, Rückkehr
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30314

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 08.09.2023 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 13.01.2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26.05.2023 einen Asylantrag.
2
Die EURODAC-Trefferabfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ergab einen Treffer der „Kategorie 1“, wonach der Antragsteller am 14.09.2018 in Griechenland internationalen Schutz beantragt hat. Nach Mitteilung der griechischen Behörden vom 30.03.2023 wurde dem Antragsteller am 30.03.2020 in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
3
Bei den Befragungen am 26.05.2023 bzw. am 01.08.2023 gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, er habe in Syrien die Schule bis zur 8. Klasse besucht und anschließen im Lebensmittelgroßhandel gearbeitet. Während seiner Wehrzeit (2011 bis 2012) sei er als Fahrer tätig gewesen. Syrien habe er Anfang 2016 verlassen. Er sei zunächst in die Türkei gegangen. Dort habe er sich illegal aufgehalten und nichts gearbeitet. Im Mai 2017 sei er nach Griechenland eingereist, wo er sich bis Januar 2023 aufgehalten habe. In Griechenland habe er in Chalkida in einer Art Hotel, die zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt worden sei, gelebt. Die Unterkunft habe er mehrmals gewechselt, bis er griechische Papiere bekommen habe. Dann habe man ihm gesagt, dass er das Hotel verlassen müsse. Er habe dann auch keine Unterstützung mehr bekommen. Nachdem er die Papiere bekommen habe, sei er in dem einen Hotel namens … gegangen. Dort habe er gewohnt und gearbeitet. Daneben habe er in Griechenland auch einige Zeit als Maler gearbeitet. Man habe aber wenig Möglichkeiten, eine Arbeit in Griechenland zu finden. In Griechenland habe man ihn zudem schlecht behandelt, weil er sich mit einem falschen Personalausweis aus Syrien habe registrieren lassen. Dann habe er aber gesagt, dass das nicht sein Name sei. Dennoch sei er weiterhin mit falschem Namen registriert gewesen. Das habe ihn psychisch sehr getroffen. Er habe mehrmals versucht, dies korrigieren zu lassen. Wenn er nach Griechenland komme, müsse er deswegen sicherlich ins Gefängnis. Wegen der Unterkunft in Griechenland ohne Papiere und mit falscher Identität habe er psychische Probleme. Diese seien in Bamberg behandelt worden. Jetzt sei es besser geworden, er sei aber immer noch in Behandlung. Er habe noch Termine und nehme Tabletten gegen Depressionen, deren Namen er jedoch nicht wisse.
4
Mit Bescheid vom 08.09.2023, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 14.09.2023, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
5
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, da dem Antragsteller laut Schreiben der griechischen Behörden bereits in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Der Antrag werde daher in Deutschland nicht materiell geprüft.
