Titel:
Konkurrenteneilverfahren, Aktualität einer Regelbeurteilung, Erfordernis einer Anlassbeurteilung
Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 56 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte:
Konkurrenteneilverfahren, Aktualität einer Regelbeurteilung, Erfordernis einer Anlassbeurteilung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30290
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung erneut untersagt, den am 30.05.2022 ausgeschriebenen Dienstposten des Beratungsrektors als Koordinator für Ganztagsschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … an der Staatlichen Realschule … (Besoldungsgruppe A14) mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 18.233,07 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die neuerliche Entscheidung des Antragsgegners, den Dienstposten des Beratungsrektors als Koordinator für Ganztagesschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … mit dem Beigeladenen zu besetzen.
2
Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 30.05.2022 wurde unter Ziffer 4 die Stelle des Beratungsrektors als Koordinator für Ganztagesschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … an der Staatlichen Realschule … (Besoldungsgruppe A14) ausgeschrieben. Im Rahmen des Anforderungsprofils wurde u.a. ausgeführt, dass Beförderungsbewerber in ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung die entsprechende Verwendungseignung zuerkannt bekommen haben müssen. Auf die Ausschreibung hin gingen beim Antragsgegner u.a. die Bewerbungen des Antragstellers und des Beigeladenen ein.
3
Der am … geborene Antragsteller ist Lehrer an der …Staatliche Realschule … Er wurde am 12.09.2005 zunächst in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis eingestellt. Mit Wirkung zum 13.09.2010 wurde er zum Beamten auf Probe ernannt und zum 01.01.2012 auf Lebenszeit verbeamtet. Im Rahmen seiner periodischen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 12.03.2014 bis 31.12.2018 erhielt er im Statusamt eines Studienrates (Besoldungsgruppe A13) im Gesamturteil das Prädikat „VE“ zuerkannt. Darüber hinaus wurde ihm die Verwendungseignung als Beratungsrektor als Ganztagskoordinator bei der/dem Ministerialbeauftragten zuerkannt. Ausweislich eines Änderungsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region …, Versorgungsamt vom 01.04.2021 besteht beim Antragsteller ab 18.12.2020 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.
4
Der am … geborene Beigeladene wurde mit Wirkung zum 12.09.2012 auf Probe und mit Wirkung zum 12.03.2014 auf Lebenszeit verbeamtet. Mit Ablauf des 31.12.2018 wurde er regulär periodisch beurteilt und erhielt im Statusamt eines Studienrates (Besoldungsgruppe A13) das Prädikat „VE“ im Gesamturteil. Darüber hinaus wurde mit Datum vom 03.06.2022 eine Anlassbeurteilung über den Zeitraum vom 12.03.2014 bis zum 03.06.2022 für den Beigeladenen erstellt, die im Gesamturteil auf „UB“ lautete und mit der ihm die Verwendungseignung als Beratungsrektor als Ganztagskoordinator bei der/dem Ministerialbeauftragten zuerkannt wurde.
5
Im Rahmen eines Auswahlvermerks vom 11.08.2022 ging der Antragsgegner davon aus, dass die Bewerbung des Antragstellers als nachrangig zu betrachten sei, da er in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung das im Vergleich niedrigere Prädikat „VE“ (Beigeladener: „UB“) erzielt habe. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus teilte dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 13.07.2022 mit, dass er für die zu besetzende Stelle nicht ausgewählt worden sei. Gegen seine Nichtberücksichtigung erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 20.07.2022 Widerspruch. Mit einem an den Antragsteller gerichteten Schreiben vom 29.07.2022 erläuterte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, nach welchen Kriterien die Auswahlentscheidung getroffen worden sei.
6
Bereits mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 08.08.2022 wandte sich der Antragsteller an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte sinngemäß, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den am 30.05.2022 ausgeschriebenen Dienstposten als Koordinator für Ganztagesschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … an der Staatlichen Realschule … (Besoldungsgruppe A14) mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 01.09.2022 – B 5 E 22.733 statt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die auf der Grundlage der letzten Regelbeurteilung des Antragstellers für den Beurteilungszeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2018 sowie der Anlassbeurteilung des Beigeladenen für den Zeitraum vom 12.03.2014 bis 03.08.2022 getroffene Auswahlentscheidung den einschlägigen rechtlichen Maßstäben nicht genüge. Zum einen erweise sich die Anlassbeurteilung 2022 des Beigeladenen als rechtswidrig. Sie sei zu Unrecht erstellt worden, da der Beigeladene nach dem Beurteilungsstichtag nicht wesentliche andere Aufgaben wahrgenommen habe und keine wesentlichen Änderungen eingetreten seien. Zum anderen bestünden erhebliche Zweifel an der Vergleichbarkeit der im Rahmen des Leistungsvergleichs herangezogenen Beurteilungen von Antragsteller und Beigeladenem.
7
Mit Schriftsatz seines vormaligen Bevollmächtigten vom 26.10.2022 bat der Antragsteller um Entscheidung über seine Bewerbung bezüglich der ausgeschriebenen Stelle bis spätestens 30.11.2022.
