Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 30.06.2023 – B 5 K 22.895
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch eines ehemaligen Bürgermeisters gegen die Gemeinde wegen nicht genommenen Erholungsurlaubs

Normenketten:
BeamtStG § 45
BayBeamtG Art 86
GG Art. 34
Gemeindeordnung Art. 34 Abs. 1 S. 3
BGB § 249, § 251 Abs. 1, § 253 Abs. 1, Abs. 2, § 253 Abs. 1, Abs. 2, § 839
UrlMV § 9
Leitsatz:
Dem Anspruch eines Beamten auf Gewährung von Erholungsurlaub kommt kein eigener Vermögenswert zu. Wird er während des Urlaubszeitraumes nicht genommen, so verfällt er deswegen ersatzlos, weil er seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung, keine finanzielle Abgeltung nicht eingebrachter Urlaubstage bei Falschauskunft, Beamte, Dienstherr, Gemeinde, Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Urlaubsabgeltung, Beamtenverhältnis, Fürsorgepflicht, Vermögensschaden, finanzielle Abgeltung, Urlaubstage, Falschauskunft, Erholungsurlaub, Vermögensnachteil, kommunaler Wahlbeamter, mündliche Zusage, Nichtvermögensschaden
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30293

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollsteckbar.  
Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend.
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Der Kläger war Erster Bürgermeister der Beklagten. Am 30.04.2022 hat er sein Amt vorzeitig aufgegeben, um in seinen alten Beruf zurückzukehren. Die reguläre Wahlperiode als kommunaler Wahlbeamter hätte zum 30.04.2026 geendet. In seiner Sitzung vom 21.03.2022 stimmte der Gemeinderat der Beklagten dem Antrag des Klägers auf vorzeitige Niederlegung des Mandats zum 30.04.2022 zu. Mit Schreiben vom 28.04.2022 sowie vom 17.05.2022 beantragte der Kläger die finanzielle Abgeltung nicht in Anspruch genommener Urlaubstage. Ausweislich einer Urlaubsbescheinigung der Beklagten (Bl. 10 GA) wies das Urlaubskonto des Klägers bis 30.04.2022 einen ausstehenden Urlaub von 13 Tagen aus. Mit Schreiben vom 29.06.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Gemeinderat der Beklagten den Antrag auf Abgeltung des innerhalb der Dienstzeit nicht eingebrachten Erholungsurlaubs in seiner Sitzung vom 23.05.2022 abgelehnt habe. Nach § 9 der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV), die auch für kommunale Wahlbeamte gelte, komme eine Abgeltung nicht eingebrachten Erholungsurlaubs nur in Betracht, wenn die Einbringung von Urlaubstagen auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich gewesen sei. Dies treffe im Fall des Klägers nicht zu. Mit Schreiben vom 20.07.2022 forderte der Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte abermals auf, den Urlaub abzugelten, was seitens des Bevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 16.08.2022 abgelehnt wurde.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.019,14 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab 03.08.2022 sowie weitere Kosten in Höhe von 713,78 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu bezahlen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger seine Absicht, das Amt des Bürgermeisters niederzulegen, rechtzeitig mitgeteilt habe, damit die Gemeinde die notwendigen weiteren Schritte habe einleiten können. Für den Kläger sei in diesem Zusammenhang auch die Frage wichtig gewesen, ob er den ihm zustehenden Resturlaub bis zum 30.04.2022 vollständig einbringen müsse oder ob nicht genommener Urlaub abgegolten werden könne. Denn die Verteilung der wahrzunehmenden Termine auf den Kläger und seine beiden Stellvertreter sei hiervon abhängig gewesen. Der Kläger habe sich daher an den Geschäftsleiter der Beklagten, Herrn …, gewandt und um Beantwortung der Frage gebeten. In einer Besprechung am 11.03.2022, an welcher der Kläger aufgrund einer Erkrankung nicht habe teilnehmen können, sei daraufhin seitens des Geschäftsleiters der Beklagten gegenüber dem Zweiten Bürgermeister, Herrn …, erklärt worden, dass es kein Problem sei, den Urlaub ausbezahlen zu lassen. Diese Aussage habe Herr … an den Kläger weitergegeben. Entsprechend sei die Vertretung zwischen dem Kläger und den Bürgermeistern … und … geregelt worden. Der Kläger habe versucht, im März noch einige Urlaubstage zu nehmen, was allerdings in Anbetracht des hohen Arbeitsanfalls nicht möglich gewesen sei. Er habe sich wegen der Abgeltung des Urlaubs daher nochmals an den Geschäftsleiter gewandt, welcher ihm mitgeteilt habe, dass es für die Urlaubsabgeltung Pauschalen gebe, die je Tag gewährt würden; es müsse lediglich ein entsprechender Antrag gestellt werden. In der Folge sei die Urlaubsabgeltung jedoch seitens der Beklagten abgelehnt worden. Für den Kläger habe dies zur