Titel:
Entlassung bei anderem Dienstherrn begründet Zweifel an der Eignung
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 22 Abs. 4
VwGO § 123 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Dienstherr darf die Einstellung – und als deren notwendige Vorstufe auch die Teilnahme am Einstellungsverfahren – eines Bewerbers bereits dann ablehnen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Eignung bestehen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zweifel müssen auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Nichtbestehen der Ausbildung bei einer anderen Landespolizei mit daraus resultierender Entlassung begründet berechtigte Zweifel an der Eignung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulassung zum Auswahlverfahren, Eignungszweifel, Entlassung aus Beamtenverhältnis in anderem Bundesland, Polizei, Bewerbung, Ausbildung, Auswahlverfahren, Zulassung, Eignung, berechtigte Zweifel, nicht bestandene Prüfung, Entlassung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30281
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Auswahlverfahren für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst (2. Qualifikationsebene).
2
Die Antragstellerin bewarb sich am 13.12.2022 für eine Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten (2. QE) beim Antragsgegner (Einstellungstermin: 01.03.2024). Hierbei teilte sie mit, dass sie sich bereits ein paar Monate zuvor beworben habe, jedoch ohne ein Eignungsverfahren durchlaufen zu haben, eine negative Rückmeldung erhalten habe, da sie in BW nach über einem Jahr Ausbildung kraft Gesetzes entlassen worden sei. Ihre Anwältin habe ihr mitgeteilt, dass zunächst jeder Bürger die Möglichkeit habe, nach Eignung und Befähigung an einem Einstellungsverfahren teilzunehmen und zu zeigen, ob man die Grundvoraussetzungen erfülle oder nicht.
3
Mit Schreiben vom 25.01.2023 gab die Antragstellerin eine Erklärung zu ihrer Entlassung in BW ab: Grund der Entlassung sei das Nichtbestehen der Ausdauerkomponente gewesen. Ursache sei gewesen, dass sie in Folge ihrer Corona-Infektion körperlich nicht ganz fit gewesen sei. Zwischenzeitlich seien seit ihrer Entlassung zehn Monate vergangen und sie sei körperlich sehr fit. Die durch Corona beeinträchtigte Ausdauer habe sie durch intensives Intervalltraining und regelmäßige Dauerläufe aufgeholt. Sie habe sich für den Sporttest bei der Bayerischen Polizei vorbereitet und die Leistungen ohne Probleme erfüllt.
4
In einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 24.04.2023 wurden die Ablehnungsgründe nach Einsichtnahme in die Personalakte der Polizei BW zusammengefasst. Hiernach bestünden Zweifel an der persönlichen/charakterlichen und gesundheitlichen Eignung. Die Laufleistungen im Sport seien mangelhaft bis ungenügend, die gesundheitliche Eignung werde in Zweifel gezogen. Ferner sei es zu erheblichen Fehlzeiten gekommen. Die Antragstellerin sei mehrfach terminierten Leistungskontrollen und Testabnahmen krankheitsbedingt ferngeblieben, auch den Nachprüfungsterminen. Außerdem habe die Antragstellerin in mehreren Leitthemen-Klausuren deutlich unterpunktet, so dass auch hier eine Wiederholung hätte erfolgen müssen. Zweifel an der persönlichen/charakterlichen Eignung bestünden wegen Verstoßes gegen die Nachweispflichten bei Erkrankung, Fernbleiben von der Leitthemen-Klausur, der verspäteten Abgabe einer Hausarbeit sowie der verspäteten Krankmeldung bei Nachschreibeklausuren. Es sei eine Anhörung erfolgt, woraufhin die Antragstellerin verschiedene Gründe vorgebracht habe (wird ausgeführt).
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In der Akte des Antragsgegners wurde unter dem 26.05.2023 verfügt: „Bewerbungsverfahren einstellen (nicht geeignet)“. Hierunter ist handschriftlich vermerkt, dass die Personalakte eingesehen worden sei. Der Basiskurs sei in allen drei Leitthemen-Klausuren nicht bestanden worden. Ebenso sei der 5.000-Meter-Lauf trotz Wiederholung nicht bestanden und die Antragstellerin von Amts wegen entlassen worden.
