Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 23.06.2023 – B 2 K 23.2
Titel:

Unzulässigerweise zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhobene Klage einer Standortgemeinde gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung

Normenketten:
VwGO § 55d S. 1
BauGB § 36
BayBO Art. 47, Art. 54 Abs. 4, Art. 67
GaStellV § 4
GG Art. 28 Abs. 2
Leitsatz:
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können Klagen ebenso wie Rechtsanwälte nicht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erheben. Wegen eines Verstoßes gegen § 55d Satz 1 VwGO ist in diesen Fällen die Klageerhebung unwirksam. (Rn. 14)
Schlagworte:
Elektronischer Rechtsverkehr, Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Unwirksame Klageerhebung, Behörde, Juristische Person des öffentlichen Rechts, Rechtsanwalt, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, Stellplatzsatzung, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Ersetzung gemeindlichen Einvernehmens, Prozesserklärung, elektronisches Dokument, Einreichungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30268

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich als Standortgemeinde gegen eine den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung für die Sanierung und den Umbau eines Wohngebäudes in drei Wohneinheiten auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, Markt … Mit Bauantrag vom 26.10.2021, beim Kläger eingegangen am 09.11.2021, stellten die Beigeladenen einen Antrag auf Sanierung und Umbau eines Wohngebäudes in drei Wohneinheiten. Dabei beantragten die Beigeladenen für das Bauvorhaben eine „Befreiung von den Vorgaben der örtlichen Stellplatzsatzung“ des Klägers. Begründet wird dies damit, dass gemäß § 3 i.V.m. Anlage 1.3 der Stellplatzsatzung eine Mindestanzahl von sechs Stellplätzen bei diesem Bauvorhaben erforderlich sei. Da die Mindestanzahl durch das bestehende ungünstige Verhältnis von bebauter zu unbebauter Grundstücksfläche nicht erreicht werden könne, werde auch im Hinblick auf die sehr kleinen Wohnungen mit ca. 60 m² Wohnfläche empfohlen, dass die Anzahl der Stellplätze gemäß § 20 Garagen- und Stellplatzverordnung – GaStellV – festgesetzt werde. Nach Anlage 1.2 GaStellV ergebe sich eine Mindestanzahl von drei Stellplätzen. Außerdem befänden sich zahlreiche Stellplätze vor dem Gebäude auf öffentlichen Grund auf dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, Markt … Somit sei eine Überstrapazierung des Parkverkehrs nicht gegeben.
2
Mit Beschluss des Bauausschusses vom 08.12.2021 erteilte der Kläger sein gemeindliches Einvernehmen unter dem Vorbehalt, dass 6 Stellplätze nachgewiesen werden. In weiteren Sitzungen des Bauausschusses am 05.07.2022 und 08.11.2022 wurde die Thematik nochmals behandelt, das gemeindliche Einvernehmen aber ebenfalls nicht unbedingt erteilt. Dies wird vom Kläger damit begründet, dass nach der Veränderung des Bestandsgebäudes der Bestandsschutz entfalle. Demnach sei das Vorhaben wie ein Neubau zu beurteilen. Zudem würden die drei nachgewiesenen Stellplätze aufgrund ihrer Größe nicht das Mindesterfordernis einhalten.