8
In der Folge wurde dem Antragsteller am 18.11.2022 eine Anlassbeurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2022 eröffnet, die im Gesamtergebnis das Prädikat „VE“ auswies. Zudem wurde dem Antragsteller u.a. die Verwendungseignung als Beratungsrektor beim Ministerialbeauftragten als Ganztagskoordinator zuerkannt.
9
Mit Schreiben vom 14.11.2022 wies der Antragsteller den beurteilenden Dienstvorgesetzten darauf hin, dass eine Anlassbeurteilung über einen Zeitraum von sieben Jahren nicht zulässig sei.
10
Auch dem Beigeladenen wurde am 18.11.2022 eine Anlassbeurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2022 eröffnet, die ihm u.a. die Verwendungseignung als Beratungsrektor als Ganztagskoordinator bei der/dem Ministerialbeauftragten zuerkennt. Das Gesamtergebnis der Anlassbeurteilung lautete auf das Prädikat „UB“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Beigeladene für den inneren Schulentwicklungsprozess seit 2019 zunehmend mehr Verantwortung mit durchdachten Beiträgen und zielführenden Initiativen, insbesondere auch für das Ganztagesangebot, übernommen habe. Beim offenen und gebundenen Ganztagesangebot habe er in den letzten drei Jahren verstärkt koordinierende und organisatorische Aufgaben wahrgenommen. Seit seiner letzten periodischen Beurteilung habe der Beigeladene seine Leistungen deutlich steigern können.
11
Einem neuerlichen Auswahlvermerk vom 17.01.2023 ist zu entnehmen, dass die Bewerbung des Antragstellers nachrangig zu betrachten sei. Er befinde sich zwar ebenso wie der Beigeladene im Statusamt eines Studienrates im Realschuldienst (Besoldungsgruppe A13), er habe jedoch in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung das im Vergleich niedrigere Prädikat „VE“ (Beigeladener: „UB“) erzielt. Ein ergänzender Vergleich der Gesamtheit der Einzelprädikate unterstreiche den Leistungsvorsprung für den Beigeladenen (Beigeladener: zweimal „BG“, fünfmal „UB“, einmal „VE“; Antragssteller: viermal „UB“, viermal „VE“). Beim Antragsteller liege zwar ein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor. Gemäß den Ausschreibungsbedingungen würden Schwerbehinderte bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die zu besetzende Stelle bevorzugt berücksichtigt, Art. 21 Abs. 1 Satz 3 des Leistungslaufbahngesetzes (LlbG) und Nr. 4.6.1 der Bayerischen Inklusionsrichtlinien (BayInklR) 2019. Eine im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sei jedoch nicht gegeben. Die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sei über die Bewerberlage informiert worden und habe dem vorliegenden Vorschlag zugestimmt. Der Beigeladene habe durch seine Tätigkeiten an der Staatlichen Realschule … sowie der Staatlichen Realschule … stellenrelevante Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen des offenen und besonders im gebundenen Ganztag erwerben können, die ihm bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Koordinators für Ganztagsschulangebote beim Ministerialbeauftragten von Nutzen seien.
12
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.01.2023 mit, dass eine neuerliche Auswahlentscheidung auf der Grundlage von vergleichbaren Beurteilungen getroffen worden sei und er für die zu besetzende Stelle erneut nicht habe ausgewählt werden können.
13
Mit Schreiben vom 03.02.2023 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen seine erneute Nichtberücksichtigung im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Stellenbesetzung, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
14
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.02.2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, beantragt der Antragsteller,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung erneut zu untersagen, den am 30.05.2022 ausgeschriebenen Dienstposten des Beratungsrektors als Koordinator für Ganztagsschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … an der Staatlichen Realschule … (Besoldungsgruppe A14) mit dem ausgewählten Bewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
15
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die nunmehr durchgeführten Anlassbeurteilungen vorgeschoben erschienen, um das gewünschte Ergebnis zu rechtfertigen. Infolgedessen müsse man die Neutralität der Beurteilung des Antragstellers in ihrer Gesamtheit in Frage stellen. Die neuerliche Anlassbeurteilung des Beigeladenen stelle sich wiederum als rechtswidrig dar. Die letzte Regelbeurteilung des Beigeladenen habe den Beurteilungszeitraum vom 12.03.2014 bis 31.12.2018 betroffen und damit denselben Stichtag aufgewiesen, wie die dem Leistungsvergleich zunächst zugrunde gelegte periodische Beurteilung des Antragstellers. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei eine periodische Beurteilung, die als Grundlage bei Beförderungen herangezogen werde, bis zu dem in Verwaltungsvorschriften festzulegenden einheitlichen Verwendungsbeginn der nächstfolgenden regulären periodischen Beurteilung zu verwenden. Eine Ausnahme hiervon, welche die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in bestimmten Bereichen – bei wesentlich anderer Tätigkeit – ermögliche, sei weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Darüber hinaus berücksichtige die jetzt erstellte Anlassbeurteilung des Antragstellers einen zu langen Zeitraum. Auch habe eine konkrete Weisung des Antragsgegners an den Schulleiter stattgefunden, die in Rede stehende Anlassbeurteilung zu erstellen. Soweit letztendlich die Regelbeurteilung 2022 des Antragstellers als „Blaupause“ für die Anlassbeurteilung herangezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller diese nicht akzeptiert habe. Vielmehr sei auch insoweit Einspruch erhoben worden, der durch