6
Der Entscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stehe auch nicht entgegen, dass der EuGH mit Urteil vom 19.03.2019 (Az.: C-297/17) entschieden habe, dass eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, weil dem Antragsteller in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, nur dann möglich sei, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt sei, aufgrund der Lebensumstände, die ihn im Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu erfahren. Zwar verkenne man die derzeit schwierigen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Griechenland nicht. Von einer allgemeinen Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Griechenland könne deswegen aber nicht ausgegangen werden. Weder sei eine Verletzung der in Art. 26 ff. der RL 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar, noch herrschten in Griechenland derart eklatante Missstände, welche die Annahme rechtfertigen würden, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden. Dies werde auch von Teilen der deutschen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie jüngst im europäischen Kontext durch die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts des Großherzogtums Luxemburg, dem Verwaltungsgerichtshof Österreich, das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz oder dem Amtsgericht Oslo so gesehen (wird weiter ausgeführt). Die erniedrigende Behandlung müsse, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Es komme weder darauf an, ob die Lebensbedingungen in Griechenland mit denen in Deutschland vergleichbar seien, noch gebe Art. 3 EMRK dem Antragsteller einen Anspruch auf spezielle Leistungen. Die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Griechenland seien zwar schwierig, es liege jedoch keine Versorgungsverweigerung des griechischen Staates vor. Eventuelle Defizite genügten nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Situation für international Schutzberechtigte in Griechenland anzunehmen (wird umfassend ausgeführt). Dem Antragsteller sei es somit möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative zu vermeiden, dass er in einer Situation extremer materieller Not gerate, die es ihm nicht erlaube, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Der Vortrag des Antragstellers, dass er nicht nach Griechenland, sondern in Deutschland bleiben wolle, könne nicht berücksichtigt werden und lasse auch nicht auf systemische Mängel in Griechenland schließen. Er müsse sich vielmehr darauf verweisen lassen, dass durch die Schutzgewährung in Griechenland eine Schutzbedürftigkeit nicht mehr vorliege. Persönliche Referenzen seien nicht berücksichtigungsfähig. Im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems bestehe für Asylsuchende keine Wahlmöglichkeit, mit der sie selbst entscheiden könnten, in welches europäische Land man gehe, um Schutz zu suchen. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK läge nur vor, wenn im Falle einer Überstellung des Antragstellers nach Griechenland seine elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden könnten. Eine vorhandene besondere Verletzlichkeit sei durch den Antragsteller nachzuweisen. Nach eigenen Ausführungen des Antragstellers habe dieser in Griechenland Schutz erhalten und gearbeitet. Als Schutzberechtigter stehe ihm u.a. der Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie zur Sozialhilfe offen. Gegenteiliges habe der Antragsteller nicht nachvollziehbar darlegen können. Daneben sei nicht hinreichend dargelegt worden, dass er sich nach der Schutzgewährung erfolglos um Versorgungs- und Hilfeleistungen bemüht habe. Die Lebensumstände seien mit Blick auf den Aufenthalt nach der Schutzzuerkennung von ungefähr zwei Jahren und zehn Monaten weitestgehend ungeklärt geblieben. Es sei jedoch Aufgabe des Antragstellers, die Lebensumstände genauer darzulegen. Gegenwärtig sei davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige Antragsteller erneut in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt selbst zu organisieren. Der Vortrag, er sei wegen seiner falschen Identität schlecht behandelt worden, führe nicht zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Bezüglich etwaiger Übergriffe, sei es dem Antragsteller zuzumuten, sich an die griechische Polizei zu wenden. Auch ein etwaiges Fehlverhalten einzelner griechischer Bürger könne nicht auf eine generelle Feindseligkeit der griechischen Bevölkerung übertragen werden. Dass dem Antragsteller ein Zugang zum Arbeitsmarkt offen steht zeige sich insbesondere durch dessen Vortrag, er habe in Griechenland als Maler und in einem Hotel gearbeitet. Dadurch lasse sich ableiten, dass der Antragsteller in der Lage gewesen sei, eigenständig einen Arbeitsplatz in Griechenland zu finden und seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Im Falle der Abschiebung sei daher keine Gefahr der Verelendung ersichtlich.
7
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sei nicht einschlägig. Hinsichtlich der Situation, in der der Antragsteller im schutzgewährenden Staat leben werde, könne keine andere Wertung erfolgen, als schon zu den Voraussetzungen der Unzulässigkeit anhand der Anforderungen des EuGHs erfolgt sei.
8
Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Der Antragsteller habe zwar vorgetragen, an gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Bis zum Entscheidungszeitpunkt seien aber keinerlei medizinischen Unterlagen vorgelegt worden. Darüber hinaus befinde sich der Antragsteller nach Kenntnislage des Bundesamts in keiner längerfristigen ärztlichen Behandlung. Der Antragsteller habe in keiner Weise darlegen können, inwiefern die angegebenen gesundheitlichen Beschwerden eine erhebliche konkrete Gefahr für ihn darstellten. Die medizinischen Beschwerden seien daher als nicht lebensbedrohlich und nicht schwerwiegend zu beurteilen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller von einer medizinischen Versorgung in Griechenland grundsätzlich ausgeschlossen sei.