3
Mit Bescheid vom 09.12.2022 erteilte der Beklagte unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung wird u.a. vorgetragen, dass vom Planer mitgeteilt worden sei, dass das Bestandsgebäude im Jahr 1917 als Zweifamilienwohnhaus errichtet worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt hätte die gemeindliche Stellplatzsatzung noch nicht vorgelegen. Insofern sei für den Bestand ein Stellplatz angesetzt worden, für die jetzt neu geplante dritte Wohneinheit im Dachgeschoss seien entsprechend der Satzung zwei Stellplätze geplant worden. Dieser Auffassung habe sich der Beklagte angeschlossen. Es könne nicht der Nachweis erbracht werden, dass die Aussage, das Gebäude sei ursprünglich als Zweifamilienwohnhaus errichtet worden, falsch wäre. Stellplätze, die bisher nach der aktuellen Stellplatzsatzung nicht nachgewiesen seien, könnten im Rahmen des aktuellen Bauantrages nicht nachgefordert werden. Die Argumentation zur Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens des Klägers sei nicht nachvollziehbar. Gegenstand des eingereichten Bauantrages sei der Einbau einer abgeschlossenen dritten Wohneinheit im Dachgeschoss des Bestandsgebäudes. Bisher sei nach Angabe des Planers die bestehende zweite Wohneinheit über das Obergeschoss und das Dachgeschoss verteilt. Die Wohnräume im Obergeschoss würden nun zur zweiten abgeschlossenen Wohneinheit. Durch diese Änderung erlösche der für das vorhandene Wohngebäude bestehende Bestandsschutz nicht. Die Wohnnutzung im Erdgeschoss und Obergeschoss bleibe weiterhin bestehen. Auch die Neuerrichtung einer Gaube im Bereich der neuen Dachgeschosswohnung würde den bisherigen Bestandsschutz nicht auflösen. Weiter solle das Gebäude neu gedämmt werden, Fenster und Eingangstüren würden durch neue, mit guten Dämmeigenschaften versehene Elemente ersetzt. Dadurch würde die Gebrauchsfähigkeit und der Wert des Gebäudes erhalten, die Identität des Bauwerks bleibe gewahrt. Der Bestandsschutz des Gebäudes entfalle hierdurch nicht. Da die für die neu geschaffene dritte Wohnung nach der gemeindlichen Stellplatzsatzung erforderlichen zwei Stellplätze nachgewiesen seien, sei eine Abweichung von den Vorgaben der Satzung, über die im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden wäre, nicht erforderlich. Die gemeindliche Stellplatzsatzung enthalte keine Anforderungen an die Größe von Stellplätzen. Insoweit finde § 4 Abs. 1 GaStellV Anwendung. Die darin vorgeschriebene Länge von mindestens 5,00 m sei bei allen drei Stellplätzen eingehalten. Stellplatz 1, der sich an einer Stelle unmittelbar an der Grundstücksgrenze befinde, sei mit einer Breite von 2,40 m geplant, ebenso der Stellplatz 3, der sich relativ nah an einer Gebäudewand befinde. Dies entspreche § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GaStellV. Der Stellplatz 2, der an keiner Stelle durch Bauteile oder sonstige Einrichtungen begrenzt sei, habe eine Breite von 2,30 m und entspreche § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GaStellV. Insofern sei auch für die Planung der Stellplätze keine Abweichung von der GaStellV erforderlich. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Einbaus einer dritten Wohneinheit in einem bestehenden Wohngebäude sei nach § 34 des Baugesetzbuches – BauGB – gegeben. Aufgrund der vorliegenden Planung sei nicht erkennbar, warum sich das geplante Gebäude nicht in die Eigenart der umgebenden Bebauung einfügen sollte. Die Zahl der Wohneinheiten sei kein Zulässigkeitsmerkmal im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Dies alles sei dem Kläger vom Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2022 mitgeteilt worden und ihm dabei nochmals Gelegenheit gegeben worden, in der nächsten Sitzung des Bauausschusses erneut über das gemeindliche Einvernehmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beklagten zu entscheiden. Da das gemeindliche Einvernehmen weiterhin rechtswidrig verweigert worden sei, sei von der Möglichkeit der Ersetzung Gebrauch gemacht worden, da ein Rechtsanspruch der Beigeladenen auf Erteilung der Baugenehmigung bestehe.
