Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 17.05.2023 – B 5 S 23.372
Titel:

Eilrechtsschutz eines Polizeimeisteranwärters gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wegen Bedrohung und Beleidigung eines Ausbildungskollegen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs.5
BPolG § 2
BBG § 66 Abs. 1
VwVfG § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Gründe der Verbotsverfügung tragen regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Dienstgeschäfte iSd § 2 BPolG iVm § 66 Abs. 1 BBG ausübt  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz eines Polizeimeisteranwärters gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Beleidigung und Bedrohung einer Ausbildungskollegin, Eilrechtsschutz, Polizeimeisteranwärter, Beamter auf Widerruf, Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Beleidigung, Bedrohung, Kollege, Sofortvollzug, Dienstbetrieb, Störung, Wiederherstellung, aufschiebende Wirkung, Verbotsverfügung, besonderes öffentliches Interesse
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30295

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der am … geborene Antragsteller wurde am 01.09.2021 zum Polizeimeisteranwärter (PMA), mithin als Beamter auf Widerruf, bei der Antragsgegnerin ernannt. Er befand sich seit dem 01.09.2022 im zweiten Dienstjahr im Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum … (BPOLAFZ ...) und ist dem … 21 II Seminar 3-1 zugeteilt.
2
Am 20.02.2023 wurde der Sachbereich 31 der Bundespolizeiakademie durch das BPOLAFZ … darüber in Kenntnis gesetzt, dass gegen den Antragsteller Verwaltungsermittlungen eingeleitet worden sind. Dem Antragsteller wird folgendes Fehlverhalten vorgeworfen: 1) Zum einen soll er folgende Sprachnachricht über das Mobiltelefon von PMA … an seine Mitauszubildende PMAin … gerichtet haben: „Du Fotze, wenn ich bei dir klopfe, dann hast du die Tür aufzumachen. Haben wir uns da verstanden, du Mongo?“.
3
2) Zum anderen soll der Antragsteller PMAin … am Abend des 16.02.2023 am Lehrsaalgebäude 2 des BPOLAFZ … gegen die Füße getreten haben.
4
Die Antragsgegnerin führte hinsichtlich der vorgenannten Vorfälle Zeugenanhörungen durch.
5
Am 21.02.2023 wurde dem Antragsteller seitens des Leiters der Bundespolizeiinspektion München I mündlich die weitere Ausübung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) i.V.m. Ziffer 2 des Erlasses des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 14.05.2008 zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vorläufig untersagt. Die Dokumentation erfolgte durch einen Aktenvermerk.
6
Mit Schreiben vom 13.03.2023 bestätigte die Bundespolizeiakademie das ausgesprochene Verbot samt der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und untersagte dem Antragsteller nochmals das Tragen der Dienstkleidung. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsteller mit seinem Verhalten gegen die ihm obliegende Pflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG, der sog. Wohlverhaltenspflicht, verstoße habe. Zudem liege tatbestandsmäßig ein Verstoß gegen § 185 des Strafgesetzbuches (StGB) vor. Vorliegend diene das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zunächst dem Schutz der Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers, die während der laufenden Ausbildung im ständigen unmittelbaren Kontakt zu ihm stünden. Es bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller seine Kolleginnen und Kollegen, insbesondere PMAin …, weiter einschüchtere und beleidige. Dies könne dazu führen, dass die Mitauszubildenden die weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller verweigerten. Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte müssten sich untereinander uneingeschränkt vertrauen können, um im Polizeialltag schwierige Situationen zu bewältigen. Eine solche Zusammenarbeit sei mit dem Antragsteller nicht mehr möglich. Ein reibungsloser Ablauf des Ausbildungsbetriebes sei nicht mehr gewährleistet. Es sei auch künftig nicht auszuschließen, dass der Antragsteller während seiner Dienstverrichtung gesetzeswidrig handele. Die Gesetzestreue sei ein althergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Es sei schlichtweg nicht vertretbar, wenn Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte strafbare Handlungen begingen. Vielmehr sollten sie präventiv, also gefahrenabwehrend tätig werden, Straftaten demnach verhindern und nicht selbst begehen. Der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb würde dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen, von denen potentielle Gefahren für Dritte ausgehen könnten. Ferner könne eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers einen sog. Nachahmungseffekt bei den anderen Auszubildenden nach sich ziehen, der nicht akzeptiert werden könne.
