Titel:
Keine BAföG-Bewilligung über Förderungshöchstdauer hinaus trotz Corona-Pandemie und Gremientätigkeit
Normenketten:
BAföG § 1, § 15 Abs. 3, § 15a Abs. 1, Abs. 2
HRG § 10 Abs. 2
BayHSchG Art. 99 Abs. 2 S. 1
BayHIG Art. 130 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Förderungshöchstdauer verkürzt sich auch dann nach § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BAföG um ein anerkanntes Semester, wenn die Einschreibung in das 2. Fachsemester nicht realisierbar war, da im betreffenden Studiengang eine Einschreibung im Wintersemester nur in das 1., 3. und 5. Fachsemester erfolgen konnte. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Studienverzögerungen auf Grund der Corona-Pandemie können einen schwerwiegenden Grund iSd. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG darstellen (hier verneint für Wintersemester 2019/2020). (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein maximaler wöchentlicher Arbeitsaufwand von etwa 8 bis 10 Stunden während der Vorlesungszeit genügt nicht für die Annahme, dass die Gremientätigkeit eines Studenten allein oder weitaus überwiegend kausal für das Überschreiten der Förderungshöchstdauer war, wenn ihm deutlich über 40% der erforderlichen Leistungen in einzelnen Semestern fehlten. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungs- und Studienförderungsrecht, Förderungshöchstdauer, Regelstudienzeit, Anrechnung von Zeiten, Anspruch auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus (verneint), verzögerter Studienbeginn, Coronapandemie, Gremientätigkeit, Kausalität für die Studienverzögerungen, Ausbildungsförderung, BAföG, Anrechnung, Corona, Kausalität
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30139
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für sein Studium … über die Förderungshöchstdauer hinaus.
2
Der Kläger studierte ab dem Wintersemester 2015/2016 an der … zunächst im Bachelorstudiengang Maschinenbau. Der Beklagte gewährte ihm hierfür bis einschließlich des Sommersemesters 2017 Ausbildungsförderung. Am 31. August 2017 beantragte der Kläger wiederum die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Studiengang Maschinenbau für den Bewilligungszeitraum November 2017 bis September 2018.
3
Nachdem der Kläger die zum Sommersemester 2017 gehörende Prüfung zur Vorlesung „Statik, Elastostatik und Festigkeitslehre“ vom 29. September 2017 und damit die Bachelorprüfung im Studiengang Maschinenbau insgesamt endgültig nicht bestanden hatte, wechselte er im Wintersemester 2017/2018 in den Bachelorstudiengang … Auf Antrag des Klägers erkannte die … mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 Leistungen im Umfang von 30 ECTS im Studiengang Maschinenbau für den Studiengang … an. Unter dem Punkt „Studienzeiten (Semester)“ ist ausgeführt, die Anerkennung von 30 ECTS entspreche einem Fachsemester. Eine Einschreibung in das 2. Semester sei nicht realisierbar, da im Herbst-/Wintersemester nur Einschreibungen in das 1., 3. und 5. Fachsemester … erfolgen könnten.
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Mit Bescheid vom 11. Januar 2018 stellte der Beklagte fest, dass dem Kläger für sein neues Studium … dem Grunde nach die Leistung von Ausbildungsförderung bewilligt werde. Die Förderungshöchstdauer für dieses Studium ende mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020. Dem Kläger wurde in der Folge ab dem Bewilligungszeitraum Oktober 2017 bis September 2018 bis einschließlich des Bewilligungszeitraums Oktober 2019 bis März 2020 Ausbildungsförderung bewilligt.
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Am 8. April 2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Leistung von Ausbildungsförderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer. Auf Grund seines „starken“ ehrenamtlichen Engagements in der Studierendenvertretung der Universität habe er sein Studium nicht in der Regelstudienzeit abschließen können. Aus einer miteingereichten Bescheinigung der … gehen folgende Mitgliedschaften in Gremien der universitären Selbstverwaltung hervor:
- Mitglied der Fachschaftsvertretung der …
Amtszeiten vom … 2016 bis … 2020
– Mitglied im Fakultätsrat der …
Amtszeiten vom … 2018 bis … 2020
Amtszeiten vom … 2016 bis … 2018 und vom … 2019 bis … 2020
6
Am 21. April 2020 bat der Kläger, bei den eingereichten Leistungsübersichten zu berücksichtigen, dass er im Wintersemester 2019/2020 einige Klausuren, zu denen er angemeldet gewesen sei, nicht habe schreiben können, da diese auf Grund der Coronapandemie ausgefallen seien. Aus der eingereichten Leistungsübersicht vom 21. April 2020 geht hervor, dass der Kläger 117 von 180 erforderlichen ECTS wie folgt in den Semestern erzielt habe:
Wintersemester 2017/2018
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47,5 ECTS (davon 37,5 ECTS aus Anrechnung von Leistungen; die Leistung „46901 Werkstoffkunde“ (5 ECTS) wurde dabei doppelt berücksichtigt)
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Sommersemester 2018
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25 ECTS
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Wintersemester 2018/2019
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17,5 ECTS
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Sommersemester 2019
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17,5 ECTS
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Wintersemester 2019/2020
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9,5 ECTS
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Aus einem Vermerk des Beklagten geht hervor, dass der Kläger bei einer telefonischen Anhörung vom 27. April 2020 angab, er habe auf Grund seines Fachwechsels und daraus resultierender Verschiebungen noch nicht alle Prüfungen ablegen können. Vom 31. März 2020 bis 9. April 2020 habe er pandemiebedingt keine Prüfungen ablegen können.
8
Mit Bescheid vom 28. April 2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistung von Ausbildungsförderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer ab. Die Förderungshöchstdauer habe mit dem Wintersemester 2019/2020 geendet. Nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer könne Ausbildungsförderung für eine angemessene Zeit nur geleistet werden, wenn die Förderungshöchstdauer aus schwerwiegendem Grund überschritten worden sei.
9
Da der Kläger bereits seit dem Wintersemester 2016/2017 in zwei Gremien und seit dem Wintersemester 2018/2019 in drei Gremien tätig sei, sei eine Kausalität zwischen der Verzögerung des Studiums und der jeweiligen Gremientätigkeit nicht mehr erkennbar. Ferner werde die Tätigkeit in drei Gremien dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Der Auszubildende müsse trotz seiner Gremientätigkeit in angemessenem Umfang seine Ausbildung weiterführen und ihr gerade in der Abschlussphase Priorität einräumen. Der Kläger habe daher sowohl mit seiner Tätigkeit in drei Gremien als auch mit der Tätigkeit in der Abschlussphase des Studiums dem Gesetzeszweck zuwidergehandelt. Bereits aus diesem Grund sei eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer ausgeschlossen.
10
Die anderen angeführten Gründe seien entweder hochschulbedingt oder könnten aus anderen Gründen nicht herangezogen werden. Hochschulbedingte Verzögerungen könnten grundsätzlich keinen schwerwiegenden Grund i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG darstellen. Auf Grund der Studien- und Prüfungsordnung und der festgelegten Regelstudienzeit sei es Studierenden möglich, ihr Studium so zu organisieren, dass sie es innerhalb der Regelstudienzeit abschließen könnten. Ergäben sich auf Grund unglücklicher Organisation bzw. Nichtbestehens von Teilleistungen Verzögerungen, gehe dies zu Lasten des Auszubildenden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Studienplanung in der Lage gewesen wäre, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen. Laut der eingereichten Leistungsübersicht habe der Kläger am Ende des 6. Fachsemesters immer noch den Stand des 4. Fachsemesters gehabt. Auch habe er im Wintersemester 2017/2018 nur 10 ECTS durch Prüfungsleistungen erreicht; 37,5 ECTS seien ihm aus dem Vorstudium angerechnet worden. Im Sommersemester 2018 habe er zwar 25 ECTS erreicht, aber auch hier die Durchschnitts-ECTS von 30 verfehlt. Im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019 habe er jeweils 17,5 ECTS erreicht, im Wintersemester 2019/2020 nur 9,5 ECTS. Daran werde deutlich, dass der Kläger seine Arbeitskraft nicht hinreichend dem Studium gewidmet habe.
