Titel:
Gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung - Klageerweiterung auf einen Streitgenossen
Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60, § 253 Abs. 2, Abs. 4
GVG § 23 Nr. 1, Nr. 2 lit. c, § 71 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 906 Abs. 2
WEG § 14 Abs. 3, § 43 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterliegt – zumindest in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift – auch die sachliche Zuständigkeit (Anschluss an BGH BeckRS 1984, 3261; s. auch BayObLG BeckRS 2022, 24909 Rn. 19 mwN). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn eine gegen mehrere Streitgenossen zu richtende Klage für einen Teil der Streitgenossen eine zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörende Wohnungseigentumssache darstellt, während für andere Streitgenossen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist, so ist auf Antrag das für die Klage insgesamt zuständige Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmen (Bestätigung von BayObLG BeckRS 2022, 24909 Rn. 19 mwN). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Rechtshängigkeit einer Klage gegen einen Beklagten kann ein einheitlich zuständiges Gericht für die Klage und deren Erweiterung auf einen weiteren Beklagten nur dann bestimmt werden, wenn der Verfahrensstand nicht entgegensteht (Anschluss an BGH BeckRS 2020, 20332 Rn. 16 ff.; Bestätigung von BayObLG BeckRS 2020, 8285 Rn. 20 mwN). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist ein Rechtsstreit bereits anhängig, ist der Kläger nicht befugt, zunächst den Prozessverlauf über den Zeitpunkt hinaus, in dem eine Bestimmungsentscheidung noch möglich wäre, abzuwarten, bevor er sich konkret für eine gemeinsame Prozessführung im Hinblick auf weitere Streitgegenstände entscheidet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
5. Zu den Voraussetzungen einer Wohnungseigentumssache iSv § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG bei Inanspruchnahme eines Sondereigentümers durch einen anderen Sondereigentümer wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, sachliche Zuständigkeit, Wohnungseigentümergemeinschaft, Klageerweiterung, Prozesswirtschaftlichkeit
Fundstellen:
ZMR 2024, 683
BeckRS 2023, 29955
LSK 2023, 29955
ZWE 2024, 136
Tenor
1. Als sachlich zuständiges Gericht für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner mit den Klageanträgen Ziffern I und II der Klageschrift im Verfahren … WEG (Amtsgericht München) wird das Amtsgericht München bestimmt.
2. Der weitergehende Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I. Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht München – WEG-Gericht – Klage gegen den Antragsgegner zu 2) auf Bezahlung von 14.465,00 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhoben. Sie beabsichtigt, die Klage auf die Antragsgegnerin zu 1) zu erweitern, und hat deshalb beim Bayerischen Obersten Landesgericht um die Bestimmung des Amtsgerichts München als das sachlich zuständige Gericht gebeten.
2
In der Klageschrift hat die Antragstellerin ausgeführt, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann Miteigentümerin einer Erdgeschoss-/Souterrainwohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft in München. Weitere Mitglieder seien der Antragsgegner zu 2) hinsichtlich der Dachgeschosswohnung und J. R. hinsichtlich der Wohnung im ersten Obergeschoss, zudem stehe ein noch nicht errichteter Dreifachparker im Bruchteilseigentum des Antragsgegners zu 2) und des J. R.. Bei der Wohnanlage handele es sich um ein sogenanntes „steckengebliebenes Bauvorhaben“. Der Antragsgegner zu 2) habe ohne Information der weiteren WEG-Eigentümer die Antragsgegnerin zu 1) beauftragt, die Dachgeschosswohnung an das noch nicht fertiggestellte Abwassersystem anzuschließen. Dabei sei das Abwassersystem nicht zuvor durch Video-Befahrung überprüft worden, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Hierdurch sei es im Juli 2022 zu einem Schaden in den Souterrain-Räumlichkeiten durch Austritt von fäkalienhaltigem Abwasser gekommen, welches sich unter dem Estrich verteilt habe und an den Wänden „ca. 80 cm hochgezogen“ sei. Die SouterrainRäumlichkeiten, die gemeinsam mit dem Erdgeschoss vermietet gewesen seien, seien nicht mehr bewohnbar gewesen. Nach Trennung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss vom Souterrain durch den Einbau einer Trockenbauwand im Bereich der Treppe sei mit den Mietern vereinbart worden, dass sich die Miete monatlich um 1.315,00 € reduziere, bis der Schaden behoben und das Untergeschoss wieder bewohnbar sei. Bei der Klageforderung handele es sich um die entgangenen Mieteinnahmen für den Zeitraum vom 15. Juli 2022 bis 15. Juni 2023. Die Klage werde „gelegentlich“ um „weiter auflaufenden Mietentgang“ erweitert. Da der Mietvertrag nicht von der Antragstellerin unterzeichnet worden sei, habe ihr Ehemann „etwa nur ihm selbst zustehende Ansprüche“ an die Antragstellerin abgetreten.
