Titel:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Kollegendiebstahls
Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, Art. 58 Abs. 2 S. 1
BeamtStG 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 2, Abs. 3, § 47 Abs. 1 S. 1
StGB § 52, § 242 Abs. 1, § 248a
Leitsätze:
Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG steht der Berücksichtigung bekannt gewordener zumessungsrelevanter Umstände – hier die vom Beamten selbst eingeräumten weiteren Diebstahlstaten – im Rahmen der Zumessungserwägungen nach Art. 14 BayDG nicht entgegen. (Rn. 37)
1. Bei der Pflicht, Eigentum und Vermögen der Kolleginnen und Kollegen sowie der Dienstvorgesetzten nicht zu schädigen, handelt es sich um die Verletzung einer leicht einsehbaren Kernpflicht und selbstverständlichen Grundpflicht eines Beamten. Dem Kollegendiebstahl kommt erhebliches Gewicht zu, weil die in einer Dienststelle zusammenarbeitenden Beschäftigten sich hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte jederzeit auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen verlassen können müssen. Gleichermaßen muss auch der Dienstherr unbedingt und ausnahmslos darauf vertrauen können, dass ein Beamter die ihm mit der alltäglichen Zusammenarbeit unvermeidbar eröffneten Zugriffsmöglichkeiten nicht für strafbare Handlungen ausnutzt. Ein Diebstahl zum Nachteil von Kollegen und Dienstvorgesetzten vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein Beamter aber über einen längeren Zeitraum immer wieder auf kleinere Beträge zugreift, ist die Vertrauensgrundlage regelmäßig zerstört. Art. 58 Abs. 2 S. 1 BayDG steht einer Berücksichtigung dieser eingeräumten Tatumstände in diesem Zusammenhang nicht entgegen. Denn die dem Gericht – etwa durch die Behördenakten oder im Rahmen einer Beweiserhebung – bekannt gewordene zumessungsrelevante Umstände (wie von ihm selbst eingeräumten darüberhinausgehenden Taten) können vom Gericht im Rahmen der Zumessungserwägungen nach Art. 14 BayDG, etwa bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten sowie im Rahmen aller bemessungsrelevanten be- und entlastenden Gesichtspunkte, ohne Weiteres berücksichtigt werden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Studienrat im Förderschuldienst, Diebstahl zu Lasten zweier Kolleginnen und einer Dienstvorgesetzten, drei tatmehrheitliche Fälle (50 Euro, 20 Euro, 10 Euro), keine Geringwertigkeit keine verminderte Schuldfähigkeit, Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls, kein einmaliger Zugriff belastende Umstände mit erheblichem Gewicht, Studienrat, Diebstahl, keine Geringwertigkeit, keine verminderte Schuldfähigkeit, kein einmaliger Zugriff, belastende Umstände mit erheblichem Gewicht, Bemessung, Schwere, Vertrauensverlust, Kollegendiebstahl, Betriebsklima, kein Augenblicksversagen, Geringwertigkeit, negative Lebensphase, Milderungsgrund, Nachtatverhalten, Geständnis, Systembetreuer, Verhältnismäßigkeit
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 13.09.2021 – AN 12b D 20.2334
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29888
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. September 2021 wird abgeändert. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
1
Auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen, weil sich der Senat die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO, Art. 3 BayDG).
