Titel:
Unwirksame Ausweisung von Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen durch Flächennutzungsplan
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 6 Abs. 5 S. 1, S. 2, § 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 3 S. 2 Hs. 2, § 215 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die in den Darstellungen eines Flächennutzungsplans zum Ausdruck kommende planerische Entscheidung einer Gemeinde, mit der Ausweisung von Flächen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 6 BauGB die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB an Orten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen, kann in analoger Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Normenkontrolle unterworfen werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Darstellungen von Flächen für Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 6 BauGB in einem Flächennutzungsplan mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, die die Qualität einer Rechtsvorschrift besitzen, ist es aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlich, dass den Adressaten der Bekanntmachung der räumliche Geltungsbereich dieser Darstellungen (grundsätzlich der gesamte Außenbereich der Gemeinde) hinreichend deutlich gemacht wird. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Plangeber muss seine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen und aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, dh kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offenlegen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Verringerung der Standorte für Mobilfunkanlagen und damit der Schaffung von Tabuzonen ist es unzulässig, den „Indikator Strahlung“ als „hartes Ausschlusskriterium“ heranzuziehen, obwohl keine immissionsschutzrechtlichen Hindernisse entgegenstehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Flächennutzungsplan, Verkündungsmangel, Konzentrationsflächen, Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen, Mobilfunkanlagen, Indikator Strahlung, Netzabdeckung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29914
Tenor
I. Die am 8. Juni 2016 bekanntgemachte 3. Änderung des Flächennut¬zungsplans „Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen“ der An¬trags¬gegnerin wird insoweit für unwirksam erklärt, als mit ihr die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt wer¬den sollen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die 3. Änderung des Flächennutzungsplans „Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen“ der Antragsgegnerin. Diese zielt – ebenso wie der zeitgleich aufgestellte Bebauungsplan Nr. … „Mobilfunk …“, der Gegenstand des Normenkontrollverfahrens 9 N 17.1105 ist – im Wesentlichen darauf ab, im Gemeindegebiet einzelne Standorte für Mobilfunkanlagen auszuweisen, im Übrigen aber deren Zulässigkeit auszuschließen. Im geänderten Flächennutzungsplan werden dazu sieben Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen dargestellt.
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Der Bestimmung der Konzentrationsflächen wurde ein 2007 erstelltes und 2012 fortgeschriebenes „Mobilfunkversorgungskonzept“ (Stand 2013) zugrunde gelegt, das unter Einbeziehung bestehender Anlagen 80 Vorschläge für künftige Mobilfunkstandorte enthält. Die Anzahl wurde im Planungsverfahren weiter reduziert. So erfolgte der Ausschluss von 20 Standortvorschlägen anhand des Kriteriums „Schutzgut Mensch“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der „Indikator Strahlung“ als „hartes Ausschlusskriterium“ heranzuziehen sei. Das „schlechteste Viertel“ der untersuchten und bewerteten Standorte werde daher nicht weiter in Betracht gezogen.
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Die Antragstellerin, ein Mobilfunkinfrastruktur-Dienstleister, ist maßgeblich am Ausbau der Infrastruktureinrichtungen für alle Mobilfunkanbieter in Deutschland beteiligt und betreibt auch im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin Mobilfunkstandorte. Sie rügte mit Telefax vom 8. Juni 2017 gegenüber der Antragsgegnerin zahlreiche Verstöße gegen formelles und materielles Recht bei der Aufstellung der Flächennutzungsplanänderung, unter anderem die mangelnde Erforderlichkeit der Planung sowie Abwägungsmängel. Es fehle an einem schlüssigen Gesamtkonzept, die Betrachtung der Immissionssituation sei fehlerhaft, die Netzstruktur sei nicht ausreichend berücksichtigt und die Belange der Versorgungssicherheit seien zu gering bewertet worden. Das Konzentrationskonzept genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es fehle an der erforderlichen Trennung zwischen absoluten und relativen Gründen, die einen Standort ausschließen. Bei welchen Ausschlusskriterien es sich um harte handle, sei vielfach nicht ersichtlich. Nicht nachvollziehbar sei vor allem, dass der Indikator „Strahlung“ als absoluter Ausschlussgrund herangezogen worden sei. Dabei habe die Antragsgegnerin willkürliche Schwellen herangezogen und es mangele an ausreichenden Erläuterungen.