3
Gegen den Antragsgegner zu 2) bestünden „verschuldensunabhängige Ansprüche nach § 906 BGB, hilfsweise Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Hinweisverpflichtung als Miteigentümer wegen des ihm bekannten Umstands, dass die Abwasserleitungen seiner Wohnung noch nicht an die Abwassergrundleitungen angeschlossen waren“. Er hafte nach § 906 BGB bzw. nunmehr gemäß § 14 Abs. 3 WEG verschuldensunabhängig für den Schaden. „Ergänzend“ liege auch eine schuldhafte Verletzung des „vertraglichen Schuldverhältnisses zwischen den Wohnungseigentümern“ vor, da der Antragsgegner zu 2) seine Dachgeschosswohnung „in Kenntnis des noch fertigzustellenden und nicht überprüften Abwassergrundleitungssystems“ habe anschließen lassen. Es werde auch die Antragsgegnerin zu 1) verantwortlich gemacht; „hierfür“ sei mit gleicher Post eine Gerichtsstandsbestimmung beantragt.
4
In dem Bestimmungsantrag hat die Antragstellerin ausgeführt, sie beabsichtige, die Antragsgegnerin zu 1) neben dem Antragsgegner zu 2) als Gesamtschuldnerin für die bisher angefallenen und weiter anfallenden Mietausfallschäden in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren werde „als Schadensersatz die Wiederherstellung des sachenrechtlichen Sondereigentums nach Austrocknung des Unterbodens durch die WEG und ggf. Entkeimung des Unterbodens durch die WEG geltend gemacht werden müssen“. Derzeit liefen Trocknungsmaßnahmen und es werde gutachterlich geprüft, ob eine Entkeimung des Unterbodens erforderlich sei. Für die „Anspruchstellung“ gegen die Antragsgegnerin zu 1) wäre das Landgericht zuständig, so dass beantragt werde, das Wohnungseigentumsgericht als das – für einen Sachverhalt wie den vorliegenden – speziellere Gericht zu bestimmen.
5
Die Antragsgegner sind im Bestimmungsverfahren angehört worden. Die Antragsgegnerin zu 1) hat darauf hingewiesen, dass es sich bei den betroffenen Räumlichkeiten nicht um Wohnraum handele, was die Anspruchshöhe stark beeinflusse. Der Antragsgegner zu 2) hat die Auffassung vertreten, es liege keine Streitgenossenschaft vor. Die Antragsgegnerin zu 1) haftete gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft, von der sie beauftragt worden sei, aus dem Werkvertrag, während der Antragsgegner zu 2) nach § 14 Abs. 3 WEG/§ 906 BGB verschuldensunabhängig bzw. aus Deliktsrecht in Anspruch genommen werde. Die spezielle Sachkunde des Wohnungseigentumsgerichts sei für werkvertragliche Ansprüche nicht erforderlich.
6
Die Akte des Verfahrens … WEG des Amtsgerichts München ist beigezogen worden.