7
Der Ausspruch des Dienstgeschäfteführungsverbots sei auch zum Schutz des Ansehens der Bundespolizei und des Berufsbeamtentums dringend geboten. Die vom Antragsteller geäußerten Beleidigungen stünden generell nicht im Einklang mit den für den Polizeiberuf geforderten persönlichen Eigenschaften. Sein Verhalten zeige, dass ihm die nötige Reife und Verantwortung fehle, die man von einem Bundespolizeianwärter fordern könne und müsse. Die Gesellschaft verlange von Polizeivollzugsbeamten besonnenes Verhalten, sie sollten die Übersicht bewahren und kontrolliert ihre erlernten Vorgehensweisen anwenden. Der Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sei anzuordnen. Es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe.
8
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.03.2023 hat der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.03.2023 erhoben, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
9
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30.03.2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag eingegangen, beantragt der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 23.03.2023 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO unter Aufhebung der Vollziehungsanordnung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 13.03.2023 wiederherzustellen.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 13.03.2023 schon deshalb nicht bestehe, weil dieser offensichtlich rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen des § 66 BBG lägen nicht vor. Zwingende dienstliche Gründe seien nicht ersichtlich. Umstände oder Verhaltensweisen, die dem privaten Zusammenhang zuzuordnen seien, könnten eine Suspendierung nicht rechtfertigen. Zum einen hätte es andere mildere Mittel gegeben und zum anderen träfen die dem Antragsteller gemachten Vorwürfe nicht zu. Es sei nicht zu erwarten, dass bei weiterer Dienstausübung des Antragstellers der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere Nachteile zu besorgen seien. Die der Antragsgegnerin bei Erlass des Bescheides vorliegenden Anhaltspunkte könnten keinen hinreichenden Verdacht einer Gefahrenlage begründen. Es treffe nicht zu, dass die Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers vor diesem geschützt werden müssten oder eine Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Antragsteller zu erwarten sei. Der Antragsteller sei ein höflicher und respektvoller Mensch, der sich im Dienst vorbildlich verhalten habe und zu keinem Zeitpunkt gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen negativ aufgefallen sei. Selbst wenn dies irrigerweise angenommen werde, hätte erwogen werden müssen, den Antragsteller einer anderen Praktikumsstelle oder einer anderen Klasse zuzuweisen. Der höfliche und freundliche Charakter des Antragstellers werde diesem auch im Rahmen seines Persönlichkeits- und Leistungsbildes vom 27.02.2023 bestätigt. Zwar habe der Antragsteller – wie unter Ziffer 1 des ihm vorgeworfenen Verhaltens beschrieben – die in Rede stehende Sprachnachricht in einem Privat-Chat außerhalb des Dienstes von dem Handy seines Kollegen Herrn … an PMAin … versandt. Dies sei jedoch nicht aufgrund negativer, sondern aus humoristischen Absichten heraus geschehen. Die Wortwahl entspreche dem durchaus geläufigen Umgangston zwischen dem Antragsteller und PMAin …, die sich ihrerseits ähnlich gegenüber dem Antragsteller und anderen Gruppenmitgliedern äußere. Dies werde durch die Vernehmung der PMAin … vom 23.02.2023 bestätigt. Diese beschreibe das Verhältnis des Antragstellers zu PMAin … als „immer gut“. Zudem habe sie ausgeführt, dass der Antragsteller und PMAin … sich „zusammen aufgezogen und zusammen gelacht“ hätten. Zum Verhältnis in der Lehrgruppe habe sie erklärt, dass man sich gegenseitig beleidige, dies jedoch nicht ernst gemeint sei. Dies werde auch durch die Aussage der PMAin … vom 23.02.2023 untermauert. Demnach würden in der Lehrgruppe Worte wie „Spasst, Schlampe, Trottel, Arschloch, Fotze usw.“ fallen und aus ihrer Sicht von allen als Spaß empfunden werden. Auch nach dem Abspielen der in Rede stehenden Sprachnachricht habe PMAin … zu Protokoll gegeben, dass dies ihrer Auffassung nach ein normaler Sprachgebrauch sei. Letztlich gehe auch aus der Aussage der PMAin … vom 27.02.2023 hervor, dass sie die Sprachnachrichten als Spaß aufgenommen habe. Sie habe ausgeführt „Wir teilen Sprüche aus und stecken auch ein.“ Auch sei der Antragsteller am auf die Sprachnachricht folgenden Wochenende von PMAin … angeschrieben worden, ob er sie mit zur Praktikumsstelle an den Flughafen nehmen könne, was der Antragsteller gerne getan habe. Es sei durch den Dienstherrn eine private Äußerung des Antragstellers aus dem privaten Kontext herausgenommen und ihm zum Vorwurf gemacht worden. Das Vorliegen einer solchen Nachricht liefere keinen hinreichenden Anhaltspunkt für das Bestehen einer Gefahrenlage für den Dienstbetrieb. Die Aussprache des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte sei auch zum Schutz des Ansehens der Bundespolizei sowie der Lehrgruppe oder der Adressatin der Sprachnachricht nicht geboten gewesen. Dass die Mitglieder der Lehrgruppe eine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller verweigern würden, sei nicht ersichtlich. Eine Einschüchterung durch den Antragsteller habe nie stattgefunden. In den Aussagen der Lehrgruppenmitglieder über den Antragsteller spiegele sich das Bild eines freundlichen Mitschülers wieder. Der Antragsteller werde durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erheblich eingeschränkt. So habe er sein drittes Praktikum (am Flughafen) nicht absolvieren können. Ebenso fehlten dem Antragsteller die in … stattfindenden Unterrichtseinheiten. Es überwiege in jedem Fall das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der sofortigen Vollziehung. Bezüglich des Vorwurfs zu 2 gebe es mehrere Zeugen die bestätigen könnten, dass der Antragsteller PMAin … an dem besagten Tag nicht zu nahe gekommen sei. Auch PMAin … habe in ihrer Vernehmung vom 23.02.2023 angegeben, nie etwas davon gehört zu haben, dass PMAin … getreten worden sei. Der Antragsteller sei im kompletten Zeitraum mit PMA … zusammen gewesen. Zudem habe PMAin … in der besagten Vernehmung Zweifel an der Glaubwürdigkeit von PMAin … geäußert.