Folge, dass er sein Amt als Erster Bürgermeister der Beklagten bis zu seinem letzten Arbeitstag ausgeübt und seinen gesamten nicht genommenen Jahresurlaub verloren habe. Dieser Verlust der Urlaubstage sei auf die Falschauskunft des Geschäftsleiters der Beklagten zurückzuführen. Hätte dieser eine ordnungsgemäße Auskunft erteilt, hätte der Kläger seinen Jahresurlaub bis zum 30.04.2022 in Anspruch genommen oder versucht, andere Lösungen zu finden. Aufgrund der falschen Beratung des Geschäftsleiters der Beklagten liege eine Amtspflichtverletzung gemäß § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), Art. 34 des Grundgesetzes (GG) vor, mit der Folge, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Form der Urlaubsabgeltung zustehe. Es gehöre zum Aufgabengebiet eines Geschäftsleiters einer Gemeinde, dass er u.a. den Bürgermeister in rechtlichen Fragen unterstütze und die notwendigen Auskünfte einhole. Sofern er nicht über die notwendigen Kenntnisse verfüge, habe er sich diese durch Nachfragen bei den zuständigen Stellen zu verschaffen. Zu dem Zeitpunkt als die Frage der Urlaubsabgeltung erstmals bei der Beklagten aufgekommen sei, habe der Geschäftsleiter offenbar von der einschlägigen Vorschrift keine Kenntnis gehabt. Er habe es zu diesem Zeitpunkt auch unterlassen, sich diesbezüglich bei den zuständigen Stellen zu informieren. Die Information sei erst eingeholt worden, als der entsprechende Antrag des Klägers zur Entscheidung angestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei es dem Kläger jedoch nicht mehr möglich gewesen, den Urlaub einzubringen, da die Amtszeit beendet gewesen sei. Hinsichtlich der Höhe des Abgeltungsanspruchs sei § 9 Abs. 2 UrlMV anzuwenden. Ausweislich der Gehaltsabrechnung des Klägers für den Monat Juni 2022 habe dieser ein regelmäßiges Gehalt von 10.031,90 Euro brutto bezogen. Lege man bei der Tätigkeit als Bürgermeister eine Fünftagewoche zugrunde, errechne sich ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 6.019,14 Euro. Darüber hinaus würden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden geltend gemacht.
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Mit Schriftsatz vom 11.10.2022 rügt der Bevollmächtigte der Beklagten die fehlende Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, soweit sich die Klage auf Fragestellungen einer Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG stützt. Weiterhin beantragt der Bevollmächtigte des Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 02.11.2022 ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatz nicht zustehe. Der Kläger habe seine vorzeitige Entlassung aus dem Amt zum 31.03.2022 mit undatiertem Schreiben, welches bei der Beklagten am 04.03.2022 eingegangen sei, beantragt. Aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen der eingegangenen Erklärung sowie der geplanten Niederlegung des Mandats zum 31.03.2022 sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass eine Entlassung zum 30.04.2022 erfolgen solle. Auf diese Weise hätte der Kläger noch wichtige Termine wahrnehmen und seinen restlichen Urlaub einbringen können. Es liege bereits keine Amtspflichtverletzung gegenüber einem Dritten vor. Zum einen habe sich der Kläger selbst bei der Rechts- und Fachaufsichtsbehörde ausreichend über die Möglichkeiten und Auswirkungen seines Rücktritts als kommunaler Wahlbeamter vor Ende seiner regulären Wahlperiode informiert. Etwaige Fragen des Resturlaubs hätte der Kläger selbst klären müssen. Der Erste Bürgermeister habe zu gewährleisten, dass die Gemeindebediensteten ihre Dienstpflichten sachgemäß erfüllten und dabei gesetzmäßig handelten. Daraus folge, dass der Kläger während seiner Eigenschaft als kommunaler Wahlbeamter und Erster Bürgermeister der Beklagten schlussendlich für die Gesamtverwaltung der Gemeinde … verantwortlich gewesen sei. Dies umfasse auch etwaige Schlechtleistungen im Verwaltungshandeln. Selbst wenn man eine Verletzung einer etwaigen Amtspflicht bzw. einer Pflicht durch den Geschäftsstellenleiter annehmen würde – was nicht der Fall sei – sei dies lediglich eine Dienstpflicht interner Natur. Der von Klägerseite ins Feld geführte Abgeltungsanspruch des § 9 Abs. 2 UrlMV finde keine Anwendung. Diese Regelung sei nur für den expliziten Fall einschlägig, dass bei Dienstunfähigkeit das Einbringen von Erholungsurlaub vor Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht mehr möglich gewesen sei. Dies sei hier unstreitig nicht der Fall. Aufgrund seiner eindeutigen Regelungswirkung verbiete sich jedwede Analogie. Darüber hinaus sei in der Rechtsprechung grundlegend anerkannt, dass die Einbuße an Freizeit keinen Vermögensschaden darstelle.