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Gegen den Bescheid hat der Kläger am 03.01.2023 zur Niederschrift bei der Urkundsbeamtin der Rechtsantragsstelle Klage erhoben. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Bescheid sowie die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig seien, wodurch der Kläger in seinen Rechten verletzt werde. Die Voraussetzungen der Stellplatzsatzung des Klägers seien nicht vorhanden, sodass es einer Befreiung durch den Kläger bedürfte. Diese habe der Kläger zu Recht verweigern dürfen, das gemeindliche Einvernehmen hätte nicht durch den Beklagten ersetzt werden dürfen. Bei der Stellplatzsatzung des Klägers handele es sich gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 der Bayerischen Bauordnung – BayBO – um eine örtliche Bauvorschrift. Gemäß Art. 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BayBO sei für die Abweichung von örtlichen Bauvorschriften nach Art. 81 Abs. 1 BayBO das Einvernehmen der Gemeinde notwendig, wenn das Bauvorhaben genehmigungspflichtig sei. Die Stellplatzsatzung sehe vor, dass gemäß § 3 Abs. 1 der Stellplatzsatzung für Mehrfamilienhäuser je Wohneinheit zwei Stellplätze vorzuhalten seien. Darüber hinaus werde in § 4 Abs. 1 der Stellplatzsatzung festgelegt, dass die Stellplätze auf den Baugrundstücken zu schaffen seien oder auf geeigneten Grundstücken in der Nähe, soweit eine rechtliche Sicherung vorhanden sei. Darüber hinaus könne gemäß § 4 Abs. 3 der Stellplatzsatzung der Stellplatznachweis durch Abschluss eines Ablösungsvertrags erfüllt werden. Die vom Beklagten verfolgte Argumentation, dass das Bestandsgebäude im Jahr 1917 als Zweifamilienwohnhaus errichtet worden wäre, und aus diesem Grund nur für den Bestand ein Stellplatz anzusetzen wäre, sei unzutreffend. Es liege im konkreten Fall eine so gravierende Änderung der baulichen Anlage vor, so dass diese mit einer neuen baulichen Anlage vergleichbar sei. Durch die umfassende Sanierung und Änderung auf nunmehr drei Wohneinheiten des zuvor stark baufälligen Gebäudes könne von keiner bloßen Instandhaltung gesprochen werden. Änderungen von Anlagen, die nicht mehr bloß Instandhaltungen im Sinne der BayBO seien, könnten auch Reparaturen und Sanierungen seien, welche die Ziele der BayBO nicht nur unwesentlich berühren. Das seien insbesondere Maßnahmen, durch die eine bauliche Anlage, die unter der Abnutzung, Alterung, Witterung oder anderen Einflüssen gelitten habe, wiederhergestellt werden solle. Das stark baufällige Gebäude solle nunmehr wieder bewohnbar gemacht werden und durch die Reparaturarbeiten solle insbesondere die äußere Gestalt und die Erscheinungsform nicht nur geringfügig geändert werden. Damit werde auch ein neuer Bedarf an Stellplätzen gemäß der Stellplatzsatzung des Klägers ausgelöst. Selbst wenn man der Argumentation des Beklagten folgen würde, so seien dennoch Nachweise zu erbringen, dass das Bestandsgebäude im Jahr 1917 als Zweifamilienhaus errichtet worden wäre. Dies sei der Originalakte nicht zu entnehmen. Die pauschale Behauptung, dass dies der Fall gewesen wäre, sei daher nicht ausreichend. Darüber hinaus sei auch die Art der Beschaffenheit der Stellplätze nicht ausreichend gewährleistet. § 4 GaStellV setze die Maße, insbesondere die Breite eines Stellplatzes fest. Dessen Mindesterfordernisse seien nicht eingehalten.
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Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2022 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Begründung des angefochtenen Bescheids. Das gemeindliche Einvernehmen sei nur unter dem Vorbehalt erteilt worden, dass sechs Stellplätze nachgewiesen würden. Dies habe der Beklagte im Rahmen des Prüfungsverfahrens aufgegriffen. Von den Beigeladenen sei mitgeteilt worden, dass das Bestandsgebäude im Jahr 1917 als Zweifamilienwohnhaus errichtet worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt hätte die gemeindliche Stellplatzsatzung noch nicht vorgelegen. Insofern sei für den Bestand ein Stellplatz angesetzt worden, für die jetzt neu geplante dritte Wohneinheit im Dachgeschoss seien entsprechend der Satzung zwei Stellplätze geplant worden. Dieser Auffassung habe sich der Beklagte angeschlossen. Es könne nicht der Nachweis erbracht werden, dass die Aussage, das Gebäude sei ursprünglich als Zweifamilienwohnhaus errichtet worden, falsch wäre. Stellplätze, die bisher nach der aktuellen Stellplatzsatzung nicht nachgewiesen seien, könnten im Rahmen des aktuellen Bauantrags nicht nachgefordert werden. Gegenstand des eingereichten Bauantrags sei der Einbau einer abgeschlossenen dritten Wohneinheit im Dachgeschoss des Bestandsgebäudes. Bisher sei nach Angabe des Planes die bestehende zweite Wohneinheit über das Obergeschoss und das Dachgeschoss verteilt gewesen. Die Wohnräume im Obergeschoss würden nun zur zweiten abgeschlossenen Wohneinheit. Durch diese Änderung, die Anbringung einer Dämmung sowie den Austausch von Fenstern und der Eingangstür würde der für das vorhandene Wohngebäude bestehende Bestandsschutz nicht erlöschen. Die Wohnnutzung im Erdgeschoss und Obergeschoss bliebe weiterhin bestehen. Auch die Neuerrichtung einer Gaube im Bereich der neuen Dachgeschosswohnung löse den bisherigen Bestandsschutz nicht auf. Insofern bestehe kein Anlass, die Stellplatzzahl so festzulegen, als wenn es sich um den Neubau eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten handeln würde. Da die für die neu geschaffene dritte Wohnung nach der gemeindlichen Stellplatzsatzung erforderlichen zwei Stellplätze nachgewiesen seien, sei eine Abweichung von den Vorgaben der Satzung, über die im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden wäre, nicht erforderlich. Auch hinsichtlich der Beschaffenheit und Geeignetheit der Stellplätze werde auf die Begründung des Bescheids verwiesen. Am 05.04.2023 habe der Baukontrolleur des Beklagten eine Ortseinsicht vorgenommen, um den aktuellen Bauzustand in Augenschein zu nehmen. Nach seiner Feststellung seien aktuell Innenarbeiten durchgeführt und Fenster geändert worden. Es hätten keine Verstöße gegen die erteilte Baugenehmigung festgestellt werden können. Die durchgeführten Arbeiten entsprächen einer Sanierung des Gebäudes und könnten nicht die Annahme rechtfertigen, dass hierdurch gleichsam ein Neubau entstehen würde. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Einbaus einer dritten Wohneinheit in einem bestehenden Wohngebäude sei nach § 34 BauGB gegeben. Aufgrund der vorliegenden Planung sei nicht erkennbar, warum sich das geplante Gebäude nicht in die Eigenart der umgebenden Bebauung einfügen sollte. Die Zahl der Wohneinheiten sei kein Zulässigkeitsmerkmal im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB.
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Die mit Beschluss vom 03.01.2023 beigeladenen Bauherren haben keinen Antrag gestellt.
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Das Gericht hat den Kläger im Rahmen der Erstzustellung der Klage mit gerichtlichem Schreiben vom 04.01.2023 darauf hingewiesen, dass die Zulässigkeit der Klageerhebung zweifelhaft ist. Mit Beschluss vom 03.05.2023 hat das Gericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 01.06.2023 sind die Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Eilrechtsschutzverfahrens (B 2 S 23.273) sowie der vorgelegten Behördenakte (§ 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Entscheidungsgründe

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I. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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II. Die Klage ist bereits unzulässig, jedenfalls wäre sie aber auch unbegründet.
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1. Mangels wirksamer Klagerhebung ist die Klage unzulässig.
14
Gemäß § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Erfolgt eine Einreichung trotz bestehender Einreichungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften, ohne dass die Voraussetzungen der Sätze 3 und 4 vorliegen, ist diese unzulässig. Prozesserklärungen sind in diesem Fall nicht wirksam. Die Einhaltung der elektronischen Einreichungspflicht ist von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen, eine anderweitig eingereichte Klage ist als unzulässig abzuweisen (Ulrich in Schoch/Schneider, 43. EL August 2022, VwGO § 55d Rn. 26; Hoppe in Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 55d Rn. 5). Nur wenn gemäß § 55d Satz 3 VwGO eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, kann die Übermittlung ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften erfolgen und auf eine Einreichung in Papierform, per Telefax sowie zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zurückgegriffen werden (Ulrich in Schoch/Schneider, 43. EL August 2022, VwGO § 55d Rn. 30). Insbesondere ist somit auch Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich verwehrt, eine Klage gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Bei der Klageerhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle handelt es sich um einen Sonderfall der schriftlichen Klageerhebung, so dass § 55d Satz 1 VwGO auch hierauf bereits vom Wortlaut her Anwendung findet. § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO stellt auch keinen Ausnahmefall zu § 55d Satz 1 VwGO dar, denn mit § 55 Satz 3 VwGO hat der Gesetzgeber in der Norm selbst alle Ausnahmefälle grundsätzlich abschließend geregelt. Darüber hinaus spricht auch der Sinn und Zweck des § 55d Satz 1 VwGO dafür, dass Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht mehr die Möglichkeit haben sollen, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage zu erheben. Die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass bei einer bloßen freiwilligen Nutzbarkeit die Nichtnutzung durch eine qualifizierte Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden bei den Gerichten und bei Rechtsanwälten führe, welche die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs nutzen wollen. Die Justiz müsste genauso wie ihre Kommunikationspartner mit erheblichen Investitionen in Vorlage treten, ohne die Gewissheit zu haben, dass tatsächlich die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung erfolgt (BT-Drs. 17/12634, S. 27). Diese Argumentation gilt entsprechend auch für den Fall der Klageerhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle, die für das Gericht im Vergleich zur elektronischen Übermittlung mit einem erheblichen Mehraufwand, insbesondere personeller Natur, verbunden ist. Schließlich hat kürzlich bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu Rechtsanwälten – wenn auch nicht entscheidungserheblich – entschieden, dass diese ebenfalls nicht wirksam zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Prozesserklärungen vornehmen können (BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 22 ZB 22.2101 – juris Rn. 5). Es ist kein Grund ersichtlich, in dieser Frage Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts anders als Rechtsanwälte zu behandeln.