6
Daraufhin informierte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.05.2023 darüber, dass diese für das Bewerbungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst nicht berücksichtigt werden könne.
7
Hiergegen ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21.06.2023 Widerspruch erheben. Es werde verkannt, dass sich die Auswahl der Bewerber im vorliegenden Einstellungsverfahren nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung richte und dass Art. 33 Abs. 2 GG den Anspruch jedes Deutschen auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt garantiere. Der Antragsgegner werde aufgefordert, der Antragstellerin die Gelegenheit zu geben, am Auswahlverfahren für den mittleren Polizeivollzugsdienst teilzunehmen und bis spätestens 07.07.2023 die entsprechende Teilnahmemöglichkeit zu bestätigen.
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Nachdem dies nicht erfolgte, ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12.07.2023 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen und beantragen,
Die Antragsgegnerin [sic!] wird verpflichtet, die Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin zur Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst zum 01.03.2024 vorläufig weiter am Auswahlverfahren zur Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst für den Einstellungstermin 01.03.2024 zu beteiligen.
9
Da das Auswahlverfahren mit den Einstellungstests für den Einstellungstermin 01.03.2024 bei dem Antragsgegner bereits und längstens bis Ende August 2023 laufe, sei es zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, die beantragte Eilentscheidung zu treffen. Ohne eine solche Entscheidung würde sich eine nach entsprechender Beteiligung am Auswahlverfahren in Betracht kommende Einstellung über Jahre hinweg verzögern, was die Antragstellerin in ihrem beruflichen Fortkommen erheblich beeinträchtigen würde. Der Antragstellerin stehe auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG habe jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung den gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt. Als vollziehende Gewalt sei auch der Antragsgegner gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Sowohl die allgemeinen als auch die schulischen Voraussetzungen für eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst würden seitens der Antragstellerin erfüllt. Sie sei Deutsche, körperlich und gesundheitlich geeignet, gesetzestreu etc. Mit der unbegründeten Zurückweisung der Bewerbung werde ihr bereits die Chance genommen, im Rahmen des Auswahlverfahrens den Beweis dafür zu erbringen, dass sie die zusätzlichen leistungsbezogenen Anforderungen erfüllen könne. Eine Ablehnung der Antragstellerin, die wie die Mitbewerber alle Kriterien für eine Zulassung zum Auswahlverfahren erfülle, verstoße vorliegend auch gegen Art. 3 GG.
10
Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten erklärte sich das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Beschluss vom 20.07.2023 als örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, bei dem die Akte in elektronischer Form am selben Tag einging.
11
Der Antragsgegner hat die Behördenakte vorgelegt und mit Schriftsatz vom 25.07.2023 beantragt,
12
Das Bewerbungsverfahren der Antragstellerin sei zu Recht beendet worden, da diese nicht über die für eine Einstellung in den Bayerischen Polizeivollzugsdienst erforderliche Eignung verfüge. Nach Durchsicht der Personalakte, die während der Ausbildungszeit der Antragstellerin vom 01.03.2021 bis 01.04.2022 bei der Polizei BW geführt worden sei, bestünden begründete Zweifel sowohl an der fachlichen als auch an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin für den Polizeivollzugsdienst.
13
Das Gericht hat die bei der Polizei BW geführte Personalakte der Antragstellerin am 26.07.2023 in elektronischer Form beigezogen.
14
Mit Schriftsatz vom 04.08.2023 trug die Antragstellerseite ergänzend vor, der Antragsgegner habe in Folge der Einsichtnahme in die Personalakte der Landespolizei BW von Anfang an Kenntnis vom Werdegang der Antragstellerin gehabt. Diese sei wegen eines nach vorhergehender Corona-Erkrankung nicht bestandenen 5.000-Meter-Laufes aus dem Dienst entlassen worden. Anhaltspunkte für Zweifel an der fachlichen oder charakterlichen Eignung der Antragstellerin ergäben sich hierdurch nicht. Dies gelte insbesondere, nachdem die Antragstellerin mittlerweile Soldatin im Dienst des Bundes sei und dort Leistungen erbringe, die diese Anforderungen überträfen. Hinzu komme, dass es im vorliegenden Verfahren um die Möglichkeit der Teilnahme an Bewerbungsverfahren gehe, in welchem die Antragstellerin ihre Fähigkeiten ebenso wie die anderen Bewerber unter Beweis stellen könne, deren Vorgeschichten in der Regel nicht bekannt seien. Die seit der Zeit ihrer Entlassung aus dem Dienst bei der Polizei BW gereifte Antragstellerin habe deshalb ein Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Bewerbern und demzufolge ein Recht auf Teilnahme am Auswahlverfahren. In diesem Verfahren könne sich der Antragsgegner ein Bild von der aktuell vorhandenen Eignung der Antragstellerin machen.