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In der Antragsbegründung legte die Antragstellerin ergänzend dar, dass die gesetzlichen Grenzwerte bei allen Standorten eingehalten und nach den im Planungsverfahren herangezogenen Werten allenfalls im einstelligen Prozentbereich ausgeschöpft seien.
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Sie hat zuletzt beantragt,
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die 3. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin insofern für unwirksam zu erklären, als mit ihr die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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Sie tritt der Kritik entgegen, die vorgesehenen Positivstandorte seien nicht geeignet, und kündigte zunächst an, ein ergänzendes Verfahren zur Heilung möglicher Bekanntmachungsmängel durchführen zu wollen. Im Februar 2021 entschied der Gemeinderat der Antragsgegnerin, das Heilungsverfahren einzustellen und stattdessen ein Verfahren zur förmlichen Aufhebung der Flächennutzungsplanänderung einzuleiten. Nachdem das Landratsamt Bedenken in Bezug auf die gefertigten Planunterlagen geäußert und eine Darstellung der aufzuhebenden Planbestandteile auf einem gesonderten Planblatt unter Gegenüberstellung der bisherigen und der künftigen Rechtslage gefordert hatte, verfolgte die Antragsgegnerin auch das Aufhebungsverfahren nicht mehr weiter. Ein Zugriff auf die seinerzeitigen Daten sei nicht möglich und eine nachträgliche Digitalisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.
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Auf Anregung des Gerichts haben Antragstellerin und Antragsgegnerin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag, über den der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.
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1. Der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist zulässig.
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Die in den Darstellungen eines Flächennutzungsplans zum Ausdruck kommende planerische Entscheidung einer Gemeinde, mit der Ausweisung von Flächen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an Orten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen, kann in analoger Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Normenkontrolle unterworfen werden (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2018 – 4 CN 3.18 – juris LS 2, Rn. 11 f.; BayVGH, U.v. 4.3.2021 – 15 N 20.468 – juris Rn. 22; VGH BW, U.v. 4.2.2021 – 5 S 305/19 – juris Rn. 28, jew. m.w.N.). Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ausschlusswirkung in Bezug auf Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Sie hat ihr Begehren mit Schriftsatz vom 21. August 2023 nochmals dahingehend präzisiert. Der Antrag wurde auch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt.
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Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Hierfür reicht es nach ständiger Rechtsprechung aus, dass sie hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen hat, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die zu prüfende Norm oder ihre Anwendung in einem subjektiven Recht verletzt wird (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 Rn. 41 m.w.N.). Die Antragsbefugnis fehlt nur dann, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte verletzt sein können (vgl. BVerwG, U.v. 17.1.2001 – 6 CN 4.00 – juris Rn. 10). Es genügt die nach dem Tatsachenvortrag bestehende Möglichkeit einer fehlerhaften Behandlung eigener Belange in der Abwägung (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2020 – 4 BN 53.19 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 16.7.2019 – 9 N 17.2391 – juris Rn. 18, jew. m.w.N.), die hier gegeben ist. Die Antragstellerin betreibt als überregional tätiger Mobilfunkinfrastruktur-Dienstleister Mobilfunkstandorte im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin und ist dort maßgeblich am Ausbau der entsprechenden Infrastruktur beteiligt. Die angefochtenen Darstellungen im Flächennutzungsplan entfalten ihr gegenüber als Berechtigte einer im Außenbereich privilegierten Nutzung (gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) einschränkende rechtliche Wirkungen. Nach dem tatsächlichen Vorbringen erscheint es möglich, dass ihr Interesse, im Plangebiet Mobilfunkbasisstationen mit den hierfür notwendigen Antennenanlagen betreiben und fortentwickeln zu können, nicht hinreichend berücksichtigt oder in der Abwägung fehlgewichtet wurde.
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2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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Die streitgegenständliche 3. Änderung des Flächennutzungsplans ist entsprechend § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären, soweit darin die planerische Entscheidung der Antragsgegnerin zum Ausdruck kommt, die Rechtswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eintreten zu lassen. Sie leidet an einem Verkündungsmangel und widerspricht den aus § 2 Abs. 3 und § 1 Abs. 7 BauGB abzuleitenden Anforderungen des Abwägungsgebots.