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In Erwiderung hierauf führt der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsätzen vom 01.12.2022 und vom 07.12.2022 aus, dass eine Fürsorgepflichtverletzung des Behördenleiters gegenüber dem Kläger vorliege. Die Fürsorgepflicht gebiete es, dass bei derartigen Auskünften, wie sie der Kläger begehrt habe, zunächst eine rechtssichere Auskunft eingeholt werde, bevor verbindliche Erklärungen abgegeben würden. Die Fürsorgepflicht sei auch durch einen Erfüllungsgehilfen der Gemeinde, nämlich den Behördenleiter, verletzt worden. Zwar habe der Behördenleiter im Nachgang rechtliche Auskünfte eingeholt, welche letztendlich Grundlage der Entscheidung des Gemeinderats geworden seien. Zum Zeitpunkt der Auskunft gegenüber dem Kläger habe der Behördenleiter allerdings noch nicht die notwendigen Kenntnisse gehabt und sei auch nicht bereit gewesen, sich diese rechtsverbindlich zu verschaffen. Dieses Verhalten des Behördenleiters sei auch schuldhaft erfolgt, da er Auskünfte erteilt habe von deren Richtigkeit er selbst keine Kenntnis gehabt habe. Es bestehe ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der Fürsorgepflichtverletzung. Hätte der Behördenleiter von Anfang an eine richtige Auskunft erteilt, hätten sich der Kläger und sein Stellvertreter darauf einstellen können und es hätte gemeinsam nach anderen Lösungen gesucht werden können. Der Zweite Bürgermeister habe dem Kläger die Falschauskunft übermittelt. Er habe damals auch die Verantwortung getragen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Besprechung am 11.03.2022 an Corona erkrankt gewesen sei und die Amtsgeschäfte nicht habe wahrnehmen können. Im Rahmen dieses Gesprächs am 11.03.2022 sei die Urlaubsproblematik im Hinblick auf die angedachte Beendigung der Bürgermeistertätigkeit zum 31.03.2022 diskutiert worden. In diesem Zusammenhang habe der Geschäftsstellenleiter der Beklagten unbestritten die Aussage getätigt, dass es kein Problem darstelle, den Urlaub auszubezahlen. Daran änderten auch Erkundigungen, die der Kläger beim Landratsamt eingeholt habe, nichts. Hier sei es ausschließlich um die Frage gegangen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem zeitlichen Vorlauf ein Bürgermeister von seinen Amtsgeschäften zurücktreten könne. Die Frage des Urlaubs sei insoweit nicht erörtert worden.
8
Mit Beschluss vom 22.12.2022 stellte das Verwaltungsgericht Bayreuth fest, dass für die vorliegende Streitsache der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.02.2023 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Übertragung des Rechtsstreits auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin gehört.
9
Mit Schriftsatz vom 23.02.2023 führt der Beklagtenbevollmächtigte aus, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung ebenso nicht vorlägen. Es sei schon keine Verletzung der Fürsorgepflicht ersichtlich. Dem Dienstherrn obliege keine allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Beamten über alle für sie, insbesondere zur Wahrung ihrer Rechte, einschlägigen Vorschriften, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handele, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden könnten oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen könne. Darüber hinaus fehle es am adäquat kausal verursachten Schaden. Der Fürsorgepflichtanspruch beinhalte keinen Schadensersatzanspruch hinsichtlich eines immateriellen Schadens. Der immaterielle Schaden sei in § 249 BGB nicht inbegriffen und nur aufgrund ausdrücklicher sondergesetzlicher Regelungen zu ersetzen, die vorliegend nicht einschlägig seien.
