Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.10.2023 – 1 ZB 23.688 , 1 ZB 23.690
Titel:

Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Destilleriegebäude mit Scheune und Stallgebäude

Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Maßgeblich für die Auslegung des Merkmals "Dienen" iSd § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Frage, ob ein Destilleriegebäude mit einer Scheune sowie ein Stallgebäude einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Überraschungsentscheidung liegt erst dann vor, wenn das Gericht einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachträgliche Baugenehmigung für bereits errichtete Gebäude, Einschränkung der Privilegierung durch das Merkmal „Dienen“, Sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Beeinträchtigung öffentlicher Belange, nachträgliche Baugenehmigung für bereits errichtete Gebäude, Einschränkung der Privilegierung durch das Merkmal "Dienen", sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Destilleriegebäude, landwirtschaftlicher Betrieb, Überraschungsentscheidung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 26.01.2023 – M 11 K 19.4339 , M 11 K 19.4336
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29862

Tenor

I. Die Verfahren 1 ZB 23.688 und 1 ZB 23.690 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Klägerin zu 1 trägt 2/3 der Kosten der Zulassungsverfahren, der Kläger zu 2 1/3. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird auf insgesamt 35.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin zu 1 begehrt im Verfahren 1 ZB 23.688 die (nachträgliche) Genehmigung für die bereits errichteten Gebäude „Alte Schmiede“ (FlNr. ...) und Scheune (FlNrn. …, …, ...) sowie für die Nutzungsänderung eines Gebäudes vom Rinderunterstand zu einem Raum für Weidezubehör (FlNr. ...); im Zulassungsverfahren 1 ZB 23.690 verfolgt der Kläger zu 2 die Genehmigung für einen Anbau an eine bestehende Stallung zur überdachten Lagerung von Futtermitteln (FlNr. …, jeweils Gemarkung H* ...).
2
Die Vorhabengrundstücke, auf denen eine landwirtschaftliche Hofstelle betrieben wird, befinden sich auf einem größeren Grundbesitz im Gebiet der Beigeladenen im Landschaftsschutzgebiet „Starnberger See – Ost“ (nachfolgend „LSG-VO“). Die gegen die Anordnung der Beseitigung der „Alten Schmiede“ und der Scheune gegenüber Herrn Dr. G. als Grundstückseigentümer und Veranlasser der Baumaßnahmen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 29. Januar 2015 (M 11 K 14.4830 und M 11 K 14.4836) jeweils ruhend gestellt. Die Verfahren wurden von den Beteiligten bislang nicht fortgesetzt. Die daraufhin in den Jahren 2014 (modifiziert 2016) und 2017 gestellten Bauanträge lehnte das Landratsamt jeweils mit Bescheiden vom 19. Juli 2019 ab.
3
Die dagegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht jeweils mit Urteil vom 26. Januar 2023 abgewiesen. Ob die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB erfüllt seien, könne offen bleiben, weil die Vorhaben jedenfalls nicht einem solchen Betrieb dienten. Als sonstige Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigten sie öffentliche Belange. Selbst bei einer – unterstellten – Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB seien die Vorhaben aufgrund ihrer Lage im Geltungsbereich der LSG-VO nicht genehmigungsfähig, da ihnen öffentliche Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) entgegenstünden.
4
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung. Die jeweiligen Vorhaben seien „dienlich“ im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, öffentliche Belange seien nicht beeinträchtigt. Auch stehe die Lage der Vorhaben im Geltungsbereich der LSG-VO der Genehmigungsfähigkeit nicht entgegen.
5
Der Beklagte beantragt,
die Anträge abzulehnen.
6
Die Beigeladene äußerte sich nicht.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
8
Die Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
9
Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Vorbringen der Kläger legt hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der beantragten Vorhaben keinen Zulassungsgrund dar.
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Die Richtigkeit der Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach die Vorhaben (Destilliergebäude, Scheune, Nutzungsänderung des Stallgebäudes und Anbau an eine Stallung) jedenfalls nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), greifen die Kläger nicht substantiiert an.
