Titel:
Anspruch auf Löschung von in einer Auslieferungssache erhobenen Daten
Normenketten:
EGGVG § 23, § 26 Abs. 1
StPO § 483, § 484, § 485, § 500 Abs. 1
IRG § 77 Abs. 1
BDSG § 46 Nr. 2, § 58 Abs. 2, § 75 Abs. 2
BGB § 188 Abs. 2 Alt. 1
AufbewahrungsVO vom 29.7.2010
Leitsätze:
1. § 58 Abs. 2 BDSG begründet iVm § 489 StPO als Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung das subjektive Recht des Betroffenen auf Löschung personenbezogener Daten in Dateien der Strafjustizbehörden (ebenso OLG Hamburg BeckRS 2008, 25332). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 484 StPO erlaubt das vorsorgliche Aufbewahren von Daten, die bereits in einem Strafverfahren für dessen Zwecke erhoben wurden, für künftige Strafverfahren. Das Auslieferungsverfahren ist kein Strafverfahren in diesem Sinne. Eine Verwendung von für Zwecke der Rechtshilfe gespeicherten Daten für Zwecke inländischer Strafverfahren ist daher unzulässig. (Rn. 36 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 485 S. 1 StPO erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten in Dateisystemen, soweit dies für Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Aufgabe sonst nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Wesentliche Bestimmungsfaktoren für die Erforderlichkeit der Speicherung sind Datenumfang und Zeitaspekt (ebenso OLG Hamburg BeckRS 2008, 25332). (Rn. 44 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mangels spezieller gesetzlicher Regelungen kann in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich von den in der Aufbewahrungsverordnung geregelten Aufbewahrungsfristen ausgegangen werden. Demgemäß ist die Datenspeicherung zur Vorgangsverwaltung regelmäßig bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfristen erforderlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nichts dafür spricht, dass die Eintragung auch in Zukunft praktische Bedeutung hat und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass die vorhandenen Daten die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern können (ebenso OLG Hamburg BeckRS 2008, 25332). (Rn. 50 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
5. Zur Person des Betroffenen ist die Speicherung von Familienname, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort grundsätzlich ausreichend, da hierdurch eine eindeutige Individualisierung möglich ist und Verwechslungen mit anderen Personen ausgeschlossen werden können (Fortführung von OLG Hamm BeckRS 2010, 29014). An Verfahrensdaten ist bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Speicherung von Aktenzeichen, Eingangsdatum, Tatzeit, Erledigungsart und -datum grundsätzlich ausreichend und somit auch nur erforderlich (Fortführung von OLG Hamm BeckRS 2010, 29014). (Rn. 56 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Justizverwaltungsakt, Buß- und Bettag, Datenverarbeitung, Löschung, Auslieferungsverfahren, Erforderlichkeit, Aufbewahrungsverordnung, Aufbewahrungsfristen, persönliche Daten, Verfahrensdaten
Fundstellen:
BeckRS 2023, 29826
ZD 2024, 117
LSK 2023, 29826
Tenor
1. Der Antrag des … S. auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München vom 20. Oktober 2022 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat aufgrund eines Auslieferungsersuchens der Republik Österreich gegen den Antragsteller unter dem Aktenzeichen 703 Ausl A 358/21 ein Auslieferungsverfahren geführt. Im Verfahrensregister der Generalstaatsanwaltschaft München sind nach deren Auskunft folgende Daten über den Antragsteller gespeichert:
2
Personendaten einschließlich Vor- und Nachname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit;
das Aktenzeichen, unter dem das Auslieferungsverfahren im Jahr 2021 bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführt wurde,
die ersuchende Behörde und deren Aktenzeichen.
3
Zugrunde lag der gegen den Antragsteller erlassene Europäische Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 09.03.2021, der vom Landesgericht Salzburg mit Beschluss vom 10.03.2021 befristet bis 01.04.2021 bewilligt worden war. Diesem lag wiederum eine Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 08./09.03.2021 (St 78/18 H) wegen des dringenden Tatverdachts des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1, zweiter und dritter Fall und Abs. 4 Ziffer 2 und 3 SMG (Suchtmittelgesetz) zugrunde.
4
Der Antragsteller war am 22.03.2021 an seinem Wohnsitz im Inland festgenommen worden. Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 30.03.2021 die Auslieferungshaft angeordnet und die Auslieferung wegen der unter Ziffer I des Haftbefehls dargestellten Straftat für zulässig erklart.
5
Am 31.03.2021 hat die Staatsanwaltschaft Salzburg einen weiteren, vom Landesgericht Salzburg am 31.03.2021 bewilligten Europäischen Haftbefehl erlassen, in dem die dem Antragsteller zur Last gelegten Taten als Mitglied einer Verbindung einer größeren Anzahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten nach § 28 a Abs. 1 SMG genauer beschrieben wurden.