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Der Klägerbevollmächtigte bekräftigt daraufhin seine Rechtsauffassung mit Schriftsatz vom 14.04.2023.
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Mit Beschluss der Kammer vom 25.04.2023 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten sowie wegen des Verhandlungsverlaufs auf das Protokoll vom 27.06.2023, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten auf ihre bereits schriftsätzlich angekündigten Anträge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Klage ein Antrag des Klägers gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz vorausgegangen. Nach der Rechtsprechung setzt eine auf Schadensersatz gerichtete Verpflichtungs- und Leistungsklage einen dahingehenden, vor Klageerhebung an die Behörde zu richtenden Antrag voraus. Es handelt sich hierbei nicht um eine bloße Sachurteilsvoraussetzung, sondern um eine Klagevoraussetzung. Dieser Schadenersatzanspruch muss vor Klageerhebung im Verwaltungsverfahren in erkennbarer Form an die Behörde herangetragen werden, sodass diese nicht erst im Prozess damit konfrontiert wird (BayVGH, B.v. 29.10.2013 – 3 ZB 09.1593 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 15.7.1977 – II B 36.76 – Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 66; U.v. 27.6.1986 – 6 C 131.80 – BVerwGE 74, 303/306). Dabei muss der Schadensersatzanspruch in bescheidbarer Weise konkretisiert werden, da der Dienstherr nur so in die Lage versetzt wird, die Angelegenheit einer verwaltungsinternen Prüfung zu unterziehen und durch eine denkbare Abhilfe oder aber nähere Begründung seines Standpunktes einen Rechtsstreit mit dem Beamten zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2001 – 2 C 48/00 – BVerwGE 114, 350). Einen solchen Antrag auf Gewährung von Schadensersatz hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 28.04.2022, vom 17.05.2022 sowie mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20.07.2022 und damit vor Klageerhebung gestellt.
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Die erhobene Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Die angestrebte Gewährung von Schadensersatz zielt unmittelbar auf eine Amtshandlung – in Form der Auszahlung der Schadenssumme – ohne Verwaltungsaktcharakter.
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2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
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Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatz aufgrund einer Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn gegenüber der Beklagten nicht zu.
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Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet ihre positivrechtliche Verankerung in § 45 BeamtStG. Vergleichbare Regelungen enthalten bzw. enthielten auch § 78 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sowie Art. 86 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) a.F. Es handelt sich dabei ebenso wie bei der umfassenden Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 1.77 – RiA 1980, 237; U.v. 29.6.1995 – 2 C 10/93 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.2.2016 – 3 ZB 13.2134 – juris Rn. 8). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden Organe und Personen voraus (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.1979 – II C 19.75 – Buchholz 237.5 § 92 HessBG Nr. 5, juris Rn. 26), wobei weiter Voraussetzung ist, dass dieses Verhalten einen bezifferbaren Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist (vgl. BVerwG, B.v. 3.11.2014 – 2 B 24/14 – juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 6 ZB 12.470 – juris Rn. 8; vgl. zum Ganzen auch VG Bayreuth, U.v. 24.5.2016 – B 5 K 14.106 – juris Rn. 29; VG München, U.v. 13.7.2017 – M 5 K 15.976 – juris Rn. 16).
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Unabhängig von der Frage, ob eine schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht auf Seiten der Beklagten vorliegt, fehlt es jedenfalls an einem ersatzfähigen Schaden des Klägers.
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Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegt (st. Rspr; vgl. u. a. BVerwG, U.v. 10.2.2000 – 2 A 4/99 – Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 18, juris Rn. 12). Nach § 249 Abs. 1 BGB ist derjenige Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Als Schaden ist die Differenz zwischen dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem tatsächlich gegebenen Vermögensstand anzusehen. Ein Vermögensschaden ist in der Regel im Wege der Naturalrestitution auszugleichen. Der Geschädigte kann damit die Herstellung des ursprünglichen Zustands verlangen (BGH, U.v. 3.12.1974 – VI ZR 1/74 – BGHZ 63, 295/298). Ist eine Naturalherstellung nicht möglich, ist der Anspruch nach § 251 Abs. 1 BGB auf Geld (Entschädigung) gerichtet.