9
Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34, 35 AsylG zu erlassen. Dem Erlass der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung stehe auch nicht die Rechtsprechung des EuGH vom 15.02.2023 (C-484/22) entgegen. Der Antragsteller habe zu möglichen Kindeswohlbelangen bzw. familiären Bindungen in Deutschland weder etwas vorgetragen, noch sonst seien im Entscheidungszeitpunkt derartige Belange aus dem Akteninhalt ersichtlich. Ferner lägen im Zeitpunkt der Asylentscheidung keine Anhaltspunkte zum Gesundheitszustand des Antragstellers vor, die als inlandsbezogene Abschiebungshindernisse dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegenstehen würden, weil bei einer künftigen Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung die Realisierung einer unmenschlichen Behandlung bzw. Suizidgefährdung drohen könnte. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Um eine mit der Rückführungsrichtlinie zu vereinbarende modifizierende Anwendung zu erreichen, erfolge die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Hierdurch beginne die Ausreisefrist nicht vor Ablauf der Klagefrist zu laufen, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht vor Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts über diesen.
10
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Frist beginne mit der Abschiebung. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
11
Mit Schriftsatz vom 21.09.2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (Az.: B 7 K 23.30771) gegen den Bescheid vom 08.09.2023 und beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Gewährung von Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Griechenland sei qualitativ nicht zu vergleichen mit der Gewährung des gleichen Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland. Abschiebungen nach Griechenland seien derzeit nach wie vor ausgeschlossen. Dies habe das OVG des Saarlands in fünf Fällen entschieden (U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 u.a.). Nach einer Rückkehr nach Griechenland könnten die Menschen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit elementarste Bedürfnisse nicht befriedigen. Sie seien absehbar für längere Zeit nicht in der Lage, dort ihren Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften. Mangels staatlicher oder sonstiger Hilfen bestünde nach der aktuellen Auskunftslage ein ernsthaftes Risiko, obdachlos zu werden und in eine Situation extremer materieller Not zu geraten. Dies gelte im Grundsatz unabhängig von allen sonstigen Umständen und den persönlichen Verhältnissen des Einzelfalles.
13
Mit Schriftsatz vom 25.09.2023 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
14
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
15
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
16
1. Der Antrag vom 21.09.2023 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist gem. §§ 122, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des Bescheids vom 08.09.2023 ausgesprochene Abschiebungsandrohung nach Griechenland auszulegen.
17
2. Der so zu verstehende Antrag ist zwar zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
18
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Dabei darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der Abschiebung jedoch nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; VG Augsburg, B.v.28.3.2017 – Au 7 S 17.30519 – juris).
19
Die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland begegnet bei Anlegung des obigen Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken. Die Klage wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben. Damit kommt auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessensabwägung nicht in Betracht.
20
a) Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Mitteilung der zuständigen Behörde in Griechenland wurde dem Antragsteller bereits im Jahr 2020 in Griechenland internationaler Schutz i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt.
21
b) Die Unzulässigkeitsentscheidung ist auch nicht aufgrund der gegenwärtigen Lebensverhältnisse in Griechenland rechtswidrig. Das Bundesamt dürfte im vorliegenden Einzelfall des Antragstellers von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG Gebrauch machen.
22
Liegen die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller als anerkannter Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, diesen der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540.17 – juris; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297-17 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris; BVerwG, U.v. 21.4.2020 – 1 C 4/19 – juris). Damit ist geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK (vgl. SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris) im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen.
23
Dem hiesigen Antragsteller droht jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“, vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris) eine derartige Behandlung zu erfahren.