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Auf die am 3. November 2020 erhobene, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichtete Disziplinarklage der Landesanwaltschaft Bayern hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. September 2021 gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von fünf Jahren erkannt. Dem liegt der Vorwurf zugrunde, dass der Beklagte zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 24. Oktober 2018 einen 50-Euro-Geldschein seiner Dienstvorgesetzten (Sonderschulrektorin E.) sowie am 25. Oktober 2018 einen 20-Euro-Geldschein seiner Kollegin M. und am selben Tag einen 10-Euro-Geldschein seiner Kollegin B. innerhalb des Schulgebäudes entwendet habe, um die Geldscheine für sich zu behalten. Hierfür verurteilte ihn das Amtsgericht F. mit Strafbefehl vom 16. Januar 2019 zu einer Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 80,00 Euro. Durch sein Verhalten habe der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Zahlreiche Aspekte seien zu Lasten des Beklagten zu werten. Auch lägen die Voraussetzungen der von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe nicht vor. Bei einem einmaligen Zugriff mit einem begrenzten Schaden könne jedoch von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden, wenn keine belastenden Umstände von erheblichem Gewicht hinzukämen. Dies sei vorliegend der Fall. Zwar habe der Beklagte drei Diebstähle begangen, dennoch seien diese Handlungen als ein Vorgang zu bewerten, da sie in einem eng begrenzten Zeitraum von zwei Tagen begangen worden seien. Soweit der Beklagte im Verlauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zugestanden habe, die betroffenen Kolleginnen wiederholt über einen Zeitraum von einem Monat bestohlen zu haben und wegen des entwendeten Geldes eine Schadenskompensation von 300 Euro geleistet habe, könne dies bei der Urteilsfindung gemäß Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG keine Berücksichtigung finden, weil diese Taten nicht Gegenstand der Disziplinarklage gewesen seien. Dem mildernden Umstand des einmaligen Zugriffs mit einer begrenzten Schadensumme stünden auch keine belastenden Umstände mit erheblichem Gewicht entgegen. Solche könnten nicht darin gesehen werden, dass der Beklagte Kolleginnen bestohlen habe. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei der Milderungsgrund der Geringwertigkeit grundsätzlich auch bei einem Kollegendiebstahl eröffnet. Gleiches müsse dann gelten, wenn der Entlastungsgrund der begrenzten Schadenssumme im Raum stehe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Milderungsgrund der Geringwertigkeit dem Beklagten nur deshalb nicht zugutekomme, weil er den Diebstahl des 50-Euro-Scheins seiner Dienstvorgesetzten aus autonomen Motiven heraus und vor seiner Entdeckung eingeräumt habe. Das in Bezug auf den Beklagten erstellte Persönlichkeitsbild spreche eher gegen den Beklagten, andererseits ließen sich in diesem Persönlichkeitsbild auch vereinzelte positive Aspekte finden. So werde dem Beklagten beispielsweise eine Verlässlichkeit in der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte attestiert. Zugunsten des Beklagten sei zu werten, dass er sich als Rettungssanitäter langjährig bei der Bergwacht F. für das Wohl der Allgemeinheit engagiert habe. Die Kammer gehe davon aus, dass der Beklagte künftig seine Dienstaufgaben ordnungsgemäß erfüllen werde, zumal der Beklagte die zum Zeitpunkt der Tatbegehung bestehenden psychischen Probleme aufgrund der durchgeführten Therapien mittlerweile überwunden haben dürfte.
3
Mit Verfügung vom 29. Oktober 2020 hob die Disziplinarbehörde die angeordnete vorläufige Dienstenthebung sowie die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge auf. Mit Wirkung vom 1. Februar 2022 wurde der Beklagte vom sonderpädagogischen Förderzentrum F. an eine staatliche Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung versetzt.
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Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger die mit der Disziplinarklage beantragte Disziplinarmaßnahme. Er beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. September 2021 aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat am 20. September 2023 mündlich verhandelt. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie die beigezogenen Straf- und Personalakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers ist erfolgreich. Wegen des begangenen innerdienstlichen Dienstvergehens war nicht auf die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme der Kürzung um 1/10 auf die Dauer von fünf Jahren zu erkennen, sondern die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen.
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1. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte, vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats erwiesen. Auszugehen ist von dem Ablauf des Geschehens, wie es im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 16. Januar 2019 wiedergegeben wird. Zwar sind die in einem Strafbefehl getroffenen tatsächlichen Feststellungen für die Disziplinargerichte nicht bindend; sie können aber der disziplinarrechtlichen Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 55 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 BayDG). Dem Strafbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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„1. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 24.10.2018 entwendeten Sie in der …schule, …-Str. .., F. einen 50- Euro Geldschein der [Sonderschulrektorin], um ihn für sich zu behalten.