den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 01.02.2023 begründet worden sei. Die in Rede stehende Anlassbeurteilung des Antragstellers sei schon formell rechtswidrig erstellt worden. Sie sei mit ihm nicht besprochen worden. Auch hätten die Entwürfe für die Regelbeurteilungen zum 31.12.2022 bereits im Mai 2022 bei der Dienststelle des Ministerialbeauftragten vorgelegt werden müssen. Damit habe der Antragsgegner bereits im Juni 2022 gewusst, welche Beurteilung der Antragsteller im Rahmen seiner Regelbeurteilung 2022 erhalten werde, so dass die gegenständliche Anlassbeurteilung vom November 2022 lediglich vorgeschoben worden sei, um Mängel des Auswahlverfahrens zu beseitigen. Weder sei die Anlassbeurteilung – mangels Anlasses – erforderlich gewesen, noch liege eine zureichende Begründung vor. Weiterhin wäre erforderlich gewesen, dass sich der Antragsgegner zu seinen ehemaligen Regel- bzw. Anlassbeurteilungen verhalte und diese zueinander in Beziehung setze, um Plausibilität herbeizuführen. Das Vorgehen des Antragsgegners, über veränderte textliche Ausführungen der Anlassbeurteilungen des Beigeladenen sowie des Antragstellers, den Verdacht zu beseitigen, dass vorliegend auf spezifische Anforderungen des in Rede stehenden Dienstpostens abgestellt werde und eine neuerliche Aufgabenwahrnehmung des Beigeladenen im Schulganztagesbereich gerade zum Anlass für die aktuelle Beurteilung des Beigeladenen im Jahr 2022 genommen worden sei, sei rechtswidrig.
16
Mit Beschluss vom 07.02.2023 wurde der erfolgreiche Bewerber zum Verfahren beigeladen. Er hat sich weder geäußert noch Anträge gestellt.
17
Mit Schriftsatz vom 08.02.2023 sicherte der Antragsgegner zu, die streitgegenständliche Stelle bis zum Abschluss des Verfahrens nicht zu besetzen.
18
Mit Schriftsatz vom 13.02.2023 beantragt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus für den Antragsgegner,
19
Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Auswahlverfahren unter Berücksichtigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wiederholt worden sei. Für die beiden verbliebenen Bewerber seien Anlassbeurteilungen mit identischen Beurteilungszeiträumen (01.05.2015 bis 31.10.2022) erstellt worden. Dadurch habe für die Auswahlentscheidung die notwendige Aktualität der dienstlichen Beurteilungen gewährleistet und der Leistungsentwicklung beider Bewerber in den letzten Jahren Rechnung getragen werden können. Die Erstellung einer Anlassbeurteilung für den Beigeladenen wäre ohnehin gemäß Abschnitt A Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien geboten gewesen, da sich die Leistungen des Beigeladenen im Vergleich zur letzten dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf die angestrebte Funktion über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten wesentlich verändert hätten und sich dies auf das Gesamtprädikat und die Verwendungseignung ausgewirkt habe. Im Vergleich zu seiner periodischen Beurteilung 2018 habe sich die Leistung des Beigeladenen auch im Hinblick auf die nun angestrebte Funktion wesentlich verändert. Dies schlage sich in den nun höher zu bewertenden Einzelkriterien, aber auch in der Notwendigkeit nieder, ihn im Gesamtergebnis höher zu bewerten. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass auch das Ergebnis der periodischen Beurteilungen 2022 der Bewerber die getroffene Entscheidung über die Besetzung der Funktionsstelle stütze. Für den Antragsteller und den Beigeladenen seien mit Ablauf des 31.12.2022 die dienstlichen Beurteilungen 2022 erstellt worden. Die periodische Beurteilung des Antragstellers vom 02.01.2023 sei diesem am 31.01.2023 eröffnet worden. Die periodische Beurteilung des Beigeladenen vom 03.01.2023 sei diesem am 18.01.2023 eröffnet worden. Bei beiden Bewerbern deckten sich sowohl die Einzelprädikate als auch die Gesamtprädikate mit ihren Anlassbeurteilungen. Auf der Grundlage der periodischen Beurteilungen 2022 sei mithin ebenso der Beigeladene für die zu besetzende Stelle auszuwählen. Die Beurteilungen befänden sich aktuell zur Überprüfung beim zuständigen Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … Mit Schriftsatz vom 08.03.2023 trägt der Antragsgegner ergänzend vor, dass dem beurteilenden Schulleiter nicht vorgegeben worden sei, wie er den Antragsteller im Rahmen der Anlassbeurteilung zu beurteilen habe. Vielmehr gebe die Anlassbeurteilung die Bewertung durch den Schulleiter wieder. Die Anlassbeurteilung sei dem Antragsteller am 18.11.2022 eröffnet worden. Im Zuge dessen habe der Schulleiter dem Antragseller ausdrücklich das Gespräch über die Anlassbeurteilung angeboten, was von letzterem jedoch nicht angenommen worden sei. Im Übrigen habe der Antragsteller keine Einwendungen gegen seine Anlassbeurteilung erhoben. Das Vorgehen im Rahmen der Erstellung der Regelbeurteilungen 2022 habe den Hinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Koordinierung der Beurteilungspraxis entsprochen. Das Verfahren diene allein dem Zweck, sicherzustellen, dass innerhalb eines Bezirks vergleichbare Maßstäbe angelegt würden. Die Anlassbeurteilung wiederhole die periodische Beurteilung 2022 des Antragstellers nicht und könne diese auch nicht wiederholen. Erst recht sei die zeitlich nachfolgende Regelbeurteilung kleine „Blaupause“ für die früher erstellte Anlassbeurteilung gewesen. Die periodischen Beurteilungen würden nach Ablauf des Beurteilungszeitraums erstellt – so auch hier. Daran ändere auch die Koordinierung der Beurteilungspraxis nichts. Zudem müsse eine Anlassbeurteilung nicht nach dem „Bestenausleseverfahren“ stattfinden. Alle Arten der dienstlichen Beurteilung würden nach den im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen erstellt.