6
Am 23.04.2022 hat sich der Antragsteller zu Protokoll des Amtsgerichts München mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt, jedoch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet.
7
Mit Beschluss vom 29.04.2021 hat das Oberlandesgericht München den Beschluss vom 30.03.2021 ergänzt und festgestellt, dass hinsichtlich der in den Ziffern I und III des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 31.03.2021 beschriebenen Sachverhalte die Voraussetzungen für eine vereinfachte Auslieferung vorliegen.
8
Die Auslieferung ist sodann am 18.05.2021 erfolgt.
9
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 21.03.2022 (Az: 64 Hv 103/21d – 1417) ist der Antragsteller vom Tatvorwurf des Suchtgifthandels freigesprochen worden.
10
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 07.09.2022 an die Generalstaatsanwaltschaft München begehrte der Antragsteller die vollständige Löschung der Daten des Antragstellers aus sämtlichen Registern und Verzeichnissen.
11
Diesen Antrag lehnte die Generalstaatsanwaltschaft München mit Bescheid vom 20.10.2022 ab.
12
Sie wies darauf hin, dass die Daten nach § 77 Abs. 1 IRG in Verbindung mit § 484 Abs. 1 und § 485 Satz 1 StPO, § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Genchte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsverordnung – AufbewV) vom 29.7.2010 (GVBl S. 644) und der Anlage zu dieser Verordnung noch bis zum Ablauf des 31.12.2031 im hiesigen Verfahrensregister gespeichert seien. Ein Anspruch auf Löschung dieser Daten aus dem Verfahrensregister gemäß § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. § 500 Abs. 1 StPO und § 58 Abs. 2 BDSG bestehe vor diesem Zeitpunkt nicht.
13
Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 21.10.2022 per Telefax übermittelten Bescheid stellte der Antragsteller mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2022, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag, einem Dienstag, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, wobei er sich auf die Unschuldsvermutung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beruft. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Verpflichtung der Generalstaatsanwaltschaft München, die gespeicherten Daten betreffend der Person des Antragstellers vollständig aus sämtlichen Registern und Verzeichnissen zu löschen.
14
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 13.12.2022, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
15
Der Antragsteller nahm mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 29.12.2022, das der Generalstaatsanwaltschaft zur Kenntnisnahme übermittelt wurde, hierzu Stellung.
16
Der Senat nimmt im Übrigen auf die genannten Entscheidungen und Schreiben vollumfänglich Bezug.
17
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist wegen Versäumung der Antragsfrist unzulässig (s. unten I). Er hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt (s. unten II).
18
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art 12 Nr. 3 AGGVG für Entscheidungen in Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG zuständig.
19
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG statthaft.
20
Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist die Ablehnung der Generalstaatsanwaltschaft München, die zum Aktenzeichen, 703 Ausl 358/21 im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister gespeicherten personenbezogenen Daten des Antragstellers zu löschen. Dies sind aktuell die Personendaten einschließlich Vor- und Nachname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit, das Aktenzeichen, unter dem das Auslieferungsverfahren im Jahr 2021 bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführt wurde, die ersuchende Behörde und das Aktenzeichen dieser Behörde. In allen Fällen handelt es sich um personenbezogene Daten (§ 46 Nr. 2 BDSG) im Sinne der §§ 483 ff. StPO i.V.m. § 77 Abs. 1 IRG.
21
Bei der Ablehnung eines Antrags auf Löschung der in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister gespeicherten Daten handelt es sich um eine Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege trifft. Der angefochtene Bescheid stellt daher einen Justizverwaltungsakt im Sinne der §§ 23 ff. EGGVG dar (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 15, OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17.01.2008 – 3 VAs 47 – 48/07 –, NStZ-RR 2008, 183, juns Rn 13; vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juns Rn 6; OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juns Rn 16; KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., § 489 Rn 7).
22
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG jedoch verspätet eingelegt.
23
Die gesetzliche Ausschlussfrist von einem Monat berechnet sich einheitlich nach § 222 ZPO, § 16 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 186 ff BGB, wobei der Tag des den Fristbeginn auslösenden Ereignisses – hier der 21.10.2022 – nicht mitzählt (§ 187 Abs. 1 BGB; vgl. Kissel/Mayer/Mayer, 10. Aufl., EGGVG § 26 Rn 2). Die Monatsfrist begann somit gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 22.10.2022 und endete gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 21.11.2022, einem Montag (vgl. BeckOK BGB/Henrich, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 188 Rn 3) Der 21.11.2022, der Buß- und Bettag, war am Erklärungsort – München – kein staatlich anerkannter allgemeiner Feiertag gemäß § 193 BGB, so dass sich das Fristende nicht auf den Tag des Antragseingangs verschoben hat.
24
Der Antrag hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt.