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Liegt ein Nichtvermögensschaden vor, kann der Geschädigte nach § 253 Abs. 1 BGB nur dann eine Entschädigung in Geld fordern, wenn das Gesetz diese ausdrücklich anordnet. Ein Beamter kann etwa für zusätzlich geleistete Dienste keine Entschädigung in Geld verlangen, da der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit als solcher kein materieller, sondern ein Nichtvermögensschaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1998 – 2 A 2/98 – juris; U.v. 28.5.2003 – 2 C 35/02 – juris). Eine Entschädigung in Geld kann für einen immateriellen Schaden nach § 253 Abs. 2 BGB bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung verlangt werden. Nach früherer Rechtslage war ein Ausgleich des immateriellen Schadens nur möglich, wenn eine Haftung aus unerlaubter Handlung vorlag, da die Rechtsgrundlage des Entschädigungsanspruches (§ 847 BGB a.F.) in das Deliktsrecht integriert war. Nunmehr ist der Zahlungsanspruch von der Rechtsnatur und den Voraussetzungen des Ersatzanspruches unabhängig. Dementsprechend kommt bei der Verletzung der Fürsorgepflicht auch ein Ausgleich des immateriellen Schadens in Betracht, wenn eines der in § 253 Abs. 2 BGB abschließend aufgezählten Rechtsgüter verletzt worden ist (vgl. Hofmann, B. in: Schutz/Maiwald, Beamtenrecht – Kommentar, 384/148. AL April 2015, 6 Ableitbare Ansprüche aus der Fürsorgepflicht, Rn. 120; BVerwG, U.v. 28.3.2023 – 2 C 6/21 – juirs; Ablehnung einer Ersatzfähigkeit des immateriellen Schadens bei Fürsorgepflichtverletzung: Conrad in: Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, April 2023, § 45 BeamtStG, Rn. 68). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.
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Der Schaden des Klägers besteht darin, dass er vor seiner Mandatsniederlegung an 13 Tagen Dienst getan hat, an denen er noch hätte Erholungsurlaub nehmen können. Dadurch ist ihm aber unmittelbar keine Vermögenseinbuße entstanden, weil er seine Besoldung während des gesamten Zeitraums seiner Diensttätigkeit stets in voller Höhe ausbezahlt erhalten hat. Dass der Kläger während des fraglichen Zeitraumes seinen normalen Dienst geleistet hat, obwohl er wegen eines noch bestehenden Urlaubsanspruchs berechtigt gewesen wäre, diese Zeit als Freizeit nach eigenem Gutdünken zu gestalten und zu nutzen, stellt lediglich einen immateriellen Schaden dar. Dem Kläger ist dadurch für die fragliche Zeit ein Teil seiner Lebensqualität verlorengegangen, aber kein Vermögensnachteil entstanden.
23
Dem Anspruch eines Beamten auf Gewährung von Erholungsurlaub kommt kein eigener Vermögenswert zu. Dem Kläger ist durch die Nichtgewährung des Urlaubes daher auch keine vermögenswerte Leistung seines Dienstherrn entgangen. Der Erholungsurlaub dient allein dem Zweck, dem Beamten seine Erholung und die Auffrischung seiner dienstlichen Leistungsfähigkeit zu ermöglichen (vgl. Baßlsperger in: Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Juni 2023, Art. 93 BayBG, Rn. 39). Wird er während des Urlaubszeitraumes nicht genommen, so verfällt er deswegen ersatzlos, weil er seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Aus diesem Grund ist zum einen eine Übertragung von nicht genommenen Erholungsurlaub in das nachfolgende Urlaubsjahr nur eingeschränkt möglich und zum anderen eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Urlaub nur im Rahmen von § 9 UrlMV zugelassen. Letzterer sieht eine Abgeltung lediglich dann vor, wenn bei Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit ausgeschlossen war, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt eine Urlaubsabgeltung nur dann in Betracht, wenn ein Beamter krankheitsbedingt gehindert war, den Urlaub zu nehmen (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2016 – 2 B 72.15 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 29.2.2016 – 6 ZB 15.2493 – juris Rn. 12; B.v. 29.7.2016 – 3 ZB 15.1469 – juris Rn. 4; B.v. 22.10.2018 – 3 ZB 17.123 – juris Rn. 17, jeweils m.w.N.). Im Beamtenrecht findet sich mithin keine § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) entsprechende Bestimmung, wonach ein Arbeitnehmer, der wegen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen kann, Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs hat. Diese Vorschrift ist schon unter dem Gesichtspunkt des Wesensunterschieds zwischen einem Arbeitsverhältnis und dem Beamtenverhältnis auf das letztere nicht übertragbar.