11
Mit Schreiben vom 05.04.2023 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) wegen des Verdachts eines Dienstvergehens eingeleitet worden sei. Das Verfahren wurde gemäß § 22 Abs. 3 BDG zunächst ausgesetzt, da wegen des Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bei der Kriminalpolizeiinspektion … (Az. …*) eingeleitet wurde.
12
Mit Beschluss vom 13.04.2023 – M 21a S 23.1555 erklärte sich das Verwaltungsgericht München für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth. Der vorgenannte Beschluss nebst Gerichtsakte ist diesseits am 12.05.2023 eingegangen.
13
Mit Schriftsatz vom 15.05.2023 beantragt die Bundespolizeiakademie für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
14
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag unbegründet sei. Im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.03.2023 habe der Antragsteller eingeräumt, die fragliche Sprachnachricht an die Mitauszubildende … gesendet zu haben. Das Verhalten des Antragstellers entspreche nicht dem Bild eines Bundespolizeibeamten. Es sei der Allgemeinheit gegenüber nicht vermittelbar, dass Personen, die offen beleidigende, frauenfeindliche und diskriminierende Aussagen tätigten, zu Polizeivollzugsbeamten ausgebildet würden. Jedenfalls entstünden dadurch bei den Vorgesetzten und Kollegen des Antragstellers grundlegende Zweifel an seiner Integrität und Zuverlässigkeit. Es bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller auch öffentlichkeitswirksam derartige Aussagen treffe und damit das Ansehen der Bundespolizei weiter beschädigen könne. Von einem Polizeivollzugsbeamten werde – auch bereits während des Vorbereitungsdienstes – jederzeit vorbildliches Verhalten durch das Achten der Werte der verfassungsmäßigen Ordnung sowie durch einen achtsamen und respektvollen Umgang mit den Menschen unserer Gesellschaft erwartet. Die an den angehenden Polizeivollzugsbeamten gerichtete Erwartungshaltung sei dem Antragsteller überdies bereits aus dem innerdienstlichen Kontext bekannt gewesen. Begehe ein Beamter – wie der Antragsteller – eine Straftat im Sinne des § 185 BGB, sei seine Stellung als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaats betroffen, was in der Regel zu einer erheblichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung für das Ansehen des gesamten Berufsbeamtentums führe. Es liege somit auf der Hand, dass die – objektiv gesehen abwertende und beleidigende – Äußerung des Antragstellers geeignet gewesen sei, den Betriebsfrieden im Kollegenkreis zu stören. Soweit der Antragsteller erklärt habe, die Äußerung in „humoristischer Absicht“ getätigt zu haben, erschließe sich der humoristische Kern einer derart beleidigenden Aussage nicht ansatzweise. Auch soweit ein derartiger Umgangston nach den Ausführungen des Antragstellers üblich gewesen sein sollte, sei zu betonen, dass ein solcher Umgangston eklatant gegen die Werte und Verhaltensregeln der Bundespolizei verstoße. Zum anderen verkenne der Antragsteller, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf seine Mitauszubildenden habe. Denn die Zeugin PMAin … habe in ihrer Anhörung am 27.02.2023 auf die Frage „Was möchten Sie, wie wir mit dem Sachverhalt umgehen?“ ausgeführt, „Wenn man jetzt zu denen sagt, die sollen das nicht mehr machen, hab ich Angst, das geht nach hinten los. Dass sie mich dann erst recht bedrängen.“ Diese Aussage verdeutliche, dass das Verhalten des Antragstellers die Zeugin PMAin … bereits in Angst versetzt habe. Sie befürchte, sie könne erst recht vom Antragsteller bedrängt werden, wenn sie sich gegen derartige Äußerungen wehre. Demgemäß habe sie aus Angst, die Beleidigungen könnten sich intensivieren, diese offensichtlich bislang „geduldet“. Dass eine Steigerung des nicht hinnehmbaren Verhaltens des Antragstellers gegenüber der Zeugin PMAin … bereits eingetreten sei, verdeutliche der Umstand, dass der Antragsteller sie am Abend des 16.02.2023 am Lehrsaalgebäude 2 des BPOLAFZ … gegen die Füße getreten habe. Es bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller Kolleginnen und Kollegen, insbesondere PMAin …, weiter einschüchtere und beleidige. Dies könne dazu führen, dass die Mitauszubildenden die weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller verweigerten und so der ordnungsgemäße Dienstbetrieb beeinträchtigt werde.
