Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 14.09.2023 – 3 Ta 180/23
Titel:

Begründung von Wertfestsetzungsentscheidungen nach § 33 RVG

Normenketten:
RVG § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2, § 33
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 6, § 572 Abs. 3
Leitsätze:
Ein Gegenstandswertbeschluss bedarf einer Begründung, wenn die Angaben der am Wertfestsetzungsverfahren Beteiligten zur Höhe des Gegenstandswerts voneinander abweichen und das Gericht den Wert nach § 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG bestimmt.  (Rn. 8 – 11)
Soweit Beschlüsse - wie u.a. Wertfestsetzungsentscheidungen nach § 33 RVG - einem Rechtsmittel unterliegen, sind sie zu begründen. Eine Ausnahme vom Begründungszwang besteht lediglich dann, wenn sich die Begründung ohne weiteres aus dem Streitstoff ergibt, dh die Streitwertfestsetzung ohne weiteres verständlich ist (Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2006, 40387). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Begründung von Gegenstandswertbeschlüssen, Beschluss, Gegenstandswert, Begründungspflicht, Wertfestsetzung, Rechtsanwaltsvergütung
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 31.07.2023 – 33 BV 29/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29855

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 31.07.2023 – 33 BV 29/23 – aufgehoben.
2. Dem Arbeitsgericht München wird aufgegeben, den Gegenstandswertfestsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 – unter Beachtung der in den nachfolgenden Beschlussgründen dargelegten Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts – erneut zu bescheiden.
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.
1
Im Ausgangsverfahren stritten die Beteiligten über die Arbeitsbefreiung des Betriebsratsvorsitzenden zum Zwecke der Teilnahme an dem Seminar „Betriebsratsvorsitz Tel 1“ vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 (Antrag zu 3.) sowie die Freistellung von den Schulungskosten (Antrag zu 1.) und Unterbringungs- und Verpflegungskosten (Antrag zu 2.).
2
Das Verfahren wurde gem. § 83 a Abs. 2 und 3 ArbGG eingestellt.
3
Mit Schreiben vom 28.06.2023 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 beantragt, den Gegenstandswert nach § 33 RVG auf 7.380,00 € festzusetzen. Der Antrag zu 3. sei mit 5.000,00 € (Hilfswert) zu bewerten. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben hörte das Arbeitsgericht München die Beteiligten und die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 mit Schreiben vom 12.07.2023 unter Fristsetzung von zehn Tagen an. Durch Beschluss vom 31.31.07.2023 hat es den Gegenstandswert gem. § 33 RVG auf 7.380,00 € festgesetzt. Der Beschluss enthielt keine Begründung.
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Am 01.08.2023 ging beim Arbeitsgericht München die Stellungnahme der Beteiligten zu 3 ein, in der unter Hinweis auf die Entscheidung des LAG Köln vom 10.10.2016 – 2 Ta 217/16 – vertreten wurde, dass der Gegenstandswert auf 3.540,00 € festzusetzen sei, da sich die Gehaltszahlung des Beteiligten zu 2 im streitgegenständlichen Zeitraum auf ca. 1.000,00 € beliefe. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 vertraten hierzu mit Schriftsatz vom 09.08.2023 die Auffassung, dass mit dem Antrag zu 3 eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vorliege.
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Durch Beschluss vom 28.08.2023 hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde der Beteiligten zu 3, als die es das Schreiben vom 01.08.2023 auslegte, nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Der Antrag zu 3 betreffe entgegen der zitierten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand, so dass das gerichtliche Ermessen gem. § 23 Abs. 3 RVG iSd Hilfswerts habe ausgeübt werden können.
II.
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Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte und zulässige, weil form- und fristgerecht nach § 33 Abs. 3 S. 3, §§ 569 Abs. 1, 571 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegte Beschwerde ist begründet.
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1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München unterliegt deswegen der Aufhebung, weil das Arbeitsgericht ihn nicht mit Gründen versehen hat.