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2. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 25.10.2018 entwendeten Sie in der …schule, …-Str. .., F. einen 20- Euro Geldschein der [Kollegin M.], um ihn für sich zu behalten.
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3. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am 25.10.2018 entwendeten Sie in der …schule, …-Str. …, F. einen 10- Euro Geldschein der [Kollegin B.], um ihn für sich zu behalten.“
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Der Beklagte hat den im Disziplinarverfahren gegenständlichen Sachverhalt in vollem Umfang eingeräumt und im Strafverfahren ein glaubhaftes Geständnis abgelegt (vgl. Beschuldigtenvernehmung v. 25.10.2018 und Schreiben an die Schulleitung v. 29.10.2018 – Strafakte S. 29, S. 46 f.).
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2. Der Beklagte hat durch die festgestellten Sachverhalte vorsätzlich und schuldhaft gegen ihm obliegende Dienstpflichten verstoßen, nämlich seine Verpflichtung zur Beachtung der Gesetze, das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (§ 34 Satz 2 BeamtStG in der Fassung vom 8.6.2017 – a.F.) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.). Durch sein Verhalten hat er ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Das Vorgehen des Beklagten war in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil der Beklagte Kolleginnen sowie seine Dienstvorgesetzte bestohlen und er diese Diebstähle auf dem Schulgelände begangen hat.
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3. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Der Senat geht von einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus, der eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gebietet. Die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls erlauben keine mildere Bewertung des Dienstvergehens.
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3.1 Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Danach ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen. Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Die Gerichte sind verpflichtet, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme anhand einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss deshalb in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).
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Das maßgebende Kriterium der Schwere des Dienstvergehens ist also richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme; das festgestellte Dienstvergehen muss dabei einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten sowie der Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und nach den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach der Form und dem Gewicht des Verschuldens und nach den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte wie insbesondere dem eingetretenen Schaden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
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Bei innerwie bei außerdienstlich von einem Beamten begangenen Straftaten ist die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung des Dienstvergehens zu einer gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahme am jeweils gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Mit der jeweiligen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet dabei die nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung innerwie außerdienstlich begangener Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 17, 19). Dagegen kommt bei einem – wie hier – innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung betroffen ist, dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle oder präjudizielle Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 15).
21
Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht – hier sind es bis zu fünf Jahren (§ 242 Abs. 1 StGB) –, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme grundsätzlich bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20). Danach bildet vorliegend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Ahndung des durch den Beklagten begangenen Dienstvergehens.
22
Die Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies unter Würdigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls (vgl. 3.2) dem Schweregehalt des konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarische Höchstmaßnahme ist deshalb nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Dienstpflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nur gerechtfertigt, wenn die Abwägung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, das Dienstverhältnis mit dem Beamten fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind hierfür die persönlichen Verhältnisse und das Verhalten des Beamten vor, bei und nach der Tat zu berücksichtigen. Ergibt die vorzunehmende Gesamtabwägung, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Beamten ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Diensterfüllung eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 13).
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3.2 So liegt der Fall hier. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten derart schwer wiegt, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und daher die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens wegen der besonderen Umstände des Dienstvergehens geboten ist.
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3.2.1 Bei der Pflicht, Eigentum und Vermögen der Kolleginnen und Kollegen sowie der Dienstvorgesetzten nicht zu schädigen, handelt es sich um die Verletzung einer leicht einsehbaren Kernpflicht und selbstverständlichen Grundpflicht eines Beamten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt (UA S. 15 unter 4.3.1), dass der Beklagte das in ihn gesetzte Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit in grober Weise verletzt hat. Sein Verhalten zeugt auch nach Auffassung des Senats von einer beamtenunwürdigen Haltung und führte zu einer empfindlichen Störung des Betriebsklimas innerhalb der Schule, der der Beklagte zugewiesen war. Dem Kollegendiebstahl kommt erhebliches Gewicht zu, weil die in einer Dienststelle zusammenarbeitenden Beschäftigten sich hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte jederzeit auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen verlassen können müssen. Gleichermaßen muss auch der Dienstherr unbedingt und ausnahmslos darauf vertrauen können, dass ein Beamter die ihm mit der alltäglichen Zusammenarbeit unvermeidbar eröffneten Zugriffsmöglichkeiten nicht für strafbare Handlungen ausnutzt. Ein Diebstahl zum Nachteil von Kollegen und Dienstvorgesetzten vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise.