7
II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des gemeinsam sachlich zuständigen Gerichts liegen zwar nicht insgesamt vor (Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts auch für die „gelegentliche“ Geltendmachung weiteren Mietausfalls sowie für Schadensersatzansprüche nach Austrocknung und gegebenenfalls Entkeimung des Unterbodens), sie sind jedoch insoweit zu bejahen, als beabsichtigt ist, die Klageanträge gemäß Klageschrift vom 20. Juni 2023 auf die Antragsgegnerin zu 1) zu erweitern. Auf den hilfsweise in dieser Weise auszulegenden Antrag bestimmt der Senat – unter Zurückweisung des Bestimmungsantrags im Übrigen – das Amtsgericht München als sachlich zuständiges Gericht für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner.
8
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts zuständig.
9
a) Der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterliegt – zumindest in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift – auch die sachliche Zuständigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [juris Rn. 4 ff.]). Wenn – wie im Streitfall – eine gegen mehrere Streitgenossen zu richtende Klage für einen Teil der Streitgenossen eine zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörende Wohnungseigentumssache darstellt, während für andere Streitgenossen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist, so ist auf Antrag das für die Klage insgesamt zuständige Gericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 31; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2016, 32 SA 63/16, NJW-RR 2017, 393; OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2008, 31 AR 18/08, NJW-RR 2008, 1544; Toussaint in BeckOK ZPO, 49. Ed. Stand: 1. Juli 2023, § 36 Rn. 17.1; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 36 Rn. 14).
10
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Bestimmungsentscheidung berufen, da das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht München und dem – bezüglich der sachlichen Zuständigkeit hier in Betracht kommenden – Landgericht München I in der vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist. Für die Klage gegen den Antragsgegner zu 2) kommt die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München nach § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG in Betracht. Für die beabsichtigte Klageerweiterung gegen die Antragsgegnerin zu 1) hingegen wäre, da der Streitwert 5.000,00 € übersteigt, das Landgericht München I nach § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig. Dass beide in Betracht kommenden Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, führt nicht allein deshalb zu dessen Zuständigkeit für das Bestimmungsverfahren (BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 32 m. w. N.). Denn besteht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die sich der Instanzenzug mangels Sondervorschriften nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen richtet, ein Zuständigkeitskonflikt, an dem (zumindest auch) ein Amtsgericht beteiligt ist, so ergibt sich das zur Zuständigkeitsbestimmung berufene Gericht selbst dann nicht aus § 36 Abs. 1 ZPO, wenn die beteiligten Gerichte im selben Oberlandesgerichtsbezirk liegen; vielmehr greift in dieser Situation § 36 Abs. 2 ZPO (BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 8; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 45.2). In einer Streitigkeit nach § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG ist Rechtsmittelgericht gegen die Entscheidung des Amtsgerichts das Landgericht nach § 72 Abs. 2 GVG, weiteres Rechtsmittelgericht ist der Bundesgerichtshof. Bei einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts ist Rechtsmittelgericht das Oberlandesgericht nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG und dann der Bundesgerichtshof. Demnach ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, an dessen Stelle nach § 36 Abs. 2 ZPO im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung das Oberlandesgericht bzw. in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht tritt.
11
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit liegen vor und führen zur Bestimmung des Amtsgerichts München als zuständiges Gericht für die beabsichtige Parteierweiterung im Hinblick auf die Klageanträge Ziffern I und II gemäß Klageschrift in dem gegen den Antragsgegner zu 2) bereits anhängigen Rechtsstreit. Der weitergehende Antrag ist zurückzuweisen.
12
a) Die Zulässigkeit der Klage (vgl. die Ausführungen unter 2. e] aa] 3.) ist im Bestimmungsverfahren nicht zu prüfen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. Dezember 2019, 1 AR 110/19, juris Rn. 12). Die Prüfung bleibt dem als zuständig bestimmten Gericht vorbehalten.
