Titel:
Zeitliche Einschränkungen des Bewerbungsverfahrensanspruchs
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet und unterliegt zeitlichen Einschränkungen. Er erlischt aufgrund seiner Verfahrensabhängigkeit mit dem Verstreichen des Einstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber, wenn Stellen zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben und besetzt werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein das Aufzeigen einer behaupteten fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Einstellung in den Vorbereitungsdienst, Erlöschen des Bewerbungsverfahrensanspruchs, Verfahrensabhängigkeit, Konkretes Stellenbesetzungsverfahren, Jährlich stattfindende Ausschreibung, Erledigung eines Auswahlverfahrens, Verstreichen des Einstellungszeitpunkts und Besetzung der Stellen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 15.06.2023 – RN 1 K 19.1324
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29908
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Juni 2023 – RN 1 K 19.1324 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.940,28 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
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Der Senat geht aufgrund der geschilderten Umstände zugunsten des Klägers davon aus, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO begründet worden ist. Die mit dem danach zulässigen Antrag geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 5 VwGO, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist, liegen jedoch nicht vor oder wurden nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der Kläger hatte sich im Herbst 2018 ohne Erfolg für eine Einstellung in den fachspezifischen Vorbereitungsdienst des gehobenen nichttechnischen Zolldienstes des Bundes zum 1. August 2019 beworben. Seinen am 27. Juli 2019 gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az. RN 1 E 19.1322) mit dem Ziel, der Antragsgegnerin zu untersagen, die ihr zugewiesenen Stellen für den Vorbereitungsdienst des gehobenen nichttechnischen Zolldienstes zum 1. August 2019 zu besetzen, bis über die Klage in der Hauptsache (Az. RN 1 K 19.1324) entschieden wurde, hatte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Juli 2019 abgelehnt. Nach Rücknahme der dagegen eingelegten Beschwerde wurde das Verfahren mit Beschluss des Senats vom 2. September 2019 eingestellt (Az. 6 CE 19.1665). Ein weiteres gleichlautendes Eilverfahren für den Einstellungstermin 1. August 2020 wurde vom Verwaltungsgericht nach Abgabe einer Erledigterklärung des Antragstellers mit Beschluss vom 12. August 2020 eingestellt (Az. RN 1 E 20.1284). Auch den am 22. Juli 2021 gestellten Antrag nach § 123 VwGO mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zum Beginn des Ausbildungslaufs 2021/2022 in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Zolldienst des Bundes am Hauptzollamt Landshut einzustellen, hilfsweise die Antragsgegnerin in Abänderung des Beschlusses vom 31. Juli 2019 – Az. RN 1 E 19.1322) hierzu zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht abgelehnt (Az. RN 1 E 21.1462). Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wurde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 10.März 2022 (Az. 6 CE 22.407) im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der aus der – einzigen – Bewerbung des Antragstellers um Einstellung zum Termin 1. August 2019 resultierende Bewerbungsverfahrensanspruch sei erloschen; mangels erneuter Bewerbung könne ein im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu sichernder Bewerbungsverfahrensanspruch nicht bestehen.
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Die gegen die Ablehnung seiner Bewerbung um Einstellung zum Termin 1. August 2019 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht zunächst mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2021 und – nach Antrag des Klägers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit dem streitgegenständlichen Urteil vom 15. Juni 2023 unter Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid mit der Begründung abgewiesen, dass der mit der Klage weiterverfolgte Einstellungsanspruch aus der Bewerbung zum Termin 1. August 2019 zwischenzeitlich erloschen und die Klage damit unzulässig sei.
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2. Die vom Kläger gegen diese Entscheidung vorgebrachten Einwände rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
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a) An der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Das ist nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger der weiterverfolgte Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung um Einstellung in den fachspezifischen Vorbereitungsdienst des gehobenen nichttechnischen Zolldienstes des Bundes zum 1. August 2019 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts nicht zusteht.
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Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet und unterliegt zeitlichen Einschränkungen. Er entsteht, wenn sich der Dienstherr in Ausübung seines Organisationsermessens für ein Auswahlverfahren im Wege der Bestenauslese entschieden und durch Ausschreibung begonnen hat, mit der entsprechenden – konkreten – Bewerbung auf diese Stelle und ist allein auf das daran anschließende konkrete Auswahlverfahren bezogen (stdRspr., vgl. BayVGH, B.v. 23. 7.2020 – 6 CE 20.1290 – juris Rn. 12). Aufgrund seiner Verfahrensabhängigkeit erlischt er mit dem Verstreichen des Einstellungszeitpunktes (hier: 1.8.2019) und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber, wenn Stellen – wie hier – zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben und besetzt werden (BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 22.09 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 10.3.2022 – 6 CE 22.407 – juris). Ein solcher Sachverhalt liegt hier unzweifelhaft vor. Der auf das streitgegenständliche Auswahlverfahren zum Einstellungstermin 1. August 2019 bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch ist daher untergegangen (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 16 m.w.N.; BayVGH, B.v. 31.8.2020 – 6 CE 20.1325 – juris Rn. 10; HessVGH, B.v. 28.5.2018 – 1 B 27/18 – juris Rn. 21).