12
Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist. Da aber auch nicht verlangt werden kann, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, bilden die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Maßgeblich ist innerhalb dieses Rahmens, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2012 – 4 B 56.12 – juris Rn. 4; U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401; U.v. 16.5.1991 – 4 C 2.89 – NVwZ-RR 1992, 400; BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl 2019, 562; U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2509 – BayVBl 2018, 168). Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion nach den objektiven Gegebenheiten ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 – 4 B 254.92 – juris Rn. 5; U.v. 16.5.1991 a.a.O.).
13
1.1 Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ in Bezug auf das sog. Destilleriegebäude auf dem Grundstück FlNr. … zu Recht darauf abgestellt, dass das Gebäude – auch im reduzierten Umfang des Antrags aus dem Jahr 2016 – aufgrund der Gestaltung und Ausstattung mit massiv gemauerten Außenwänden mit Mauersäulen und einer großflächigen Fensterfront sowie einem funktionslosen Mühlenrad auf der südlichen Gebäudeseite von einem vernünftigen Landwirt so nicht erstellt worden wäre und durch die Zuordnung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb äußerlich nicht erkennbar geprägt wird. Die Kläger, die die Baulichkeit des Gebäudes und die (kostenintensive) Versetzung des historischen Mühlengebäudes an den heutigen Standort nicht in Frage stellen, führen dazu lediglich klarstellend aus, dass die Landwirtschaft tatsächlich vom Kläger zu 2 betrieben werde und eine (zu berücksichtigende) Kostenübernahme der Klägerin zu 1 als juristische Person nicht vorliege. Die damit thematisierte Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, hat das Verwaltungsgericht jedoch offen gelassen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Es hat weiter zu Recht darauf abgestellt, dass das bereits vorhandene Gebäude für die Frage der Dienlichkeit nicht im Sinn einer Schonung des Außenbereichs berücksichtigt werden kann, weil die Versetzung des Gebäudes ohne die entsprechende Baugenehmigung erfolgte. Auch die 2014 beantragte (umfangreichere) Version des Gebäudes ist im Hinblick auf die geplante Nutzung als „Show-Room + Demo / Hofverkauf / Verköstigung samt Bayerischem Brotbackofen“ nicht „dienlich“, zumal eine Hofvermarktung auf dem nicht für die Allgemeinheit zugänglichen Gelände nicht erkennbar ist und nach den vorliegenden Planunterlagen eine für einen landwirtschaftlichen Betrieb untypische hochwertige Ausführung mit bodentiefen Fenstern auf der Westseite vorgesehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2022 – 1 ZB 22.597 – juris Rn.15). Eine Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts (UA Rn. 56 – 58) enthält das Zulassungsvorbringen nicht. Es erschöpft sich vielmehr in Ausführungen zum aktuellen und einem nicht näher dargelegten künftigen Bestand an Ackerflächen für den Obstbaubetrieb G* …hof nach Betriebserweiterungen, die die Frage der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung betreffen und für die Frage des „Dienens“ nicht entscheidungserheblich sind, sowie der Fortführung einer alten Tradition des Obstanbaus. Es kommt daher nicht mehr maßgebend auf die im Zulassungsvorbringen geltend gemachte fehlende Aufklärung in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht angeführten Mängel hinsichtlich einzelner Stellungnahmen des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an.
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1.2 Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die (Obst-)Scheune, die mangels Vorliegens einer Baugenehmigung wie eine Neuerrichtung zu behandeln ist, sowie die „Nutzungsänderung“ Stallgebäude nicht dienlich im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen. Die Scheune steht – davon gehen auch die Kläger aus – in einem untrennbaren räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit dem Destilleriegebäude. Zur Frage der Dienlichkeit der Nutzungsänderung enthält das Zulassungsvorbringen keine Ausführungen, sodass dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht genügt wird.