24
aa) Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann unter Art. 4 GRC, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
25
bb) Für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte besteht nach der überwiegenden Rechtsprechung – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich die ernsthafte Gefahr, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland ihre elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum nicht befriedigen können und damit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK erfahren (so auch OVG Bautzen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492/21 A – juris; OVG Münster, B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; VGH Mannheim, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; VG Kassel, B.v. 23.2.2023 – 7 L 263/23.KS.A – juris m.w.N.; VG Bremen, U.v. 23.2.2023 – 5 K 20231434/22 – juris m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30277 – juris; vgl. auch OVG Saarland, U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris). Dies dürfte nach der überwiegenden Rechtsprechung auch für in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte gelten, die nicht besonders vulnerabel sind. Die vorstehende Annahme zur „Gefahr der Verelendung“ auch nicht vulnerabler Personengruppen, bedarf im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Vertiefung, da trotz der allgemeinen Verhältnisse in Griechenland eine Unzulässigkeitsentscheidung jedenfalls im Einzelfall rechtmäßig sein kann, wenn in der Person des Antragstellers besondere Umstände vorliegen, welche eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK als unwahrscheinlich erscheinen lassen (VG Würzburg, U.v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30277 – juris; VG Bayreuth, B.v. 15.5.2023 – B 7 S 23.30402 – juris m.w.N.). Liegen solche besonderen Umstände vor (beispielsweise langjähriger früherer Aufenthalt im Drittstaat mit Sprachkenntnissen und dortige Erwerbstätigkeit), obliegt es nämlich dem jeweiligen Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten konkret darzulegen, warum (auch gerade) ihm eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. VG Bremen, U.v. 23.2.2023 – 5 K 14.34/22 – juris; VG Würzburg, U.v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30277 – juris; VGH Mannheim, U.v. 22.2.2023 – A 11 S 1329/20 – juris; VG Bayreuth, B.v. 15.5.2023 – B 7 S 23.30402 – juris).
26
Die international schutzberechtigten Rückkehrern nach Griechenland nach der bestehenden Erkenntnismittellage in Übereinstimmung mit der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung drohenden unzumutbaren Lebensumstände, die grundsätzlich zur Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrC, Art. 3 EMRK führen, sind jedoch aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall des hiesigen Antragstellers nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Anders als die Mehrzahl der nach Griechenland zurückkehrenden Personen mit internationalem Schutzstatus wird dieser dort seine elementarsten Bedürfnisse befriedigen können. Insbesondere wird der Antragsteller in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften, so dass ihm das ernsthafte Risiko, in eine Situation extremer materieller Not zu geraten und insbesondere keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft zu erhalten, sich zu ernähren und zu waschen, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
27