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Mit dem Zulassungsantrag macht der Kläger geltend, die Beklagte habe im Jahr 2019 in rechtsschutzvereitelnder Weise für die Erledigung des Bewerbungsverfahrens gesorgt, indem sie alle Stellen „trotz des laufenden Beschwerdeverfahrens“ bereits am 1. August 2019 besetzt habe. Damit hält er den entscheidungstragenden Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf.
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Das betreffende Eilverfahren ist durch Rücknahme der Beschwerde durch den Kläger und den daraufhin erlassenen verfahrenseinstellenden Beschluss des Senats vom 2. September 2019 beendet worden. Selbst wenn die Vorwürfe, bereits einen Monat vor diesem Zeitpunkt sei die endgültige Vergabe der Ausbildungsplätze erfolgt, zuträfen, spielte das für den erloschenen Bewerbungsverfahrensanspruch und damit für den Erfolg der vorliegenden Verbescheidungsklage keine Rolle. Denn dieser Umstand wäre nicht geeignet, das – vor allem durch Zeitablauf – erledigte Auswahlverfahren und einen damit erloschenen Bewerbungsverfahrensanspruch „wiederzubeleben“. Die entsprechenden Ausführungen in der Zulassungsbegründung sind vor diesem rechtlichen Hintergrund irrelevant.
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b) Das Vorbringen ist auch nicht geeignet, die Gehörsrüge zu begründen.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht beinhaltet, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und sie bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Dabei ist das Gericht jedoch nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat.
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Davon ausgehend liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Das Verwaltungsgericht musste auf den Vortrag des Klägers, entgegen der Zusicherung der Beklagten im Eilverfahren habe diese für ihn damals keine Stelle freigehalten, in seinen Entscheidungsgründen nicht eingehen, da er – aus den unter a) dargelegten Gründen – für die Entscheidung über die streitgegenständlichen Klageanträge nicht entscheidungserheblich war.
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Aus dem gleichen Grund geht die Rüge fehl, das erstinstanzliche Urteil sei nicht ausreichend mit Gründen versehen, weil das Gericht nicht ausdrücklich geprüft habe, ob sich die Beklagte auf die erfolgte Besetzung der zum Ausbildungsbeginn 1. August 2019 verfügbaren sieben Stellen berufen könne. Für eine solche Prüfung bestand kein Anlass. Insoweit übersieht der Kläger, dass der geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch – vor allem – wegen des Verstreichens des Einstellungszeitpunktes erloschen ist. Ob die Beklagte die Ernennungen der ausgewählten Konkurrenten – wie vom Kläger behauptet – bereits zum 1. August 2019 und damit noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens vorgenommen hat, kann daher keine Auswirkungen auf den Erfolg der vorliegenden Verbescheidungsklage haben.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten Divergenz im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
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Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Rechtsmittelführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 19 m.w.N.). Allein das Aufzeigen einer – angeblich – fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.
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Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Er beschränkt sich auf die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass es nach der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unzulässig sei, eine andere als die zu besetzende Planstelle quasi als Reserve freizuhalten und später mit dem zunächst nicht ausgewählten Bewerber zu besetzen, wenn dessen Eilverfahren erfolgreich wäre. Einen vom Verwaltungsgericht aufgestellten dem widersprechenden entscheidungstragenden Rechtssatz benennt die Zulassungsschrift indes nicht. Der Kläger macht allenfalls eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen geltend, was zur Darlegung der Divergenz nicht genügt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.2018 – 4 BN 23.17 – juris Rn. 15 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73).
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Unabhängig davon kam es für die Entscheidung im Klageverfahren nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte so gehandelt hat, wie es der Kläger ihr vorwirft. Darüber hinaus betrafen die zitierten Entscheidungen andere Sachverhalte als im Fall des Klägers: die dortigen Beklagten hatten sich mit der vorgenommenen Ernennung der ausgewählten Bewerber über eine vom Kläger erwirkte einstweilige Anordnung hinweggesetzt. Dagegen ist das – erst ca. vier Monate nach Erhalt der Absage eingeleitete – einstweilige Rechtsschutzverfahren des Klägers erfolglos geblieben. Seine Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sind daher erfüllt (vgl. BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 33).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).