Titel:
Unzulässige Klage mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift
Normenkette:
VwGO § 82
Leitsätze:
1. Eine Klage muss nicht nur den Namen und Vornamen des Klägers, sondern auch dessen ladungsfähige Anschrift beinhalten. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Angabe eines Postfachs genügt als ladungsfähige Anschrift grundsätzlich nicht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Angabe der ladungsfähigen Anschrift, Postfach nicht ausreichend, Pflicht des Klägers, dem Gericht substantiiert darzulegen, dass Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift nicht zumutbar, Klagebezeichnung, ladungsfähige Anschrift, Zulässigkeit, Postfach
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30273
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheids über Abfallentsorgungsgebühren des Beklagten vom 13./22. April 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 20. Juli 2021 sowie des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 9. Januar 2023.
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Die Klägerin ist seit 2014 Eigentümerin des Anwesens …, … Zum Stichtag 10. März 2021 wurde dem Beklagten vom Einwohnermeldeamt der Stadt … das Anwesen als Hauptwohnsitz der Klägerin gemeldet. Der Beklagte erhob mit Bescheid vom 13./22. April 2021 für das Anwesen Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2021 i.H.v. 77,11 EUR und ab dem Jahr 2022 jährlich 102,81 EUR.
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Mit Schreiben vom 30. April 2021, bei dem Beklagten eingegangen am 4. Mai 2021, beantragte die Klägerin die Rücknahme des Bescheids. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, sie halte sich tatsächlich an einem anderen Ort auf, Abfall falle nicht an. Im Übrigen sei das Anwesen unbewohnbar.
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Der Beklagte berücksichtigte auf Wunsch der Klägerin die Eigenkompostierung und setzte mit Änderungsbescheid vom 20. Juli 2021 für das Anwesen Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2021 i.H.v. 67,05 EUR und ab dem Jahr 2022 jährlich 89,40 EUR fest.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2022 Widerspruch, den die Regierung von … mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2023 zurückwies. Der Bescheid wurde am 25. Januar 2023 über das Postfach der Klägerin ausgeliefert.
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Die Klägerin erhob beim Verwaltungsgericht Bayreuth mit Schriftsatz vom 25. Februar 2023, per Telefax eingegangen bei Gericht am 27. Februar 2023, Klage und beantragte sinngemäß:
1. Der Bescheid über Abfallentsorgungsgebühren vom 13./22. April 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 20. Juli 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2023 werden aufgehoben.
2. Die Klägerin erhält die zu gegenständlichem Anwesen für den Zeitraum 1. Januar 2020 bis dato entrichteten Abfallgebühren auf das von ihr zuletzt benannte, bei dem Beklagten aktenkundige, Bankkonto ausbezahlt.
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Die Klägerin gab in dem Schriftsatz als Adresse ein Postfach in …, eine Handynummer und eine E-Mail-Adresse an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Anwesen sei seit Jahren unbewohnt und stehe leer, es würden und könnten keine Abfälle anfallen. Die Klägerin habe ihren ehemaligen Hauptwohnsitz bei dem Anwesen …, …, zum 1. Januar 2020 abgemeldet. Gleichzeitig werde beantragt, das gegenständliche Klageverfahren auszusetzen oder ruhend zu stellen, bis zu allen Abfallgebührenbescheiden durch den Beklagten im Überprüfungsverfahren gemäß §§ 48, 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) entschieden worden sei.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 6. April 2023,
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Die Heranziehung der Klägerin zu den Abfallentsorgungsgebühren sei zu Recht erfolgt, da diese ihren Hauptwohnsitz in dem genannten Anwesen gehabt habe. Die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Gebühren vorlägen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 7. März 2023, adressiert an das Postfach der Klägerin, wurde diese gebeten, dem Gericht unverzüglich eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Mit weiterem gerichtlichen Schreiben vom 22. März 2023, ebenfalls adressiert an das Postfach der Klägerin, wurde diese erneut aufgefordert, dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen bzw. substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen die Angabe der ladungsfähigen Anschrift nicht möglich ist. Die Klägerin beantwortete das Schreiben nicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Mai 2023, öffentlich zugestellt durch Aushang an der Aushangtafel im Eingangsbereich des Verwaltungsgerichts, wurde die Klägerin erneut aufgefordert, dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift bzw. Gründe, dass eine solche Mitteilung nicht zumutbar ist, mitzuteilen. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist die Nachholung der Klageergänzung ausgeschlossen ist. Mit gleichem Schreiben wurde zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Aushang erfolgte vom 9. Mai 2023 bis 13. Juni 2023. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde auch der Beklagte zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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I. Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist unzulässig.
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Es fehlt an der ordnungsgemäßen Bezeichnung der Klägerin gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Diese hat trotz der Aufforderung mit Fristsetzung eine aktuelle ladungsfähige Anschrift nicht angegeben bzw. dem Gericht nicht substantiiert dargelegt, dass die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift nicht zumutbar ist.
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Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Bezeichnung des Klägers erfordert die Angabe von Namen und Vornamen des Klägers sowie dessen ladungsfähige Anschrift (BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79.11 – BeckRS 2012, 48064 Rn. 11; U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – NJW 1999, 2608 (2609); BGH, U.v. 9.12.1987 – IVb ZR 4/87 – NJW 1988, 2114; OVG Münster, B.v. 6.3.1996 – 19 E 944/95 – NVwZ-RR 1997, 390). Dabei soll die Angabe der ladungsfähigen Anschrift nicht nur die hinreichende Individualisierbarkeit sowie Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen; sie soll darüber hinaus gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden kann und sich im Falle seines Unterliegens der Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (BayVGH, B.v. 20.1.2023 – 10 CS 22.2324 – BeckRS 2023, 968 Rn. 3). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift kann im Hinblick auf den aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) fließenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ausnahmsweise entfallen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen oder wenn der Kläger glaubhaft nicht über eine Anschrift verfügt (BVerwG, B.v. 28.5.2020 – 1 VR 2.19 – BeckRS 2020, 13807 Rn. 15 m.w.N.). In diesen Ausnahmefällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – NJW 1999, 2608 (2611)). Die Angabe eines Postfachs genügt nicht, weil es so an einer unmittelbaren Erreichbarkeit des Klägers fehlt (BVerwG, U.v. 13.4.1999 – 1 C 24.97 – NJW 1999, 2608 (2610)).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Klage unzulässig.
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Die Klägerin hat die Klage unter ihrer Postfachadresse erhoben. Sie hat ihre Klage nicht innerhalb der ihr durch gerichtliche Verfügung vom 9. Mai 2023 gesetzten, mit Ablauf des 6. Juni 2023 verstrichenen, Ausschlussfrist um eine den Erfordernissen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügende ladungsfähige Anschrift ergänzt. Auf die Rechtsfolge des § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist sie in der genannten Verfügung hingewiesen worden. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise von der Angabe der ladungsfähigen Anschrift abgesehen werden kann, sind nicht erfüllt. Dafür reicht es nicht, dass nach der Melderegisterauskunft vom 7. März 2023 für die Klägerin eine Auskunftssperre nach § 51 des Bundesmeldegesetzes (BMG) eingetragen ist. Die Klägerin war gehalten, gegenüber dem Gericht substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen die Angabe der Wohnanschrift nicht möglich bzw. zumutbar ist. Nur dann ist es dem Gericht möglich zu prüfen, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann. Dies hat sie ebenfalls nicht innerhalb der durch gerichtliche Verfügung vom 9. Mai 2023 gesetzten Ausschlussfrist getan.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).