Der Einzelfall des hiesigen Antragstellers zeichnet sich – unter Zugrundelegung der Ausführungen des Antragstellers beim Bundesamt – in besonderer Weise dadurch aus, dass er sich in der Vergangenheit bereits für längere Zeit, nämlich über fünf Jahre, in Griechenland aufgehalten hat. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben im Mai 2017 nach Griechenland eingereist, was sich auch zeitlich mit dem ersten EURODAC-Treffer aus dem Juni 2017 deckt. Im September 2018 findet sich ein weiter EURODAC-Treffer für den Antragsteller. Insoweit bleibt seitens des Antragstellers schon völlig offen, was er zwischen dem ersten EURODAC-Treffer, der von einer Fingerabdrucknahme in Samos herrührt, und dem zweiten Treffer, der in Moria angelegt wurde, in Griechenland überhaupt gemacht hat bzw. ob er zwischenzeitlich das Land wieder verlassen hat. Gegenüber dem Bundesamt erklärte er jedenfalls, er sei ab Mai 2017 in Griechenland in einem Hotel, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt wurde, untergebracht gewesen. Obwohl er nach eigenen Angaben mehrfach verlegt worden sein soll, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er dort keine Versorgungs- bzw. Unterstützungsleistungen erhalten hat. Dies wird vom Antragsteller gegenüber dem Bundesamt auch insoweit auch nicht moniert. Unstimmig sind die weiteren Ausführungen des Antragstellers, indem er gegenüber dem Bundesamt bei der Anhörung am 01.08.2023 angegeben hat, er habe im Jahr 2022 griechischen Papiere bekommen und dann die Flüchtlingsunterkunft verlassen müssen. Nach der EURODAC-Recherche des Bundesamts und den Ausführungen der griechischen Behörden ist dem Antragsteller nämlich bereits im März 2020 der internationale Schutz zuerkannt worden. Es dürfte daher Überwiegendes dafürsprechen, dass der Antragsteller insoweit nicht erst zwei Jahre später einen griechischen Aufenthaltstitel erhalten hat, zumal nach dem Schreiben der griechischen Behörden vom 30.03.2023 die griechische Aufenthaltserlaubnis infolge der Schutzzuerkennung bis zum April 2023 ausgestellt worden ist. Letztlich ergibt sich auch aus der Anhörung vom 26.05.2023, dass dem Antragsteller bereits im Jahr 2020 ein drei Jahre gültiges Aufenthaltsdokument ausgestellt wurde. Dementsprechend dürfte sich der Antragsteller noch weit über zwei Jahre – nahezu drei Jahre – nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes – und Ausstellung des daraus folgenden Aufenthaltstitels – in Griechenland aufgehalten haben, ohne zu verelenden.
28
Der Antragsteller erklärte weiterhin, er habe nach der Zuerkennung des internationalen Schutzes in einem Hotel gelebt und gearbeitet. Daneben hat er nach eigenen Angaben in Griechenland auch als Maler gearbeitet. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr an derartige Verhältnisse nicht wieder anknüpfen könnte. Der Antragsteller besitzt für seine Verhältnisse eine solide Schulbildung. Er hat die Schule in Syrien bis zur 8. Klasse besucht und Berufserfahrung im Lebensmittelhandel gesammelt. Zudem war er früher beim Militär als Fahrer eingesetzt. Gerade Berufsfeldern wie im Hotel und Gaststättengewerbe werden nach der aktuellen Erkenntnislage auch in Griechenland händeringend Mitarbeiter gesucht. Der Tourismus-Sektor in Griechenland hat sich nach dem Abklingen der Pandemie erholt und verzeichnet eine hohe Arbeitskräftenachfrage (vgl. z.B. handelsblatt.de vom 12.04.2023: Urlaub 2023 in Gefahr – Personalmangel an beliebten Reisezielen („… in Griechenland werden dieses Jahr wohl rund 80.000 Beschäftigte in der Hotellerie und Gastronomie fehlen“) oder Nordbayerischer Kurier vom 24.02.2023: Griechenland rechnet mit Reiserekord („… es mangelt an Personal“) und vom 13.04.2023: Griechische Hotels suchen Saisonkräfte („Tourismusboom in Griechenland … Branche kämpft mit einem großen Problem: Es fehlt an Arbeitskräften“). Es wird nicht verkannt, dass die aktuellen Brandereignisse in Griechenland freilich mit punktuellen Einschränkungen des Tourismus einhergehen. Insgesamt betrachtet erweist sich dieser Sektor jedoch gegenwärtig ausgesprochen robust (vgl. Beitrag von welt.de vom 25.08.2023 zur Situation auf Rhodos: „Nur 14 Hotels haben Schäden an den Außenanlagen verzeichnet. Drei von ihnen sind noch geschlossen. Aber auch diese letzten drei Hotels planen die Wiedereröffnung bis Ende August. (…). Angesichts der schlimmen Bilder