25
Der Anspruch auf Löschung der durch die Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten wird seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20.11.2019 (BGBl. I 2019, S. 1774 ff.) am 26.11.2019 in § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 58 Abs. 2 BDSG geregelt. § 500 Abs. 1 StPO erklärt hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder (hier also durch die Generalstaatsanwaltschaft) Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes – und somit auch § 58 Abs. 2 BDSG – für entsprechend anwendbar, soweit in der Strafprozessordnung nichts anderes bestimmt ist (§ 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Die Verweisungsnorm des § 500 Abs. 1 StPO gilt – ebenso wie die die Datenverarbeitung für Zwecke des Strafverfahrens regelnden Normen der §§ 483 ff StPO – gemäß § 77 Abs. 1 IRG, der die sinngemäße Anwendung von Verfahrensvorschriften unter anderem der Strafprozessordnung anordnet, auch für die im Rahmen von Rechtshilfeverfahren gespeicherten Daten.
26
Nach der somit auch im Rechtshilfeverfahren entsprechend anzuwendenden Norm des § 58 Abs. 2 BDSG hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Löschung sie betreffender Daten zu verlangen, wenn deren Verarbeitung unzulässig ist, deren Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist oder diese zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen.
27
Keiner dieser Fälle liegt vor.
28
1. Die Verarbeitung (hier durch Erhebung und Speicherung, vgl. § 46 Nr. 2 BDSG) der Personendaten des Antragstellers und der verfahrensbezogenen Daten ist nicht unzulässig. Nach § 483 Abs. 1 Satz 1 StPO dürfen u.a. Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten in Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens – hier nach sinngemäßer Anwendung (§ 77 Abs. 1 IRG) für solche des Auslieferungsverfahrens – erforderlich ist. Dies ist bei den oben genannten Daten zur Person des Antragstellers, zur ersuchenden Behörde und zu den Aktenzeichen der ersuchten und der ersuchenden Behörde zweifellos der Fall.
29
2. Eine Löschung der personenbezogenen Daten des Antragstellers ist auch nicht zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht veranlasst.
30
a) Gesetzliche Löschungspflichten ergeben sich für die vorliegende Fallkonstellation insbesondere aus § 489 Abs. 1 StPO, wonach – unbeschadet der in § 75 Abs. 2 BDSG genannten Gründe für die Pflicht zur Löschung (danach hat der Verantwortliche personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist, sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen oder ihre Kenntnis für seine Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist) – folgende Daten zu löschen sind:
(1.) die nach § 483 StPO gespeicherten Daten mit der Erledigung des Verfahrens, soweit ihre Speicherung nicht nach den §§ 484 und 485 StPO zulässig ist (§ 489 Abs. 1 Nr. 1 StPO);
(2.) die nach § 484 StPO gespeicherten Daten, soweit die dortigen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen und ihre Speicherung nicht nach den § 485 StPO zulässig ist (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 StPO);
(3.) die nach § 485 StPO gespeicherten Daten, sobald ihre Speicherung zur Vorgangsverwaltung nicht mehr erforderlich ist (§ 489 Abs. 1 Nr. 3 StPO).
31
§ 58 Abs. 2 BDSG begründet somit in Verbindung mit § 489 StPO als Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung das subjektive Recht des Betroffenen auf Löschung personenbezogener Daten in Dateien der Strafjustizbehörden (OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 16 speziell zum staatsanwaltlichen Verfahrensregister; VG Karlsruhe, Urteil vom 30.07.2013 – 3 K 3496/12 –, BeckRS 2013, 55207; BeckOK StPO/Wittig, 46 Ed 1.1.2023, § 489 Rn. 3).
32
b) Die Generalstaatsanwaltschaft stützt sich in ihrem ablehnenden Bescheid darauf, dass die Speicherung der betreffenden Daten sowohl gemäß § 484 Abs. 1 StPO als auch gémáß § 485 Abs. 1 StPO bis zum 31.12.2031 erforderlich sei. Sie macht zunächst Ausführungen zur zeitlichen Befristung der Datenspeicherung und führt sodann aus, dass nach der gebotenen Abwägung zwischen den Belangen der Strafverfolgung einerseits und den Belangen des Antragstellers andererseits, insbesondere seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, eine Beibehaltung des Registereintrags bis zum 31.12.2031 zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Die weitere Erfassung der Daten diene der Strafverfolgungsvorsorge, die auch im öffentlichen Interesse liege. Sollten in Zukunft ähnliche oder gleichlautende Vorwürfe gegen den Antragsteller erhoben werden, könne das in Österreich geführte Strafverfahren zur Aufklärung dieser Tatvorwürfe zumindest von indizieller Bedeutung sein. Der Registereintrag würde es Strafverfolgungsbehörden in diesem Fall zumindest ermöglichen, etwaige Erkenntnisse, die die österreichische Justiz zutage gefördert habe, in die Ermittlungen einzubringen.