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Dem Einwand des Klägers, dass er auf Grund des Fachwechsels und der damit verbundenen Höherstufung Prüfungen des 1. Fachsemesters nicht habe ablegen können und sich hieraus Verzögerungen ergeben hätten, sei entgegenzuhalten, dass dies zum einen hochschulbedingt sei, zum anderen die Fachsemester gemäß der Bescheinigung nach § 9 BAföG zu bestimmen seien. Hieraus entstehende Verzögerungen könnten nicht berücksichtigt werden.
12
Der Einwand, dass pandemiebedingt drei Prüfungen im Zeitraum vom 31. März 2020 bis 8. April 2020 nicht hätten abgelegt werden können, greife nicht, da das Sommersemester am 1. April 2020 begonnen habe und somit der Hauptteil der geltend gemachten Prüfungen im Sommersemester 2020 und damit außerhalb der Förderungshöchstdauer gelegen hätten.
13
Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid und begründete diesen sinngemäß damit, dass er sich im aktuellen Sommersemester 2020 erst im 6. Fachsemester befinde und daher noch in der Regelstudienzeit studiere, da sich die Fachsemester nach der Bescheinigung nach § 9 BAföG bestimmten.
14
Ferner bedinge die Tätigkeit in einem Gremium die in einem anderen. So sei es nicht möglich, als Student im Fakultätsrat zu sein, ohne gleichzeitig der Fachschaftsvertretung der jeweiligen Fakultät anzugehören. Außerdem gebe keines der Gremien ein festes wöchentliches Arbeitspensum vor. Die Verzögerung durch die ehrenamtliche Tätigkeit habe den Beginn der Abschlussphase nach hinten verschoben. Diese sei für das Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/2021 vorgesehen. Er habe in diesem Zeitraum die Gremientätigkeit bereits stark reduziert und werde diese auch für die nächste Amtszeit deutlich verringern.
15
Bezüglich seiner Leistungen sei zu erwidern, dass er erst im Wintersemester 2017/2018 erfahren habe, sein Maschinenbaustudium nicht bestanden zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Vorlesungen im Wintersemester bereits begonnen gehabt, die Anmeldezeiträume seien verstrichen gewesen. Es sei ihm deshalb lediglich möglich gewesen, die Fächer „Grundlagen der Messtechnik“ und „Praktikum Konstruktive Projektarbeit“ mit insgesamt 10 ECTS zu absolvieren, da er diese auch für sein Maschinenbaustudium benötigt habe und diese bereits begonnen hätten. Dass er im Wintersemester nicht mehr ECTS habe erbringen können, sei durch die zu späte Mitteilung des Nichtbestehens bedingt und damit nicht selbstverschuldet gewesen. Das Gesetz gestehe Studierenden, die sich ehrenamtlich in Gremien betätigten, eine Verlängerung der Förderungsdauer um bis zu zwei Semester zu. Für ihn habe dies eine Erhöhung der Regelstudienzeit von sechs auf acht Semester zur Folge. Ausgehend von acht Semestern müsse er pro Semester 22,5 ECTS erbringen, um sein Studium ordnungsgemäß zu absolvieren. Die im Sommersemester 2018 erbrachten 25 ECTS lägen sogar darüber.
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Dass er im Wintersemester 2019/2020 nur 9,5 ECTS erbracht habe, entspreche nicht der Wahrheit. Der Leistungsnachweis im Fach Schulpraktische Studien habe in Form einer Praktikumsmappe erstellt werden müssen. Die Abgabefrist sei auf Grund der Coronapandemie jedoch verlängert worden, sodass die Mappe erst nach Semesterende abzugeben gewesen sei. Die Mappe sei abgegeben, jedoch noch nicht korrigiert. Die Prüfungsleistung i.H.v. 3 ECTS sei noch nicht eingetragen, gehöre jedoch zum Wintersemester. Hinzu komme, dass vier Klausuren mit insgesamt 17,5 ECTS auf Grund der Coronapandemie nicht hätten geschrieben werden können. Für die Klausuren seien Nachholtermine angesetzt, die in ein paar Wochen während der Vorlesungszeit stattfinden würden. Die Leistungen zählten jedoch alle noch zum Wintersemester 2019/2020. Hätten die Klausuren regulär stattgefunden, hätte er Leistungen i.H.v. 30 ECTS erbracht.
17
Mit Bescheid vom 25. September 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und nahm dazu Bezug auf die Ausführungen im Bescheid vom 28. April 2020. Die Gremientätigkeit müsse allein ursächlich für die Verzögerung im Studium sein, wofür der Auszubildende die Beweislast trage und woran es hier fehle. Würden die Verzögerungen durch die Gremientätigkeit hinweggedacht, bestünde dennoch ein Rückstand. Dieser Rückstand beruhe auf folgenden, nicht bestandenen Leistungen:
Wintersemester 2017/2018
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Methode der Finiten Elemente
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bestanden im Sommersemester 2018 (2. Versuch)
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Wintersemester 2017/2018
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Dynamik starrer Körper
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bestanden im Sommersemester 2019 (3. Versuch)
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Wintersemester 2019/2020
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Konzeptionelle Modellierung
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2. Versuch noch offen
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Außerdem müsse der Auszubildende trotz Gremienarbeit seine Ausbildung in angemessenem Umfang weiterführen und ihr gerade in der Abschlussphase Priorität einräumen. So dürfe die Gremientätigkeit nicht derart ausgedehnt werden, dass eine sinnvolle Ausbildung in dieser Zeit nicht möglich sei. Mit dem Interesse an einer zügigen Ausbildung sei es in der Regel auch nicht zu vereinbaren, wenn der Auszubildende noch im letzten Semester der Förderungshöchstdauer eine Gremientätigkeit ausübe. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welchem Umfang ihn die Gremientätigkeit in Anspruch genommen habe, sodass sich nicht feststellen lasse, ob die Verzögerung tatsächlich auf Grund der Gremientätigkeit erfolgt sei. Der Kläger habe lediglich angegeben, dass kein festes wöchentliches Arbeitspensum vorgegeben sei. Selbst wenn man von Verzögerungen durch die Gremientätigkeit ausgehe, seien diese nicht allein ursächlich für den Rückstand. Der Kläger habe mitgeteilt, dass er seine Gremientätigkeit reduziert habe. Dies habe sich jedoch nicht in den Leistungen niedergeschlagen, da der ECTS-Punktestand nach wie vor deutlich unter den geforderten 30 ECTS pro Semester gelegen habe. Aus dem Vortrag des Klägers, er werde seine Gremientätigkeit für die nächste Amtszeit deutlich verringern, folge zudem, dass er sich auch jetzt am Ende des Studiums nicht mit einer raschen Beendigung auseinandersetze und wenigstens versuche, den Rückstand aufzuholen.
19
Auch die Verzögerung durch die Coronapandemie könne keine Verlängerung rechtfertigen, da es an der alleinigen Ursächlichkeit der Pandemie für die Verzögerung fehle. Auch bei Hinwegdenken der Coronapandemie käme es, wie bereits ausgeführt, zu Verzögerungen.
20
Der Kläger hat am 6. Oktober 2020 Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung übersandte er seine Immatrikulationsbescheinigungen für das Sommersemester 2020 sowie das Wintersemester 2020/2021. Aus diesen ergebe sich, dass seine individuelle Regelstudienzeit von der Regelstudienzeit des Studiengangs abweiche. Im Sommersemester 2020 habe seine individuelle Regelstudienzeit sieben statt sechs Semester und im Wintersemester 2020/2021 acht statt sechs Semester betragen. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe er sich somit jeweils innerhalb seiner individuellen Regelstudienzeit befunden.