13
b) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift („verklagt werden sollen“) hinaus auch noch in Betracht, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte bereits eine Klage vor demselben Gericht erhoben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 17; jeweils m. w. N.). Nach Rechtshängigkeit einer Klage gegen einen Beklagten kann ein einheitlich zuständiges Gericht für die Klage und deren Erweiterung auf einen weiteren Beklagten jedoch nur dann bestimmt werden, wenn der Verfahrensstand nicht entgegensteht (vgl. BGH NJW-RR 2020, 1070 Rn. 16 ff.; BayObLG, Beschluss vom 4. Mai 2020, 1 AR 26/20, NJW-RR 2020, 1263 Rn. 20 m. w. N.).
14
aa) Eine Bestimmung eines für mehrere Beklagte zuständigen Gerichts kommt dann nicht mehr in Frage, wenn der Rechtsstreit so weit fortgeschritten ist, dass dem bestimmenden Gericht eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit nicht mehr möglich wäre. Diese Zäsur ist als erreicht angesehen worden, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte bereits sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Februar 2023, 102 AR 73/22, juris Rn. 35; NJW-RR 2020, 1263 Rn. 22 f.).
15
bb) Diese Zäsur ist vorliegend nicht erreicht, soweit die Klägerin beabsichtigt, die Klage nach der Bestimmungsentscheidung auf die Antragsgegnerin zu 1) zu erweitern.
16
cc) Dagegen scheidet eine Bestimmungsentscheidung (derzeit) aus, soweit die Antragstellerin in der Klageschrift ausführt, die Klage „gelegentlich“ im Hinblick auf weiteren Mietausfall erweitern zu wollen, da nicht beurteilt werden kann, ob einer Bestimmungsentscheidung, dann, wenn die Klage zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich erweitert wird, der Verfahrensstand im streitigen Verfahren entgegensteht. Ist – wie hier – ein Rechtsstreit bereits anhängig, ist der Kläger nicht befugt, zunächst den Prozessverlauf über den Zeitpunkt hinaus, in dem eine Bestimmungsentscheidung noch möglich wäre, abzuwarten, bevor er sich konkret für eine gemeinsame Prozessführung im Hinblick auf weitere Streitgegenstände entscheidet.
17
dd) Entsprechendes gilt, soweit die Antragstellerin im Antrag gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in den Raum stellt, sie wolle im bereits gegen den Antragsgegner zu 2) anhängigen Rechtsstreit die Klage (zu einem späteren Zeitpunkt) dahingehend erweitern, dass „als Schadensersatz die Wiederherstellung des sachenrechtlichen Sondereigentums“ geltend gemacht werde, allerdings erst „nach Austrocknung des Unterbodens“ und „ggf. Entkeimung des Unterbodens durch die WEG“. Die Erweiterung der Klage wird von Bedingungen abhängig gemacht, die Klageerweiterung ist erst zukünftig beabsichtigt. Wegen der zu beachtenden Zäsur kann bei bereits laufendem Rechtsstreit eine Bestimmungsentscheidung für eine Klageerweiterung indes nicht „auf Vorrat“ erwirkt werden.
18
Überdies erfolgt eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur auf einen den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2, 4 ZPO entsprechenden Antrag einer Partei (Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 37 Rn. 2; Cuypers, MDR 2009, 657 659.). Neben den Parteien ist auch der Gegenstand der beabsichtigten Klage hinreichend genau darzustellen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 37 Rn. 1; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Mai 2005, 5 Sa 134/04, juris Rn. 14 f.). Daran fehlt es hier selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass es für eine Zuständigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG – die vorliegend für eine isolierte Klage gegen den Antragsgegner zu 2) in Betracht käme – unerheblich ist, mit welchem Sachantrag der Kläger seine Klage betreibt (Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2022, § 43 Rn. 32 m. w. N.).
19
ee) Die Bestimmungsentscheidung hat sich somit auf die Klageanträge Ziffern I und II gemäß Klageschrift im beim Amtsgericht München anhängigen Rechtsstreit zu beschränken. Ein beschränkter Bestimmungsantrag liegt vor, denn der umfassende Antrag kann dahin ausgelegt werden, dass eine Zuständigkeitsbestimmung hilfsweise jedenfalls hinsichtlich derjenigen Prozessgegenstände, hinsichtlich derer die Voraussetzungen für eine Bestimmungsentscheidung vorliegen, erfolgen soll.