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Betrachtet man die Umstände der Tatbegehung, fällt – wie es das Verwaltungsgericht zu Recht annahm – zudem erschwerend ins Gewicht, dass der Beklagte den Umstand ausgenutzt hat, dass er als Systembetreuer die Möglichkeit besaß, unauffällig, ohne Nachfragen befürchten zu müssen, den auf dem Schulgelände aufgestellten Container sowie das Büro der Sonderschulrektorin zu betreten. Der festgestellte Tatverlauf weist eine erhöhte kriminelle Energie auf, da der Beklagte nicht nur zufällige Gelegenheiten spontan ausgenutzt, sondern die Abwesenheit seiner Kolleginnen und Vorgesetzten abgepasst sowie sich die Abgeschiedenheit der Klassenzimmer der Kolleginnen planvoll zu Nutze gemacht hat, um die verschlossenen Klassenzimmer unter Einsatz seines Dienstschlüssels zu öffnen. Seine eigenen Einlassungen deuten zudem darauf hin, dass er seine Straftaten regelmäßig fortgesetzt hätte, wäre er nicht festgenommen worden. Er selbst gab an (Gutachten S. 10, Strafakte S. 82), es sei ihm „um den Akt des Entwendens gegangen“. Das habe ihm einen „Kick“ gegeben. Es habe sich bei ihm immer „um die Verluste der Aktiengeschäfte gedreht, wie er diese Verluste reinholen solle“ (Gutachten S. 17 – Strafakte S. 89).
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Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Beamte als Lehrer den Erziehungsauftrag hat, Kinder und Jugendliche mit der Wertordnung des Grundgesetzes vertraut zu machen und sie zur Einhaltung der Gesetze anzuhalten. Die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler in jeder Hinsicht zu fördern, sie zu umfassend gebildeten Menschen zu erziehen und dabei dem in Art. 131 BV unter Benennung einzelner Ziele genannten Bildungsauftrag gerecht zu werden, ist schulische Aufgabe (Art. 1, 2 BayEUG). Insofern hat der Beklagte in eklatanter Weise verstoßen seine Vorbildfunktion verletzt (vgl. BayVGH, U.v. 16.12.1998 – 16 D 98.897 – juris Rn. 25).
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3.2.2 Ebenfalls zu folgen ist dem Verwaltungsgericht (vgl. UA S. 15 bis 19 unter 4.3.2) darin, dass keiner der von Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe (hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 25 bis 36) durchgreift.
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Die bei 50 Euro liegende Geringwertigkeitsschwelle (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.755 – juris Rn. 50 m.w.N.) ist bei einem Diebstahl von 80 Euro deutlich überschritten. Ein persönlichkeitsfremdes Verhalten liegt im Hinblick auf seine wiederholte und planvolle Tatbegehung nicht vor. Die Annahme einer Augenblickstat kommt wegen des mehrmaligen Fehlverhaltens mit gezielten Vorbereitungshandlungen nicht in Betracht. Auch für den Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen negativen Lebensphase“ fehlt es an dokumentierten Auffälligkeiten des Beklagten im Tatzeitraum. Aufgrund seiner als geordnet zu bezeichnenden finanziellen Verhältnisse scheidet der Milderungsgrund einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage aus.
