Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung nach Malta (Dublin III)
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5
Dublin-III-VO Art. 13 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a
GR-Charta Art. 4
Leitsätze:
1. Es ist nicht möglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des mit sich bringen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem "Konzept der normativen Vergewisserung" ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, es sei denn es drängt sich aufgrund bestimmter Tatsachen auf, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublinverfahren Malta, keine systemischen Mängel im Asylsystem auf Malta, Inhaftierung von Dublin-Rückkehrer auf Malta, Eilverfahren, aufschiebende Wirkung, Asyl, Dublin-III-Verfahren, Abschiebungsandrohung, Malta, normative Vergewisserung, systemische Mängel, Unterbringung, haftähnliche Bedingungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30313
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 07.07.2023 wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die angeordnete Überstellung nach Malta im Rahmen eines „Dublin-Verfahrens“.
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Die Antragstellerin ist syrische Staatsangehörige mit arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Sie reiste am 25.11.2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte am 16.02.2023 ein Asylgesuch und stellte schließlich am 02.06.2023 einen förmlichen Asylantrag.
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Die EURODAC-Trefferabfrage am 16.02.2023 ergab für die Antragstellerin einen Treffer der „Kategorie 2“ (…), wonach dieser am 03.10.2022 in Malta Fingerabdrücke abgenommen worden sind. Auf ein Übernahmeersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 04.04.2023 erklärten die maltesischen Behörden mit Schreiben vom 03.05.2023 ihre Zuständigkeit gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags.
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Gegenüber dem Bundesamt führte die Antragstellerin am 02.06.2023 bzw. am 21.06.2023 im Wesentlichen aus, sie habe Syrien erstmals im November 2015 verlassen und sei zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Schwester, einer Nichte und einem Neffen in die Türkei gereist. Dort sei sie bis August 2022 geblieben. Während des Aufenthalts in der Türkei sei ihr Vater verstorben. Von der Türkei aus seien sie mit einem Schiff weitergereist. Als das Schiff in Seenot geraten sei, seien sie und ihre Nichte aufgrund der gesundheitlichen Situation von einem Hubschrauber aus Malta aufgenommen worden. Sechs Personen auf dem Schiff, darunter ihre Mutter, seien verstorben. Auf Malta seien sie Anfang September 2022 in ein Krankenhaus gebracht worden. Nachdem es ihr und ihrer Nichte gesundheitlich wieder bessergegangen sei, seien sie ca. Anfang Dezember 2022 aus Malta mit dem Schiff ausgereist und Richtung Italien gefahren. Anschließend seien sie mit dem Zug nach Deutschland gekommen.
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Ihr Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. Außer in Malta seien ihr in keinem anderen EU-Mitgliedstaat Fingerabdrücke abgenommen worden. Ihre gesamte Familie befinde sich in Deutschland. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation seien sie und ihre Nichte, die erst 8 Jahre alt gewesen sei, auf Malta in ein Krankenhaus gebracht worden. Ihrer Nichte sei es sehr schlecht gegangen. Sie selbst sei nur eine Woche lang im Krankenhaus gewesen. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus sei sie in einer Flüchtlingsunterkunft auf Malta untergebracht worden. Dort habe sie Unterkunft und Verpflegung erhalten.
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Malta habe sie verlassen, weil sie die Verantwortung für ihre Nichte nicht habe übernehmen wollen. Außerdem habe sie gesundheitliche Probleme gehabt. Dies komme von Sachen, die sie in der Türkei erlebt habe. Sie habe immer nur nach Deutschland und nicht nach Malta gewollt. Ihre Nichte habe sie mitgenommen, damit diese auch in Deutschland eine bessere Zukunft habe. Die Familie ihrer Nichte befinde sich in der Türkei. In Deutschland habe sie fünf Schwestern, zwei Brüder, eine Nichte und einen Neffen, außerdem noch entfernte Verwandte. Gesundheitliche Beschwerden habe sie nicht. Die Beschwerden, die sie auf der Überfahrt nach Malta erlitten habe, hätten sich dort im Krankenhaus gebessert. Sie wolle aber nur in Deutschland bleiben.