20
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
21
1. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache Erfolg.
22
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig, hängt die Bejahung eines Anordnungsanspruchs regelmäßig davon ab, welche Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bestehen. Die gerichtliche Überprüfung der hier streitgegenständlichen Auswahlentscheidung ist im Hauptsacheverfahren – verfassungsrechtlich unbeanstandet – grundsätzlich darauf beschränkt, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über die Bewerbung entschieden hat. Dagegen kann der unterlegene Bewerber – von dem unwahrscheinlichen Fall einer Reduzierung des Beurteilungsspielraumes bzw. des Ermessens auf Null abgesehen – unter Berufung auf
23
Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) nicht gerichtlich feststellen lassen, dass er an Stelle des ihm vorgezogenen Konkurrenten hätte ausgewählt werden müssen. Streitgegenstand ist mithin nicht ein möglicher Anspruch auf den fraglichen Dienstposten, sondern allein das dahinter zurückbleibende Recht auf fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung. Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt wenn seine Auswahl möglich erscheint. Derselbe Maßstab wie im Hauptsacheverfahren ist auch anzulegen, wenn der bei der Auswahl eines Beförderungsbewerbers unterlegene Beamte verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz zur vorläufigen Sicherung seines Anspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG begehrt. Da hier effektiver Rechtsschutz letztlich nur im Wege einer einstweiligen Anordnung zu leisten ist, dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen des unterlegenen Bewerbers im Hauptsacheverfahren gefordert werden könnte (BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – BayVBl 2003, 240).
24
Gemessen daran hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund (dazu unter a) als auch einen Anordnungsanspruch (dazu unter b) glaubhaft gemacht.
25
a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht, der es rechtfertigt, dem Dienstherrn einstweilen zu untersagen, die Stelle des Beratungsrektors als Koordinator für Ganztagsschulangebote beim Ministerialbeauftragten für die Realschulen in … mit dem Beigeladenen zu besetzen. Denn dem Antragsteller geht es um die Verhinderung einer nach dem Grundsatz der Ämterstabilität irrevisiblen Ernennung. Eine vorläufige Vergabe des Funktionsamts an den ausgewählten Bewerber kommt vorliegend nicht in Betracht, weil die Vergabe des vorgenannten Amtes entsprechend der Ausschreibung des Antragsgegners, wonach die Stelle in Besoldungsgruppe A14 ausgebracht ist, zwingend die endgültige Ernennung eines Bewerbers erfordert (BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 3 CE 17.434 – juris Rn. 31).
26
b) Dem Antragsteller steht auch der notwendige Anordnungsanspruch, hier in der Form des sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruchs, zur Seite. Das vom Antragsgegner durchgeführte Stellenbesetzungsverfahren lässt nicht in genügendem Maße erkennen, dass die Grundsätze der Bestenauslese in einer die Prognose rechtfertigenden Weise eingehalten wären, der Antragsteller werde in dem Hauptsacheverfahren ohne Erfolg bleiben. Bei einer erneuten Auswahl erscheint seine Bestellung möglich. Weitergehende Anforderungen sind angesichts des Gebots effektiven Rechtsschutzes nicht zu stellen (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/05 – NVwZ 2003, 200/201; VGH BW, B.v. 16.10.2007 – 4 S 2020/07; BayVGH, B.v. 22.11.2007 – 3 CE 07.2274 – juris).