21
Der Kläger beantragt wörtlich, zu erkennen:
Unter Aufhebung des Bescheids v. 28.04.2020 in Form des Widerspruchsbescheids v. 25.09.2020 wird der Beklagte verpflichtet, Ausbildungsförderung gem. der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
22
Der Beklagte beantragt,
23
Zur Begründung führt er aus, der Kläger befinde sich zwar laut seiner Immatrikulationsbescheinigung im Sommersemester 2020 im sechsten Semester seines sechssemestrigen Studiengangs, jedoch werde er förderungsrechtlich so behandelt, als habe seine Förderungshöchstdauer bereits zum Wintersemester 2019/2020 geendet. Der Grund für diese unterschiedliche Zählweise sei die seitens des Klägers beantragte und von der … bewilligte Anrechnung von einem Semester nach seinem Fachrichtungswechsel vom Studiengang Maschinenbau zum Studiengang …, zusammen mit dem Umstand, dass die Hochschule den Kläger zwar um ein Semester hochgestuft, ihn jedoch im Wintersemester 2017/2018 nicht in das 2. Semester habe einschreiben können. Wäre eine Einschreibung in das 2. Semester möglich gewesen, hätte sich die Förderungshöchstdauer mit der Regelstudienzeit wieder gedeckt. Somit befinde sich der Kläger im Sommersemester 2020 förderungsrechtlich im 7. Semester und überschreite damit seine Förderungshöchstdauer von sechs Semestern. Da seine Förderungshöchstdauer zum Wintersemester 2019/2020 geendet habe, komme er nicht mehr in den Genuss der Regelung des Art. 99 Abs. 2 BayHSchG.
24
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 übersandte der Kläger eine selbst erstellte Aufwandsabschätzung für seine Gremientätigkeit. Der dargestellte Arbeitsaufwand sei Ursache für die Verzögerung. Darüber hinaus dürfe er auf Grund seiner Gremientätigkeit nicht schlechter gestellt werden als ohne diese. Sofern der Beklagte argumentiere, coronabedingte Verzögerungen kämen ihm nicht zugute, da diese nicht die einzige Verzögerungsursache seien, sei genau dies jedoch der Fall. Er würde so für seine Gremientätigkeit „doppelt bestraft“. Dies widerspreche dem Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG. Wie bereits dargestellt sei auch die Coronapandemie eine Ursache für die Verzögerung. Im Übrigen werde auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen.
25
Aus der eingereichten Aufwandsabschätzung ergibt sich folgende Zusammenstellung:
Dokumentierte Zeit und konkrete Projekte für Gremien
Fachschaftsvertretung der …:
Anwesenheit in Sitzungen: nicht nachzuvollziehen, da Sitzungszeiten nicht protokolliert worden seien
Projekte: „…“ ca. 6 Stunden, Sommerfest ca. 70 Stunden
Gesamt: ungewiss, geschätzt vergleichbar mit Folgejahren …:
Anwesenheit in Sitzungen: 30 Stunden
Projekte: „…“ ca. 10 Stunden
Deutlich mehr als 116 Stunden; eine genaue Zahl könne auf Grund der fehlenden Zeitangaben in Protokollen der Fachschaftsvertretung nicht ermittelt werden. Der Zeitaufwand sei geschätzt aber vergleichbar mit den Folgejahren.
Nicht dokumentierte Zeit:
Etwa 2 bis 3 Stunden pro Woche zum Abrufen und Beantworten von E-Mails und genereller Organisation.
Dokumentierte Zeit und konkrete Projekte für Gremien
Fachschaftsvertretung der …:
Anwesenheit in Sitzungen: 22 Stunden
Projekte: Sommerfest ca. 70 Stunden, Veranstaltungsleiterschulung ca. 7 Stunden,
Erstsemestereinführung ca. 22 Stunden
Anwesenheit in Sitzungen: 19,5 Stunden
Projekte: Konventswochenende ca. 20 Stunden (ganzes Wochenende), „…“ ca. 10 Stunden
Etwa 170,5 Stunden nur für Sitzungen und konkrete Projekte, was bei 52 Wochen etwa 3,2 Stunden Arbeit pro Woche entspreche.
Nicht dokumentierte Zeit:
Etwa 2 bis 3 Stunden pro Woche zum Abrufen und Beantworten von E-Mails und genereller Organisation.
Dokumentierte Zeit und konkrete Projekte für Gremien
Fachschaftsvertretung der …:
Anwesenheit in Sitzungen: 24,5 Stunden
Projekte: … Altklausurensammlung ca. 14 Stunden, Erstsemestereinführung ca. 22 Stunden, Wasserspender ca. 15 Stunden, Sommerfest ca. 70 Stunden
Gesamt: ca. 145,5 Stunden
Anwesenheit in Sitzungen: ca. 7 Sitzungen je etwa 3 Stunden
Vor- und Nachbesprechungen: Je Sitzung ca. 1 Stunde Vorbesprechung und 2 Stunden Vorbereitung
Etwa 187,5 Stunden nur für Sitzungen und konkrete Projekte, was bei 52 Wochen etwa 3,6 Stunden Arbeit pro Woche entspreche.
Nicht dokumentierte Zeit:
Etwa 2 Stunden pro Woche zum Abrufen und Beantworten von E-Mails und genereller Organisation.
Dokumentierte Zeit und konkrete Projekte für Gremien
Fachschaftsvertretung der …:
Anwesenheit in Sitzungen: 21,5 Stunden
Projekte: Plakatierbanderolen ca. 3 Stunden, FSV Arbeitsraum umplanen ca. 6 Stunden, Aufräumen und Inventarisieren ca. 5,5 Stunden, Sommerfest ca. 6 Stunden (musste frühzeitig abgesagt werden)
Anwesenheit in Sitzungen: ca. 7 Sitzungen zu je etwa 3 Stunden
Vor- und Nachbesprechungen: je Sitzung ca. 1 Stunde Vorbesprechung und 2 Stunden Vorbereitung
Anwesenheit in Sitzungen: 44 Stunden
Projekte: Seminar „…“ ca. 7 Stunden, Konventswochenende ca. 20 Stunden (ganzes Wochenende), Offener Brief bezüglich … ca. 4 Stunden, „Critical Mass“ ca. 10 Stunden
Etwa 169 Stunden nur für Sitzungen und konkrete Projekte, was bei 52 Wochen etwa 3,1 Stunden Arbeit pro Woche entspreche.
Nicht dokumentierte Zeit:
Etwa 2 bis 3 Stunden pro Woche zum Abrufen und Beantworten von E-Mails und genereller Organisation.
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Der dokumentierte Arbeitsaufwand für Sitzungen und konkrete Projekte sei zur Veranschaulichung gleichmäßig auf das ganze Jahr berechnet. Dies spiegele natürlich nicht die Realität wider. Generell sei die Arbeitsbelastung während der Vorlesungszeit höher, da hier mehr Sitzungen und Projekte stattfänden, während sie in der vorlesungsfreien Zeit niedriger sei. Eine genauere Quantifizierung sei allerdings nahezu unmöglich, da der Arbeitsaufwand, je nachdem, in welchen Stadien sich die Projekte befunden hätten, stark variiert habe.
27
Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2021 erwiderte der Beklagte, auch durch die eingereichte Aufwandsabschätzung sei der Nachweis der angeblich mit der Gremientätigkeit im Zusammenhang stehenden Verzögerung im Studium nicht geführt. Neben den vorgetragenen Verzögerungen durch die Gremientätigkeit hätten noch andere Verzögerungen vorgelegen, die nicht allein auf der Gremientätigkeit beruhten. So sei dem Notenspiegel des Klägers vom 21. April 2020 zu entnehmen, dass er einige Klausuren zum Teil erst nach mehreren Anläufen und mit mehreren Semestern Verzögerung bestanden habe. Fehlschläge bei einzelnen Studien- und Prüfungsleistungen auf Grund mangelnder Leistung, wie etwa Scheinerwerb bzw. Nichtbestehen von Prüfungen, oder die Nichtzulassung oder das Zurücktreten von Prüfungen, könnten auch in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung nicht als schwerwiegender Grund i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG angesehen werden. Außerdem seien die nicht bestandenen Prüfungen nicht mit den Verzögerungen durch die Gremientätigkeit in Einklang zu bringen. Es sei gerade nicht nachgewiesen, dass die Gremientätigkeit für das Nichtbestehen der angetretenen Prüfungen ursächlich gewesen sei. Darüber hinaus habe der Kläger erklärt, dass er an vier Klausuren im Wintersemester 2019/2020 auf Grund der Coronapandemie nicht habe teilnehmen können, da diese nicht stattgefunden hätten. Der Kläger habe aber bereits durch das Nichtbestehen der Prüfungen Verzögerungen gehabt und ursächlich für die pandemiebedingte Verzögerung sei nicht die Gremientätigkeit gewesen.