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a) Die Bekanntmachung der 3. Änderung des Flächennutzungsplans leidet an einem durchgreifenden Mangel.
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Nach § 6 Abs. 1 BauGB muss ein Flächennutzungsplan von der höheren Verwaltungsbehörde genehmigt werden. Die Erteilung der Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen. Mit dieser Bekanntmachung wird der Flächennutzungsplan wirksam (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), wenn der vom Gesetz geforderte Hinweiszweck (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB) erreicht wird. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es bei Bauleitplänen eines Hinweises bedarf, der geeignet sein muss, das Inkrafttreten neuen Bebauungsrechts in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets dem Normadressaten gegenüber bewusst zu machen und denjenigen, der sich über den genauen räumlichen und gegenständlichen Regelungsgehalt des Plans informieren will, zu dem richtigen – bei der Gemeinde ausliegenden – Bauleitplan zu führen (BVerwG, U.v. 29.10.2020 – 4 CN 2.19 – juris Rn. 16 f. m.w.N.; B.v. 17.2.2022 – 4 BN 39.21 – juris Rn. 6). Bei Darstellungen von Flächen für Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB in einem Flächennutzungsplan mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, die die Qualität einer Rechtsvorschrift besitzen, ist es aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlich, dass den Adressaten der Bekanntmachung der räumliche Geltungsbereich dieser Darstellungen (grundsätzlich der gesamte Außenbereich der Gemeinde) hinreichend deutlich gemacht wird. Dabei reicht es für eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Genehmigung nicht aus, wenn sich aus ihr – sei es ausdrücklich oder im Wege der Auslegung – die Geltung des Flächennutzungsplans für das gesamte Gemeindegebiet ergibt. Erforderlich ist auch, dass die mit der Ausweisung von Konzentrationszonen einhergehende unmittelbar rechtsverbindliche Ausschlusswirkung für die jeweiligen Vorhaben im übrigen Gemeindegebiet und damit das Inkrafttreten neuen Bebauungsrechts bereits in der Bekanntmachung der Genehmigung selbst hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2020 – 4 CN 2.19 – juris Rn. 15 ff.; OVG NW, U.v. 14.3.2019 – 2 D 71/17.NE – juris Rn. 42 f.; U.v. 11.8.2022 – 22 A 1492/20 – juris Rn. 10 ff., m.w.N.). Die bloße Verwendung des Begriffs der „Konzentrationsflächen“ in der Bekanntmachungsüberschrift kann dafür regelmäßig nicht als ausreichend angesehen werden. Der Begriff mag sich in der Rechts- und Planungspraxis etabliert haben, er ist aber weder Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs noch verwendet ihn das Gesetz (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2020 – 4 CN 2.19 – a.a.O. Rn. 20 f.; OVG NW, U.v. 11.8.2022 – 22 A 1492/20 – a.a.O. Rn. 26 f. m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben erfüllt die Bekanntmachung der 3. Änderung des Flächennutzungsplans „Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen“ vom 8. Juni 2016 nicht den mit Blick auf die Rechtswirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, die nach dem planerischen Willen bezweckt sind (vgl. die Begründung für die 3. Flächennutzungsplanänderung, Behördenakte S. 824), vorausgesetzten Hinweiszweck. Dieser Mangel, der nicht unbeachtlich werden kann (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 i.V.m. § 215 Abs. 1 BauGB), führt zur Unwirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung.