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Der Beklagte hat sein Fehlverhalten auch nicht vor drohender Entdeckung freiwillig offenbart. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 21 unter 4.3.3), dass der Diebstahl zu Lasten der Schulleiterin in einem milderen Licht erscheinen würde, da der Beklagte diese Tat „aus autonomen Motiven heraus und vor seiner Entdeckung eingeräumt“ habe, teilt der Senat nicht. Aus der Sachverhaltsschilderung der Polizeibeamten vom 24. Oktober 2018 (Strafakte S. 6 ff.), die den Beklagten auf frischer Tat stellten, folgt vielmehr, dass der Beklagte bei seiner Festnahme „nach anfänglichem Zögern“ lediglich die beiden Diebstähle an seinen Kolleginnen einräumte. Die Polizeibeamten schilderten, dass die Schulleiterin, als sie über das Ergreifen des Beklagten informiert wurde, „plötzlich“ mitgeteilt habe, dass ihr am Vortag ebenfalls mindestens ein 50-Euro-Schein aus ihrer Geldbörse entwendet worden sei. Der Beklagte sei daraufhin auch mit dem Bargelddiebstahl bei der Schulleiterin am Vortag konfrontiert und zugleich nochmals ordnungsgemäß als Beschuldigter zu seinen Rechten und Pflichten in einem Strafverfahren belehrt worden. Bei der im Anschluss erfolgten Vernehmung habe der Beklagte sodann eingeräumt, dass er alle drei Frauen, also auch die Schulleiterin, mehrmals bestohlen hätte. Gegen eine freiwillige Offenbarung spricht auch, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Festnahme die Entdeckung seiner Diebstahlshandlung zu Lasten der Schulleiterin „konkret“ befürchten musste, so dass er nicht mehr aus freien Stücken und eigenem Antrieb handelte. Hinzu kommt, dass ein entsprechender Tatnachweis auch ohne Zutun des Beklagten wohl leicht zu führen gewesen wäre. Nachdem die Schulleiterin den Diebstahl eines 50-Euro-Scheins bemerkt hatte, konnte eine Verwaltungsangestellte bereits am Tag vor der Festnahme des Beklagten bestätigen, dass sich dieser im Zimmer der Schulleiterin aufgehalten habe, um an deren Computer angeblich „etwas zu richten“ (Beiakte 7, S. 1 Rückseite).
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Zu Gunsten des Beklagten ist zwar grundsätzlich sein positives Nachtatverhalten zu berücksichtigen. Er war im Straf- und auch im Disziplinarverfahren geständig und hat seine Reue über seine Taten zum Ausdruck gebracht, insbesondere in seinem zeitnah nach Aufdeckung der Taten verfassten Schreiben an die Schulleitung vom 29. Oktober 2018 (Strafakte S. 45 f.). Außerdem hat er jeder Geschädigten einen pauschalen Betrag von 100 Euro erstattet. Allerdings stellt die – hier ebenfalls erst nach der Tataufdeckung erfolgte – Wiedergutmachung des Schadens durch Rückzahlung der gestohlenen Geldbeträge keinen beachtlichen Milderungsgrund dar. Hierzu ist der Beamte ohnehin zivil- und beamtenrechtlich verpflichtet (BayVGH, B.v. 26.10.2022 – 16a D 21.2136 – juris Rn. 50; BVerwG, U.v. 29.8.2001- 1 D 8.00 – juris Rn. 69; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Aug. 2022, MatR II Rn. 324d).