28
Es sei zwar richtig, dass es Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG sei, dem Träger der im Einzelnen aufgeführten Ehrenämter die zeitlichen Nachteile und die daraus erwachsenden Studienverzögerungen auszugleichen, die durch die hochschulpolitisch erwünschte und mit seinem Willen ausgeübte Tätigkeit erwüchsen. Jedoch dürfe letztere im Hinblick darauf, dass die hochschulpolitisch an sich anerkennenswerte Mitwirkung in Hochschulgremien und -organen eine lediglich „angemessene Zeit“ der Verlängerung der Förderungsdauer rechtfertige, im Vergleich zur Ausbildung nur von untergeordneter Bedeutung sein. So sei das Ende der Förderungshöchstdauer der Zeitpunkt, zu dem verlangt werden müsse, dass der Student seine ehrenamtliche Tätigkeit einstelle und sich ganz dem Studium und der Examensvorbereitung widme.
29
Im Sommersemester 2021 schloss der Kläger sein Studium erfolgreich ab.
30
Mit Beschluss vom 31. Januar 2023 hat das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt.
31
Zu dem ergangenen Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. März 2023 Stellung genommen. Er habe bei seiner zeitlichen Aufwandsabschätzung nur Zeiten für Sitzungen und Projekte genannt, die entsprechend belegt werden könnten. Die tatsächlich aufgewandte Zeit übersteige diese „natürlich signifikant“, z.B. durch An- und Abfahrt, Vor- und Nachbereitung von Sitzungen, undokumentierte Vorbereitungs- und Aufräumtreffen bei Events oder kurzfristige Arbeitstreffen. Es handele sich auch nur um die größten, ihm erinnerbaren Einzelprojekte. Dass diese Tätigkeiten Mehraufwand verursachten, sei für ihn „völlig selbstverständlich“ gewesen, weshalb er deren Angabe versäumt habe. Vor seinem Antrag auf Verlängerung der Förderung durch den Beklagten – gestützt auf seine Gremientätigkeit – habe er seine Sachbearbeiterin gefragt, wie er den Antrag stellen könne und was er dafür einreichen müsse. Ihm sei nur gesagt worden, er solle ein kurzes Schreiben beifügen, dass er auf Grund der Gremientätigkeit eine Verlängerung beantragen wolle. Auch im späteren Ablehnungsbescheid sei für ihn nicht verständlich dargelegt worden, in welch detailliertem Umfang er den Arbeitsaufwand für die Gremientätigkeit habe angeben sollen, weshalb er dies erst im Rahmen der Klage nach bestem Wissen und Gewissen auf Hinweis seines Anwalts getan habe.
32
Ein durchschnittlicher Arbeitsaufwand von ca. neun Stunden pro Woche – den die Kammer in ihrem ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss angenommen hatte – sei „daher aber bei weitem nicht ausreichend“. Er schätze den tatsächlichen Aufwand auf in etwa das Doppelte.
33
Ein Teil der Klausuren finde außerdem unmittelbar nach der Vorlesungszeit statt. Auch wenn die Arbeitsbelastung in der vorlesungsfreien Zeit etwas nachlasse, sei es daher oft nicht möglich, den versäumten Stoff noch rechtzeitig nachzuholen. Kontinuierliches Mitlernen parallel zur Lehrveranstaltung sei zudem einfacher und funktioniere schneller, als den Stoff nachträglich „mit teils schlechten Skripten“ und – insbesondere vor Corona – kaum Aufzeichnungen der Vorlesungen oder Übungen aufzuholen, weshalb mehr Zeit zum Lernen benötigt werde.
34
Dass die Gremientätigkeit für die Verzögerung kausal gewesen sei, zeige sich insbesondere am Sommersemester 2020. In diesem habe er es trotz Corona geschafft, 30 ECTS – die bereits früher abgegebene Praktikumsmappe für die Prüfung „Schulpraktische Studien (SPS) – Praktikumsmappe/-bericht“ (3 ECTS) nicht mit einberechnet – zu erreichen, da zu dieser Zeit ein großer Teil der Gremientätigkeit vor Ort ersatzlos weggefallen sei. Dies habe es ihm erlaubt, trotz des teils für die verbliebenen, noch stattfindenden Gremien gestiegenen Aufwands wegen Coronamaßnahmen, den Rückstand im Studium etwas aufzuholen.
35
Der Kläger hat zusätzlich zu seiner Stellungnahme eine Übersicht vom 16. März 2023 über alle Leistungen seines Studiums nach Semestern gruppiert eingereicht. Danach ergibt sich eine Verteilung der erbrachten 180 ECTS auf die Semester wie folgt:
Wintersemester 2017/2018
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42,5 ECTS (davon 32,5 ECTS aus Anrechnung von Leistungen; die Leistung „46091 Werkstoffkunde“(5 ECTS) ist nun nur noch einmal berücksichtigt)
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Sommersemester 2018
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25 ECTS
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Wintersemester 2018/2019
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17,5 ECTS
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Sommersemester 2019
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17,5 ECTS
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Wintersemester 2019/2020
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14,5 ECTS
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Sommersemester 2020
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33 ECTS
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Wintersemester 2020/2021
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15 ECTS
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Sommersemester 2021
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15 ECTS
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36
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 18. und 19. September 2023 mitgeteilt, er wohne seit März 2019 im Studentenwohnheim in der … in … Bis dahin habe er bei seinen Eltern in … gewohnt.
37
Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
38
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht auf Grund des beiderseitigen Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
39
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten ab dem Sommersemester 2020 keinen Anspruch mehr auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach für sein Studium …, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
40
Der Kläger hat seine individuelle Förderungshöchstdauer mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 ausgeschöpft (1.) und keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus (2.).
41
1. Der Kläger hat mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 seine individuelle Förderungshöchstdauer ausgeschöpft.
42
a) Gemäß § 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) besteht nach Maßgabe dieses Gesetzes ein Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.
43
aa) Soweit es sich um eine – hier nicht in Streit stehende – förderungsfähige Ausbildung handelt, wird Ausbildungsförderung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG für die Dauer der Ausbildung geleistet, abweichend davon gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BAföG bei Studiengängen an Hochschulen jedoch grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG. Gemäß § 15a Abs. 1 BAföG entspricht die Förderungshöchstdauer der Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18, FNA 2211-3) oder einer vergleichbaren Festsetzung. Auf diese Förderungshöchstdauer sind gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG Zeiten anzurechnen, die durch die zuständige Stelle auf Grund einer vorangegangenen Ausbildung oder berufspraktischen Tätigkeit oder eines vorangegangenen Praktikums für die zu fördernde Ausbildung anerkannt werden.
44
bb) Im Bachelorstudiengang des Klägers beläuft sich die Regelstudienzeit nach … der Studien- und Prüfungsordnung f. … auf sechs Semester. Bei Studienbeginn zum Wintersemester 2017/2018 endete die Regelstudienzeit des Klägers und damit auch dessen Förderungshöchstdauer grundsätzlich mit Ablauf des Sommersemesters 2020. Im vorliegenden Fall war jedoch auf die der Regelstudienzeit grundsätzlich entsprechende Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG ein Semester anzurechnen, sodass die Förderungshöchstdauer – anders als die Regelstudienzeit – bereits mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 endete.