27
aa) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Jeder Bewerber hat damit einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung des dargelegten Grundsatzes trifft und nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746/747; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
28
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 51/86 – BVerwGE 80, 123/124; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565/566). Der Beamte kann dabei sowohl geltend machen, selbst in rechtswidriger Weise benachteiligt worden zu sein, als auch eine auf sachfremden Erwägungen beruhende unzulässige Bevorzugung des ausgewählten Konkurrenten rügen (BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99/102 f.; VG Augsburg, B.v. 28.2.2018 – Au 2 E 17.1880 – juris Rn. 43). Der Fehler kann daher sowohl in der Qualifikationsbeurteilung des Beamten als auch in derjenigen des erfolgreichen Bewerbers oder im Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern liegen (BVerfG, B.v. 20.9.2007 – 2 BvR 1972/07 – ZBR 2008, 167/168).
29
Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat – vor allem – anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 32 m.w.N.). Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell (BVerwG, B.v. 10.5.2016 – 2 VR 2.15 – juris Rn. 22) und inhaltlich aussagekräftig (BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 14) sind.
30
Regelbeurteilungen beziehen sich auf einen grundsätzlich identischen Beurteilungszeitraum, haben einen gemeinsamen Stichtag und sind nicht durch ein besonderes Ereignis – insbesondere die Ausschreibung eines höherwertigen Statusamtes oder eines förderlich zu besetzenden Dienstpostens – veranlasst. Diese Einheitlichkeit gewährleistet, dass die dienstliche Beurteilung für sämtliche Beamte die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern gleichmäßig erfasst und sie auch in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Auswahlentscheidung bewertet. Demgegenüber begegnen Anlassbeurteilungen grundsätzlich Bedenken, weil sie gerade im Hinblick auf eine anstehende Auswahlentscheidung erstellt werden und damit der Verdacht entstehen kann, sie dienten – zielgerichtet – lediglich der Durchsetzung von vorgefassten, Art. 33 Abs. 2 GG nicht genügenden Personalentscheidungen. Ohnehin ist die Aussagekraft einer ausnahmsweise zulässigen Anlassbeurteilung begrenzt. Da sie in der Regel einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilung abbildet, muss die Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung entwickelt werden und darf diese lediglich fortentwickeln (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 13).
31
Grundsätzlich sind fachliche Leistung, Eignung und Befähigung der bayerischen Beamtinnen und Beamten gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG alle drei Jahre dienstlich zu beurteilen (periodische Beurteilung). Nach Art. 64 Abs. 1 Satz 1 LlbG wird das zuständige Staatsministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat für die Beurteilung der staatlichen Lehrkräfte eigene Richtlinien zu erlassen, die von den Vorschriften des Teils 4 des Leistungslaufbahngesetzes mit Ausnahme von Art. 56 Abs. 3 LlbG abweichen können. Darauf beruhend sehen die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 27.04.2021, Az. II.5-BP4010.2/23/19 (BayMBl. Nr. 332) (Beurteilungsrichtlinien) – vor, dass der Beurteilungszeitraum grundsätzlich vier Kalenderjahre umfasst und an den Zeitraum der vorangegangenen periodischen Beurteilung anschließt (Nr. 4.2.2.1 der Beurteilungsrichtlinien).
32
Aus der gesetzlichen Systematik des 4. Teils des Leistungslaufbahngesetzes wird hinreichend deutlich, dass für Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit regelmäßig periodische Beurteilungen zu erstellen sind, Anlassbeurteilungen hingegen die Ausnahme bilden, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 15). Von dieser gesetzlichen Grundentscheidung kann durch Verwaltungsvorschriften nicht abgewichen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können angesichts der vorgenannten Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für die allein nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung die Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben. Die grundlegenden Vorgaben für ihre Erstellung müssen in Rechtsnormen geregelt werden. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Verwirklichung eines Grundrechts oder – wie hier – eines grundrechtsgleichen Rechts maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wesentlich in diesem Sinne sind alle Regelungen, die für die Verwirklichung dieses Rechts erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen (BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 2 C 2/21 – juris Rn. 32; BVerfG, U.v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97 – BVerfGE 98, 218/251; B.v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 52). Zudem ist die Regelungsform des Gesetzes für das Beamtenverhältnis typisch und sachangemessen; die wesentlichen Inhalte sind daher durch Gesetz zu regeln (BVerfG, B.v. 22.3.1990 – 2 BvL 1/86 – BVerfGE 81, 363/386; B.v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 57). Demnach hat der Gesetzgeber insbesondere das System – Regel- oder Anlassbeurteilungen – sowie die Bildung des zusammenfassenden Gesamturteils vorzugeben (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 2 C 2/21 – juris Rn. 32).
33
Die Entscheidung des Landesgesetzgebers für das System von Regelbeurteilungen darf von der Verwaltung nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie im Rahmen eines Auswahlverfahrens trotz des Vorliegens einer hinreichend aktuellen Regelbeurteilung ohne ausreichenden Grund Anlassbeurteilungen erstellt. Bedarf nach einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf eine zu treffende Auswahlentscheidung kann aber entstehen, wenn der Beamte nach dem Stichtag der letzten (regulären oder aktualisierten) periodischen Beurteilung wesentlich andere Aufgaben (qualitatives Element) während eines erheblichen Zeitraums (zeitliches Element) wahrgenommen hat (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – juris Rn. 12; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 38, 41 ff., 49 ff.; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 16; im Einzelnen dazu Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 7. Aufl. 2020 unter A.VI.2 Rn. 80 ff.).