20
Im Übrigen ist eine Teilzurückweisung des Bestimmungsantrags auszusprechen.
21
d) Nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28) Vorbringen der Antragstellerin sollen die Antragsgegner als Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
22
Für das Vorliegen einer Streitgenossenschaft erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich aus dem Vortrag des Klägers in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20; Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 35/20, juris Rn. 19; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenso wenig an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20; Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]) wie auf die Schlüssigkeit der Klage und Klageerweiterung im Übrigen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 44; Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 24; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]).
23
Die Antragsgegner sollen für die streitgegenständlichen Zahlungen (entgangene Mieten im Zeitraum vom 15. Juli 2022 bis 15. Juni 2023 in Höhe von insgesamt 14.465,00 €) auf der Grundlage eines im Wesentlichen identischen Sachverhalts als Gesamtschuldner haften. Dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu einzelnen Antragsgegnern von Bedeutung sind, ist unschädlich, denn § 60 ZPO verlangt nicht, dass die anspruchsrelevanten Sachverhalte deckungsgleich sind (vgl. BGH, NJW 2018, 2200 Rn. 13). Die Klageforderungen beruhen auch auf einem im Wesentlichen gleichartigen Rechtsgrund, denn die in Rede stehende Verursachung des streitgegenständlichen Schadens im räumlichen Bereich des Sondereigentums der Antragstellerin und ihres Ehemanns stellen nach der Klagebegründung ein wesentliches Anspruchselement auch für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) dar. Der gegebenenfalls nur im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) relevante zusätzliche Aspekt des Verschuldens steht nicht derart im Mittelpunkt, dass er die wesentliche Gleichartigkeit des Anspruchsgrunds in rechtlicher Hinsicht in Frage stellen könnte. Streitgenossenschaft liegt somit vor.
24
e) Eine gemeinsame sachliche Zuständigkeit ist nicht gegeben.
25
aa) Für die Klage gegen den Antragsgegner zu 2) ist das Amtsgericht sachlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Diese sachliche Zuständigkeit ist gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. c) Halbsatz 2 GVG ausschließlich.
26
(1) Die Abgrenzung zwischen den in § 43 Abs. 2 WEG genannten Gegenständen und allgemeinen Zivilsachen hat nicht anhand der Rechtsgrundlage (Anspruchsgrundlage), aus der die streitigen Rechte und Pflichten hergeleitet werden, zu erfolgen, sondern richtet sich materiell allein nach dem Umstand, ob die anspruchsbegründenden Tatsachen einen inneren Zusammenhang mit den Rechten und Pflichten als Wohnungseigentümer aufweisen. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG erfasst z. B. auch den Fall, dass ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums aus § 1004 Abs. 1 BGB in Anspruch nimmt (Göbel in Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023, § 43 Rn. 36 f. m. w. N.). Geht es – wie im Streitfall – um Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer im Gemeinschaftsverhältnis wurzelnden Treue- und Rücksichtnahmepflicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012, V ZR 228/11, ZWE 2012, 334 zu § 43 Nr. 1 WEG a.F.), liegt ebenfalls eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG vor. Ob und in welchem Umfang es solche Schadensersatzansprüche in dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander auch nach neuem Recht noch gibt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (Göbel in Bärmann, WEG, § 43 Rn. 38). Sie ist im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nicht zu klären. Auszugehen ist vielmehr vom Vortrag der Klagepartei (Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 3). Es erscheint nicht ausgeschlossen oder völlig fernliegend, dass es die von der Klägerin angenommene Pflicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis gibt (vgl. zu einer anderen Fallkonstellation: BayObLG, Beschluss vom 14. Juni 2023, 102 AR 21/23, juris Rn. 34 f.). Die vom Kläger zur Begründung seiner Klage geltend gemachte Anspruchsgrundlage muss nicht im Wohnungseigentumsgesetz oder in einer Teilungserklärung selbst geregelt sein (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, § 43 Rn. 31). Das Amtsgericht hat den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (vgl. z. B. Müller in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017, § 84. Gemeinschaftsbezogene Prozesse, § 43 Nr. 1 WEG a. F. Rn. 2), so weit der Streitgegenstand reicht.