45
Nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG werden zwar lediglich „Zeiten“, die durch die zuständige Stelle anerkannt werden, auf die Förderungshöchstdauer angerechnet. Die Anerkennung einzelner Leistungsnachweise ist hingegen grundsätzlich unerheblich (Lackner in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 15a Rn. 13). In diesem Sinne ist aber in dem Schreiben der … vom 13. Dezember 2017 bereits ausdrücklich, jedenfalls aber im Wege der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB analog, gerade auch eine Anrechnung von Zeiten durch die … zu sehen. Denn in dem Schreiben erkennt die … ausdrücklich „Studienzeiten (Semester)“ an und stellt fest, dass die Anerkennung von – hier noch genannten – 30 ECTS einem Fachsemester entspreche. Soweit ausgeführt ist, eine Einschreibung in das 2. Fachsemester sei jedoch nicht realisierbar gewesen, da im Studiengang des Klägers eine Einschreibung im Wintersemester nur in das 1., 3. und 5. Fachsemester erfolgen könne, stellt dies lediglich einen Hinweis auf die faktischen Gegebenheiten der Organisation des Studiengangs dar. Allein dieses faktische Hindernis für eine entsprechend höhersemestrige Einschreibung und damit im Ergebnis kürzere Regelstudienzeit genügen zu lassen, um eine Anrechnung von Zeiten zu verneinen, würde dem Sinn und Zweck des § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG aber nicht gerecht. Denn die Anrechnung auf die Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG rechtfertigt sich allein unter dem Gesichtspunkt, dass die notwendige Dauer der Ausbildung durch eine Anerkennung der genannten Vorzeiten verkürzt wird (Lackner in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 15a Rn. 13). Die Verkürzung der Ausbildung des Klägers um ein Semester findet in seinem Bachelorstudiengang jedoch unabhängig davon statt, ob der Kläger in das 1. oder das 2. Fachsemester eingeschrieben wird. Würde in einem Fall wie dem vorliegenden eine Anrechnung auf die Förderungshöchstdauer verneint, würde dies eine ungerechtfertigte Besserstellung des betroffenen Auszubildenden dergestalt bedeuten, dass ihm aus förderungsrechtlicher Sicht für die Erbringung von fünf Semestern entsprechenden Leistungen (150 ECTS) eine Förderungsdauer von sechs Semestern zugestanden werden würde. Hätte der Kläger aber etwa Leistungen erbracht, die zwei Fachsemestern entsprochen hätten, so hätte die … ihn voraussichtlich in das 3. Fachsemester eingeschrieben und der Beklagte wäre förderungsrechtlich unstreitig an diese Einschreibung gebunden gewesen. Eine solche Bindung hätte ebenfalls bestanden, wenn die … den Studiengang … auch im Wintersemester im 2. Fachsemester angeboten und den Kläger entsprechend eingeschrieben hätte. Von derartigen Zufälligkeiten kann jedoch der Förderungsanspruch nicht abhängen, da sich letztlich in der Sache, nämlich in der Verkürzung der Ausbildung um eine bestimmte Anzahl von Semestern, nichts ändert. Schließlich führen auch etwaige praktische Schwierigkeiten, nach Anerkennung der Studienzeit von einem Semester dennoch zunächst auf das Studienangebot für Erstsemester zurückgreifen zu müssen, nicht zu einer anderen Bewertung. Denn auch bei der Anrechnung und – sodann unter Umständen tatsächlich vorgenommenen – Einschreibung in ein höheres Semester ist nicht sichergestellt, dass lediglich Leistungen aus den studienplanmäßig vorangegangene Semestern angerechnet werden. Vielmehr sind auch hier etwaige Friktionen wahrscheinlich, die dazu führen können, dass das Studium nicht zwingend studienplanmäßig innerhalb der verbliebenen Semester absolviert werden kann. Dies ist allerdings für die Frage der Anrechnung von anerkannten Zeiten gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG unbeachtlich und obliegt der Studiengangsgestaltung des Klägers.
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b) Damit kann auch die durch den Kläger mittels Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung für das Sommersemester 2020 geltend gemachte verlängerte Regelstudienzeit für die Frage der Förderungshöchstdauer keine Berücksichtigung finden. Diese individuelle Regelstudienzeit beruht auf Art. 99 Abs. 2 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK) (a.F.) bzw. auf Art. 130 Abs. 2 des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes (BayHIG) vom 5. August 2022 (GVBl. S. 414, BayRS 2210-1-3-WK) (n.F.). Danach gilt für die im Sommersemester 2020, im Wintersemester 2020/2021, im Sommersemester 2021 oder im Wintersemester 2021/2022 in einem Studiengang an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule immatrikulierten und nicht beurlaubten Studierenden eine von der Regelstudienzeit abweichende individuelle Regelstudienzeit. Die Förderungshöchstdauer des Klägers endete jedoch bereits mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020, sodass er – aus förderungsrechtlicher Sicht – nicht in den Genuss einer abweichenden individuellen Regelstudienzeit und damit einer unter Umständen hinausgeschobenen Förderungshöchstdauer kommt. Es ist gerade auch nicht geboten, die Regelung des Art. 99 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG a.F. bzw. Art. 130 Abs. 2 Satz 1 BayHIG n.F. über den Wortlaut hinaus auf solche Fälle anzuwenden, in denen die Regelstudienzeit bereits vor dem Sommersemester 2020 endete. Denn ausweislich der in den Vorschriften genannten Semester, die in den Zeitraum der Coronapandemie fallen, ist es Sinn und Zweck dieser Regelung, die Sondersituation der Coronapandemie auch im Hinblick auf die Frage abzubilden, ob Auszubildende ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit abschließen konnten (vgl. LT-Drucks. 18/8544, S. 8). Der Studienbetrieb des Wintersemesters 2019/2020 blieb jedoch zeitlich weitestgehend von der Coronapandemie unberührt, sodass der Kläger nicht grundsätzlich durch diese gehindert war, die Regelstudienzeit einzuhalten. Etwaige zum Ende des Wintersemesters 2019/2020 eintretende Verzögerungen durch die Coronapandemie sind jedoch – worauf noch einzugehen sein wird – über § 15 Abs. 3 BAföG zu berücksichtigen.
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung über seine individuelle Förderungshöchstdauer hinaus für seine Studienzeit ab 1. April 2020 im Bachelorstudiengang Berufspädagogik Technik.
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a) Die Gründe, bei deren Vorliegen Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird, sind abschließend in § 15 Abs. 3 BAföG geregelt (Winkler in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Beck‘scher Online-Kommentar Sozialrecht, 69. Edition Stand 1.6.2023, § 15 BAföG Rn. 16). Die Regelung des § 15 Abs. 3 BAföG zählt zwar typische Fallgestaltungen auf, bei denen der Auszubildende an einer ordnungsgemäßen und ungestörten Durchführung der Ausbildung gehindert ist. Dabei können jedoch nur solche Umstände berücksichtigt werden, die – alternativ oder kumulativ – für die Verlängerung der Ausbildung und die daraus folgende Überschreitung in dem Sinne kausal sind, dass der Auszubildende den Zeitverlust nicht mit zumutbaren Mitteln und Anstrengungen aufholen konnte bzw. kann (vgl. hierzu im Ganzen Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand November 2021, § 15 Rn. 13). Der Grund nach § 15 Abs. 3 BAföG muss eine nicht unerhebliche Ausbildungsverzögerung verursacht haben, wobei es dem Auszubildenden insbesondere obliegt, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der versäumte Stoff nicht aufgeholt werden konnte (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 12 ZB 20.2821 – BeckRS 2021, 2706 m.w.N.). Aus § 15 Abs. 3 BAföG ergibt sich dabei keine widerlegliche Vermutung der Kausalität (VG Saarland, U.v. 26.1.2021 – 3 K 620/19 – juris Rn. 54). Vielmehr trägt der Auszubildende die Feststellungslast hinsichtlich der Ursächlichkeit der von ihm geltend gemachten Verlängerungsgründe für den Ausbildungsrückstand, sodass Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Feststellung der Ursächlichkeit zum Nachteil des Auszubildenden gehen, sofern sie in seinen Verantwortungs- und Verfügungsbereich fallen (BVerwG, U.v. 13.10.1988 – 5 C 35/85 – juris Rn. 15; Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand November 2021, § 15 Rn. 13). Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Umstand für ein bestimmtes Ereignis ursächlich bzw. kausal, wenn der Umstand nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Ereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt. Entsprechend dürfte es im vorliegenden Fall, die Gründe nach § 15 Abs. 3 BAföG hinweggedacht, zu keiner Überschreitung der Förderungshöchstdauer gekommen sein (so für § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG BVerwG, U.v. 13.10.1988 a.a.O. Rn. 13). Mit anderen Worten müssen die Gründe des § 15 Abs. 3 BAföG für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer – zumindest nach teilweise vertretener Ansicht – allein ursächlich gewesen sein (so ausdrücklich OVG Bremen, B.v. 23.8.2019 – 1 PA 161/19 – BeckRS 2019, 19594 Rn. 11, 15; VG Bremen, U.v. 17.2.2021 – 7 K 1160/19 – juris Rn. 11, 15; VG Hamburg, U.v. 4.2.2014 – 2 K 3204/12 – BeckRS 2014, 48278; vgl. auch OVG Lüneburg, U.v. 26.11.2018 – 4 LB 404/17). Sinngemäß führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dagegen aus, die eingetretenen Studienverzögerungen müssten allein oder jedenfalls weitaus überwiegend auf Gründen des § 15 Abs. 3 BAföG beruhen (B.v. 17.6.2013 – 12 CE 13.999 – juris Rn. 25).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen beruhen die Studienverzögerungen des Klägers – unabhängig davon, ob man auf alleinige oder weit überwiegende Ursächlichkeit abstellt – nicht auf Gründen des § 15 Abs. 3 BAföG. Dies gilt zunächst mit Blick auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG hinsichtlich der Coronapandemie (aa) und den geltend gemachten Verzögerungen zu Beginn seines Studiums (bb). Auch hinsichtlich der Gremientätigkeit des Klägers im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und b BAföG ist das Gericht nicht von einer alleinigen oder weit überwiegenden Kausalität für die entstandenen Verzögerungen überzeugt (cc). Schließlich sind die entstandenen Verzögerungen auch nicht allein oder weit überwiegend kausal mit einer Zusammenschau der genannten Gesichtspunkte zu erklären (dd).