34
Wesentlich andere Aufgaben sind nur dann gegeben, wenn der Beamte in seinem veränderten Tätigkeitsbereich Aufgaben wahrnimmt, die einem anderen (regelmäßig höherwertigen) Statusamt zuzuordnen sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die neuen Aufgaben ausschließlich anderen Besoldungsgruppen entsprechen als die vorherigen Aufgaben des Beamten oder sie zwar derselben Besoldungsgruppe, nicht aber derselben Laufbahn zuzuordnen sind wie die vorherigen Aufgaben des Beamten. Denn das Statusamt definiert sich anhand dreier Merkmale, nämlich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung und das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 54 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 17).
35
Ein erheblicher Zeitraum liegt dann vor, wenn bei einem dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum die anderen Aufgaben während des (deutlich) überwiegenden (mit zwei Dritteln anzusetzenden) Teils des Beurteilungszeitraums wahrgenommen wurden, also zwei Jahre lang. Bei einem zweijährigen Regelbeurteilungszeitraum ist das zeitliche Element hiernach regelmäßig nicht erfüllt (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – juris Rn. 12; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 38, 49 f.; erläuternd hierzu: von der Weiden, jurisPR-BVerwG 21/2019 Anm. 5 unter B.2.a und D. sowie jurisPR-BVerwG 20/2020 Anm. 5 unter C.I.: „mindestens zwei Jahre lang und während der Dauer von zwei Dritteln des Beurteilungszeitraums“; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 18). Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Anlassbeurteilung im Rahmen eines Regelbeurteilungssystem für Beamtinnen und Beamte mit dreijährigem Turnus (§ 22 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes – BBG – und § 48 Abs. 1 der Bundeslaufbahnverordnung – BLV – in der bis 6.7.2021 gültigen Fassung) kann nach einer jüngeren Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ohne Weiteres auf einen periodischen Beurteilungszeitraum von vier Jahren übertragen werden. Denn die normative Vorgabe des Landesgesetzgebers und grundlegende Organisationsentscheidung des Dienstherrn für ein Regelbeurteilungssystem für bayerische Beamtinnen und Beamte (Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG) darf von der Verwaltung ungeachtet eines hier vorliegenden vierjährigen Beurteilungszeitraums weder unterlaufen noch entwertet werden. Der Zweck, durch eine klare zeitlich bezifferte Grenzziehung Rechtssicherheit und Verwaltungspraktibilität zu schaffen, gilt unabhängig vom jeweiligen Beurteilungszeitraum. Auch aus dem Regelungscharakter des sich jeweils in Abhängigkeit des jeweiligen Beurteilungszeitraums gestalteten 2/3-Maßstabs, der bei einer allein maßgeblichen absoluten zeitlichen Grenzziehung (zwei Jahre) obsolet wäre, folgt die Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall. Dafür spricht zudem die Aussagekraft der Regelbeurteilung über einen vierjährigen Beurteilungszeitraum. Diese ist umso größer, je länger der Zeitraum ist, den die Regelbeurteilung abbildet. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, einen im Verhältnis dazu entsprechend längeren Zeitraum als Voraussetzung für die Erstellung einer Anlassbeurteilung zu verlangen, währenddessen die wesentlich anderen Aufgaben ausgeübt worden sein müssen (BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 26 m.w.N.).
36
An diesen Grundsätzen haben sich auch die hier geltenden Beurteilungsrichtlinien für die staatlichen Lehrkräfte in Bayern zu orientieren.
37
Gemäß Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien ist für eine Lehrkraft im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit sowie eine Lehrkraft auf unbefristetem Arbeitsvertrag, die sich für eine Funktion bewirbt, unter Verwendung des Beurteilungsvordrucks gemäß Anlage C eine Anlassbeurteilung zu erstellen (Art. 54 Abs. 1 Satz 2 LlbG), wenn sich die Leistungen der Bewerberin bzw. des Bewerbers im Vergleich zur letzten dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf die angestrebte Funktion über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten wesentlich verändert haben und sich dies auf das Gesamtprädikat und die Verwendungseignung auswirkt.
38
bb) Gemessen an den vorstehenden rechtlichen Maßstäben beruht auch die neuerliche Auswahlentscheidung des Antragsgegners auf einem fehlerhaften Leistungsvergleich. Denn die nunmehr zugrunde gelegte Anlassbeurteilung des Beigeladenen erwies sich wiederum als rechtswidrig, da für sie – wie bereits für diejenige im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren – kein Anlass bestand. Soweit der Antragsgegner die Voraussetzungen für die Erstellung einer Anlassbeurteilung für den Beigeladenen gemäß Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien als erfüllt angesehen hat, ist dies mit der normativen Vorgabe eines Systems von regelmäßigen periodischen Beurteilungen für bayerische Beamtinnen und Beamte (Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG) nicht zu vereinbaren.