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Mit Bescheid vom 07.07.2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Die Abschiebung der Antragstellerin nach Malta wurde angeordnet (Ziff. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
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Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Malta aufgrund der illegalen Einreise der Antragstellerin über die maltesische Außengrenze gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.
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Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben. Eine Abschiebung sei gem. § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus einer Anwendung der EMRK ergebe. In Betracht komme dabei in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK und damit die Prüfung, ob im Falle einer Abschiebung der Betroffene tatsächlich Gefahr laufe, einer dieser absoluten Schutznorm widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Einer Dublin-Überstellung stünden damit einzig außergewöhnliche und schwerwiegende humanitäre Gründe entgegen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Malta führten nicht zu der Annahme, dass bei der Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Ebenso fehlten Gründen für die Annahme, dass bei Abschiebung der Antragstellerin eine Verletzung des Art. 4 GRC vorliege (wird umfassend ausgeführt). Die Antragstellerin habe im Rahmen ihrer Anhörung angegeben, sie sei im September 2022 nach Malta eingereist und habe dort Fingerabdrücke abgegeben. Sie habe sich etwa bis Dezember 2022 in Malta aufgehalten. Während dieser Zeit sei sie in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und verpflegt worden. Sie wolle jedoch nicht nach Malta überstellt werden, da ihr Ziel von Anfang an Deutschland gewesen sei. Hier befände sich ihre gesamte Familie. Diese Einwände könnten schon aufgrund ihrer Beschaffenheit keine individuell-konkreten erheblichen Gefahren im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründen. Insbesondere bestehe grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung des Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund unterschiedlicher vorherrschender Standards oder persönlicher Referenzen von Antragstellern. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG seien weder Gründe vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
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Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien ebenfalls nicht ersichtlich.
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Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Antragstellerin habe angegeben, dass fünf Schwestern, zwei Brüder und ein Neffe in Deutschland seien. Darüber hinaus befinde sich die mit der Antragstellerin zusammen eingereiste minderjährige Nichte in Deutschland, bezüglich derer die Antragstellerin angegeben habe, verantwortlich zu sein. Im Rahmen des Dublin-Verfahrens seien jedoch lediglich Verwandtschaftsverhältnisse berücksichtigungsfähig, die vom Angehörigenbegriff des Art. 2g Dublin-III-VO umfasst seien und über ein gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügten. Die vorgebrachten persönlichen Bindungen seinen vorliegend nicht berücksichtigungsfähig, da ihnen durch die Dublin-III-VO unabhängig vom Aufenthaltsstatus kein Schutz beigemessen werde. Bezüglich der angegebenen Nichte sei dem Bundesamt bis zum Entscheidungszeitpunkt kein entsprechender Nachweis für die Familienzugehörigkeit bzw. ein Vormundschaftsnachweis vorgelegt worden. Daneben könne aufgrund eines nachgewiesenen Abhängigkeitsverhältnisses Schutz durch Art. 16 Dublin-III-VO in persönlicher Hinsicht altersunabhängig bestehen. Die Antragstellerin habe zwar angegeben, für die Nichte verantwortlich zu sein, jedoch sei die erforderliche Angewiesenheit nicht substantiiert vorgetragen worden. Daher sei auch der Anwendungsbereich einer der Spezialtatbestände der Art. 7 ff. Dublin-III-VO nicht eröffnet.
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Die Anordnung der Abschiebung nach Malta beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG.
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Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gem. § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Bei den vorgetragenen Verwandtschaftsverhältnissen handle es sich nicht um Angehörige der Kernfamilie. Somit könnten diese bei der Fristbemessung nicht berücksichtigt werden.
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Im Übrigen wird auf den Bescheid vom 07.07.2023 verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 18.07.2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 07.07.2023 und beantragt zugleich:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Eine Begründung des Eilantrags bzw. der Klage erfolgte nicht.
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Mit Schriftsatz vom 20.07.2023 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
21
Der Antrag vom 18.07.2023 ist gem. § 122, § 88 VwGO sachgerecht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 3 des Bescheids vom 07.07.2023 enthaltenen Abschiebungsanordnung nach Malta auszulegen.
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Der so zu verstehende Antrag ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
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Vorliegend stellt sich die angegriffene Abschiebungsanordnung unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat.