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Somit ist die am 03.01.2023 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth erfolgte Klageerhebung durch einen Vertreter des Klägers unwirksam. Dass der Kläger – wie zu Protokoll erklärt – über keinen Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr verfüge, ist insoweit unbeachtlich. Der gänzliche Verzicht auf eine Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr stellt gerade keinen Ausnahmefall einer vorübergehenden Unmöglichkeit aus technischen Gründen gemäß § 55d Satz 3 VwGO dar.
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Auch die nachträgliche Mandatierung und Vertretungsanzeige des klägerischen Prozessbevollmächtigten am 01.02.2023 führt zu keiner Heilung der unwirksamen Klageerhebung. Unabhängig von der Frage, wie eine solche Heilung auszusehen habe – ein derartiger Versuch wurde vom klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht unternommen – besteht die Möglichkeit, eine fehlerhafte Klageerhebung zu heilen, nur während des Laufs der Klagefrist (Hoppe in Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 81 Rn. 16). Im Zeitpunkt der Vertretungsanzeige des klägerischen Prozessbevollmächtigten am 01.02.2023 war der Bescheid jedoch bereits bestandskräftig. Auch sind Gründe für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr wurde der Kläger vom Gericht bereits im Zuge der Erstzustellung mit gerichtlichem Schreiben vom 04.01.2023 darauf hingewiesen, dass die Zulässigkeit der Klageerhebung zweifelhaft ist.
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2. Die Klage wäre auch unbegründet.
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Die Klage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Baugenehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Ist der Dritte eine Gemeinde, kann diese auch bei Fehlen einer sie betreffenden drittschützenden Nachbarstellung darüber hinaus geltend machen, dass sie durch den streitgegenständlichen Bescheid entweder in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz – GG –, Art. 11 Abs. 2 Bayerische Verfassung – BV – verfassungsrechtlich garantierten und einfachgesetzlich durch § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB konkretisierten kommunalen Planungshoheit oder in ihrem ebenfalls in Art. 28 Abs. 2 GG, 11 Abs. 2 BV wurzelnden Recht auf Schutz und Gestaltung des Ortsbildes, das in Art. 81 BayBO einfachgesetzlich ausgeformt ist, verletzt ist (VG Bayreuth, U.v. 17.6.2021 – B 2 K 20.555 – BeckRS 2021, 31090 Rn. 10; VG Regensburg, U.v. 7.4.2022 – RO 2 K 18.1641, BeckRS 2022, 12925 Rn. 32).
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Der streitgegenständliche Bescheid verstößt gegen keine zu Gunsten des Klägers drittschützend wirkenden Vorschriften (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Weder wurde das gemeindliche Einvernehmen in rechtswidriger Weise ersetzt und der Kläger dadurch in seiner Planungshoheit verletzt (a.), noch verstößt das genehmigte Vorhaben gegen örtliche Bauvorschriften (b.).
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a. Die Ersetzung des nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB im unbeplanten Innenbereich erforderlichen gemeindlichen Einvernehmens verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil das geplante Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist.