mag man es kaum glauben. Aber die Buchungslage für Rhodos ist fantastisch‘, sagte der TUI-Chef Stefan Baumert der Fachzeitschrift fvw (…). Manche Unterkünfte haben bereits wieder mehr als 80 Prozent der Zimmer gefüllt… toller Erfolg … natürlich (…) in den vergangenen Wochen große Einnahmeeinbußen verzeichnet (…) ‚Aufbruchstimmung‘ der Menschen vor Ort“); vgl. ferner den Beitrag von tagesschau.de vom 21.08.2023: „Boom nach Corona-Krise – Knackt Griechenland den Tourismus-Rekord?; schließlich die Beiträge der nzz.ch vom 26.07.2023 und von fr.de vom 04.08.2023). Nach einem Artikel der Freien Presse Doo Skopje betrifft der Arbeitskräftemangel in Griechenland – wie die griechische Zeitung „Kathimerini“ berichte – mehrere Sektoren, so neben dem Tourismus auch die Landwirtschaft, Viehzucht und das Bauwesen, so dass das Land für den Zeitraum 2023 bis 2024 eine stattliche Zahl von 168.000 Arbeitskräften aus Drittstaaten „importieren“ werde. Im Tourismussektor fehlten etwa Köche, Küchenhilfen, Tellerwäscher, Gärtner und Hygieniker (vgl. zum Ganzen: VG Bayreuth, U.v. 5.9.2023 – B 7 K 23.30517). Letztlich ist es dem Antragsteller jedenfalls zumutbar, sämtliche Hilfstätigkeiten in Griechenland zur Sicherung seines Existenzminimums anzunehmen.
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Legt man dies zugrunde, so ergeben sich für den Antragsteller in Griechenland realistische Erwerbsmöglichkeiten in verschiedenen Wirtschaftssektoren, insbesondere aber im touristischen Bereich, in dem er Vorkenntnisse hat. Zudem spricht er nach eigenen Angaben auch die griechische Sprache, was die Arbeitsaufnahme erleichtert.
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Dass anerkannt Schutzberechtigte und Migranten diverse Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen mitbringen, die der griechische Arbeitsmarkt dringend braucht, wird nach der Auskunftslage zunehmend auch in Griechenland realisiert. So wird von verschiedenen Projekten und Initiativen berichtet, die zur Integration in den Arbeitsmarkt beitragen sollen. Beispielsweise ist die Rede von einem eigens geschaffenen Zentrum in Athen (ADAMA Centre), wo Schutzberechtigte hilfreiche Tipps rund um den griechischen Arbeitsmarkt sowie direkte Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, der Erstellung eines Lebenslaufs oder Übersetzungen erhalten. Damit hätten in den ersten drei Monaten des Bestehens dieses Zentrums 1.200 Ausländer für den griechischen Arbeitsmarkt fit gemacht werden können samt Zugang zum griechischen Sozialsystem. Ein Großteil der Anfragen, die das Zentrum erreicht habe, habe sich auf Jobvermittlung bezogen. Dazu sei eine Job-Matching Plattform aufgebaut worden, die private Arbeitgeber und potentielle Arbeitnehmer verlinke. Auch auf der Insel Kos habe sich eine Initiative entwickelt, hier sei eine kleine Jobmesse veranstaltet worden, die in die erfolgreiche Vermittlung von Arbeitsstellen mündete, und zwar in Beschäftigungsverhältnisse, die mit einem Lohn versehen waren, der im durchschnittlichen Rahmen auf dieser Insel lag (800 bis 1400 EUR zuzüglich Trinkgeld und bezahlter Überstunden sowie kostenloser Übernachtungsmöglichkeit im Hotel oder in der Nähe des Hotels sowie Verpflegung). In diesem Kontext wird freilich auch von Herausforderungen berichtet, wie etwa Sprachbarrieren oder kulturellen Besonderheiten, die jedoch im täglichen Arbeitsablauf und mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen schnell hätten gemeistert werden können. Als langwierig wurden einzig bestimmte administrative Schritte beschrieben. Entsprechende Projekte und Initiativen wurden ferner für weitere Inseln wie auch auf dem griechischen Festland ins Leben gerufen (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen aktuellen Nachweisen Entscheiderbrief 05/2023: Blick zum Nachbarn/Griechenland: Erwerbsmöglichkeiten für Schutzberechtigte und Asylsuchende).