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Auf Nachfrage des Gerichts, ob die Ausbildungsinhalte in BW und in Bayern deckungsgleich seien, bzw. inwieweit sich diese unterschieden, und ob es eine Verwaltungspraxis des Antragsgegners gebe, Personen, die eine entsprechende Ausbildung in einem anderen Bundesland nicht bestanden hätten, nicht zum Auswahlverfahren zuzulassen, nahm die Antragsgegnerseite unter dem 07.08.2023 wie folgt Stellung: Die Polizeien der Länder seien unter dem Blickwinkel des Föderalismus der Länderhoheit zuzuordnen. Auch die verschiedenen Laufbahnebenen, wie z. B. der mittlere Dienst in anderen Bundesländern und die 2. Qualifikationsebene in Bayern seien nicht deckungsgleich. Ein unmittelbarer inhaltlicher Vergleich von Polizeiausbildungen sei daher schwierig bis unmöglich. Ein Ausbildungsplan für den mittleren Dienst in BW liege dem Antragsgegner nicht vor. Ohnehin sei fraglich, ob auch bei Vorliegen des dortigen Ausbildungsplans eigenständig oder nur mit Unterstützung aus Baden-Württemberg ein ernsthafter Vergleich der verschiedenen Polizeiausbildungen gemacht werden könnte. Nach den dem Antragsgegner vorliegenden Informationen vereine beide Polizeiausbildungen eine zweieinhalbjährige Ausbildung mit theoretischen, praktischen und sportlichen Leistungsnachweisen. Hätten Beamtinnen oder Beamte im Laufe der bayerischen Polizeiausbildung ein vorgeschriebenes theoretisches, praktisches oder sportliches Ausbildungsziel nicht erreicht, bestünden regelmäßig Zweifel an der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung. Bei derartigen Zweifeln würde ein Beamter oder eine Beamtin in Ausbildung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entlassen. Ein Ausbildungsversagen bei einer der anderen Länderpolizeien mit daraus resultierender Entlassung sei ein starkes Indiz für eine Einstellungsversagung bei der Bayerischen Polizei. Die Ausbildung für die 2. Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes bei der Bayerischen Polizei sei anspruchsvoll und herausfordernd. Ein erneutes Ausbildungsversagen sei wahrscheinlich und vorhersehbar. Vor dem Hintergrund, dass die Bayerische Polizei im Vergleich des Bundes und der Länder untereinander hohe Anforderungen an die fachliche und charakterliche Eignung stelle, sei nicht zu erwarten, dass die Antragstellerin in Bayern ein besseres Ergebnis erziele. Aus der täglichen Praxis sei vielmehr bekannt, dass Beamte, die wegen fachlicher Nichteignung bei der Bayerischen Polizei entlassen würden, zum Teil mit Erfolg um Einstellung bei anderen Polizeibehörden ersuchten.