50
aa) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist. Die Norm enthält einen Auffangtatbestand für Fälle einer unzumutbaren Härte, die nicht unter die weiteren Nummern des § 15 Abs. 3 BAföG fallen (Winkler in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, Beck‘scher Online-Kommentar Sozialrecht, 69. Edition Stand 1.6.2023, § 15 BAföG Rn. 17). Um einen schwerwiegenden Grund handelt es sich, wenn Tatsachen vorliegen, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind und die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus unter Beachtung ihres Zwecks rechtfertigen (BVerwG, U.v. 16.8.1995 – 11 C 31/94 – juris Rn. 17). Dabei können nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die für die Verzögerung von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, die Verzögerung zu verhindern (BVerwG, U.v. 28.6.1995 – 11 C 25/94 – juris Rn. 15). Der schwerwiegende Grund muss ausbildungsbezogen sein, d.h. subjektiv die Fähigkeit des Auszubildenden, die Ausbildung planmäßig durchzuführen, oder objektiv die äußeren Umstände des Ausbildungsgangs betreffen (BVerwG, U.v. 22.10.1981 – 5 C 113/79 – juris Rn. 18). Ereignisse, die ohne Zutun des Auszubildenden eingetreten sind, sind danach eher als schwerwiegende Gründe anzuerkennen als solche, auf deren Eintreten der Auszubildende mit seinem Verhalten Einfluss nehmen konnte (Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, Stand November 2021, § 15 Rn. 19).
51
Hiernach können Studienverzögerungen auf Grund der Coronapandemie einen schwerwiegenden Grund i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG darstellen (so auch Winkler, NZS 2020, 339, 340). Zwar galten ab dem Sommersemester 2020 die oben dargestellten Regelungen zur individuellen Regelstudienzeit und damit einhergehend die ohnehin hinausgeschobene Förderungshöchstdauer. Soweit die Auswirkungen der Coronapandemie sich aber bereits auf das Ende des Wintersemesters 2019/2020 erstreckten, liegt jedenfalls darin ein schwerwiegender Grund, für den zu diesem Zeitpunkt in förderungsrechtlicher Hinsicht noch keine besondere Regelung getroffen worden ist. Die damit einhergehenden Ereignisse – insbesondere bereits beginnende Prüfungsabsagen bzw. -verschiebungen – betrafen objektiv die äußeren Umstände des Ausbildungsgangs und sind ohne Zutun der Auszubildenden eingetreten.
52
Allerdings können diese Verzögerungen auf Grund der Coronapandemie im Falle des Klägers schon nicht allein oder zumindest weit überwiegend kausal für das Überschreiten der Förderungshöchstdauer gewesen sein. So macht der Kläger selbst im Ergebnis lediglich geltend, er hätte ohne die Coronapandemie im Wintersemester 2019/2020 über die letztlich gutgeschriebenen 14,5 ECTS hinaus weitere 15,5 ECTS und damit insgesamt 30 ECTS erzielt. Die Abweichungen zum ursprünglichen Vortrag von 9,5 ECTS bzw. 20,5 ECTS ergeben sich daraus, dass für das Wintersemester 2019/2020 nachträglich noch 5 ECTS aus der auf den 17. Juni 2020 verschobenen Prüfung „Software-Entwicklung in Großprojekten“ angerechnet worden sind. Im Ergebnis bleibt es aber ausweislich der Leistungsübersicht vom 16. März 2023 dabei, dass der Kläger im Wintersemester 2019/2020 unter Hinzurechnung derjenigen Prüfungen, zu denen er zwar zugelassen war, die er aber nicht hatte ablegen können, insgesamt maximal 30 ECTS hätte erzielen können. Aber auch unter Berücksichtigung der somit noch in Frage stehenden zusätzlichen 15,5 ECTS hätte der Kläger mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 lediglich 132,5 ECTS statt der geforderten 180 ECTS erzielt. Dabei ist überdies zu bedenken, dass bei dieser Rechnung großzügig zugunsten des Klägers unterstellt worden ist, dass er alle Prüfungen auch bestanden hätte, was jedoch mit Blick auf den anschließenden Prüfungsfehlschlag in den „Grundlagen der Elektrotechnik für Wirtschaftsingenieure“ im Wintersemester 2020/2021 nicht zwingend anzunehmen gewesen wäre.
53
bb) Soweit der Kläger auch Verzögerungen im 1. Fachsemester auf Grund verspäteten Wechsels in den neuen Studiengang geltend macht, ist zwar schon fraglich, ob insoweit überhaupt ein schwerwiegender Grund im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG bejaht werden kann. Denn die Entscheidung, während des laufenden Semesters den Studiengang zu wechseln, stellt einen Umstand dar, auf den der Kläger mit seinem Verhalten ausschlaggebenden Einfluss hatte, sodass dieser nach den allgemeinen Grundsätzen weniger geeignet ist, die Annahme eines schwerwiegenden Grundes zu rechtfertigen. Jedenfalls gehen aber auch diese Verzögerungen nicht allein oder zumindest weit überwiegend kausal auf die vorgetragenen Schwierigkeiten im 1. Fachsemester zurück. Denn auch bei unterstellt im 1. Fachsemester noch zusätzlich erzielten 20 ECTS (d.h. insgesamt 30 ECTS, die ohne Anrechnung im 1. Fachsemester des Studiengangs selbst erarbeitet worden wären), hätte der Kläger zuzüglich der angerechneten 32,5 ECTS aus seinem vorherigen Maschinenbaustudium im 1. Fachsemester insgesamt 62,5 ECTS erzielt (statt tatsächlich erzielter 42,5 ECTS). Damit hätte er mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 lediglich 137 ECTS statt der geforderten 180 ECTS erzielt.
54
Selbst wenn diese Anfangsschwierigkeiten zusammen mit den geltend gemachten Verzögerungen auf Grund der Coronapandemie in den Blick genommen werden – also zusätzlich noch 15,5 ECTS im Wintersemester 2019/2020 unterstellt werden –, hätte der Kläger mit Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 lediglich 152,5 ECTS erzielt (137 ECTS + 15,5 ECTS). Damit hätten ihm auch dann zum Erreichen der geforderten 180 ECTS noch 27,5 ECTS gefehlt, mithin nahezu die gesamte Anzahl an ECTS, die für ein ganzes Semester gefordert werden (nämlich 30 ECTS).