33
Die zu dem Antragsteller erfassten Personendaten müssten gespeichert werden, um die Personenidentität feststellen zu können. Die Beibehaltung des hiesigen Aktenzeichens diene dem Auffinden der Akte. Die Beibehaltung der Daten zu der ersuchenden Behörde und des dortigen Aktenzeichens diene dazu, eine Anforderung der bei den österreichischen Behörden geführten Ermittlungsakten zu ermöglichen.
34
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von der weiteren Datenerfassung im Verfahrensregister der Generalstaatsanwaltschaft München eine besondere Stigmatisierungs- und Diskreditierungswirkung nicht zu befürchten habe, da die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe im Verfahrensregister nicht gespeichert seien und sich aus diesem nur der Schluss ziehen lasse, dass die Staatsanwaltschaft Salzburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller geführt habe. Der Umstand des Freispruchs des Antragstellers von den Tatvorwürfen führe nicht dazu, dass im Rahmen der Abwägung sein Interesse an der Löschung der Daten überwiege. Aus den Urteilsgründen ergebe sich lediglich, dass die Darstellung des Antragstellers, die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen zu haben, nicht habe widerlegt werden können. Eine eindeutige Unschuld habe das Landesgericht Salzburg nicht feststellen können.
35
c) Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit die Voraussetzungen des § 484 StPO für eine weitere Datenspeicherung bejaht werden. Gleichwohl ist der Bescheid im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die Erforderlichkeit der weiteren Datenverarbeitung zutreffend auf § 485 StPO gestützt wird. Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
36
aa) Nach § 484 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 StPO dürfen Strafverfolgungsbehörden für Zwecke künftiger Strafverfahren die Personendaten des Beschuldigten (§ 484 Abs. 1 Nr. 1 StPO) und bestimmte Vorgangsdaten (§ 484 Abs. 1 Nrn. 2-5 StPO) zu dem Beschuldigten und dem Gegenstand des gegen ihn geführten Strafverfahrens verarbeiten. Die Vorschrift erlaubt somit das vorsorgliche Aufbewahren von Daten, die bereits in einem Strafverfahren für dessen Zwecke erhoben wurden (vgl. BT-Drucks. 14/1484, Seite 32), für künftige Strafverfahren.
37
Anders als die Generalstaatsanwaltschaft meint, ist die Strafverfolgungsvorsorge kein zulässiger Verarbeitungszweck für Daten, die im Rahmen und für Zwecke der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen erhoben wurden. Denn die Befugnis zur Datennutzung ist eng an den Erhebungszweck gebunden (BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009 – 2 BvR 902/06 –, BVerfGE 124, 43 = NJW 2009, 2431, juris Rn. 100; BeckOK StPO/Wittig, a.a.O., § 483 Rn. 4; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl, § 483 Rn. 2). § 77 Abs. 1 IRG ordnet zwar die sinngemäße Geltung der Vorschriften der Strafprozessordnung an, soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält. Dies bedeutet aber nur, dass sich das Verfahren der Verarbeitung von Daten, die für Zwecke der internationalen Rechtshilfe erhoben wurden, nach §§ 483 ff. StPO richtet, also dass etwa an die Stelle der Verarbeitung „für Zwecke des Strafverfahrens“ die Verarbeitung „für Zwecke der internationalen Rechtshilfe“ tritt, nicht aber, dass die für Zwecke der internationalen Rechtshilfe erhobenen Daten auch für Zwecke künftiger Strafverfahren verarbeitet werden dürfen.
38
(1) Das Auslieferungsverfahren ist kein Strafverfahren im Sinne der §§ 483 ff. StPO. Strafverfahren ist das gesamte Verfahren von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des Vollstreckungsverfahrens. Dies ergibt sich aus den im Gesetz genannten zuständigen Gerichten und Behörden (§ 483 Abs. 1, § 484 Abs. 1 und § 485 Abs. 1 StPO Gerichte, Strafverfolgungsbehörden einschließlich Vollstreckungsbehörden, Bewährungshelfer, Aufsichtsstellen bei Führungsaufsicht und die Gerichtshilfe) und aus der Gesetzesbegründung. Danach umfasst die Zweckbestimmung der Vorschrift, da das Strafverfahren aus den Verfahrensabschnitten Ermittlungsverfahren oder vorbereitendes Verfahren, Zwischenverfahren, Hauptverfahren, Rechtsmittelverfahren bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung und Vollstreckungsverfahren besteht, alle Abschnitte des Strafverfahrens (s. BT-Drucks 14/1448, Seite 31; so auch BeckOK StPO/Wittig, a.a.O., § 483 Rn. 1).
39
(2) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 483 Abs. 2 StPO, wonach die für Zwecke des Strafverfahrens erhobenen Daten auch für andere Strafverfahren, die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und Gnadensachen genutzt werden dürfen.