15
In Erwiderung hierauf führt der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 17.05.2023 ergänzend aus, dass der Antragsteller PMAin … nicht getreten habe. Die Zeugin … erweise sich als unglaubwürdig. PM … sei bei dem Vorfall nicht zugegen gewesen. Die übrigen Zeuginnen hätten den Vorwurf nicht bestätigen können. PMAin … habe erklärt, dass ihr PMAin … nichts von einem Tritt berichtet habe. Sie gehe weiter davon aus, dass ihr PMAin … aufgrund ihres freundschaftlichen Verhältnisses von einem solchen Vorfall erzählt hätte. Soweit die Antragsgegnerin aufgrund der Sprachnachricht annehme, dass der Antragsteller eine frauenfeindliche und diskriminierende Haltung aufweise, werde dem entschieden entgegengetreten. Ausweislich seines Persönlichkeits- und Leistungsbildes sowie der Aussagen der Zeuginnen – selbst der Zeugin … – sei der Antragsteller ein höflicher und hilfsbereiter Mensch. Die Aussage der PMAin …, dass sie Angst habe, was künftig passiere, beziehe sich auf einen anderen Kollegen, der im Verdacht stehe, PMAin … nachzustellen. PMAin … habe den Umgangston des Antragstellers ausweislich ihrer eigenen Einlassungen als Spaß empfunden. Die ausgesprochene Suspendierung sei nicht erforderlich. Es hätten mildere Mittel zur Verfügung gestanden. Insbesondere fehle es an einer vorherigen Ermahnung. Auch wäre eine nur teilweise oder vorübergehende Suspendierung in Betracht zu ziehen gewesen. Zudem sei fraglich, ob das Verbot aufrechterhalten werden könne, da der Antragsteller aufgrund der vergangenen Zeit ohnehin nicht mehr in seine Ausbildungsklasse zurückkehren könne und damit nicht mehr auf PMAin … treffen würde. Der Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt eine Person bedroht. Daher stehe auch keine Wiederholungsgefahr im Raum. Es sei nicht abzusehen, wann das gegen den Antragsteller eingeleitete Disziplinarverfahren abgeschlossen sei, so dass ihm infolge der Dauer des Dienstgeschäfteführungsverbots erhebliche Nachteile entstünden, er insbesondere seinen gewünschten Beruf nicht ausüben könne.
16
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
17
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
18
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde – wie hier die Antragsgegnerin hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem privaten Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung ab. Der Antrag hat Erfolg, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung einer solchen Maßnahme kein öffentliches Interesse bestehen kann, oder wenn das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Vollzugsinteresse aus anderen Gründen überwiegt. Formales Erfordernis für die behördliche Vollziehungsanordnung ist darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß begründet wurde.
19
Vorliegend ist weder die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs zu beanstanden (dazu unter a), noch bestehen begründete Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids (dazu unter b). Eine Interessenabwägung im Übrigen führt ebenfalls nicht dazu, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegen würde (dazu unter c).
20
a) Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 7; VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 20 m.w.N.). Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können. Für die Begründung der sofortigen Vollziehung sind deshalb grundsätzlich keine weiteren Gründe erforderlich als für die Anordnung des Verbots (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 18; B.v. 13.10.2006 – M 5 S. 06.3478 – juris Rn. 15).
21
Die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.03.2023 gegebene Begründung für die Sofortvollzugsanordnung genügt den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat nicht lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt, sondern die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angegebenen Gründe lassen erkennen, dass eine Einzelfallprüfung erfolgte und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen wurden. So rekurrierte die Antragsgegnerin neben dem drohenden Ansehensverlust der Bundespolizei auf die Gewährleistung eines ungestörten und ordnungsgemäßen Verlaufs des Dienstbetriebs. Insoweit sei ausweislich der weiteren Ausführungen der verfahrensgegenständlichen Verfügung sicherzustellen, dass Fehlverhalten, welches die Verwirklichung von Straftatbeständen zum Hintergrund habe, konsequent entgegengetreten werde, um insbesondere auch einen Nachahmungseffekt zu verhindern.