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Über die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB wird von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden, § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Das in § 36 Abs. 1 BauGB geregelte Mitwirkungsrecht der Gemeinde dient der Sicherung der kommunalen Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, 11 Abs. 2 BV (VG Bayreuth, U.v. 17.6.2021 – B 2 K 20.555 – BeckRS 2021, 31090 Rn. 11). Durch das Erfordernis des Einvernehmens wird die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde und als Trägerin der Planungshoheit im Genehmigungsverfahren dort, wo sie noch nicht geplant hat bzw. wo von den Festsetzungen einer städtebaulichen Satzung abgewichen werden soll, mitentscheidend an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens beteiligt (BayVGH, B.v. 24.11.2008 – 1 ZB 08.1462 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 11.8.2008 – 4 B 25.08 – juris). Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründen versagen darf, sind die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen (BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 9 CS 19.581 – juris Rn 19). Dies bedeutet für den hiesigen Fall, dass die Voraussetzungen des § 34 BauGB zu prüfen sind. Die Gemeinde beruft sich insoweit auf eigene Rechte (BayVGH, B.v. 24.11.2008 – 1 ZB 08.1462 – juris Rn. 14). Örtliche Bauvorschriften sind dagegen kein Teil des Prüfungsregimes des § 36 BauGB und können deshalb keine Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB stützen (VG München, B.v. 28.2.2023 – M 9 SN 22.160 – BeckRS 2023, 4589). Das gemeindliche Einvernehmen nach Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO, welches sich – anders als § 36 BauGB – auf Abweichungen von örtlichen Bauvorschriften bezieht, stellt damit gerade keinen Fall der kommunalen Planungshoheit dar, sondern ist im Rahmen einer möglichen Verletzung örtlicher Bauvorschriften zu prüfen.
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Eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens ist nicht erkennbar. Die Art der baulichen Nutzung bleibt gleich, lediglich die Zahl der Wohnungen erhöht sich. Abgesehen vom Einbau einer Dachgaube ändert sich auch die Kubatur des Gebäudes nicht. Auch vom Kläger wird eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens nicht geltend gemacht. Vielmehr hat er die Verweigerung seines Einvernehmens nur mit Verstößen gegen die von ihm erlassene Stellplatzsatzung sowie die GaStellV begründet.
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b. Es liegt auch kein Verstoß gegen örtliche Bauvorschriften vor, der eine Rechtsverletzung des Klägers zur Folge hätte.
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Bei einer Satzung nach Art. 81 Abs. 1 BayBO handelt es sich ausweislich des Wortlauts um eine Regelung im eigenen Wirkungskreis. Geschützt wird die Möglichkeit der Gemeinde, bestimmte ortsgestalterische Regelungen zu treffen, was verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV abgesichert wird. Die Gemeinden werden in die Lage versetzt, bestimmte überkommene historische Gestaltungsmerkmale und -strukturen, die sie für ihre jeweilige örtliche Gemeinschaft als bedeutend und prägend ansehen, zu schützen, um damit auch ihr historisches Herkommen als identitätsstiftendes Element für die örtliche Gemeinschaft zu bewahren. Beruft sich eine Gemeinde auf die fehlerhafte Anwendung ihrer Satzung durch die Baugenehmigungsbehörde, die gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 lit c) BayBO verpflichtet ist, auch Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO bei Erteilung der Baugenehmigung mit zu prüfen, so macht sie die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend (VG Bayreuth, U.v. 17.6.2021 – B 2 K 20.555 – BeckRS 2021, 31090).
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Eine solche Verletzung örtlicher Bauvorschriften ergibt sich weder aus der Anzahl (aa.) noch aus der Größe (bb.) der Stellplätze.
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aa. Die streitgegenständliche Baugenehmigung widerspricht nicht den örtlichen Regelungen zur Anzahl von Stellplätzen.