40
Die in § 77 Abs. 1 IRG angeordnete sinngemäße Anwendung der Strafprozessordnung auf Verfahren der internationalen Rechtshilfe führt nicht dazu, dass § 483 Abs. 2 StPO für den umgekehrten Fall gilt. Sinn des § 483 Abs. 2 StPO ist es, Doppelerhebungen und -speicherungen für andere strafrechtliche Verfahren, die internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie Gnadensachen zu vermeiden (Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, a.a.O., § 483 Rn 4, BeckOK StPO/Wittig, a.a.O., StPO § 483 Rn 6; MüKoStPO/Singelnstein, 1. Aufl., § 483 Rn 15; KK-StPO/Gieg, a.a.O., § 483 Rn 4). Dies führt im Ergebnis zwar zu einer Relativierung der in § 483 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen strengen Zweckbindung. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass es Sinn und Zweck strafverfahrensrechtlicher Datenerhebung widersprechen würde, wenn bereits vorhandene Informationen für ein anderes Verfahren nicht genutzt werden dürften (KK-StPO/Gieg, a.a.O., § 483 Rn. 4; Temming/Schmidt in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6 Aufl, § 483 Rn. 5). Die Zweckbindung ist aber insoweit vorhanden, als ein inländisches Ermittlungsverfahren dazu führen kann, dass Rechtshilfeersuchen an andere Staaten gerichtet werden.
41
Der Zweck der Vermeidung von Doppelerhebungen würde zwar grundsätzlich auch für die Verarbeitung von Daten aus dem Auslieferungsverfahren für künftige Strafverfahren gelten. Eine ausdrückliche Befugnisnorm, die die Verwendung von Daten, die für Zwecke der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen erhoben werden, für inländische Strafverfahren zulässt, existiert jedoch nicht. Einer analogen Anwendung steht entgegen, dass es sich bei den personenbezogenen Daten des Antragstellers um solche handelt, die der Generalstaatsanwaltschaft nicht für Zwecke eines inländischen Strafverfahrens, sondern nur für den Zweck der Rechtshilfe übermittelt wurden. Gemäß § 97 a Abs. 1 und 3 IRG i.V.m. § 77 h Abs. 1 Satz 1 IRG dürfen personenbezogene Daten, die von öffentlichen Stellen anderer Staaten oder von zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen übermittelt wurden, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, für andere Zwecke als diejenigen, für die sie übermittelt wurden, nur verwendet werden, wenn die übermittelnde Stelle zuvor zugestimmt hat. Als Ausnahme hiervon ist gemäß § 97 a Abs. 1 und 3 IRG i.V.m. § 77 h Abs. 1 Satz 2 IRG in entsprechender Anwendung des § 77 d Abs. 4 IRG die Verwendung bei nicht rechtzeitig möglicher Einholung der Zustimmung auch ohne Zustimmung zulässig, wenn die Übermittlung erforderlich ist zur Abwehr einer gegenwärtigen und erheblichen Gefahr.
42
Hieraus folgt, dass eine Verwendung der gemäß § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. § 383 StPO für Zwecke der Rechtshilfe gespeicherten Daten – die wie hier von der Republik Österreich übermittelt wurden – für Zwecke inländischer Strafverfahren ohne Zustimmung der Republik Österreich nicht zulässig ist, so dass auch deren Speicherung für Zwecke künftiger Strafverfahren unzulässig ist.
43
(3) Ob über § 77 Abs. 1 IRG eine entsprechende Anwendung des § 484 Abs. 1 StPO in Betracht kommt, um die Daten für künftige Auslieferungsverfahren zu nutzen, soweit dies erforderlich ist, kann dahinstehen, denn hierauf hat die Generalstaatsanwaltschaft ihren ablehnenden Bescheid nicht gestützt.
44
bb) Allerdings ist die Speicherung der betreffenden Daten zur Vorgangsverwaltung gemäß § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. § 485 Satz 1 StPO bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Auslieferungsakte Ende 2031 zulässig.
45
Die Generalstaatsanwaltschaft führt insoweit aus, dass die Daten im Verfahrensregister erfasst werden, damit bis zu diesem Zeitpunkt ein Wiederauffinden der Akte, die bei ihr zu dem Auslieferungsverfahren 703 Ausl A 358/21 vorgehalten wird, möglich sei.
46
(1) Nach § 485 Satz 1 StPO dürfen die dort genannten Stellen personenbezogene Daten in Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Vorgangsverwaltung ist das Anlegen von Daten zur Erfassung des bestehenden Akten- und Dateimaterials (Archivierung), wobei eine verwaltungsmäßige Erfassung des Aktenbestandes im Vordergrund steht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2022 – 3 VAs 14/22 –, juris Rn. 27; OLG Hamm Beschluss vom 26.02.2021 – III-1 VAs 74/20 –, juris Rn 24; SK-StPO/Weßlau/Deiters, 5. Aufl., § 485 Rn. 1). Die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten muss zu diesem Zwecke auch erforderlich sein.