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Die Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin enthält keinerlei Hinweis darauf, dass der Flächennutzungsplan Konzentrationszonen (für Anlagen der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen) mit einer Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB umfasst. Der Umstand, dass der Plan mit der Bezeichnung „Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen“ überschrieben ist, genügt nach den oben dargelegten Maßstäben auch hier nicht, um den Hinweiszweck zu erreichen. Der Begriff der Konzentrationsflächen wird weder durch eine Bezugnahme auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB noch auf andere Weise erläutert. Nachdem es sich um keine dem Gesetz zu entnehmende Begrifflichkeit handelt, die auch weiterhin keinen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat, folgt aus ihrer Verwendung in der Bekanntmachung – aus der maßgeblichen Sicht des objektiven Empfängerhorizonts – nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass Anlagen außerhalb der dargestellten Zonen im gesamten Außenbereich der Gemeinde unzulässig sind. Zudem fehlt es in der Bekanntmachung an einem diesen räumlichen Geltungsbereich verdeutlichenden Hinweis (vgl. OVG NW, U.v. 25.1.2021 – 2 D 98/19.NE – juris Rn. 145). Ob beim erstmaligen Erlass eines Flächennutzungsplans gemäß der Grundregel des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB davon auszugehen wäre, dass dieser üblicherweise für das gesamte Gemeindegebiet gilt, und ob dies berücksichtigt werden müsste, kann dahinstehen. Hier handelt es sich um eine nur durch eine fortlaufende Nummerierung, die sich im Übrigen während des Verfahrens sogar noch geändert hat (vgl. Begründung, Behördenakte S. 825), näher bezeichnete Änderung, die sich als solche regelmäßig nur auf einzelne Teilbereiche bezieht (vgl. Nds. OVG, U.v. 5.3.2018 – 12 KN 144/17 – juris Rn. 42 m.w.N.). Ein Rückschluss auf den örtlichen Geltungsbereich ist auch sonst nicht mit hinreichender Deutlichkeit möglich.
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b) Darüber hinaus weist die 3. Änderung des Flächennutzungsplans beachtliche Abwägungsmängel auf.
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aa) Das Abwägungsgebot verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Der Planungsträger muss sich für eine fehlerfreie Bewertung und damit auch für eine fehlerfreie Abwägung den Unterschied zwischen sog. harten und weichen Tabuzonen bewusstmachen, ihn dokumentieren und sachgerecht handhaben. Die auf der Ebene des Abwägungsvorgangs angesiedelte Ausarbeitung eines Planungskonzepts hat sich im Fall der Ausweisung von Konzentrationszonen zur Steuerung privilegierter Nutzungen im Außenbereich typischerweise abschnittsweise wie folgt zu vollziehen: In einem ersten Abschnitt sind diejenigen Bereiche als sog. „Tabuzonen“ zu ermitteln, die für die durch Konzentrationsflächenausweisung zu regelnde privilegierte Nutzung ausgeschlossen sein sollen. Die Tabuzonen lassen sich in zwei Kategorien einteilen, nämlich in sog. „harte Tabuzonen“, in denen die Errichtung und der Betrieb der zu steuernden privilegierten Außenbereichsnutzung aus tatsächlichen und / oder rechtlichen Gründen schlechthin ausgeschlossen sind, und in sog. „weiche Tabuzonen“, in denen die betroffene Nutzung zwar tatsächlich und rechtlich möglich ist, in denen aber nach den städtebaulichen Vorstellungen, die die Gemeinde anhand eigener Kriterien entwickeln darf, die betroffene Nutzung nicht ausgeübt werden soll. Nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen bleiben sog. „Potenzialflächen“ übrig, die für die Darstellung von Konzentrationszonen in Betracht kommen. Sie sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der betroffenen Nutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 (hier Nr. 3) BauGB gerecht wird. Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, deren Bereitstellung für die reglementierte Nutzung etwa durch Bebauungsplan von vornherein an § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitern würde, weil ihrer Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. Harte Tabuzonen sind einer Abwägung zwischen den Belangen daher entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Der Plangeber muss seine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen und aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offenlegen. Andernfalls scheitert seine Planung unabhängig davon, welche Maßstäbe an die Kontrolle des Abwägungsergebnisses anzulegen sind, schon an dem fehlenden Nachweis, dass er die weichen Tabukriterien auf der Stufe der Abwägung in die Planung eingestellt hat (zum Ganzen BVerwG, B.v. 15.9.2009 – 4 BN 25.09 -juris Rn. 8 ff.; U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 – BVerwGE 145, 231 = juris Rn. 10 ff.; B.v. 16.12.2019 – 4 BN 30.19 – juris Rn. 8, 14 f.; BayVGH, U.v. 4.3.2021 – 15 N 20.468 – juris Rn. 31 m.w.N.).