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Für das Gericht erscheint es auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Antragsteller wegen der Identitätstäuschung in Griechenland bei einer Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren wird. Er gab insoweit an, er sei mit falschen Papieren nach Griechenland eingereist und habe sich unter falschem Namen registrieren lassen. Die griechischen Behörden hätten sich aber geweigert – trotz wiederholter Bitten – die fehlerhafte Registrierung zu ändern. Schon dieser Vortrag zeigt, dass die griechischen Behörden kein ernsthaftes Interesse haben, den Antragsteller wegen Identitätstäuschung unmenschlich oder erniedrigend zu behandeln. Insbesondere wäre es für die griechischen Behörden ein Leichtes gewesen, den Antragsteller wegen der Identitätstäuschung schon anlässlich seiner wiederholten Bitten und Vorsprachen zu bestrafen. Von daher ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller befürchtet, bei einer Rückkehr nach Griechenland ins Gefängnis zu müssen.
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Dem Antragsteller droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen seines gesundheitlichen Zustands. Gegenüber dem Bundesamt berichtete er von psychischen Problemen wegen der Identitätstäuschung. Deswegen soll er in Deutschland in Behandlung sein bzw. gewesen sein und Medikamente gegen Depressionen nehmen. Darüber hinaus blieb der Vortrag des Antragstellers insoweit jedoch völlig unsubstantiiert. Er konnte nicht einmal die Medikamente benennen, geschweige denn entsprechende ärztliche Nachweise oder weitere Details seiner medizinischen Behandlung in Deutschland vorlegen. Daher ist das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend zu der Erkenntnis gelangt, dass der Antragsteller unter keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60 a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG sowie § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG. Im Übrigen verweist das Gericht insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
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In einer Gesamtschau ist unter Berücksichtigung des zumutbaren und zu erwartenden persönlichen Engagements des Antragstellers – unter Einbeziehung der diversen Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort, seines langen Voraufenthaltes, seiner beruflichen Erfahrung auch in Griechenland, der Sprachkenntnisse und der Tatsache, dass er sich auch längere Zeit illegal und ohne Arbeit in der Türkei hat „durchschlagen“ können – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass in der konkreten Situation des Antragstellers bei seiner Rückkehr nach Griechenland die Schwelle des Art. 4 GrC bzw. Art. 3 EMRK erreicht wird. Der Antragsteller hat Griechenland offensichtlich vorwiegend wegen der besseren Lebensverhältnisse in Deutschland verlassen. Gegenüber dem Bundesamt gab er unverblümt an, sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich die Lage des Antragstellers, die ihn in Griechenland erwartet, prognostisch deutlich ungünstiger gestaltet als dies derzeit in Deutschland der Fall ist. Bei Anlegung der durch den Europäischen Gerichtshof herausgearbeiteten strengen Maßstäbe – Unzulässigkeit der Rückführung erst für den Fall, dass der Ausländer in „extreme materielle Not“ gerät, nicht bereits bei (großer) Armut – kann jedoch die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts rechtlich nicht beanstandet werden.
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c) Die unter Ziff. 2 des Bescheids getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
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d) Die Abschiebungsandrohung unter Ziff. 3 des Bescheids wird sich daher im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ohne Erfolg bleibt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Eilverfahren war abzulehnen, da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung aufgrund der vorstehend dargelegten Gründe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Im Übrigen ist der Prozesskostenhilfeantrag für das Eilverfahren auch deswegen abzulehnen, weil bis zum Entscheidungszeitpunkt über den Eilantrag keinerlei „PKH-Unterlagen“ vorgelegt wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).