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a) Beschlüsse, die einem Rechtsmittel unterliegen, müssen grundsätzlich begründet werden, § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 329 Rn. 26; MüKoZPO/Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 329 Rn. 4). Der Betroffene muss die Erwägungen des Gerichts kennen, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen und entscheiden zu können, ob er ein Rechtsmittel einlegen will. Zudem verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) das Gericht, die wesentlichen der Rechtsverfolgung und der Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und die Rechtsausführungen des Betroffenen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. Müller in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2022, §§ 32, 33 RVG Rn. 28 i. V.m. § 63 Rn. 14 m.w.Nachw.). Der Begründungszwang ist deshalb auch bei gerichtlichen Wertfestsetzungsentscheidungen gemäß § 33 RVG zu beachten (vgl. LAG RheinlandPfalz, Beschluss vom 08.12.2005 – 5 Ta 280/05 – unter II. 2 der Gründe; Müller, a.a.O., §§ 32, 33 RVG Rn. 28). Wenngleich der Beschluss nicht auf alles eingehen muss, was die Beteiligten vorgebracht haben, stellen lediglich formelhafte Wendungen, die nicht auf dieses Vorbringen eingehen, regelmäßig keine ausreichende Begründung dar. Das Gericht muss sich zumindest mit den wesentlichen Ausführungen der Beteiligten auseinandersetzen (vgl. MüKoZPO/Musielak, a.a.O., § 329 Rn. 5). Eine Ausnahme vom Begründungszwang besteht lediglich dann, wenn sich die Begründung ohne weiteres aus dem Streitstoff ergibt, d.h. die Streitwertfestsetzung ohne weiteres verständlich ist (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O.; LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Unterbleibt die Begründung im Ausgangsbeschluss, so kann – und muss – das Gericht sie spätestens im Rahmen der Entscheidung über die Abhilfe nachholen (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., Rn. 27 m.w.Nachw.).
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b) Das Arbeitsgericht München hat weder den Wertfestsetzungsbeschluss vom 31.07.2023 noch den Nichtabhilfebeschluss vom 28.08.2023 derart begründet, dass der für den Antrag zu 3 festgesetzte Wert nachvollziehbar ist.
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aa) Ob der Anspruch auf Freistellung zur Schulungsteilnahme als vermögensrechtlicher oder als nichtvermögensrechtlicher Gegenstand zu bewerten ist, ist streitig (vgl. Müller, a.a.O., § 23 RVG Rn. 41). Selbst wenn der Auffassung gefolgt würde, dass es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 23 Abs. 3 RVG handele, hätte im Rahmen der Bewertung nach § 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG abhängig von Anlass und Dauer der Freistellung eine Herauf- oder Herabsetzung des Wertes in Betracht gezogen werden müssen (vgl. Ziff. II. 9.1. Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit; GK-ArbGG/Schleusener, Stand Nov. 2020, § 12 Rn. 445 m.w.Nachw.).
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bb) Das Arbeitsgericht hat die Wertfestsetzung für den Antrag zu 3 nicht begründet. Der Wertfestsetzungsbeschluss 31.07.2023 enthält keine Begründung. Sie wird auch nicht durch das Anhörungsschreiben des Arbeitsgerichts vom 12.07.2023 ersetzt. Dort wird zwar zur Erläuterung auf das Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 von 28.06.2023 Bezug genommen. In diesem wird der Antrag zu 3 ohne Begründung mit 5.000,00 € (Hilfswert) bewertet. Der Nichtabhilfebeschluss vom 28.08.2023 erklärt nicht, warum entgegen der zitierten Rechtsprechung des LAG Köln (Beschluss vom 10.10.2016 – 2 Ta 217/16 –) von einem nichtvermögensrechtlichen Gegenstand auszugehen ist, sondern behauptet dies nur. Das gerichtliche Ermessen, das nach Auffassung des Arbeitsgerichts gem. § 23 Abs. 3 RVG im Sinne des Hilfswerts habe ausgeübt werden können, wird nicht erläutert und ist somit einer Überprüfung durch die Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegericht entzogen. Insbesondere hätte das Arbeitsgericht darlegen müssen, aufgrund welcher Gesichtspunkte es von einer Herabsetzung des Wertes von 5.000,00 € bei einer nur viertägigen Schulung abgesehen hat.
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cc) Deshalb ist der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben. In Anwendung des § 572 Abs. 3 ZPO ist das Wertfestsetzungsverfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung, d.h. insbesondere Nachholung der gebotenen Begründung, an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
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2. Da die Beschwerde Erfolg hat und Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 S. 2 RVG, bedarf es keiner Kostenentscheidung.
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3. Gegen den Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, § 33 Abs. 6 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 RVG.