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1.3 Ohne Erfolg wendet sich das Zulassungsvorbringen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass auch der Anbau an die bestehende Stallung nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Das Verwaltungsgericht ist nach der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 13. November 2018 zutreffend davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den gegenwärtigen Organisationsumfang der Tierhaltung (unterstellte Viehzahl von 50 GV, einem Bedarf an Lagerfläche von ca. 650 m², einem vorhandenen Lagervolumen in den Stadeln im Außenbereich von ca. 500 m² sowie in der genehmigten Lagerhalle auf dem Grundstück FlNr. … von ca. 136 m²) kein weiterer Lagerbedarf für Futtermittel erforderlich ist. Soweit die Kläger eine Dienlichkeit aus einer geplanten und zukünftigen Verdoppelung des Rinderbestands behaupten, fehlt es an einer hinreichend substantiierten Darlegung. Insoweit trägt der Bauherr die Nachweislast, als Landwirt in den Genuss der gesetzlichen Privilegierung zu kommen (vgl. BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – BauR 1999, 733). Zudem sind die Kläger dem wiederholten Vortrag des Beklagten, dass keine neuen Betriebsgebäude genehmigt worden seien, die die Unterbringung des geltend gemachten künftigen Tierbestands zuließen, nicht entgegengetreten. Soweit die Kläger geltend machen, dass es sich um einen bloßen Anbau handle, der den Außenbereich mehr schone als eine Neuerrichtung, überzeugt dies nicht. Denn die Kläger müssen sich so behandeln lassen, als ob an dem geplanten Standort erstmals ein Gebäude errichtet werden soll, weil für den Bestand mit Bescheid des Landratsamts vom 2. Dezember 2013 eine Beseitigungsverfügung erlassen wurde, die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Dezember 2015 (1 ZB 14.2623) rechtskräftig geworden ist. Ein Bauantrag für den noch vorhandenen südlichen Gebäudeteil, an den der geplante Anbau erfolgen soll, liegt nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten nicht vor. Im Übrigen beschränkt das Zulassungsvorbringen sich darauf, die eigene – gegenteilige – Auffassung des Klägers zu wiederholen. Damit werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht dargelegt.
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1.4 Die Vorhaben sind als nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben nach § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BauGB nicht zulässig. Dabei genügt bereits die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs. Die Kläger müssen sich im Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 BauGB so behandeln lassen, als wenn sie an den vorgesehenen Stellen erstmalig Gebäude errichten wollten. Die Ausweitung des Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) öffentliche Belange. Ein Ausnahmefall einer siedlungsstrukturell nicht zu missbilligenden Außenbereichsbebauung liegt hier nicht vor. Soweit geltend gemacht wird, dass bei Zulassung der Vorhaben weitere ähnliche Vorhaben im Außenbereich verhindert werden könnten, gehen sie selbst davon aus, dass die Vorhaben befürchten lassen, dass weitere Bauwünsche im näheren oder weiteren Umfeld des Baugrundstücks oder auf dem Baugrundstück selbst aufkommen. Es ist nicht erst nach Zulassung der Vorhaben der Kläger die Aufgabe der Bauleitplanung oder einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen und zu lenken (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 – BauR 2000, 1175; U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – NVwZ 1985, 747). Der aufgrund des Eindrucks des gerichtlichen Augenscheins getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Vorhaben – unabhängig von der Lage im Landschaftsschutzgebiet – die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen, werden bereits keine substantiierten Einwendungen entgegengesetzt. Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich dazu auf die ergänzenden – nicht entscheidungstragenden – Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Vereinbarkeit der Vorhaben mit der LSG-VO bei unterstellter Privilegierung der Vorhaben. Der Begriff der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB betrifft jedoch nicht die durch eine Landschaftsschutzverordnung verbotene „nachteilige Veränderung des Landschaftsbildes oder sonstige Beeinträchtigungen der natürlichen Eigenart der Landschaft“; das Schutzgut des öffentlichen Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB ist nicht das Landschaftsbild, sondern die naturgegebene Bodennutzung (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.1994 – 4 B 33.94 – ZfBR 1994, 193).