55
Überdies beruht die Verzögerung im Wintersemester 2017/2018 keineswegs allein auf dem Umstand des verzögerten Einstiegs des Klägers in das Semester. Denn dem Kläger war es ersichtlich möglich, die Veranstaltungen „Dynamik starrer Körper“ (7,5 ECTS) und „Methode der Finiten Elemente“ (5,0 ECTS) zu belegen. Allerdings hat er die zugehörigen Prüfungen – die im Übrigen ausweislich der Leistungsübersicht vom 16. März 2023 erst vergleichsweise spät im Semester am 19. März 2018 bzw. 6. April 2018 stattgefunden haben – nicht bestanden, sodass ihm aus diesem Grund die genannten ECTS nicht gutgeschrieben werden konnten. Deshalb ist auch an dieser Stelle zu bedenken, dass die vorgenommene Rechnung großzügig zugunsten des Klägers ausfällt. Hingegen wurde eine Kausalität der Gremientätigkeit – auf die noch gesondert einzugehen sein wird – hinsichtlich des Nichtbestehens der genannten Prüfungen nicht substantiiert geltend gemacht.
56
cc) Die Kammer hat auch nicht die Überzeugung gewonnen, dass die entstandenen Verzögerungen allein oder zumindest weit überwiegend kausal auf einem Grund nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und b BAföG beruhen.
57
Danach wird über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie infolge einer Mitwirkung in gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehenen Gremien und Organen der Hochschulen oder der Selbstverwaltung der Studierenden an Hochschulen überschritten worden ist. Der Kläger hat zwar mit Bescheinigung der … zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass er seit dem … 2016 – mithin bis zum Ablauf der Förderungshöchstdauer durchgehend – Mitglied in verschiedenen Gremien und Organen der universitären und studentischen Selbstverwaltung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und b BAföG gewesen ist. Ebenso wenig in Zweifel zu ziehen ist, dass mit der Mitgliedschaft in den einschlägigen Gremien und Organen (Fachschaftsvertretung, Fakultätsrat, …) eine entsprechend berücksichtigungsfähige Mitwirkung einherging.
58
Jedoch ist die Kammer nicht von der erforderlichen Kausalität dieser Mitwirkung für die Studienverzögerungen des Klägers überzeugt. Dies gilt unabhängig davon, ob Kausalität im Sinne von Alleinursächlichkeit verstanden wird oder aber eine zumindest weitaus überwiegende Verursachung ausreicht. Zwar überzeugt es nicht, soweit der Beklagte bereits deswegen von fehlender Kausalität der Gremientätigkeit für den Studienrückstand ausgeht, weil letzterer (auch) auf Grund Misserfolgs in Prüfungen entstanden sei. Denn insoweit wäre zu fragen, ob dieser Misserfolg etwa auf fehlende Zeit zur Prüfungsvorbereitung ggf. wegen Gremientätigkeit zurückgeht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten eine Aufwandsabschätzung vorgelegt hat, aus der ein durchschnittlicher wöchentlicher Arbeitsaufwand von maximal etwa sieben Stunden pro Woche hervorgeht. Dabei hat er seinen zeitlichen Arbeitsaufwand im Maximum (2018/2019) auf jährlich etwa 187,5 Stunden zuzüglich etwa zwei Stunden wöchentlich „Nicht dokumentierte Zeit“ (Bearbeiten von E-Mails, generelle Organisation) geschätzt. Werden diese maximal jährlichen 187,5 Stunden – auch unter Berücksichtigung von Urlaub – auf 46 Wochen verteilt, ergibt sich insoweit ein wöchentlicher Arbeitsaufwand von maximal etwa 4,1 Stunden; dies ist bereits günstiger gerechnet als vom Kläger selbst, der etwa 3,6 Stunden wöchentlich angegeben hat. Zuzüglich der vorgetragenen etwa 2 bis 3 Stunden wöchentlich zur Bearbeitung von E-Mails und für generelle Organisation ergibt sich damit ein maximaler wöchentlicher Arbeitsaufwand von etwa 6 bis 7 Stunden. Dies entspricht in etwa auch dem für andere Jahre angegebenen Arbeitsaufwand. Weiter hat der Kläger erklärt, dass der Arbeitsaufwand während der Vorlesungszeit höher gewesen sei als in der vorlesungsfreien Zeit. Dies zugrunde gelegt erscheint auch noch ein maximaler wöchentlicher Arbeitsaufwand von etwa 8 bis 10 Stunden während der Vorlesungszeit plausibel, wenngleich dies an sich nur zu einer Verschiebung des absoluten Arbeitsaufwands geführt haben dürfte und spiegelbildlich weniger Arbeitsaufwand in der vorlesungsfreien Zeit angefallen sein müsste.
59
Diese Angaben des Klägers erscheinen glaubhaft und stellen in etwa den zu erwartenden Arbeitsaufwand der Mitwirkung des Klägers in den Gremien und Organen der universitären und studentischen Selbstverwaltung dar. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass eine derartige Pauschalierung mit Unsicherheiten behaftet ist und der Kläger selbst angibt, dass der Arbeitsaufwand auch stark habe variieren können. Durchaus mag es im Bereich des Möglichen liegen, dass der Kläger in einer Woche auch mehrere Tage für seine Gremientätigkeit genutzt hat, dafür in einer anderen Woche kaum oder überhaupt keine Arbeit angefallen ist. Auch hat die Kammer bedacht, dass sich die Gremientätigkeit nicht auf einen einzigen Tag der Woche konzentriert, sondern sich vielmehr auf die Woche verteilt haben wird. Für Zwecke der Prüfung der Kausalität ist es allerdings zwingend erforderlich, zumindest näherungsweise den durchschnittlichen Arbeitsaufwand des Klägers bestimmen zu können.
60
Auch besteht zur Überzeugung der Kammer kein begründeter Anlass, von der klägerseits vorgelegten Aufwandsabschätzung – ohnehin seitens der Kammer ergänzt um Urlaubszeit und versehen mit Aufrundungen zugunsten des Klägers – abzuweichen. Denn zum einen ist der ergänzende Vortrag des Klägers nicht hinreichend substantiiert. Zum anderen hält die Kammer diesen Vortrag nicht für hinreichend glaubhaft.
61
Der Kläger trägt schon nicht ausreichend substantiiert Anknüpfungspunkte dafür vor, dass seine selbst angefertigte Aufwandsabschätzung unzutreffend sei. Im Gegenteil stützt der Kläger seinen ergänzenden Vortrag u.a. auf die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen und diverse undokumentierte Tätigkeiten. Eben solche Angaben finden sich aber bereits in der Aufwandsabschätzung und wurden von der Kammer berücksichtigt. Gleichsam unsubstantiiert ist die Angabe von „An- und Heimfahrt“, da schon nicht ersichtlich ist, in welchem Umfang diese Fahrten in etwa zusätzliche Zeit in Anspruch genommen haben sollen. Sofern der Kläger seinen Studienort aufgesucht hat, ist zudem naheliegend, dass dies i.d.R. nicht bloß auf die Gremientätigkeit zurückzuführen war, sondern auch dem Besuch von Lehrveranstaltungen gedient hat. Schließlich ist klarzustellen, dass die Kammer nicht die Auffassung vertritt, Studierenden obliege es, über ihre Gremientätigkeit und den damit verbundenen Zeitaufwand gleichsam „Buch zu führen“. Allerdings bedarf es bei der Aufwandsdarstellung jedenfalls einer Substantiierung, die zumindest eine plausible Abschätzung des in Frage stehenden Zeitaufwands erlaubt.
62
Darüber hinaus ist der ergänzende Vortrag des Klägers zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft. Denn sofern die von dem Kläger abgegebene Aufwandsabschätzung nicht abschließend bzw. unvollständig gewesen sein sollte, wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger dies in irgendeiner Form im Rahmen der Aufwandsabschätzung oder deren Vorlage bei Gericht kenntlich gemacht hätte. So musste der Kläger davon ausgehen, dass das Gericht seine Aufwandsabschätzung einer Entscheidung zugrunde legen würde. Zudem musste für den Kläger offensichtlich sein, dass sein Begehren der Bewilligung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus umso aussichtsreicher sein würde, je umfangreicher seine Gremientätigkeit tatsächlich war. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer kaum vorstellbar, dass der Kläger unvollständig und ersichtlich entgegen seinen eigenen Interessen im Rahmen der vorgelegten Aufwandsabschätzung – nach eigenem Vortrag – lediglich etwa die Hälfte des tatsächlichen Zeitaufwands angegeben hat, ohne dies in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen. Bereits aus diesem Grund ist es entgegen dem Vorbringen des Klägers gerade nicht „völlig selbstverständlich“, dass die Kammer den dargestellten Umfang der Gremientätigkeit von sich aus wesentlich erhöhen oder gar verdoppeln würde. Auch soweit der Kläger nachvollziehbar sinngemäß geltend macht, sich nicht mehr an alle Tätigkeiten im Einzelnen erinnern zu können, wäre ihm mit Übersendung der Aufwandsabschätzung jedenfalls der später gehaltene Vortrag möglich gewesen, der in der Aufstellung beschriebene Umfang seiner Gremientätigkeit stelle lediglich in etwa die Hälfte des zeitlichen Aufwands dar. Schließlich spricht gegen das Vorbringen des Klägers zur „An- und Heimfahrt“, dass er zum März 2019 von … in eine Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Südgelände der … umgezogen ist, ohne dass dies eine Erhöhung der erzielten ECTS zur Folge gehabt hätte. Vielmehr erzielte der Kläger in dem dem Umzug vorangegangenen Wintersemester 2018/2019 wie auch in dem auf den Umzug folgenden Sommersemester 2019 jeweils 17,5 ECTS.