47
(2) Die in § 485 Satz 1 und § 489 Abs. 1 Nr. 3 StPO ausdrücklich genannte Erforderlichkeit gilt generell für alle Datenverarbeitungszweck. Auch wenn keine Löschungsverpflichtung nach § 489 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StPO besteht, liegen die Voraussetzungen für die Speicherung der Daten nach §§ 483 bis 485 StPO dann nicht mehr vor, wenn die Kenntnis der Daten für den Speicherungszweck nicht mehr erforderlich ist. Dies ergibt sich nunmehr direkt aus § 75 Abs. 2 BDSG, der aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 489 Abs. 1 Satz 1 StPO unmittelbar anwendbar ist (vgl. BT-Drucks. 19/4671, Seite 69 zu Nr. 33). Danach sind für die Aufgabenerfullung des Verantwortlichen (hier der Staatsanwaltschaft) nicht erforderliche Daten zu löschen.
48
(3) Das „Erforderlichsein“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (KG, Beschluss vom 17.02.2009 – 1 VAs 38/08 –, StraFo 2009, 337, juris Rn 15, OLG Hamburg, Beschlüsse vom 09.10.2009 – 2 VAs 1/09 –, StraFO 2010, 85, juris Rn. 46, und vom 27.11.2009 – 2 VAs 5/09 –, juris Rn 20). Dem Senat ist eine eigenständige Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Erforderlichkeit“ im Sinne des § 58 Abs. 2 BDSG möglich, sofern – wie das vorliegend der Fall ist – das Aktenmaterial eine abschließende Entscheidung über das Löschungsgesuch gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 EGGVG zulässt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 27; so auch VG Karlsruhe, Urteil vom 30.07.2013 – 3 K 3496/12 –, BeckRS 2013, 55207; s.a. BeckOK-StPO/Wittig, 46 Edition 1.1.2023, § 489 Rn. 13, offen gelassen von OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2022 – 3 VAs 14/22 –, juris Rn 32).
49
(4) Der Maßstab der Erforderlichkeit muss dem Grundrecht auf införmationelle Selbstbestimmung gerecht werden. Aufgrund des Zweckbindungsgrundsatzes – es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Speicherung und konkretem Verwendungszweck bestehen – darf die speichernde Stelle nur diejenigen Daten (weiterhin) speichern, die für ihre Aufgabenerfüllung geeignet und erforderlich sind (OLG Dresden, Beschluss vom 19.05.2003 – 2 VAs 4/02 –, RDV 2004, 84, juris Rn. 19; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn 28). Die Speicherung personenbezogener Daten ist nur dann erforderlich, wenn die Aufgabe sonst nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Wesentliche Bestimmungsfaktoren für die Erforderlichkeit der Speicherung sind Datenumfang und Zeitaspekt (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 28, BeckOK-StPO/Wittig, a.a.O., § 489 Rn. 4.3). Die Staatsanwaltschaft muss im Rahmen einer individuellen Prüfung der Erforderlichkeit der Speicherung für die in den §§ 483 bis 485 StPO bezeichneten Zwecke im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung des Rechtes des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung und des Interesses der Allgemeinheit etwa an der Strafverfolgung oder der Vorgangsverwaltung (je nach Speicherungszweck) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vornehmen (vgl. KG, Beschluss vom 17.02.2009 – 1 VAs 38/08 – StraFO 2009, 337, juris Rn. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2008 – 3 VAs 47 – 48/07 – NStZ-RR 2008, 183, juris Rn 27; MüKoStPO/Singelnstem, a.a.O., § 489 Rn 11). Hierbei sind insbesondere von der Eintragung des Tatvorwurfs ausgehende etwaige Stigmatisierungs- und Diskreditierungswirkungen in den Abwägungsprozess einzustellen (vgl. OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17.01.2008 – 3 VAs 47 – 48/07 –, NStZ-RR 2008, 183, juris Rn. 30; vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juris Rn. 17, vom 20.12.2022 – 3 VAs 14/22 –, juris Rn. 14; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 30, OLGSt StPO § 483 Nr. 2, juris Rn. 21, OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 31, BeckOK-StPO/Wittig, a.a.O., § 489 Rn. 3.2).
50
(5) Dies zugrunde gelegt ist vorliegend, wie die Generalstáatsanwaltschaft im Ergebnis zutreffend angenommen hat, die weitere Speicherung der verfahrensgegenständlichen personenbezogenen Daten (hier Vor- und Nachname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit) sowie der Verfahrensdaten (hier: Aktenzeichen der ersuchenden und der ersuchten Behörde) zum Zwecke der Vorgangsverwaltung noch erforderlich.
51
(5.1) Die Generalstaatsanwaltschaft geht zunächst zutreffend davon aus, dass die Rechtshilfeakten bis zum 31.12.2031 aufbewahrt werden müssen.