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2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird behauptet, aber nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
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Die im Zulassungsvorbringen gestellten Rechtsfragen,
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ob und wie die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft [und Forsten] am verwaltungsprozessualen Verfahren zu beteiligen sind und welche Bedeutung ihrer Stellungnahme beizumessen ist bzw. wann das Gericht eine eigene Sachkunde annehmen und die Beteiligung und Anhörung des AELF unterlassen kann,
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zeigen bereits einen rechtlichen Klärungsbedarf dieser Fragen nicht auf. Die Ausführungen im Zulassungsvorbringen unter Hinweis auf die Handhabung der Beteiligung anderer Fachstellen und Behörden in Genehmigungsverfahren, die fachspezifischen Stellungnahmen hätten in den vorliegenden Verfahren eine zentrale Rolle eingenommen und seien von besonderer praktischer Bedeutung, reichen nicht aus. Soweit die zweite Frage auf eine unterlassene Beteiligung des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten abzielt, fehlt es ebenfalls an der Entscheidungserheblichkeit, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Im Übrigen können die Fragen nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise, sondern regelmäßig nur anhand der jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände beantwortet werden.
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3. Auch die behaupteten Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt.
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3.1 Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) eine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das Verwaltungsgericht habe die Erörterung der Sach- und Rechtslage auf die Betriebseigenschaft der Landwirtschaft verengt und im Verfahren über mehrere Monate hinweg den Eindruck erweckt, dass es nur um diese Frage gehe. Es sei daher überraschend, dass diese Frage dahinstehen könne.
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Diese Ausführungen legen keinen Gehörsverstoß dar. Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt erst dann vor, wenn das Gericht einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr vgl. BVerwG, B.v. 29.9.2015 – 7 B 22.15 – jurs Rn. 9 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Thematik des „Dienens“ im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB war Gegenstand des Verfahrens. Die Kläger hatten Gelegenheit sich hierzu zu äußern und haben dies ausweislich der Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren auch getan (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.1991 – 8 C 106.89 – juris 8). Insbesondere wurde nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 30. November 2022 nochmals ausführlich zu der Frage des „Dienens“ vorgetragen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht zunächst mit der Frage des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Betriebs befasst hat. Die abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2010 – 5 B 21.09 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 19.4.2021 – 1 ZB 19.61 – juris Rn. 13).
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Auch in Bezug auf die geltend gemachte nicht gewährte Akteneinsicht in die Akte des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten liegt ein Verfahrensfehler nicht vor. Hinsichtlich des Begehrens der Kläger, nach der Gerichtsverhandlung möglicherweise neu gefasste Schreiben o.ä. einzusehen, hat das Verwaltungsgericht den Bevollmächtigten der Kläger mitgeteilt, dass nach Auskunft des Landratsamts und Rücksprache mit dem Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten keine weiteren Akten angefallen sind und auch sonst kein weiterer Austausch mit der Fachbehörde stattgefunden hat. Die daran anschließenden Schreiben des Verwaltungsgerichts (Gewährung einer Frist zur letztmaligen Stellungnahme und Nachforderung von Unterlagen) sowie das Schreiben der Bevollmächtigten der Kläger vom 30. November 2022 lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht Anlass zur Änderung seiner diesbezüglichen Auffassung gehabt haben müsste. Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht hinsichtlich der gerügten Bezugnahme auf frühere Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs aus den Jahren 2014 und 2015 vor, in denen Zweifel an dem Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs geäußert wurden. Denn die vorhandenen Kenntnisse beschränken sich darauf, dass die Kläger insoweit anderer Auffassung waren und sind.
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3.2 Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler in Form der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) nicht vor. Soweit die Kläger rügen, die Frage des „Dienens“ könne nicht beantwortet werden, sofern – wie hier – das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs bezweifelt werde, übersehen sie, dass die Frage des „Dienens“ keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2012 – 1 ZB 09.2111 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht konnte aufgrund der vorliegenden Unterlagen und des Eindrucks aus dem Augenschein selbst zu der Schlussfolgerung kommen, dass die jeweiligen Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb jedenfalls nicht dienlich sind. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich daher nicht aufdrängen. In der Sache wenden sich die Kläger mit der Rüge eines Verfahrensfehlers gegen die aus ihrer Sicht unrichtige Bewertung des Sachverhalts. Hierauf kann ein Verfahrensfehler nicht gestützt werden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie sich in den Zulassungsverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Addition der jeweils vom Verwaltungsgericht festgesetzten Beträge.
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Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).