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Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
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Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt – im Hinblick auf die beabsichtigte Überstellung nach Malta vor. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 3 AsylG).
Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:
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1. Der Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.
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Wie vom Bundesamt zutreffend mit Bescheid vom 07.07.2023 festgestellt, ist Malta für das Asylverfahren der Antragstellerin zuständig. Die Zuständigkeit Maltas folgt aus Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO. Diese Regelung bestimmt, dass für den Fall, dass auf Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß der beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (EURODAC-VO) festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Vorliegend ergibt sich eindeutig aus dem EURODAC-Treffer, dass der Antragstellerin in Malta Fingerabdrücke abgenommen wurden.
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Die Zuständigkeit Maltas ist auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO entfallen, da noch keine 12 Monate seit dem illegalen Grenzübertritt nach Malta vergangen sind.
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Die Zuständigkeit Maltas ist ferner nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO entfallen, weil das Bundesamt innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO festgesetzten Frist von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung ein Aufnahmegesuch an Malta gerichtet hat. Die maltesischen Behörden haben das Aufnahmegesuch akzeptiert und ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Antragstellerin erklärt (vgl. Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO). Malta ist damit verpflichtet, die Antragstellerin aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
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Letztlich ist die Zuständigkeit für das Asylverfahren auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen, weil die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO vorliegend noch nicht abgelaufen ist.
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2. Die Überstellung nach Malta ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich.
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a) Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen.
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aa) Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO steht der Überstellung der Antragstellerin nach Malta nicht entgegen. Danach erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC mit sich bringen. Nach Art. 4 GRC darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
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Systemische Mängel sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen weder bei der Durchführung von Asylverfahren noch hinsichtlich des Aufnahmesystems in Malta festzustellen.
36
Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
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Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris; BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Schwachstellen fallen daher nur dann unter Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Einzelfalls abhängt (EuGH, U.v. 19.03.2019 – C-163/17 – juris).
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Gemessen hieran ist in Bezug auf Malta nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin bei einer Überstellung derzeit eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht.
39
Dublin-Rückkehrer unterliegen in Malta grundsätzlich dem normalen Asylverfahren. Dementsprechend werden Dublin-Rückkehrer nach Malta ab der Ankunft als Asylbewerber behandelt und der Asylantrag folgt im normalen Verfahren (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Malta, Gesamtaktualisierung Februar 2023, Seite 6). In Malta existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit administrativer Beschwerdemöglichkeit (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Malta, Gesamtaktualisierung Februar 2023, Seite 4). Asylanträge werden bei der International Protection Agency gestellt, von dieser geprüft und beschieden. Die Verfahrensordnung sieht systematisch eine persönliche Anhörung aller Asylbewerber vor. Diese kann nur dann unterbleiben, wenn die den Asylantrag prüfende Stelle aufgrund vorhandener Beweismittel eine positive Entscheidung treffen kann oder wenn der Asylbewerber aufgrund von andauernden Umständen, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, nicht in der Lage ist, angehört zu werden. Seit 2019 wird die International Protection Agency in erheblichem Maße vor Ort durch Experten des European Asylum Support Office (EASO) hinsichtlich der Durchführung des Asylverfahrens und hinsichtlich der Aufnahme von Asylbewerbern unterstützt. Gegen die Entscheidung der International Protection Agency kann der Asylbewerber binnen zwei Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung Widerspruch beim International Protection Appeals Tribunal einlegen und dazu Prozesskostenhilfe beantragen. Dieses überprüft die Entscheidung im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Einen weiteren Rechtsbehelf, der eine direkte Überprüfung der Entscheidung des International Protection Appeals Tribunal in der Sache ermöglicht, sieht das Gesetz nicht vor. Möglich ist jedoch eine gerichtliche Überprüfung in Bezug auf Verfahrensfehler, für die nach den allgemeinen Regeln des maltesischen Rechts auch Prozesskostenhilfe gewährt werden kann (vgl. Frankfurt/Main, B.v. 27.5.2022 – 12 L 6941/22.F.A – juris m.w.N.).