39
Selbst wenn sich die Leistungen des Beigeladenen im Sinne von Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien im Vergleich zur letzten dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf die angestrebte Funktion über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten wesentlich verändert hätten, würde dies die Erstellung einer Anlassbeurteilung nicht rechtfertigen. Denn dieser Umstand erfüllt jedenfalls nicht das durch die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangte qualitative Element einer wesentlich veränderten Aufgabenwahrnehmung zur Annahme des Erfordernisses einer Anlassbeurteilung (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 54 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Rn. 17). Zwar betont die dem Beigeladenen am 18.11.2022 eröffnete Anlassbeurteilung dessen vorzügliche pädagogische Fähigkeiten, die er besonders in den letzten Schuljahren noch erkennbar habe weiterentwickeln können; insbesondere im Bereich der Inklusion genieße er inzwischen höchste Anerkennung. Zudem soll er nach den weiteren Ausführungen zur Begründung des Gesamtergebnisses seit 2019 zunehmend mehr Verantwortung mit durchdachten Beiträgen und zielführenden Initiativen, insbesondere auch für das Ganztagsangebot, übernommen haben. Rekurriert wird insoweit auf eine mit großem Geschick erzielte Verknüpfung des Mentorensystems („Schüler helfen Schülern“) mit dem Programm „gemeinsam Brücken bauen“, wodurch sehr positive Effekte bei der Bekämpfung der coronabedingten Wissensdefizite bei Schülerinnen und Schülern hätten erzielt werden können. Gewürdigt wird weiterhin die Erstellung eines Konzepts im Bereich der Werteerziehung für die 5. Klassen. Zudem habe der Beigeladene beim offenen und gebundenen Ganztagesangebot in den letzten drei Jahren verstärkt koordinierende und organisatorische Aufgaben übernommen und diesbezüglich beispielsweise innovative Konzepte zur Notengebung eingeführt. Begründet wird das nunmehr zuerkannte Gesamtprädikat „UB“ ferner damit, dass der Beigeladene seine Leistungen seit der letzten periodischen Beurteilung 2018 deutlich habe steigern können. Mit diesen Ausführungen wird allerdings nicht dargelegt, dass der Beigeladene nach dem Stichtag seiner letzten Regelbeurteilung (31.12.2018) Aufgaben wahrgenommen hat, die anderen Besoldungsgruppen entsprechen oder einer anderen Laufbahn zuzuordnen sind. Letzteres wäre aber nach ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung Voraussetzung für die Annahme des qualitativen Erfordernisses einer Anlassbeurteilung. Eine bloße Veränderung des konkreten Tätigkeitsbereichs hat nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht jene Beurteilungsrelevanz, die eine Neubewertung der Leistungen und Befähigungen im Wege einer Anlassbeurteilung erfordert (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 54 m.w.N.).
40
Tragend für diesen Ansatz ist nach den weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts die Statusamtsbezogenheit der Beurteilung. Aus ihr folgt: Voraussetzung dafür, dass eine Änderung des Tätigkeitsbereichs als wesentlich eingestuft werden kann, ist, dass sie „leistungs- und beurteilungsrelevant“ ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 2 C 19.10 – BVerwGE 140, 83 Rn. 23). Eine bloße Veränderung des konkreten Tätigkeitsbereichs, meist durch einen Wechsel des Dienstpostens, möglicherweise (wohl seltener) auch auf demselben Dienstposten (durch Zuweisung neuer Aufgaben) hat noch nicht diese Beurteilungsrelevanz. Denn die dienstliche Beurteilung ist zwar auf der Grundlage der auf dem jeweiligen Dienstposten gezeigten Leistungen zu erstellen, doch ist ihr Maßstab und Bezugspunkt das innegehabte Statusamt. Der Dienstposten ist sozusagen (nur) die „Bühne“ für die Erfüllung der Anforderungen, die das entsprechende Statusamt verlangt. Die Art und Weise der Wahrnehmung des Dienstpostens und der dort zu erfüllenden Aufgaben dient (nur) als sichtbare Erkenntnisquelle der statusamtsbezogenen Beurteilung. Die Sammlung und Auswertung solcher Erkenntnisse ist nicht endlos geboten und erfolgt nicht ziellos, sondern dient (nur) dem Zweck, dass sie das (ohnehin) zu einem Gesamteindruck „verschmolzene“ Werturteil des Dienstherrn über Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten plausibel tragen (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BVerwGE 60, 2457248 ff.; U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48 Rn. 18; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 52).