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Das Sachgebiet P4 nehme immer eine Einzelfallprüfung der Bewerbung vor und hole vom Bewerber eine persönliche Erklärung zu den Umständen ein. Mit vorliegender Einverständniserklärung werde Einsicht in den Personalakt genommen und entschieden, ob das Bewerbungsverfahren für die Bayerische Polizei weitergeführt oder eingestellt werde. Die ständige Verwaltungspraxis stelle sich so dar, dass ein Bewerbungsverfahren weitergeführt werde, wenn die Entlassung auf eigenen Antrag aus nachvollziehbaren persönlichen Gründen erfolgt sei. Sei eine Entlassung von Amtswegen aufgrund fehlender und nicht erbrachter fachlicher Leistungen und/oder charakterlicher Zweifel erfolgt, werde ein Bewerbungsverfahren nicht weitergeführt, da die fachliche und persönliche Eignung für den Polizeiberuf nicht vorhanden sei. Der grundgesetzliche Zugang zu öffentlichen Ämtern sei bereits gewährt worden. Diese Verwaltungspraxis werde gleichermaßen auch bei Bewerbern angewandt, die bereits bei der Bayerischen Polizei in Ausbildung gewesen, dann entlassen worden seien und sich neuerlich bewerben. Nach Einsichtnahme in den Personalakt der Antragstellerin hätten diejenigen Zweifel an der Eignung vorgelegen, die den Antragsgegner im Falle eines bestehenden Beamtenverhältnisses auf Widerruf zur Entlassung berechtigen würden (vgl. § 23 Abs. 4 BeamtStG). Die Entscheidung, das Bewerbungsverfahren nicht fortzuführen, erweise sich somit als rechtmäßig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten ergänzend Bezug genommen.
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1. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt in der Sache ohne Erfolg.
19
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt also ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse einer Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
20
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine – vorliegend begehrte – Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) dann gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (Anordnungsgrund). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 12.09.2011 – 2 BvR 1206/11 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 18.04.2013 – 10 C 9.12 – juris Rn. 22; BVerwG B.v. 12.04.2016 – 1 WDS-VR 2.16 – juris Rn. 19; B.v. 10.02.2011 – 7 VR 6.11 – juris Rn. 6; so auch OVG NW, B.v. 02.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 9).
21
Legt man dies zugrunde, hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein derartiger Anspruch kann sich nur aus dem Bewerberverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben. Hiernach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Vorschrift gewährt – ebenso wie die einfachgesetzlichen Vorschriften des Bundes – keinen unbedingten Einstellungsanspruch. Sie vermittelt dem Bewerber vielmehr ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung rechtsfehlerfrei entschieden wird. Hinsichtlich der Prüfung der Kriterien für die Ernennung eines Beamten wird dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Sie ist als solche vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.01.2003 - 2 A 1.02 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 02.11.2016 – 6 B 1172/16 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 1 B 1131/13 – juris Rn. 7 ff.; B.v. 02.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 13).
22
Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens ist auch zu überprüfen, ob der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Anforderungen der zu besetzenden Stelle genügt (vgl. z.B. VG Greifswald, B.v. 06.06.2016 – 6 B 999/16 HGW – juris Rn. 17, 20 m.w.N.). Anerkannt ist hierbei, dass der Dienstherr die Einstellung – und als notwendige Vorstufe dessen auch die Frage der Teilnahmeberechtigung am Einstellungsverfahren an sich (VG Bayreuth, B.v. 14.12.2020 – B 5 E 20.1136 – juris Rn. 38) – eines Bewerbers bereits dann ablehnen darf, wenn berechtigte Zweifel an dessen Eignung bestehen (vgl. OVG NW, B.v. 02.11.2016 – 6 B 1172/16 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 1 B 1131/13 – juris Rn. 7 ff.; B.v. 02.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 15). Die Zweifel müssen jedoch auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (vgl. BayVGH, B.v. 20.03.2017 – 3 CS 17.257 – juris; U.v. 13.01.2016 – 3 B 14.1487 – juris). Dabei bezieht sich die Entscheidung auf die konkrete künftige Dienstausübung und enthält zugleich eine Prognose darüber, ob der Bewerber die ihm im jeweiligen Amt obliegenden Pflichten erfüllen wird, was eine einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Bewerbers erfordert (vgl. zum Ganzen VG Bayreuth, B.v. 24.03.2023 – B 5 E 23.134 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt, kann die Antragstellerin die einstweilige Zulassung zum Auswahlverfahren nicht beanspruchen. Denn der Antragsgegner geht zu Recht vom Vorliegen von Eignungszweifeln aus, die die Antragstellerin im Rahmen ihrer Bewerbung wie auch im gerichtlichen Verfahren nicht auszuräumen vermocht hat.