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Gemessen daran liegt ein Abwägungsfehler vor. Es erscheint bereits äußerst zweifelhaft, ob die Beschränkung auf lediglich 80 Mobilfunkstandorte, die laut Begründung für die 3. Flächennutzungsplanänderung (Behördenakte S. 818) auf einem 2007 erstellten und 2012 fortgeschriebenen „Mobilfunkversorgungskonzept“ (Stand 2013) beruht, diesen Maßstäben genügt. Die Frage kann aber offengelassen werden. Jedenfalls unterliegt die Antragsgegnerin mit ihren auf die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausgerichteten Darstellungen von Konzentrationsflächen schon deshalb einem Bewertungs- bzw. Abwägungsfehler (§ 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB), weil sie beim Ausschluss von 20 der 80 Standortvorschläge zu Unrecht ein tatsächlich „weiches“ Tabukriterium als „hart“ eingestuft und deswegen ihre Begründung und Bemessung einer hinreichenden Abwägung entzogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2018 – 4 CN 3.18 – a.a.O. Rn. 20 ff.; BayVGH, U.v. 4.3.2021 – 15 N 20.468 – a.a.O. Rn. 33). Bei der Verringerung der Standorte für Mobilfunkanlagen und damit der Schaffung von Tabuzonen wurde der „Indikator Strahlung“ als „hartes Ausschlusskriterium“ herangezogen, obwohl keine immissionsschutzrechtlichen Hindernisse entgegenstanden, worauf die Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat. Andere zwingende Gründe für den Ausschluss der betreffenden Bereiche wurden von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Ausweislich der Planunterlagen war Ziel des Ausschlusses vielmehr die Ausschöpfung von „Optimierungspotentialen“ (vgl. zum Ganzen „Bewertung der zur Verfügung gestellten Potentialstandorte“ vom 23.5.2014, Behördenakte S. 68, 71). Die betroffenen 20 Standorte wiesen nach den zugrundeliegenden Untersuchungen lediglich höhere Immissionswerte als die übrigen 60 Standorte auf. Die Antragsgegnerin hat sich im Interesse der strahlungsarmen Versorgung dafür entschieden das „schlechteste Viertel“ auszuschließen und nicht näher zu untersuchen. Damit ist jedoch nach Überzeugung des Senats kein zwingender Ausschlussgrund plausibel dargelegt. Im Übrigen wäre wohl selbst eine Heranziehung als weiches Tabukriterium abwägungsfehlerhaft gewesen. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass die herangezogenen Kriterien nicht nachvollziehbar sind (v.a. hinsichtlich der Ermittlung des Risikopotenzials), was aber dahinstehen kann.
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bb) Dieser Fehler ist auch erheblich im Sinn von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB (zu den Maßstäben vgl. BayVGH, U.v. 4.3.2021 – 15 N 20.468 – a.a.O. Rn. 49 f. m.w.N.). Er beruht auf objektiv feststellbaren Umständen – der Planbegründung sowie den vom Gemeinderat jeweils übernommenen Abwägungsvorlagen – und ist ohne Ausforschung der Mitglieder des Rates über deren Planungsvorstellungen erkennbar, so dass die Offensichtlichkeit gegeben ist. Der aufgezeigte Abwägungsfehler ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre. Dem maßgeblichen, in den Aufstellungsunterlagen dokumentierten Willen des Plangebers lässt sich nicht entnehmen, dass sich der Gemeinderat der Antragsgegnerin für dieselben Konzentrationsflächen entschieden hätte, wenn er die 20 Standorte weiter untersucht und in die Abwägung einbezogen hätte. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, die Immissionen und deren Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch näher zu untersuchen und zu bewerten, was jedoch unterblieben ist. Dabei wäre wohl auch aufzuklären gewesen, ob diese Standorte eine gute Netzabdeckung gewährleisten und auf diesem Weg zu verminderten Auswirkungen bei der Telefonie mit dem Endgerät führen, worauf die Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat.
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Die Mängel sind auch rechtzeitig gem. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BauGB innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans (8.6.2016) schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden. Die Antragstellerin hat mit gesondertem Rügeschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 8. Juni 2017, das der Antragsgegnerin am selben Tag per Telefax übermittelt wurde (zur Fristberechnung nach Art. 31 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – BVerwGE 143, 192 Rn. 23), der Sache nach die o.g. Abwägungsmängel mit dem Vortrag moniert, dass der „Indikator Strahlung“ zu Unrecht als hartes Tabukriterium eingestuft worden sei.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.