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Während es sich nämlich beim Arbeitsverhältnis im Ausgangspunkt um ein freies Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt, das von beiden Seiten grundsätzlich jederzeit lösbar und hauptsächlich auf den Austausch wirtschaftlicher Leistungen gerichtet ist, treten der Beamte und sein Dienstherr in ein grundsätzlich auf Dauer angelegtes, umfassendes gegenseitiges Fürsorge- und Treuverhältnis mit starker persönlicher Bindung. Daraus folgen für den Beamten Vorteile wie seine Berufung auf Lebenszeit und eine umfassende Alimentation durch den Dienstherrn in Form von Besoldung, Krankenfürsorge, Pension und Hinterbliebenenversorgung, andererseits aber auch Einschränkungen wie das Streikverbot und besondere Treue- und Rücksichtnahmepflichten auch in seinem außerdienstlichen Verhalten. Diese Grundlagen des Beamtenverhältnisses verbieten es, den Anspruch des Beamten auf Erholungsurlaub als Vermögenswert zu betrachten, der in Geld ausgeglichen werden kann. Auch bestand im vorliegenden Fall keine sondergesetzliche Grundlage für den Ersatz des in Rede stehenden immateriellen Schadens. Eine Betroffenheit der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter liegt nicht vor.
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Die vorgenannten Grundsätze gelten – entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten – auch für kommunale Wahlbeamte. Der Kläger, der mangels gegenteiliger Anhaltspunkte gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 3 der Gemeindeordnung (GO) als berufsmäßiger Bürgermeister Beamter auf Zeit war und für den als Beamten der Gemeinde das Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) sowie subsidiär das BeamtStG galt, war während seiner Amtszeit Beamter im verfassungsrechtlichen Sinn (Art. 94 bis 97 der Bayerischen Verfassung – BV), im haftungsrechtlichen Sinn (§ 839 BGB, Art. 34 GG) sowie Amtsträger im strafrechtlichen Sinn (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches – StGB). Das vorerwähnte umfassende gegenseitige Fürsorge- und Treuverhältnis, das einer entsprechenden Heranziehung arbeitsrechtlicher Urlaubsabgeltungsbestimmungen entgegensteht, besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch im kommunalen Wahlbeamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1989 – 7 C 7/88 – BVerwG 81, 318 – juris Rn. 14). Eine Vergleichbarkeit des kommunalen Wahlbeamten mit einem Arbeitnehmer besteht folglich unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit nicht.
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Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf Geldentschädigung auch nicht aus einer etwaigen (mündlichen) Zusage der Beklagten, konkret einer solchen des Geschäftsleiters, herleiten. Dem steht bereits entgegen, dass es im vorliegenden Fall an einer Rechtsgrundlage für eine finanzielle Abgeltung verfallenden Urlaubs fehlt und der Kläger als Beamter nicht erwarten konnte, dass sich eine Behörde ihm gegenüber zu einer rechtlich nicht vorgesehenen Leistung verpflichten würde (vgl. LG Flensburg, U.v. 21.8.2000 – 4 O 231/00 – juris Rn. 13). Überdies ergibt sich aus § 45 BeamtStG keine allgemeine Belehrungspflicht über den Inhalt von Vorschriften, die für die Rechte und Pflichten des Beamten bedeutsam sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich – wie hier – um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die er sich unschwer verschaffen kann. Man kann erwarten, dass der Beamte sich jedenfalls um Angelegenheiten, die in seinem ureigensten Interesse liegen, selbst bemüht (vgl. OVG NW, B.v. 6.8.2012 – 6 A 3015/11 – juris; Conrad in: Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, April 2023, § 45 BeamtStG, Rn. 180 m.w.N.). Dies gilt umso mehr als dem Kläger als Erstem Bürgermeister gemäß Art. 37 Abs. 4 GO die Dienstaufsicht über die Beamten und Arbeitnehmer der Gemeinde oblag und er nach Art. 43 Abs. 3 GO Dienstvorgesetzter der Gemeindebeamten war.
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II. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).