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Es ist auch davon auszugehen, dass auch die Antragstellerin in Malta Zugang zum Asylverfahren haben wird. Zwar gehen bei Asylsuchenden, die Malta ohne Genehmigung der Einwanderungsbehörden verlassen haben, entweder durch Flucht oder aus der Haft oder durch irreguläre Ausreise, die maltesischen Behörden in Anwendung der einschlägigen maltesischen Rechtsvorschriften (Regulation 13 of the Procedural Regulations) davon aus, dass der Asylantrag implizit zurückgenommen worden ist. Dies hat zur Folge, dass die meisten Dublin-Rückkehrer, die zuvor aus Malta geflohen sind, bei ihrer Rückkehr inhaftiert werden, wobei nach den Erkenntnismittel jedenfalls nicht davon auszugehen ist, dass (vulnerable) weibliche „Dublin-Rückkehrer“ inhaftiert werden (VG Stuttgart, B.v. 3.9.2021 – A 8 K 3990/21 – juris m.w.N.). Soweit eine Inhaftierung erfolgt, werden Antragsteller normalerweise auf Grundlage der Reception Conditions Directive inhaftiert, da die Behörden davon ausgehen, dass die Anträge der Asylbewerber sonst aufgrund des Risikos erneuten Untertauchens nicht vollständig erfasst werden könnten. Dies entspricht jedoch der Behandlung von regulären Asylbewerbern. Auch diese können gemäß den zugrundeliegenden maltesischen Gesetzen für bis zu neun Monate inhaftiert werden. Hierfür bedarf es einen der folgenden Haftgründe: zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit des Asylbewerbers, zur Feststellung der dem Antrag zugrunde liegenden Tatsachen, die ohne Haft nicht erlangt werden können, insbesondere bei Fluchtgefahr des Asylbewerbers; zur Entscheidung über das Recht des Asylbewerbers zur Einreise; zur Vereinfachung des Rückführungsverfahren; zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung sowie in Übereinstimmung mit der Dublin III-Verordnung (vgl. VG Köln, B.v. 20.6.2023 – 8 L 993/23.A – juris). Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die Tatsache allein, dass unter bestimmten Bedingungen Asylsuchende in Haft genommen werden, noch keinen systemischen Mangel darstellt. Nach den im Jahre 2015 vorgenommenen Gesetzesänderungen in Malta gibt es lediglich die vorstehenden sechs Gründe für die Inhaftierung Asylsuchender, die in der Reception Conditions Directive aufgeführt sind, die aber – soweit ersichtlich – mit den Haftgründen aus Art. 8 Abs. 3 der RL 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (EU-Aufnahmerichtlinie) übereinstimmen (vgl. Frankfurt/Main, B.v. 27.5.2022 – 12 L 6941/22.F.A – juris m.w.N.). Allerdings können Rückkehrer, deren Antrag als implizit zurückgezogen gilt, innerhalb einer bestimmten Frist die Wiedereröffnung des Verfahrens beantragen. Damit besteht für die Antragstellerin bei einer Rückkehr nach Malta voller Zugang zum Asylverfahren.
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Der Antragstellerin drohen im Hinblick auf die von ihr in Malta zu erwartenden Aufnahmebedingungen auch keine Verstöße gegen Art. 4 GRC. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Unterbringung teilweise „haftähnlich“ ist. Das Europäische Komitee zur Verhinderung der Folter und der unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung oder Bestrafung (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)) des Europarates festgestellt, dass die Bedingungen in Malta für Migranten wegen der Kumulation von stark überfüllten Einrichtungen für eine längere Zeit mit fehlendem Zugang zu Bewegungsmöglichkeiten im Freien und einem Mangel anderer Aktivitäten durchaus zu unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK führen können (Bericht des CPT vom 10.03.2021, Seite 18 ff.). Diesen Feststellungen lag ein Besuch des CPT in Malta in der Zeit vom 17. bis zum 22.09.2020 zugrunde, wobei die CPT-Delegation vier Einrichtungen, in denen Migranten in Malta inhaftiert sind, besuchte. Dabei handelte es sich um das Marsa Initial Reception Centre, Hermes Block (Lyster Barracks), das Hal Far Reception Centre (China House) und das Safi Detention Centre. Ob diese Zustandsbeschreibungen vor dem Hintergrund, dass Malta auf den Bericht des IPC reagiert haben dürfte und angesichts des Umstandes, dass die Zahl der neu eintreffenden Migranten in Malta zuletzt stark rückläufig war, noch aktuell ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls aber kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bei einer Rücküberstellung nach Malta eine Inhaftierung in einem der vier genannten Einrichtungen droht. Dublin-Rückkehrer werden nämlich nicht in einem der vier für ersteintreffende Asylsuchende eingerichteten Anstalten untergebracht, sondern in der Corradino Correctional Facility. Dies ist dann der Fall, wenn sie mit einer Anklage auf der Grundlage des Immigration Act rechnen müssen. Für die gesamte Zeit des Strafverfahrens, welches üblicherweise ein bis zwei Monate dauert, werden sie im Gefängnis von Corradino untergebracht. Dabei haben sie das Recht auf Bestellung eines Rechtsanwaltes. Die Zustände in der Corradino Correctional Facility sind aber mit denen vom IPS in den für ursprünglich nach Malta gekommenen Asylsuchenden eingerichteten Anstalten festgestellten Zuständen nicht vergleichbar. Der IPC hat entsprechende Zustände wie in den vier von ihm besuchten Anstalten für die Corradino Correctional Facility nicht festgestellt, da er diese Einrichtung nicht besucht hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 01.03.2022 (19090/20 – juris) das Vorliegen von menschenrechtswidrigen Zuständen im Gefängnis von Corradino ausdrücklich verneint und eine dementsprechende Menschenrechtsbeschwerde eines dort Inhaftierten zurückgewiesen Gegenstand des Urteils war eine Menschenrechtsbeschwerde eines Beschwerdeführers, der in der Corradino Correctional Facility menschenrechtswidrige Zustände wegen der geringen Zellengröße, der sanitären und gesundheitlichen Verhältnisse sowie wegen der aufgrund der Covid-19 Pandemie ergriffenen Maßnahmen gerügt hat. Der EGMR kam zu dem Schluss, dass zu keinem Zeitpunkt Art. 3 EMRK durch die Verhältnisse in der Haftanstalt verletzt worden ist (Rdnr. 143). Mit den einzelnen Beschwerden des Betroffenen setzte sich der EGMR im Einzelnen auseinander und hielt sie allesamt für unbegründet (vgl. zum Ganzen: VG Frankfurt/Main, B.v. 27.5.2022 – 12 L 6941/22.F.A – juris).
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Auch aus dem sonstigen Vorbringen der Antragstellerin beim Bundesamt kann nicht auf die beachtliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Malta geschlossen werden. Malta hat sich im Sommer/Herbst 2022, als sich die Antragstellerin in einer „Notlage“ befunden hat, hinreichend um die Antragstellerin und deren Nichte gekümmert. Die Antragstellerin ist mittels Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht und dort hinreichend medizinisch versorgt worden, so dass sich die Beschwerden aufgrund des „Schiffbruchs“ entsprechend gebessert haben. Die Antragstellerin war trotz dieses Unglücksfalls offensichtlich in der Lage, schon nach rund zwei Monaten auf eigene Faust Malta wieder zu verlassen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die angeblich sehr schwer verletzte Nichte nach dieser relativ kurzen Zeit – und nach einem angeblich längeren Krankenhausaufenthalt als die Antragstellerin selbst – ebenfalls Malta in Richtung Deutschland verlassen hat. Die Antragstellerin verfügt daher offensichtlich auch in „angespannten Situationen“ über ein ausgeprägtes Organisationsgeschick. Daneben ist sie offensichtlich überdurchschnittlich gebildet, da sie in der Türkei nach eigenen Angaben studiert hat. Weiterhin bestätigte die Antragstellerin gegenüber dem Bundesamt, dass sie nach dem Krankenhausaufenthalt in Malta in einer Unterkunft untergebracht und entsprechend verpflegt wurde. Defizite bei der Aufnahme, Unterbringung und Verpflegung der Antragstellerin in Malta sind daher auch im konkreten Einzelfall nicht annähernd ersichtlich. Vielmehr erklärte die Antragstellerin unverblümt, ihr Ziel sei von vornherein Deutschland gewesen und sie wolle (nur) nicht auf Malta bleiben, da ihre ganze Familie und Verwandtschaft bereits in Deutschland sei. Dies ist zwar menschlich nachvollziehbar, nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen hat die Antragstellerin jedoch kein Wahlrecht, sich den Mitgliedstaat auszusuchen, in dem sie sich bessere Chancen, etwa auf einen Arbeitsplatz, medizinische Versorgung oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft. Relevant sind allein die Regelung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Dublin-III-VO (VG Würzburg, B.v. 28.3.2023 – W 2 S 23.50136 – juris).