27
(2) Vorliegend leitet die Antragstellerin den Anspruch auf die Verletzung von Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis her. Der Antragsgegner zu 2) habe die Dachgeschosswohnung trotz des noch nicht fertiggestellten Abwassergrundleitungssystems anschließen lassen, er hafte nach (oder analog) § 906 BGB bzw. gemäß § 14 Abs. 3 WEG verschuldensunabhängig für den Schaden.
28
Für derartige Klagen ist grundsätzlich das Amtsgericht ausschließlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG i.V. m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Oktober 2021, 11 O 6/21, ZWE 2022, 142 Rn. 7 ff.; Zschieschack/Orthmann in BeckOK BGB, 66. Ed. Stand: 1. Mai 2023, WEG § 43 Rn. 39). Der Antragsgegner zu 2) soll gerade in seiner Eigenschaft als Mitglied der Eigentümergemeinschaft in Anspruch genommen werden.
29
(3) Dem steht nicht entgegen, dass von den behaupteten Störungen nicht nur das Sondereigentum der Antragstellerin und ihres Ehemanns, sondern auch das Gemeinschaftseigentum betroffen sein dürfte. Zwar beschränkt sich nach der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes das Recht des Wohnungseigentümers, Störungen abzuwehren, die sowohl den räumlichen Bereich seines Sondereigentums als auch das Gemeinschaftseigentum beeinträchtigen, auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche. Nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 WEG kann ein einzelner Wohnungseigentümer Ausgleich in Geld verlangen. Dies setzt voraus, dass eine unzumutbare Einwirkung nicht abgewehrt werden kann, sondern geduldet werden muss. Das Recht von der Störungsbeseitigung abzusehen und stattdessen Schadensersatz zu verlangen, kann gemäß § 9a Abs. 2 WEG dagegen nur durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt werden (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2021, V ZR 41/19, NJW-RR 2021, 1166 Rn. 13 und 16).
30
Jedoch ist die Frage, ob die Antragstellerin prozessführungsbefugt ist (BGH NJW-RR 2021, 1166 Rn. 4), für die Zuständigkeitsfrage ohne Belang. Ausreichend ist, dass eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit schlüssig dargelegt ist. Dies ist der Fall.
31
bb) Für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) ist eine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts dagegen nicht gegeben.
32
§ 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist in Bezug auf die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) nicht einschlägig.
33
Das Amtsgericht ist auch nicht aufgrund § 23 Nr. 1 GVG für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) zuständig, denn es handelt sich um eine Streitigkeit über einen Anspruch, dessen Gegenstand die Summe von 5.000,00 € übersteigt.
34
3. Der Senat bestimmt das Amtsgericht München als das für die Klage und Parteierweiterung gemäß Klageantrag sachlich zuständige Gericht.
35
Die Auswahl erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (Sachdienlichkeit) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12 m. w. N.]; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 39; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 29 m. w. N.). Für diese Wahl spricht maßgeblich, dass für den Antragsgegner zu 2) beim Amtsgericht eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit besteht und die wohnungseigentumsrechtliche Rechtslage, deren Beurteilung typischerweise nach § 23 Nr. 2 Buchst. c) GVG den Amtsgerichten zugeordnet ist, hier auch maßgebliche Bedeutung für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) haben dürfte. Die Bestimmung des für einen Streitgenossen ausschließlich zuständigen Gerichts auch für das Verfahren gegen den anderen Streitgenossen ist meist – und auch hier – sachgerecht, weil damit dem Gesichtspunkt der Spezialisierung gerade dieses Gerichts Rechnung getragen wird.
36
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957).