22
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Gründe der Verbotsverfügung regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung tragen (vgl. VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 21; VG Düsseldorf, B.v. 18.5.2016 – 13 L 832/16 – juris Rn. 6ff. m.w.N.).
23
b) Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Verbotsverfügung (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 12) grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (OVG Hamburg, B.v. 3.8.1954 – Bs II 32/54 – VerwRspr 1955, 216 f.; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 19). Ergibt sich, dass der seitens des Antragstellers eingelegte Rechtsbehelf – hier der mit Schriftsatz vom 23.03.2023 erhobene Widerspruch – voraussichtlich erfolglos sein wird, scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus.
24
Hiervon ausgehend ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Verbotsverfügung vom 21.02.2023 bzw. 13.03.2023 bestehen. Sie beruht insbesondere auf einer hinreichend ermittelten Tatsachengrundlage.
25
aa) Formelle Mängel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar geht aus den Verwaltungsakten hervor, dass der Antragsteller zu dem Verbot vor Erlass nicht angehört worden ist. Das Fehlen der Anhörung ist aber unbeachtlich, weil es entweder gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) keiner vorherigen Anhörung des Antragstellers bedurfte oder jedenfalls die Nachholung der Anhörung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich ist (§ 45 Abs. 2 VwVfG).
26
bb) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Verfügung vom 21.02.2023 bzw. 13.03.2023 rechtmäßig.
27
Gemäß § 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) i.V.m. § 66 Satz 1 BBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiell-rechtlichen Eilmaßnahme handelt – denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin bzw. den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist –, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 12). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem etwaig eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.
28
Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 13).
29
Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 14; vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 17.6.2013 – 6 A 2586/12 – juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung der Beamtin bzw. des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 30.7.2015 – 6 A 1454/13 – juris Rn. 7ff. m.w.N.).
30
Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – juris Rn. 8).
31
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Prognoseentscheidung im Rahmen von § 66 BBG ist der Zeitpunkt der Anordnung des Verbots, weil mit dem Widerspruch gegen das Verbot nicht der nachträgliche Wegfall, sondern die anfängliche Rechtswidrigkeit desselben geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 12f. m.w.N.).
32
Die Bundespolizeiakademie begründet die Besorgnis einer erheblichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs bzw. gewichtiger dienstlicher Nachteile bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers mit dem Schutz der Lehrgangskollegen, namentlich PMAin …, zur Verhinderung eines Nachahmungseffekts sowie mit dem drohenden Ansehensverlust der Bundespolizei. Diese Annahmen stützt die Antragsgegnerin auf die seitens des Antragstellers an PMAin … vom Handy eines Kollegen versandte Sprachnachricht sowie den Vorfall am Abend des 16.02.2023.
33
Die herangezogene Tatsachengrundlage wird den Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der beiden dem Antragsteller zur Last gelegten Vorkommnisse gerecht. Aus diesen Sachverhalten lässt sich in der Gesamtschau die Prognose ableiten, dass bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt werden, ein Nachahmungseffekt sowie ein Ansehensverlust für die Bundespolizei eintreten könnte.
34
Die Antragsgegnerin hat den ihrer Verbotsverfügung zugrunde gelegten Sachverhalt ausreichend ermittelt. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach Abs. 2 hat die Behörde dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Ergänzend legt § 26 Abs. 1 VwVfG fest, dass sich die Behörde der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann dafür u.a. Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen.