41
Die Regelung in Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien, wonach eine Anlassbeurteilung zu erstellen ist, wenn sich die Leistungen der Bewerberin bzw. des Bewerbers im Vergleich zur letzten dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf die angestrebte Funktion über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten wesentlich verändert haben und sich dies auf das Gesamtprädikat und die Verwendungseignung auswirkt, verkennt diese Statusamtsbezogenheit der Beurteilung und erhebt entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Übernahme funktionsspezifischer, mithin also dienstpostenbezogener Aufgaben zum Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob eine Anlassbeurteilung in qualitativer Hinsicht erforderlich ist. Sofern der Antragsgegner darüber hinaus darauf abstellt, dass der Beigeladene seine Leistungen seit dem Stichtag der letzten periodischen Beurteilung gesteigert hätte, verpflichtet dieser Umstand den Dienstherrn nicht, eine neue Beurteilung vor dem nächsten Regelbeurteilungsstichtag zu erstellen. Denn andernfalls liefe das vom Landesgesetzgeber – wie gezeigt – gewollte Regelbeurteilungssystem leer. Es ist gerade Aufgabe eines solchen Systems, den Leistungsstand von Beamten im Interesse größtmöglicher Vergleichbarkeit zu bestimmten Stichtagen abzubilden, nicht aber, Veränderungen im Leistungsbild gleichsam tagesgenau nachzuzeichnen (vgl. VGH BW, B.v. 17.6.2016 – 4 S 585/16 – juris Rn. 8).
42
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass darüber hinaus – selbst bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Beurteilungsrichtlinien in diesem Punkt – erhebliche Zweifel am Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen der von Antragsgegnerseite herangezogenen Regelung in Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien bestehen. Nach dem Wortlaut der Regelung wäre zunächst erforderlich, dass sich die Leistungen des Beigeladenen im Vergleich zur letzten dienstlichen Beurteilung im Hinblick auf die angestrebte Funktion über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten wesentlich verändert hätten. Zwar ist der Begründung des Gesamtergebnisses der neu erstellen Anlassbeurteilung zu entnehmen, dass der Beigeladene in den letzten drei Jahren beim offenen und gebundenen Ganztagesangebot verstärkt koordinierende und organisatorische Aufgaben wahrgenommen habe. Allerdings wird im Rahmen des Auswahlvermerks ausgeführt, dass der Beigeladene bereits durch seine Tätigkeiten an der Staatlichen Realschule …, an welcher er bis zum Schuljahr 2016/2017 und damit bereits während des Beurteilungszeitraums der Regelbeurteilung 2018 tätig war, stellenrelevante Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen des offenen und gebundenen Ganztages habe erwerben können. Auch verweist bereits die Regelbeurteilung 2018 des Beigeladenen auf dessen produktive Arbeit bei der Bewältigung schulischer Aufgaben. Erwähnt wird – ebenso wie im Rahmen der nunmehr dem Leistungsvergleich zugrunde gelegten Anlassbeurteilung – die Erstellung eines Konzepts im Bereich der Werterziehung sowie die Organisation unterschiedlicher Projekte und schulischer Veranstaltungen. Ferner weist der Ministerialbeauftragte für die Realschulen in … in einer bewerbungsbegleitenden Stellungnahme darauf hin, dass der Beigeladene bereits an verschiedenen Schulen Erfahrungen auf dem Feld des Ganztags habe sammeln können. So habe er an seiner vorhergehenden Schule – und damit innerhalb des Regelbeurteilungszeitraums 2014 bis 2018 – nicht nur in Klassen des gebundenen Ganztags unterrichtet, sondern sich ebenso im Bereich der Verpflegung der entsprechenden Schülerinnen und Schüler engagiert sowie die verschiedenen Ganztagsangebote bei einer Übertrittsveranstaltung vorgestellt. Mithin wurden die seitens des Beigeladenen wahrgenommenen Aufgaben im Bereich des Ganztages bereits im Rahmen seiner Regelbeurteilung 2018 gewürdigt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme einer wesentlichen Veränderung der funktionsspezifischen Leistungen im Sinne von Nr. 4.5.1 Buchst. e) der Beurteilungsrichtlinien nach dem 31.12.2018 höchst zweifelhaft.
43
Infolge der Rechtswidrigkeit der dem Auswahlverfahren zugrunde gelegten Anlassbeurteilung des Beigeladenen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller bei einer neuerlichen Auswahlentscheidung für die fragliche Stelle ausgewählt wird, zumal sowohl Antragsteller als auch Beigeladener in ihren Regelbeurteilungen 2018 jeweils das Prädikat „VE“ im Gesamturteil erhielten. Dass dem Beigeladenen im Rahmen der kürzlich eröffneten Regelbeurteilung zum Stichtag 31.12.2022 ein gegenüber dem Antragsteller besseres Gesamtprädikat („UB“) zuerkannt worden ist, ist unerheblich. Denn maßgeblicher zeitlicher Bezugspunkt ist derjenige der streitigen Auswahlentscheidung (17.01.2023) (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2017 – 2 VR 2/16 – juris Rn. 44, 51).
44
2. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene, der sich mangels eigener Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO), seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
45
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Er beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes (BayVGH, B.v. 18.4.2018 – 3 CE 18.618 – juris Rn. 10; B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris Rn. 10ff.). Auszugehen war ausweislich des Vortrags des Antragsgegners von den Bezügen der Besoldungsgruppe A14, Stufe 10, wobei die Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, gemäß § 52 Abs. 6 Satz 3 GKG außer Betracht bleiben. Unter Zugrundelegung der Grundbezüge (A14/Stufe 10) im Zeitpunkt der Antragstellung (6.077,69 Euro) ergibt sich ein Streitwert von 18.233,07 Euro.