52
Sie hat im Bescheid vom 20.10.2022 festgestellt, dass nach § 1 der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsverordnung – AufbewV) vom 29.07.2010 (GVBl. S. 644) in Verbindung mit der Anlage zur Aufbewahrungsverordnung (hier: Kennziffer 724) die Aufbewahrungsfrist für Akten in Auslieferungssachen zehn Jahre beträgt. Die Aufbewahrungsfrist beginnt in Fällen, in denen die verfahrensbeendende Entscheidung – wie vorliegend – keiner Rechtskraft bedarf, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AufbewV mit Ablauf des Jahres, in dem diese Entscheidung gefallen ist. Die verfahrensbeendende Entscheidung war die Bewilligung der Generalstaatsanwaltschaft vom 05.05.2021, so dass die Aufbewahrungsfrist mit Ablauf des Jahres 2021 begonnen hat und somit mit Ablauf des Jahres 2031 endet.
53
(5.2) Die Befugnis zur Speicherung nach § 485 StPO besteht nur soweit, wie die Akten archiviert und auffindbar sein müssen. Hierbei kann mangels spezieller gesetzlicher Regelungen in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich von den bundeseinheitlichen, in der Aufbewahrungsverordnung vom 29.7.2010 als Verwaltungsrichtlinie geregelten Aufbewahrungsfristen ausgegangen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juris Rn. 18; OLG Hamburg, Beschlüsse vom 27.11.2009 – 2 VAs 5/09 –, juris Rn. 23, und vom 09.10.2009 – 2 VAs 1/09 –, StraFO 2010, 85, juris Rn. 50; OLG Hamm, Beschlüsse vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 24 ff., insb. 28, 31; vom 26.02.2021 – III-1 VAs 74/20 –, juris Rn. 24; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 485 Rn. 1; MüKoStPO/Singelnstein, a.a.O., § 485 Rn. 6 m.w.N.; kritisch OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2008 – 3 VAs 47 – 48/07 –, NStZ-RR 2008, 183, juris Rn. 30, SK-StPO/Weßlau/Deiters, a.a.O., § 485 Rn 4; § 489 Rn. 7). Demgemäß wird die Erforderlichkeit der Datenspeicherung zur Vorgangsverwaltung regelmäßig allenfalls bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfristen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 25; OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 – juris Rn. 31) bzw. bis zur Aktenvernichtung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.11.2014 – 2 VAs 2/13 –, juris Rn. 12; Habenicht, NStZ 2009, 708, 709) bejaht. Nach Ablauf dieser Fristen ist die Speicherung zur Vorgangsverwaltung nicht mehr erforderlich und es besteht daher eine Löschungspflicht (MüKoStPO/Singelnstein, a.a.O., § 489 Rn. 24).
54
(5.3) Dass die Datenspeicherung im vorliegenden Fall zum Zweck der ordentlichen Archivierung und einer daran anknüpfenden späteren möglichen Aktenauffindung geeignet ist, ist offensichtlich. Gleichwohl kann eine weitere Speicherung nur der für die Vorgangsverwaltung noch relevanten Daten innerhalb der Aufbewahrungsfrist unzulässig sein, wenn nichts dafür spricht, dass die Eintragung auch in Zukunft praktische Bedeutung hat und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass die vorhandenen Daten die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern können (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juris Rn 20; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn 29). Insofern könne – nach einer verbreitet vertretenen Ansicht – von Bedeutung sein, ob es nach Person und Lebensumfeld des Betroffenen ausgeschlossen werden kann, dass dieser erneut strafrechtlich in Erscheinung treten wird (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.05.2003 – 2 VAs 4/02 –, RDV 2004, 84, juris Rn 23; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn 29; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juris Rn 19; SK-StPO/Weßlau/Deiters, a.a.O., § 485 Rn. 4; vgl. zu einem Sonderfall der unzulässigen Datenspeicherung bei strafunmündigen Jugendlichen OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2022 – 3 VAs 14/22 –, juris Rn. 29).
55
Ein hiermit vergleichbarer Fall liegt nicht vor.
56
(5.4) Die Generalstaatsanwaltschaft hat sodann die im Rahmen einer individuellen Prüfung der Erforderlichkeit der Speicherung für den in § 485 StPO bezeichneten Zweck erforderliche Abwägung des Rechtes des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung und des Interesses der Allgemeinheit an der Vorgangsverwaltung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorgenommen. Sie hat ausgeführt, die zu dem Antragsteller erfassten Personendaten müssten gespeichert werden, um die Personenidentität feststellen zu können. Dies begegnet keinen Bedenken.