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Der Kläger hat auf Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO im Jahr 2014 eine Stellplatzsatzung erlassen. § 2 der Stellplatzsatzung verpflichtet entsprechend Art. 47 Abs. 1 BayBO zur Herstellung von Stellplätzen, wenn eine Anlage errichtet wird, bei der ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist (Alt. 1), oder wenn durch die Änderung oder Nutzungsänderung einer Anlage ein zusätzlicher Bedarf zu erwarten ist (Alt. 2). Durch den Verweis auf Art. 47 Abs. 1 BayBO wird deutlich, dass die für diese Norm geltenden Begriffsdefinitionen samt Rechtsprechung entsprechend herangezogen werden können. Auch bei Art. 47 Abs. 1 BayBO wird zwischen der Neuherstellung bzw. Wiederherstellung von Anlagen (Satz 1) und Änderung bzw. Nutzungsänderung von Anlagen (Satz 2) unterschieden. Nur bei einer Neuherstellung bzw. Wiederherstellung ist auf den Bedarf des ganzen Gebäudes abzustellen, bei einer bloßen Änderung bzw. Nutzungsänderung ist hingegen – jedenfalls bei bestandsgeschützen Gebäuden – nur auf den dadurch entstandenen Mehrbedarf abzustellen. Bei der Änderung bzw. Nutzungsänderung sind nur die Stellplätze für die zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge herzustellen bzw. abzulösen (Laser in Schwarzer/König, 5. Aufl. 2022, BayBO Art. 47 Rn. 20). Auch eine etwaige Nichtbeachtung einer früher ausgelösten Stellplatzpflicht ist unbeachtlich. Maßgeblich beim mit § 2 Alt. 2 der Stellplatzsatzung im Wesentlichen identischen Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO ist nämlich nicht der absolute Bedarf‚ der für das gesamte Gebäude festzustellen ist‚ sondern nur der durch die Änderung bzw. Nutzungsänderung ausgelöste Mehrbedarf mit der Folge‚ dass der bisherige Bedarf‚ auch wenn er nicht erfüllt worden sein sollte‚ als Folge des den bisherigen Nutzungen zukommenden Bestandsschutzes außer Betracht zu bleiben hat (BayVGH, U.v. 8.10.2015 – 1 BV 14.1795 – BeckRS 2015, 56147; BayVGH‚ B.v. 22.4.2004 – 20 B 03.2531 – juris Rn. 19). In diesen Fällen kann die Schaffung von zusätzlichen Stellplätzen für den Altbestand der Anlage von der Bauaufsichtsbehörde nur gestützt auf Art. 54 Abs. 4 BayBO verlangt werden, jedoch nicht mehr auf Art. 47 BayBO (Hensel in BeckOK BauordnungsR Bayern, 24. Ed. 1.11.2019, BayBO Art. 47 Rn. 51). Nur wenn das Vorhaben in der Sache nicht mehr eine Änderung, sondern die Neuerrichtung einer baulichen Anlage darstellt, sind die erforderlichen Stellplätze für die gesamte bauliche Anlage (im Endzustand) neu zu errechnen und nachzuweisen (Würfel in Busse/Kraus, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 47 Rn. 67). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Umgestaltung nach Umfang oder Funktion so grundlegend ist, dass sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung einem Neubau gleichkommt oder dass die Identität nicht mehr gegeben ist (Dirnberger in Busse/Kraus, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 3 Rn. 49). Ähnliches gilt bei der Nutzungsänderung; auch im Falle einer Unterbrechung der Nutzung für einen längeren Zeitraum liegt ein für die Annahme einer Wiedererrichtung erforderlicher Verfall erst dann vor, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird (BayVGH, U.v. 2.11.2020 – 15 B 19.2210 – BeckRS 2020, 30409 Rn. 15; Decker in Busse/Kraus, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 55 Rn. 30).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze weicht die im Bescheid geregelte Auflage von drei Stellplätzen nicht von der gemeindlichen Stellplatzsatzung ab, weshalb ein diesbezügliches gemeindliches Einvernehmen nicht erforderlich ist. Es können entgegen der Rechtsansicht des Klägers für die bereits bestehenden zwei Wohneinheiten keine weiteren Stellplätze verlangt werden, sondern gem. § 2 Alt. 2 und § 3 Abs. 1 der Stellplatzsatzung nur für die dazukommende dritte Wohneinheit. Vom Kläger wird zum einen vorgetragen, dass eine so gravierende Änderung der baulichen Anlage vorliege, dass dies bereits mit einer neuen baulichen Anlage vergleichbar sei. Das stark baufällige Gebäude solle wieder bewohnbar gemacht werden und die äußere Gestalt und Erscheinungsform solle nicht nur geringfügig geändert werden. Nach soeben dargestellter Rechtsprechung reichen die bloße (behauptete) Unbewohnbarkeit sowie die vorgetragenen wesentlichen