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Im Ergebnis geht das Gericht daher in Übereinstimmung mit der überwiegenden Zahl der Verwaltungsgerichte davon aus, dass auch für die Antragstellerin als Dublin-Rückkehrer in Malta keine systemischen Mängel im Asylsystem bestehen (vgl. VGH Mannheim, B.v. 11.3.2020 – A 4 S 740/20 – juris; VG Frankfurt/Main, B.v. 27.5.2022 – 12 L 6941/22.F.A – juris; VG Köln, B.v. 20.6.2023 – 8 L 993/23.A – juris; VG Stuttgart, B.v. 3.9.2021 – A 8 K 3990/21 – juris; VG Saarlouis, B.v. 4.3.2022 – 5 L 197/22 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 30.4.2019 – A 13 K 1228/18 – juris; Österreichisches Bundesverwaltungsgericht, E.v. 10.9.2020 – W 1852226690 – 1/7E; Bundesverwaltungsgericht der Schweiz, U.v. 4.3.2022 – E-930/2022; a.A. VG Magdeburg, U.v. 12.7.2022 – 5 A 253/20 MD – juris).
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bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass nach unterstellter Zuerkennung des internationalen Schutzes der Antragstellerin in Malta mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GRC. verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.2.2019 – W 4 K 18.30720 – juris m.w.N.)
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cc) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich. Daneben steht auch Art. 16 Dublin-III-VO der Rücküberstellung nicht entgegen. Dabei verkennt das Gericht nicht die besondere Situation, aufgrund derer die Antragstellerin nach Malta gelangt ist. Der vorgetragene „Schiffbruch“ vor Malta, die daraus resultierenden körperlichen und psychischen Belastungen sowie die „Verantwortung“ für die kleine Nichte der Antragstellerin und die in Deutschland lebende Verwandtschaft führen jedoch nicht dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben. Insoweit verweist das Gericht vollumfänglich auf die nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesamts auf Seite 12 des Bescheids. Gleiches gilt für die zutreffenden Ausführungen im Rahmen des Art. 16 Dublin-III-VO im Hinblick auf die Nichte. Ergänzend ist insoweit lediglich auszuführen, dass die Antragstellerin selbst angeben hat, nicht länger die Verantwortung für die Nichte übernehmen zu wollen. Daneben verfügt die Nichte in Deutschland noch über weitere Verwandte, insbesondere über fünf Schwestern und zwei Brüder der hiesigen Antragstellerin, so dass sich „Verwandte der gleichen Ordnung“ ebenfalls um die Belange der Nichte in Deutschland kümmern können. Warum dies ausschließlich der hiesigen Antragstellerin möglich sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen dürfte die 8-jährige Nichte in Deutschland zunächst ohnehin unter der Obhut des Jugendamts stehen bzw. eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts anstehen.
46
b) Es sind auch keine Anhaltspunkte für zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die der Abschiebungsanordnung entgegenstehen würden, ersichtlich.
47
Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ergibt sich keine andere Bewertung als die Vorstehende im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, insbesondere aus gesundheitlichen Gründen, ist ebenfalls nicht geltend gemacht. Die Antragstellerin erklärte gegenüber dem Bundesamt, sie habe keine Beschwerden, Erkrankungen oder Gebrechen. Die Beschwerden, die sie auf der Überfahrt nach Malta erlitten habe, hätten sich dort im Krankenhaus gebessert.
48
c) Der Abschiebung stehen auch keine innerstaatlichen Abschiebungshindernisse entgegen. Insoweit wird ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts auf Seite 12 des Bescheids verwiesen. Daneben ist auch im Hinblick auf Art. 6 GG (Trennung der gelebten Kernfamilie) bei Rücküberstellung der volljährigen Antragstellerin nach Malta kein innerstaatliches Abschiebungshindernis ersichtlich.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 83b AsylG.
50
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.