24
a. Das Gericht tritt zunächst dem Standpunkt des Antragsgegners bei, dass das Nichtbestehen der Ausbildung bei einer anderen Landespolizei mit daraus resultierender Entlassung zunächst ein starkes Indiz dafür ist, die betreffende Person werde auch den Anforderungen der Ausbildung bei der Bayerischen Polizei nicht gerecht, und somit berechtigte Zweifel begründet. Das in BW begründete Beamtenverhältnis der Antragstellerin auf Widerruf endete kraft Gesetzes mit Ablauf des 01.04.2022 durch das endgültige Nichtbestehen der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung (vgl. § 22 Abs. 4 BeamtStG). Die Antragstellerin hat somit positiv unter Beweis gestellt, dass sie den Anforderungen einer Polizeiausbildung nicht gewachsen war. Die hieraus vom Antragsgegner gezogenen Schlüsse sind an sich weder sachfremd noch sonst fehlerhaft.
25
Im vorliegenden Fall kommt entscheidend hinzu, dass der Antragsgegner seine begründeten Zweifel nicht allein aus dem Umstand des Scheiterns an der Ausbildung in BW hergeleitet hat, sondern sich insgesamt mit in BW aufgekommenen Eignungszweifeln auseinandergesetzt hat (vgl. hierzu auch den Aktenvermerk vom 24.04.2023 zur Einsichtnahme in der Personalakte der Polizei BW [im Folgenden: Personalakte] sowie die Verfügung zur Einstellung des Bewerbungsverfahrens vom 26.05.2023 in der Akte des Antragsgegners, Bl. 13 f. bzw. 6). In diesem Zusammenhang sind im Rahmen einer vorzunehmenden und vorgenommenen Gesamtwürdigung die folgenden Aspekte zu unterstreichen:
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Mit Recht hat der Antragsgegner festgestellt, die Antragstellerin habe in mehreren Leitthemenklausuren „deutlich unterpunktet“ (Bl. 13 der Akte des Antragsgegners). In diesem Sinne weist das in der beigezogenen Personalakte enthaltene Zeugnis (Bl. 80) über die Teilnahme am Basiskurs vom 01.03.2021 bis 01.04.2022 in den sog. Leitthemen folgende Noten aus: Kriminalitätsbekämpfung: 4,50; Verkehrsunfallaufnahme/-überwachung: 4,25; Streife: 4,00. Soweit sich die Antragstellerin nunmehr sinngemäß darauf beruft, „lediglich“ wegen des Nichtbestehens der Ausdauerkomponente (5.000-Meter-Lauf) den Basiskurs nicht bestanden zu haben, lässt dies die Defizite bei den theoretischen Leistungen außer Acht. Insoweit hat die Antragstellerin im Rahmen ihrer seinerzeitigen Stellungnahme (Bl. 66 ff. der Personalakte) zwar eingewandt, sich bei den nicht bestandenen Klausuren verbessert und diese im Nachholtermin bestanden zu haben. Dies bezieht sich angesichts des vorliegenden Zeugnisses jedoch wohl nur auf die Leitthemenklausuren 1 und 2 in Streife, in denen zunächst jeweils eine Note von 4,50 erzielt und eine Wiederholung auf den 18.03.2023 festgelegt worden ist (Schreiben der Hochschule für Polizei BW vom 23.02.2022, Bl. 72 ff. der Personalakte). Aus einem Schreiben vom 18.03.2022 (Bl. 76 ff. der Personalakte) geht jedoch hervor, dass auch in den Leitthemenklausuren 1 und 2 in „VUVÜ“ nur unzureichende Leistungen erbracht worden sind (Klausur 1: 4,0 und Klausur 2: 4,5; Mittelwert demzufolge 4,25). Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass gemäß § 15 APrOmPVD (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Polizeivollzugsdienst, in der seinerzeit gültigen Fassung) das Ziel des Basiskurses unter anderem nur erreicht sei, wenn in jedem Leitthema der Mittelwert der beiden Klausurarbeitsnoten nicht schlechter als 4,00 sei. Die Wiederholung in der Leistungskontrolle im Leitthema VUVÜ wurde auf die Kalenderwoche 14 festgelegt, also auf einen Zeitpunkt, an dem die Antragstellerin zwischenzeitlich bereits entlassen war (Beginn der KW 14 im Jahr 2022: 04.04.2022). Im Einklang hiermit weist das Zeugnis auch die – wohlgemerkt: unzureichende – Note 4,25 im Leitthema Verkehrsunfallaufnahme/-überwachung aus. Der Umstand, dass die Note auch im