Änderungen – Einbau einer abgeschlossenen dritten Wohneinheit, Neuerrichtung einer Gaube, Anbringung einer Dämmung sowie Austausch von Fenstern und der Eingangstür – für die Annahme einer Neuerrichtung bzw. Wiedererrichtung, bei der wegen des dann fehlenden Bestandsschutzes der absolute Stellplatzbedarf zugrunde zu legen wäre, noch nicht aus. Es ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben nach Umfang oder Funktion einem Neubau gleichkommt bzw. der Gebäudezustand so schlecht ist, dass der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv sein muss, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechtigung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder dass die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder übersteigen werden, oder dass die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert werden muss. Damit verbleibt es beim Grundsatz, dass aufgrund des Bestandsschutzes der Bedarf des Bestands bei der Berechnung der Stellplatzanzahl unberücksichtigt bleibt und nur der durch Änderung bzw. Nutzungsänderung ausgelöste Mehrbedarf heranzuziehen ist. Der zum anderen vom Kläger gegen den Bestandsschutz vorgebrachte Einwand, es gebe keine Nachweise, dass das Bestandsgebäude im Jahr 1917 als Zweifamilienhaus errichtet worden sei, greift nicht. Nicht geklärt zu werden braucht, ob damals für das Bestandsgebäude im Jahr 1917 eine Baugenehmigung erteilt wurde (sog. formeller Bestandsschutz), wobei in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass bei „sehr alten Anlagen“ eine Rechtsvermutung dafür besteht, dass sie seinerzeit ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den damals bestehenden Gesetzen errichtet worden sind (VG Ansbach, U.v. 3.3.2020 – AN 3 K 17.02482 – BeckRS 2020, 3921 Rn. 60). Denn Bestandschutz kommt nicht nur dann in Betracht, wenn für die fragliche Nutzung eine Baugenehmigung vorliegt, sondern auch, wenn diese lediglich materiell legal war (sog. materieller Bestandschutz). In ihrem Bestand geschützt sind, wie auch sonst, sämtliche Nutzungen, die formell oder zumindest materiell rechtmäßig ausgeübt werden oder wurden. Ausreichend ist, dass die Nutzung über einen längeren Zeitraum materiell rechtmäßig ausgeübt wurde, lediglich bei einer illegalen Nutzung kommt kein Bestandschutz in Betracht (BayVGH, B.v. 22.4.2004 – 20 B 03.2531 – BeckRS 2004, 30000 Rn. 19; VG Regensburg, U.v. 7.4.2022 – RO 2 K 18.1641 – BeckRS 2022, 12925 Rn. 49). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzung als Zweifamilienhaus nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, insbesondere kann auch nicht angenommen werden, dass in der Anfangszeit dieser Nutzung – Jahrzehnte vor Inkrafttreten von BayBO und Stellplatzsatzung – eine Illegalität infolge von fehlenden Stellplätzen vorgelegen hat.
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bb. Eine zu geringe Größe der Stellplätze kann der Kläger nicht geltend machen. Anders als Art. 47 Abs. 1 BayBO trifft die Stellplatzsatzung keine Aussage zur Größe der Stellplätze. Insoweit liegt keine örtliche Bauvorschrift vor, die Größe der Stellplätze richtet sich nach den allgemeinen landesrechtlichen Vorschriften, namentlich (entsprechend) der GaStellV (Hensel in BeckOK BauordnungsR Bayern, 24. Ed. 1.11.2019, BayBO Art. 47 Rn. 76). Die GaStellV bleibt anwendbar, soweit durch örtliche Bauvorschriften nichts anderes geregelt ist (Grünewald in BeckOK BauordnungsR Bayern, 24. Ed. 1.11.2019, BayBO Art. 81 Rn. 126). Die Größe der Stellplätze gehört damit mangels Regelung nicht zum Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 1 lit. c) BayBO und der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf das in Art. 28 Abs. 2 GG, 11 Abs. 2 BV wurzelnde Recht auf Schutz und Gestaltung des Ortsbildes berufen. Im Übrigen ist darüber hinaus ausweislich der gestempelten Bauvorlagen zum Stellplatznachweis auch nicht ersichtlich, weshalb – wie vom Kläger vorgetragen – die Mindesterfordernisse des § 4 Abs. 1 GaStellV unterschritten sein sollten.
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III. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Da die Beigeladenen keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Die Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch den Beklagten bedurfte es angesichts der allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.