63
Bei Zugrundelegung eines maximalen wöchentlichen Arbeitsaufwands von etwa 8 bis 10 Stunden während der Vorlesungszeit kann zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend davon ausgegangen werden, dass die Gremientätigkeit des Klägers allein oder weitaus überwiegend kausal für die hier vorliegenden Verzögerungen und damit das Überschreiten der Förderungshöchstdauer war. Die Annahme einer Tätigkeit von etwa 8 bis 10 Stunden pro Woche entspricht ca. der Inanspruchnahme eines Wochentages. Der Kläger hat jedoch insbesondere im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019 jeweils lediglich 17,5 der erforderlichen 30 ECTS erbracht. Ihm fehlen in diesen beiden Semestern damit deutlich über 40% der erforderlichen Leistungen. Dieser Rückstand kann mit Blick auf den zeitlichen Umfang der Gremientätigkeit nicht mehr allein oder zumindest weit überwiegend mit der Inanspruchnahme von in etwa einem Tag pro Woche in Einklang gebracht werden. Es sprechen vielmehr gewichtige Gründe dafür, dass die entstandenen Verzögerungen – jedenfalls in nicht unerheblichem Umfang – auf Umstände zurückgehen, die § 15 Abs. 3 BAföG nicht erfasst. Anderenfalls erklärt sich auch nicht, warum der Kläger – wie bereits ausgeführt – nicht im Sommersemester 2019 mehr ECTS als im Wintersemester 2018/2019 erzielt hat, nachdem er zum März 2019 in die unmittelbare Nähe des Südgeländes der … umgezogen war und damit weniger Fahrtzeiten gehabt haben dürfte. Auch dass der Kläger durch die Gremientätigkeit Lehrveranstaltungen oder Prüfungen versäumt hätte, ist nicht geltend gemacht. Darüber hinaus ist nicht hinreichend dargelegt, warum der Kläger etwaige Fehlzeiten bzw. Rückstände auf Grund seiner Gremientätigkeit nicht durch Eigenstudium hat ausgleichen können, insbesondere nicht, warum der Kläger in der vorlesungsfreien Zeit mit Blick auf die dort geringere Gremientätigkeit versäumten Stoff nicht hat nachbereiten können. Zwar mag mit dem Vortrag des Klägers das Nachbereiten des Stoffs in der vorlesungsfreien Zeit verglichen mit dem kontinuierlichen Mitlernen während der Vorlesungszeit schwieriger sein. Damit ist aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass Rückstände nicht aufgeholt werden konnten. Insbesondere kann der klägerische Vortrag nicht dahingehend verstanden werden, dass das geltend gemachte Erschwernis das Nachholen von Rückständen schlechthin ausschließen würde. Denn sonst könnten während der Vorlesungszeit entstandene Rückstände niemals aufgeholt werden, was ersichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Soweit der Kläger teils schlechte Skripte und fehlende Aufzeichnungen von Vorlesungen und Übungen anführt, kann auch dies nicht ausreichend begründen, warum Rückstände nicht aufgearbeitet werden konnten. Denn insoweit obliegt es Studierenden, sich selbstständig etwa Lehrbücher oder sonstige Literatur zu beschaffen, um sich Lerninhalte während oder außerhalb der Vorlesungszeit anzueignen. Schließlich bestehen auch Anhaltspunkte, dass der Kläger sich schon nicht ausreichend bemüht haben könnte, Rückstände während des Semesters oder der vorlesungsfreien Zeit aufzuholen. Denn das sinngemäße Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren, auf Grund seiner Gremientätigkeit müsse er pro Semester lediglich 22,5 ECTS erzielen, dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass der Kläger rechtsirrig davon ausgegangen ist, er könne allein auf Grund seiner Gremientätigkeit als solcher förderungsunschädlich weniger ECTS pro Semester erzielen, obwohl die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus zudem Kausalität und hinreichende Bemühungen voraussetzt, Rückstände aufzuholen.
64
Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Kläger im Sommersemester 2020 mit 30 ECTS die erforderlichen ECTS erreicht hat; nach eigenem Vortrag bedingt durch die Coronapandemie zu einer Zeit, zu der deutlich weniger Gremientätigkeit stattgefunden habe. Zwar könnte dies dafürsprechen, dass der Kläger auch in den vorangegangenen Semestern ohne die Gremientätigkeit den erforderlichen Studienfortschritt erzielt hätte, die Gremientätigkeit also für die entstandenen Studienverzögerungen kausal war. Zwingend ist ein solcher Schluss aber keineswegs. Vielmehr können die Leistungen im Sommersemester 2020 etwa genauso darauf zurückgehen, dass der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. April 2020 weitere Ausbildungsförderung versagt hatte und der Kläger deswegen besonders motiviert war, sein Studium möglichst zügig abzuschließen. Entsprechend vermag der Umstand, dass der Kläger im Sommersemester 2020 insgesamt 30 ECTS erarbeitet hat, die Kammer auch in Zusammenschau mit allen übrigen Gesichtspunkten nicht von überwiegender Kausalität bzw. einem größeren Umfang der Gremientätigkeit zu überzeugen.
65
Nach alldem ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Gremientätigkeit für die bis zum Ablauf des Wintersemesters 2019/2020 entstandenen Verzögerungen allein oder weitaus überwiegend kausal gewesen ist. Nur dies rechtfertigt aber nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und b BAföG die Förderung des Klägers über die Förderungshöchstdauer hinaus. Da sich aus den genannten Vorschriften – wie bereits ausgeführt – auch keine widerlegliche Vermutung der Kausalität ergibt, wirkt sich die fehlende Überzeugung der Kammer von der Ursächlichkeit zum Nachteil des Klägers aus. Entsprechend kann vorliegend offenbleiben, ob und ggf. inwieweit Studierende eine Obliegenheit trifft, gegen Ende ihres Studiums etwaige Gremientätigkeit zu reduzieren oder gar einzustellen.
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dd) Die entstandenen Verzögerungen beruhen auch nicht allein oder zumindest weit überwiegend kausal auf einer Zusammenschau der erörterten Umstände. Denn jedenfalls die Verzögerungen im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019, in denen der Kläger jeweils lediglich 17,5 ECTS erzielt hat, können schon in zeitlicher Hinsicht weder mit den geltend gemachten Schwierigkeiten im 1. Fachsemester seines Studiums noch mit der im 5. Fachsemester seines Studiums beginnenden Coronapandemie erklärt werden. Da – wie bereits ausgeführt – insoweit auch die Gremientätigkeit als alleinige oder zumindest weit überwiegende Ursache nicht zur Überzeugung des Gerichts durchgreifend angeführt werden kann, müssen die genannten Verzögerungen auch bei Zusammenschau der erörterten Umstände weiterhin auf Gründe zurückgehen, die § 15 Abs. 3 BAföG nicht erfasst. Im Übrigen ist ferner auch bei dieser Betrachtung – wie bereits ausgeführt – zu bedenken, dass die im 1. und 5. Fachsemester jeweils unterstellten 30 ECTS großzügig zugunsten des Klägers angenommen worden sind.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1 Alt. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Alt. 2, § 711 ZPO.