35
Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der beiden genannten Vorkommnisse Zeugen angehört sowie die in Rede stehende Sprachnachricht des Antragsstellers gesichert. Namentlich finden sich in den Verwaltungsakten die Anhörungsprotokolle von PM …, PMAin …, PMAin … sowie PMAin … Darüber hinaus hat der Antragsteller im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.03.2023 selbst eingeräumt, die in Rede stehende Sprachnachricht von dem Handy eines Kollegen an PMAin … versandt zu haben, er verwies diesbezüglich jedoch auf dahinterstehende humoristische Absichten und gab vor, dass dies dem üblichen Umgangston innerhalb der Gruppe entsprochen habe. Diese Ausführungen des Antragstellers stehen jedoch im augenfälligen Widerspruch zu den Einlassungen des PM … im Rahmen seiner Anhörung vom 20.02.2023. Dieser führte aus, dass er PMAin … von früher kenne und sie regelmäßig nach Hause fahre. Während der Fahrt am 17.02.2023 habe ihm PMAin … in sehr angespanntem und belastetem Zustand berichtet, dass sie von einem Kollegen der Lehrklasse getreten worden sei. Zudem habe sie Drohungen und Übergriffe seitens eines weiteren Kollegen geschildert. PMAin … habe PM … darüber hinaus drei Sprachnachrichten vorgespielt, darunter auch diejenige, die im Nachgang zweifelsfrei dem Antragsteller zugeordnet werden konnte. Weiterhin schilderte PM …, dass ihm PMAin … wiederholt mitgeteilt habe, dass sie im Falle einer Meldung Angst vor den Konsequenzen, insbesondere vor einer Stigmatisierung als Petze in der Klasse, habe. Zudem soll sie angegeben haben, dass sie fürchte, dass ihr die beiden Freunde des … – zu denen auch der Antragsteller gehört – etwas antun würden. PMAin … schilderte im Rahmen ihrer Anhörung vom 27.02.2023, dass sie das Verhalten des Antragstellers und der beiden weiteren Kollegen zwar zunächst als Spaß aufgefasst habe, sie deren Äußerungen im weiteren Verlauf jedoch als immer ernster empfunden habe. Insbesondere nach dem Grenzpraktikum habe sie das Gefühl gehabt, bedrängt zu werden. … habe sie überwacht. Zwar hätte sie sich auch mit dem Antragsteller zunächst gut verstanden, die Situation sei dann jedoch „viel zu ernst“ geworden. An einem Donnerstag sei sie seitens des Antragstellers angesprochen worden, was sie im Rahmen ihrer Meldung berichtet habe. Beim Fragen habe ihr der Antragsteller gegen die Füße getreten. Auf die Frage der Anhörenden, wie mit dem Sachverhalt aus ihrer Sicht umgegangen werden sollte, führte sie aus, wenn den Betroffenen gesagt werde, dass sie das in Rede stehende Verhalten künftig unterlassen sollten, habe sie Angst, erst recht bedrängt zu werden.
36
Gegen die Ausflüchte des Antragstellers, dass die von ihm gegenüber PMAin … getätigte Sprachnachricht nicht ernst gemeint gewesen sei, sprechen zudem die Ausführungen der Zeugin PMAin … anlässlich ihrer Anhörung vom 23.02.2023. Diese beschrieb das Verhältnis zwischen PMAin … und dem Antragsteller zwar als stets gut und führte aus, dass sich die beiden aufgezogen und zusammen gelacht hätten. Allerdings erklärte die Zeugin … weiter, dass es PMAin … – nachdem sie im Unterricht auf ihr Handy geschaut habe – plötzlich schlechter gegangen sei, sie das Klassenzimmer verlassen und geweint habe. Ferner führte sie aus, dass es zwar gegenseitige Beleidigungen innerhalb der Lehrgruppe gegeben habe, die nicht ernst gemeint gewesen sei. Allerdings seien Aussprüche wie „Schlampe“ oder „Fotze“ nicht vorgekommen. Auf Nachfrage erklärte PMAin …, dass sie nicht mitbekommen habe, dass der Antragsteller PMAin … getreten habe, vielmehr sei der Antragsteller mit PMA … zusammen gewesen. Auch die Zeugin … berichtete im Rahmen ihrer Anhörung am 23.02.2023, dass sie nichts davon wisse, dass PMAin … durch den Antragsteller getreten worden sei. Sie vermutet weiter, dass ihr PMAin … den Vorfall andernfalls berichtet hätte. Die Sprachnachricht des Antragstellers erachtet die Zeugin als normalen Sprachgebrauch. Insgesamt fällt bei den Zeuginnen … und … allerdings auf, dass ihre Aussagen eher oberflächlicher Natur bleiben und wiederholt gezielte Nachfragen der Anhörenden erforderlich waren. Mehrmals führten beide Zeuginnen aus, dass PMAin … sich nicht bedrängt gefühlt habe und die Vorfälle eigentlich nicht hätte anzeigen wollen.
37
Selbst wenn im Zeitpunkt des Erlasses der gegenständlichen Suspendierungsverfügung nicht zweifelsfrei feststand, ob der Antragsteller PMAin … getreten hatte, so bestand doch Klarheit darüber, dass er die in Rede stehende Sprachnachricht, die eine Drohung sowie frauen- und behindertenfeindliche Beleidigungen enthielt, an die Betroffene versandt hat. In Zusammenschau mit den Aussagen des Zeugen vom Hörensagen PM … sowie der Zeugin PMAin … hinsichtlich der vermeintlichen Tritte sowie der äußert schleppenden und zögerlichen Einlassungen der beiden weiteren Zeuginnen, die unter Umständen bestrebt waren, weitere Schwierigkeiten von ihren Lehrgangskollegen abzuwenden, lag eine tragfähige Tatsachengrundlage für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vor.