Fach Kriminalitätsbekämpfung laut Zeugnis 4,50 beträgt und damit ebenfalls nicht zum Bestehen genügt, sei ergänzend hervorgehoben. Die Antragstellerin kann insoweit auch nicht mit Erfolg einwenden, ihr hätten noch Verbesserungsversuche zugestanden, in denen sie möglicherweise bessere Noten erzielt hätte. Es stellt sich umgekehrt vielmehr so dar, dass sie bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie kraft Gesetzes (aus anderen Gründen) entlassen worden ist, keine hinreichenden Leistungen in den Leitthemen erzielt und somit die durch ihre eigenen Leistungen begründeten Zweifel daran, dass sie den Anforderungen des von ihr angestrebten Amtes gerecht werden wird, nicht ausgeräumt hat. Dass der Antragsgegner diesen Umstand zum Anlass nimmt, das Bewerbungsverfahren einzustellen, kann rechtlich nicht beanstandet werden, zumal es sich doch um Kernbereiche der theoretischen Polizeiausbildung handelt, mögen diese auch in Bayern und Baden-Württemberg nicht vollständig deckungsgleich sein.
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Ergänzend ist auszuführen, dass auch und bereits die Hochschule für Polizei BW Zweifel an der Eignung der Antragstellerin hatte (vgl. hierzu den Aktenvermerk „Entlassung wegen mangelnder Eignung mit Ablauf des Monats Juni 2022; Einleitungsverfügung und Anhörung“, Bl. 52 ff. der Personalakte). Hierbei wurde neben den sportlichen und theoretischen Leistungen insbesondere aufgegriffen, dass die Antragstellerin ganz erhebliche und regelmäßige Fehlzeiten hatte (vgl. die Aufstellung auf Bl. 56 der Personalakte) und die einschlägigen Vorgaben zu Krankmeldungen nicht eingehalten hat. Die Beurteilung der Gesamtsituation durch den seinerzeitigen Dienstherrn der Antragstellerin deckt sich demzufolge mit der des Antragsgegners.
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b. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, durften beim Antragsgegner berechtigte Zweifel an der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Antragstellerin aufkommen. Das Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst in BW ist mit weniger als eineinhalb Jahren auch nicht derart lange her, dass der Antragsgegner – insbesondere ohne weitere konkrete Anhaltspunkte – davon auszugehen hätte, es sei nunmehr eine Neubewertung der Sachlage angezeigt. Soweit sich die Antragstellerin der Sache nach darauf beruft, dass sich die Situation signifikant verbessert habe, wäre es an ihr – zumal in einem auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Verfahren nach § 123 VwGO –, dies näher zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Zur Thematik der „deutlich unterpunkteten“ Leitthemenklausuren fehlen belastbare Anhaltspunkte für eine Leistungssteigerung gänzlich. Dass sie nunmehr einschlägige Leistungen im Ausdauerbereich erbringt, wurde bislang bloß behauptet. Auch inwieweit sich ihre körperliche Verfassung im Hinblick auf die erheblichen und regelmäßigen Fehlzeigen verbessert haben soll, wird nicht konkret dargelegt.
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Nach alledem kann das Begehren einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung des Antragsgegners, das Bewerbungsverfahren einzustellen, keinen Erfolg haben.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
31
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Die Antragstellerin begehrt nicht etwa die vorläufige Einstellung in den Vorbereitungsdienst (vgl. § 52 Abs. 6 Abs. 1 Nr. 2 GKG), sondern die Zulassung zum Auswahlverfahren (vgl. VG Bayreuth, B.v. 02.02.2023 – B 5 E 22.1180 – juris Rn. 36; VG Greifswald, B.v. 06.06.2016 – 6 B 999/16 HGW – juris Rn. 29). Nachdem das Antragsbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, kommt eine Halbierung des Streitwerts nicht in Betracht (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).