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Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Dabei stützt sich der Senat – wie auch schon das Verwaltungsgericht – maßgeblich auf das im Strafverfahren eingeholte Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht Bamberg vom 1. Juli 2019. Darin nimmt der Gutachter ausführlich zu den im Entlassungsbericht des Klinikums M. vom 11. Februar 2019 gestellten Diagnosen Zwangsstörung ICD-10 F.42.9 sowie Kleptomanie ICD-10 F63.2 sowie zum Befundbericht des Dr. D. vom 6. November 2018, in dem in Bezug auf den Beklagten eine mittelgradige depressive Episode ICD-10 F32.1 und der Verdacht auf pathologisches Stehlen attestiert wird, Stellung. Auf Nachfrage der Disziplinarbehörde teilten die den Beklagten behandelnden Ärzte des Klinikums B. mit, dass sie keine Angaben zu der Frage machen könnten, ob der Beklagte im Oktober 2018 außerstande gewesen sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen und dieser Einsicht folgend zu handeln. Dies sei eine gutachterliche Frage, die sie als behandelnde Ärzte nicht beantworten könnten (vgl. Schr. v. 26.5.2020 – DA S. 132). Weder die im Disziplinarverfahren (Schr. v. 5.10.2020 – DA S. 213 ff.) vorgetragenen Einwände noch der während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegte Befundbericht der Dipl.-Psych. und Psych. Psychotherapeutin D. v. 26. Juli 2021 (VG-Akte S. 83) vermögen das Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes vom 1. Juli 2019 in Zweifel zu ziehen. Er verhält sich schon nicht zur Frage der Schuldfähigkeit. Vielmehr beschränkt er sich auf die Schilderung der Therapie und des Therapieerfolges. Eine Auseinandersetzung mit dem gerichtlichen Gutachten erfolgt nicht ansatzweise. Das im Strafverfahren eingeholte Gutachten weist keine erkennbaren Mängel auf. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruhe, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sei, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthalte oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gebe, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfüge oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert werde, zeigt der Beklagte nicht auf. Das Gutachten setzt sich mit den vorgelegten privatärztlichen Attesten und familiärer Vorbelastung eingehend auseinander. Unzulässige juristische Bewertungen sind ihm nicht zu entnehmen.
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Bei der Schwere des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können weder die fehlende Vorbelastung noch die dienstlichen Leistungen zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27). Zumal der Beklagte weitgehend lediglich durchschnittliche dienstliche Leistungen erbracht hat. Die dienstliche Beurteilung 2022 (VGH-Akte S. 57 ff.) schließt wie die dienstliche Beurteilung 2018 mit dem Gesamturteil: „HM“ (Note 5 von 7) ab. Darin heißt es „[Der Beklagte] ist eine Lehrkraft, die bei angemessenem Einsatz ihrer Kräfte ihre Aufgaben in der Regel ordnungsgemäß erledigt und die ihr in der Schule üblicherweise begegnenden Probleme aufgrund solider Berufskenntnisse im Wesentlichen löst…“. Zwar hat sich der Beklagte im Vergleich zu seiner Vorbeurteilung unter dem Einzelmerkmal „Zusammenarbeit“ von „IU“ (Note 7 von 7) auf „VE“ (Note 4 von 7) verbessert. Insgesamt bewegen sich die Leistungen des Beklagten jedoch auf allenfalls durchschnittlichem Niveau.
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Vor diesem Hintergrund kann der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 14 unter 4.3) nicht teilen, dass insbesondere die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens nicht dazu führen würde, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hätte. Das Verwaltungsgericht selbst stellt fest (UA S. 21 unter 4.3.4), dass das in Bezug auf den Beklagten erstellte Persönlichkeitsbild eher gegen den Beklagten spreche, und sich nur „vereinzelte“ positive Aspekte sich in diesem Persönlichkeitsbild finden ließen. Dass eine „Verlässlichkeit in der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte vorhanden“ sei (Persönlichkeitsbild v. 26.2.2019) stellt eine Selbstverständlichkeit im dienstlichen Verhalten eines Beamten und keine besonders positive Charaktereigenschaft dar. Sein Engagement für das Wohl der Allgemeinheit als langjähriger Rettungssanitäter bei der Bergwacht F. erweist sich ohne dienstlichen Bezug. Auch dieses ist nicht geeignet, die mit dem Dienstvergehen einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung aufzuwiegen.
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Eine durchgreifende Berücksichtigung der offenbar auf eigene Initiative begonnenen therapeutischen Aufarbeitung scheidet aus, wenn – wie hier – auf diese Weise der vollständige Vertrauens- und Autoritätsverlust nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BVerwG, B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11 – juris Rn. 17). Der aufgrund des schweren Dienstvergehens erlittene Vertrauensverlust des Beamten ist ungeachtet einer positiv verlaufenden Therapie nicht mehr reparabel. Die allein zur eigenen Bereicherung begangenen Straftaten haben das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten dauerhaft zerstört.