38
Aus dieser Tatsachengrundlage lässt sich zum einen die Prognose ableiten, dass bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers der Dienstbetrieb hätte erheblich beeinträchtigt werden können. Jedenfalls mit seiner Reaktion auf die Meldung von PMAin … im Rahmen der von ihm verschickten Sprachnachricht zeigte er, dass er mit der im Raum stehenden Kritik seiner Kollegin an seinem Verhalten in keiner Weise selbstbeherrscht umgehen konnte. Mit seinen Äußerungen in der vorgenannten Nachricht hat der Antragsteller gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Antragstellers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10).
39
Auch in einer emotionalen Ausnahmesituation besonnen zu reagieren, weder in Wort noch Tat übergriffig zu werden, die von dem oder der Anderen gesuchte Distanz zu respektieren und die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, muss zwingend von jedem – auch angehenden – Bundespolizisten erwartet werden können. Im Polizeivollzugsdienst begeben sich die Beamten alltäglich in physisch und psychisch belastende Situationen, in denen sie mit der ihnen übertragenen rechtlichen und tatsächlichen Machtposition verantwortungsvoll umgehen müssen. Dazu ist es insbesondere erforderlich, auch bei beachtlichen persönlichen Spannungen selbstdiszipliniert zu reagieren und Konflikte sachlich zu lösen. „Ausraster“ sind dabei keinesfalls tolerabel. Demgemäß müssen von Bundespolizeibeamten charakterliche Stabilität, Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit erwartet werden, die ein entsprechend besonnenes Verhalten nicht nur im dienstlichen, sondern auch privaten Bereich bedingen. Auch wenn sich der Vorfall im Zusammenhang mit der Sprachnachricht in der privaten Sphäre zutrug, schlug das Verhalten des Antragstellers jedenfalls auf den dienstlichen Bereich über, weil sich der Vorfall in den dienstlichen Einrichtungen und unter ausschließlicher Beteiligung der Lehrgruppenmitglieder zutrug.
40
Angesichts der Einlassungen der Zeugen, dass beleidigende Äußerungen des Antragstellers offenbar seinem täglichen Sprachgebrauch angehörten, verdichtet sich der Gesamteindruck, dass die versandte Sprachnachricht nicht einer einmaligen Ausnahmesituation geschuldet und für ihn untypisch, sondern Ausdruck eines charakterlichen Wesenszuges des Antragstellers waren. Auch wenn hinsichtlich des dem Antragsteller weiterhin vorgeworfenen Tretens der Zeugin PMAin … keine belastende Aussage eines weiteren Augenzeugens vorlag, liegen jedenfalls mit den Schilderungen des Zeugen vom Hörensagen … sowie der Betroffenen und der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Eindruck fehlender Selbstbeherrschung und Unreife des Antragstellers weiter untermauern. Darauf, ob sich PMAin … sowie weitere Lehrgangsmitglieder ebenfalls in beleidigender Weise äußerten, kommt es für die rechtliche Beurteilung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nicht an. Die Klärung der Schuldfrage im Sinne der persönlichen Vorwerfbarkeit des fraglichen Verhaltens spielt insoweit keine Rolle. Wer in welchem Umfang zu der Situation beitrug, die in der beleidigenden Sprachnachricht sowie dem vermeintlichen Tritt gipfelte, ist unerheblich. Erheblich ist allein das vom Antragsteller gezeigte beträchtlich beleidigende Verhalten und die objektive Wiederholungsgefahr eines solchen Auftretens.
41
Zwar wird dem Antragsteller im Rahmen eines Persönlichkeits- und Leistungsbildes vom 27.02.2023 bescheinigt, dass er ein freundlicher und höflicher Charakter sei, gegenüber dem Lehr- und Ausbildungspersonal stets respektvoll auftrete und innerhalb der Lehrgruppe einen kollegialen Umgang pflege. Allerdings begründen die beleidigende Sprachnachricht sowie der im Übrigen offensichtlich an den Tag gelegte „humoristisch-beleidigende“ Umgangston, dass der Antragsteller angesichts seiner Unreife gleichwohl eine latente Gefahr für den weiteren Ausbildungsbetrieb darstellt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller augenscheinlich verborgen blieb, dass PMAin … sich angesichts der sich intensivierenden Beleidigungen belästigt fühlte und Angst entwickelte. Dass die Antragsgegnerin dem Interesse an einer ungestörten Fortsetzung der Ausbildung zugunsten der übrigen Anwärterinnen und Anwärter den Vorzug vor dem Ausbildungsinteresse des Antragstellers gegeben hat, ist daher nicht zu beanstanden. Sie durfte aufgrund der Erkenntnisse aus den vorgenannten Anhörungen zu der begründeten Überzeugung gelangen, dass zur „Entschärfung“ der Situation und zur Gewährleistung eines ungehinderten Ausbildungsverlaufs sofortiges Handeln in Form eines Dienstgeschäfteführungsverbots zwingend geboten war.