57
Vom Umfang her ist die Speicherung auf die zur Vorgangsverwaltung erforderlichen Daten zu beschränken (MüKoStPO/Singelnstein, a.a.O., § 489 Rn 24). Damit ist allein eine Speicherung und Nutzung solcher Daten, die für die Archivierung, Fristenkontrolle und Wiederauffindbarkeit der Akten notwendig sind, erforderlich. Zur Person des Betroffenen ist somit die Speicherung von Familienname, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort grundsätzlich ausreichend, da hierdurch eine eindeutige Individualisierung des Betroffenen möglich ist und Verwechslungen mit anderen Personen ausgeschlossen werden können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 25). Ob die Speicherung der Geschlechtsangabe zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist (wohl verneinend – jedoch nicht tragend – OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.11.2014 – 2 VAs 2/13 –, juris Rn. 11), kann dahinstehen. Denn in Anbetracht der eindeutigen Vornamen des Antragstellers liegt in der Speicherung der Geschlechtsangabe keine zusätzliche Rechtsbeeinträchtigung (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn 23; zustimmend KK-StPO/Gieg, a.a.O., § 485 Rn. 2).
58
An Verfahrensdaten wird bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Speicherung von Aktenzeichen, Eingangsdatum, Tatzeit, Erledigungsart und -datum (kritisch hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 26) als grundsätzlich ausreichend und somit auch nur erforderlich angesehen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 411.2014 – 2 VAs 2/13 –, juris Rn 11; OLG Hamburg, Beschluss vom 09.10.2009 – 2 VAs 1/09 –, StraFO 2010, 85, juris Rn. 52; MüKoStPO/Singelnstein, a a O., § 485 Rn 4; BeckOK-StPO/Wittig, a a O., § 485 Rn. 1).
59
Diesbezüglich wurden vorliegend das Aktenzeichen, unter dem das Auslieferungsverfahren im Jahr 2021 bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführt wurde, die ersuchende Behörde und deren Aktenzeichen gespeichert.
60
Die Beibehaltung des hiesigen Aktenzeichens dient – so auch die Generalstaatsanwaltschaft – offensichtlich dem Auffinden der Akte und ist somit nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des Senats kann auch die Speicherung der ersuchenden Behörde und des dortigen Aktenzeichens noch als erforderlich zur Vorgangsverwaltung angesehen werden. Nach der Begründung der Generalstaatsanwaltschaft dient dies zwar dazu, eine Anforderung der bei den österreichischen Behörden geführten Ermittlungsakten zu ermöglichen. Diese Begründung trägt die Speicherung der ersuchenden Behörde und deren Aktenzeichen im Verfahrensregister aber nicht. Denn dieser Zweck betrifft die – hier unzulässige – Speicherung der Daten zur Strafverfolgungsvorsorge Allerdings dient umgekehrt die Speicherung des Aktenzeichens der ersuchenden Behörde bei einer nicht auszuschließenden Anfrage dieser dem Wiederauffinden der Auslieferungsakten.
61
Die Generalstaatsanwaltschaft geht auch zutreffend davon aus, dass der Antragsteller mangels Speicherung der gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe von der weiteren Datenerfassung in ihrem Verfahrensregister eine besondere Stigmatisierungs- und Diskreditierungswirkung (vgl. hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.11.2014 – 2 VAs 2/13 –, juris Rn. 11; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17.01.2008 – 3 VAs 47 – 48/07 –, NStZ-RR 2008, 183, juris Rn. 30; vom 20.07.2010 – 3 VAs 19/10 –, NStZ-RR 2010, 350, juris Rn. 17, und vom 20.12.2022 – 3 VAs 14/22 –, juris Rn. 22 f; OLG Hamburg, Beschlüsse vom 24.10.2008 – 2 VAs 5/08 –, NStZ 2009, 707, juris Rn. 30, und vom 09.10.2009 – 2 VAs 1/09 –, StraFO 2010, 85, juris 21 und Rn. 53; OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2010 – 1 VAs 16/10 –, juris Rn. 25 f.; KK-StPO/Gieg, a.a.O., § 485 Rn. 2; MüKoStPO/Singelnstein, a.a.O., § 485 Rn. 4; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl, § 485 Rn. 2, § 489 Rn 3; KK-StPO/Weßlau/Deiters, a.a.O., § 485 Rn. 3) nicht zu befürchten habe.
62
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft Ausführungen dazu macht, dass der Umstand des Freispruchs des Antragstellers von den Tatvorwürfen nicht dazu führe, dass im Rahmen der Abwägung sein Interesse an der Löschung der Daten überwiege, begegnet dies zwar im Hinblick auf die (oben zitierte) Begrundung rechtlichen Bedenken. Dies betrifft aber in der Sache die Strafverfolgungsvorsorge, die keinen zulässigen Speicherungszweck im Rahmen des Ausheferungsverfahrens darstellt, hat jedoch auf die Erforderlichkeit der Speicherung gemäß § 485 StPO keinen Einfluss.
63
Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1, § 27 Nr. 1 GNotKG.
64
Die Festsetzung des Geschäftswerts in Höhe von 5.000 Euro beruht auf § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 2 und Abs. 3 GNotKG.
65
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.