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3.2.3 Die bei Zugriffsdelikten anerkannten Milderungsgründe stellen aber keinen abschließenden Kanon der berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Dem Eingreifen eines anerkannten Milderungsgrundes steht es – wie das Verwaltungsgericht noch zu Recht erkannt hat (UA S. 19) – gleich, wenn bemessungsrelevante mildernde bzw. belastende Umstände feststehen oder dem Beamten nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu Gute kommen, die in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines Milderungsgrundes kompensieren können. Das Gewicht derartiger Entlastungsgründe muss umso größer sein, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Geldbetrags oder des Wertes der veruntreuten Gegenstände, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen und der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderer belastender Umstände wiegt. Je weniger die Höhe des Geldbetrags oder der Wert des Gegenstands die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, desto geringer kann das Gewicht der Entlastungsgründe sein, um die Indizwirkung der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei einem sog. Zugriffsdelikt zu entkräften. Jedenfalls kommt bei einem einmaligen Zugriff mit einem begrenzten Schaden in Betracht, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn keine belastenden Umstände von erheblichem Gewicht hinzukommen. Der Schaden ist begrenzt, wenn die Höhe des Geldbetrags oder der Wert des Gegenstands insgesamt 200 Euro nicht erreicht (BVerwG, B.v. 26.3.2014 – 2 B 100.13 – juris Rn. 7; U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 15; B.v. 23.2.2012 – 2 B 143.11 – juris Rn.13, BayVGH, U, v. 18.3.2015 – 16a D 14.755 – juris Rn. 54).
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Vorliegend ist aber entgegen der Auffassung des Beklagten und der Erstinstanz schon nicht von einem einmaligen Zugriff des Beklagten auszugehen. Seine Handlungen sind nicht etwa allein deshalb als ein Vorgang zu bewerten, weil sie in einem eng begrenzten Zeitraum von zwei Tagen begangen wurden. Vielmehr handelt es sich bei den Diebstählen um „drei selbstständige Handlungen … strafbar als Diebstahl in drei tatmehrheitlichen Fällen gemäß §§ 242 Abs. 1, § 248a, 52 StGB“ (vgl. Strafbefehl S. 2 – Strafakte S. 50). Die Taten des Beklagten waren keine unselbstständigen Teilakte oder nur ein Beitrag zu einer einzigen Handlung, die keine Zäsur erlauben würden. Den Taten lag vielmehr ein jeweils eigener Tatentschluss, unterschiedliche Tatzeiten, Tatorte und unterschiedliche Vorgehensweisen zugrunde. Besonders deutlich wird dies bei dem völlig neuen Tatgeschehen im Rahmen des Diebstahls zu Lasten der Schulleiterin. Vor diesem Hintergrund kann nicht die Rede sein, dass „ein natürlicher Vorgang künstlich aufgespalten“ (Berufungserwiderung v. 22.4.2022 S. 2 – VGH-Akte S. 41 Rückseite) werde; im Gegenteil würden bei der Betrachtungsweise des Beklagten unterschiedliche Handlungsstränge zu einer Tathandlung künstlich zusammengeführt werden. Der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.11.1992 – 1 D 66.91 – juris Rn. 18) lag – wie der Klägervertreter zu Recht ausführt – ein auf das hiesige Verfahren nicht übertragbarer Sachverhalt zugrunde, bei dem ein als Paketzusteller eingesetzter Beamter im Rahmen der Zustellung vereinnahmte Nachnahme- und Zustellgebühren in drei Fällen nicht mit der Postkasse abgerechnet hatte. Die insofern angenommene Unterschlagung ist jedoch anders zu bewerten als die dem Beklagten vorgeworfenen Diebstähle, da es dort nur einen Geschädigten gab, nämlich den Dienstherrn, während der Beklagte drei verschiedene Personen geschädigt hat. Die Unterschlagung erschöpfte sich zudem in einer unterlassenen Abrechnung, während der Beklagte in drei Fällen aktive Wegnahmehandlungen an unterschiedlichen Orten innerhalb des Schulgebäudes vorgenommen hat. Auch aus der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 19.6.2006 – 16b D 05.1555 – juris Rn. 5) ergibt sich nichts Anderes, denn die Beamtin hat in diesem Fall tatsächlich nur einmalig einem Zimmerkollegen einen 20-Euro-Schein aus der Geldbörse entwendet.