42
Zurecht hat die Antragsgegnerin zusätzlich die Gefahr erheblicher dienstlicher Nachteile in Form eines Ansehensverlustes der Bundespolizei in der Öffentlichkeit angenommen, wenn der Antragsteller weiter seinen Dienstgeschäften hätte nachgehen dürfen. Das vom Antragsteller gezeigte Verhalten war geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Integrität der Amtsführung zu beschädigen, zumal gegen den Antragsteller infolge der Vorfälle ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt wurde. Als zur Verhütung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten berufene Beamte genießen Polizeibeamte in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – ZBR 2015, 422 Rn. 22). Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn ein Polizeibeamter selbst Straftaten begeht oder sich diesem Verdacht aussetzt. Die seitens des Antragstellers im Rahmen der Sprachnachricht geäußerten frauen- und behindertenfeindlichen Beleidigungen sowie die ausgesprochene Drohung sind in besonderem Maße geeignet, die Integrität und Glaubwürdigkeit der Bundespolizei als Hüter von Recht und Gesetz in der Öffentlichkeit zu mindern und rechtfertigten einen sofortigen Ausschluss des Antragstellers aus dem Klassenverband. Dabei ist irrelevant, ob das Verhalten des Antragstellers einer breiten Öffentlichkeit wirklich bekannt geworden ist; entscheidend ist vielmehr der Eindruck, der im Falle eines nicht auszuschließenden Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit entstehen kann (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 8; VG Bayreuth, B.v. 27.2.2004 – B 5 S 04.182 – juris Rn. 51 m.w.N.). Auch die vermeintlich humoristische Motivation des Antragstellers ist als unerheblich anzusehen, weil ein legitimes Interesse der Antragsgegnerin besteht, bereits den Anschein frauen- oder behindertenfeindlicher Tendenzen in der Bundespolizei zu vermeiden und so einer Schädigung des Ansehens der Bundespolizei in der Öffentlichkeit vorzubeugen. Für die Annahme eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit ist es weiter nicht erforderlich, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 6 CS 21.567 – juris Rn. 17; B.v. 19.8.2021 – 6 CS 21.1910 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 30.12.2020 – 6 B 827/20 – juris Rn. 27; OVG LSA, B.v. 7.5.2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 8).
43
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erweist sich auch weder als ermessensfehlerhaft (vgl. zur Frage, ob § 39 Satz 1 BeamtStG die Ausübung von Ermessen verlangt z.B. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.291 – juris Rn. 13) noch als unverhältnismäßig. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher, sondern im Wesentlichen nur noch dahingehend eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. OVG NW, B.v. 17.6.2013 – 6 A 2586/12 – juris Rn. 14). Die Schwere des Verdachts lässt hier eine weitere Tätigkeit des Antragstellers derzeit als unvertretbar erscheinen. Auch der Umstand, dass sich der Antragsteller lediglich im Ausbildungsverhältnis befindet, führt zu keiner anderen Bewertung. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könne dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen, die Straftaten begingen und sich beleidigend sowie frauenfeindlich äußerten. Insoweit sei zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs auch ein Nachahmungseffekt hinsichtlich der Anwärterkolleginnen und -kollegen des Antragstellers auszuschließen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte angesichts der Fortzahlung der Bezüge keine erheblichen finanziellen Nachteile entstehen.
44
Schließlich stand der Antragsgegnerin auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Die Integrität des Antragstellers in seiner Stellung als Beamter steht insgesamt in Frage, so dass es der Antragsgegnerin auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung nicht zuzumuten ist, den Antragsteller nur von einzelnen Tätigkeiten auszuschließen, ihn im Übrigen aber weiterzubeschäftigen. Die Gründe, die für das Verbot sprechen, betreffen die gesamte dienstliche Tätigkeit des Antragstellers. Im Übrigen gibt es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 26).
45
c) Eine Interessenabwägung im Übrigen führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Das Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung seiner Ausbildung hat angesichts berechtigter charakterlicher Eignungszweifel hinter dem Interesse der Antragsgegnerin am Schutz seiner Ausbildungskollegen, dem ungehinderten Unterrichtsgeschehen und der Ansehenswahrung der Bundespolizei zurückzustehen, bis über den Widerspruch des Antragstellers befunden ist. Irreversible Nachteile sind damit nicht verbunden.
46
2. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
47
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).