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Zudem stehen belastende Umstände von erheblichem Gewicht der Annahme des Entlastungsgrundes entgegen. Auch hierbei müssen alle bemessungsrelevanten be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und in die Bemessungsentscheidung eingestellt werden. Die Umstände seiner Tatbegehung belasten den Beklagten in erheblicher Weise. Seine Funktion als Systembetreuer nutzte der Beklagte zielstrebig aus, um im Verborgenen zu handeln. Der festgestellte Tatverlauf weist eine erhöhte kriminelle Energie auf (s.o.). Hinzu kommt sein planvolles Vorgehen, das darauf gerichtet war über einen längeren Zeitraum immer wieder kleinere Beträge aus den Geldbörsen seiner Kolleginnen und seiner Dienstvorgesetzten zu entwenden. Gerade der Diebstahl des 50-Euro-Scheins aus der Geldbörse der Schulleiterin, die sich in der in ihrem Büro im Garderobenschrank verwahrten Handtasche befand, zeugt von einer besonderen Dreistig- und Skrupellosigkeit, da der Beklagte jederzeit mit dem Erscheinen der Vorzimmerkraft rechnen musste. Hinzu kommt, dass der Beklagte „das Ganze (…) seit ca. einem Monat“ machte (Beschuldigtenvernehmung v. 25.10.2018 – Strafakte S. 29). Der Gerichtsgutachterin gegenüber bestätigte er (Gutachten v. 1.7.2019, S. 17 – Strafakte S. 89) „insgesamt fünfmal geklaut [zu haben], ca. 200 bis 300 EUR“. Er selbst (Strafakte S. 46) bezifferte die „Beträge, die [er] unrechtmäßig entwendet habe“ auf: „1.) [Sonderschulrektorin]: 30 € (am 25.10.2018 weitere 70 € übergeben worden) 2.) [Kollegin B.]: 100 € 3.) [Kollegin M.]: 100 €“. Wenn ein Beamter aber über einen längeren Zeitraum immer wieder auf kleinere Beträge zugreift, ist die Vertrauensgrundlage regelmäßig zerstört (BVerwG, U.v. 24.11.1992 – 1 D 66.91 – juris – Rn. 17). Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG steht einer Berücksichtigung dieser eingeräumten Tatumstände in diesem Zusammenhang nicht entgegen. Denn die dem Gericht – etwa durch die Behördenakten oder im Rahmen einer Beweiserhebung – bekannt gewordene zumessungsrelevante Umstände (wie hier die von ihm selbst eingeräumten darüberhinausgehenden Taten) können vom Gericht im Rahmen der Zumessungserwägungen nach Art. 14 BayDG, etwa bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten sowie im Rahmen aller bemessungsrelevanten be- und entlastenden Gesichtspunkte, ohne Weiteres berücksichtigt werden (vgl. Urban in Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 60 Rn. 12; BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 22). Auch der Umstand, dass ein Beamter seine Kollegen bestiehlt, dadurch das Betriebsklima vergiftet und den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise stört, findet als belastender Umstand Berücksichtigung. Die vor der Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Aufgabe der Rechtsprechung zur Figur der „Regeleinstufung“ U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19) ergangene Entscheidung des Senats zum Milderungsgrund der Geringwertigkeit (BayVGH, B.v. 19.6.2006 – 16b D 05.1555 – juris Rn. 43) steht dem nicht entgegen.
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Bei einer Gesamtwürdigung aller den Beamten be- und entlastenden Umstände kann daher von der nach Art und Schwere des einheitlichen Dienstvergehens indizierten Höchstmaßnahme nicht abgewichen werden.
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4. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig.
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Die verhängte disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Sie beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16a D 19.2270 – juris Rn. 52; U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.2087 – juris Rn. 66).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).